Garnkluge - Ferdinand Thomas - E-Book

Garnkluge E-Book

Ferdinand Thomas

4,2

Beschreibung

Garnkluge, ein ehrbarer Leinenhändler aus Hermannseifen, erlebt manch kühne Geschichte in seinem Leben. Vertrauen, Fleiß und Redlichkeit sind seine Tugenden, die seine Geschäftstätigkeiten zu manch Erfolg führen. Die exklusive Neuausgabe dieses Buches gibt einen erzählerischen Einblick in die alte Tradition und zeigt einen klugen Protagonisten.

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Ehemals Verlag von Ferdinand Augsten (vorm. Franz Jannasch) Buch-, Kunst- u. Musikalienhandlung, Verlag u. Antiquariat. Neu herausgegeben auf BoD durch den Nachkömmling in 6. Generation, Johann(es) Rietschel, [email protected]

„Üb‘ immer Treu‘ und Redlichkeit

Bis an Dein kühles Grab

Und weiche keinen Finger breit

Von Gottes Wegen ab!

Dann wirst Du wie auf grünen Au’n

Durchs Pilgerleben geh’n;

Dann kannst Du sonder Furcht und Grau’n

Dem Tod ins Antlitz seh’n.“

(Hölty)

Vorwort zur Neuausgabe 2015

ir schreiben das Jahr 2015. Derzeit sind “Flüchtlinge aus Syrien”, deren über eine Million nach Deutschland kommen, Thema Nummer 1 in der Presse.

Warum soll sich jemand für die Geschichte eines Leinenhändlers aus dem späten 18. Jahrhundert interessieren? Der “Garnkluge” als Büchlein ist längst nicht mehr erhältlich. Die Geschichte kann man allenfalls noch in einem Sammelband mit Riesengebirgsgeschichten finden. Meine Generation gehört auch schon wieder zu den “älteren”, meine Kinder sind noch knapp im 20. Jahrhundert geboren. Also ungefähr 200 Jahre nach dem “Garnkluge”, über den dieses Buch erzählt. Und trotzem ist die Geschichte des Garnkluge top aktuell!

Die derzeitige Flüchtlingswelle aus Syrien erinnert mich stark an die Geschichte unserer Familie. Die Geschäfte des “Garnkluge” entwickelten sich über Generationen hervorragend. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die “J.A. Kluge” einer der führenden Anbieter von feinstem Leinengarn in Europa, die Familie wohlhabend und geachtet. Dann kam der zweite Weltkrieg, und zum Ende des Krieges wurde die Familie enteignet, der “Kluge Baum” entwurzelt, ausgerissen und die Familie unter sehr ungemütlichen Umständen aus Ihrer Heimat vertrieben. Mittellos kamen die (meisten) Familienmitglieder zwischen 1944 und 1947 im Ausland an.

Daran muss ich immer wieder denken wenn ich Berichte über die syrischen Flüchtlinge lese. Wer weiss welche Schicksalsschläge jeder einzelne hinter sich hat! Wir haben die Verpflichtung als Menschen, Ihnen zu helfen. Unsere Familie hat sich durch solide Arbeit und Fleiss (den gelebten Tugenden des Garnkluge) wieder in verschiedenen Ländern ansiedeln können. Das kann ich auch den syrischen Flüchtlingen nur wünschen.

Viel Vergnügen mit dieser Neuausgabe, die ich zu Ehren meiner Vorfahren auf modernem Wege neu aufleben lasse. Geschichte und einige Fotos vom Ende der Klugesch‘en Leinenindustrie, die ich anlässlich einer Reise nach Oberaltstadt im Jahre 2012 unternommen habe, finden sich bald auf der website http://www.jakluge.com.

Zürich, im Oktober 2015

Johannes Rietschel, Ur-Ur-Ur-Urenkel vom “Garnkluge”

Inhalt

Vorwort zur Neuausgabe 2015

1. Der Garnhändler

2. Die Steuerkommission kommt!

3. Der Handelsherr aus Venedig ist da

.

4. Auf Wanderungen

.

5. Garnkluge kommt in Geldverlegenheit

6. Garnkluge reist nach Venedig

.

7. Im Hause des Venetianers

8. Der Aufenthalt in Venedig

9. Die Heimreise

10. Garnkluges weitere Tätigkeiten

Anhang Kurzbibliographie / Generationenfolge

1. Der Garnhändler

öhmen gehört heute zu den fruchtbarsten und gewerbefleissigsten Ländern der österreich-ungarischen Monarchie. Noch vor hundert und mehr Jahren sah es aber in vielen Teilen des Landes ärmlich und traurig genug aus. Am schlimmsten waren die Gebirgsgegenden daran, wo heute die Industrie in vollster Blüte steht. Obwohl damals diese Gegenden nur dünn bevölkert waren, so reichte der Ertrag von der Hände Arbeit doch kaum notdürftig zum Leben hin. Da die Bewohner dem rauhen und steinigen Boden nicht hinreichende Nahrung abgewinnen konnten, so mußten sie sich meistenteils mit Holzarbeit in den Wäldern, sowie mit Spinnen, Weben und Glasmachen beschäftigen, um sich so viel zu verdienen, daß sie dafür aus dem Innern des Landes die notwendigen Lebensmittel herbeiholen konnten.

In Nordböhmen, insbesondere im Jeschken-, Iser- und Riesengebirge, bildeten lange Zeit das Spinnen und Weben die Hauptbeschäftigung der Bewohner. Man baute sich Flachs an, der an den Gebirgsabhängen auch ganz vortrefflich gedieh. War er reif, so wurde er aus dem Acker gerissen oder, wie es hieß, „gerauft“. Dann breitete man ihn auf den Wiesen aus und ließ ihn eine Zeit lang ruhig liegen, bis die Stengel spröde und die Fasern in denselben mürbe wurden. Das nannten die Leute das „Rösten“ des Flachses.

Der geröstete Flachs musste dann scharf getrocknet und hierauf „gebrochen“ werden, was in kleinen hölzernen Hütten, den sogenannten „Brechstübeln“ geschah.

In einem solchen Häuschen stand ein Ofen, der von außen geheizt werden konnte. In denselben wurden gewöhnlich gegen Abend großmächtige Holzstöcke geschoben, damit viel Hitze erzeugt wurde und der auf eigenen Gerüsten in Gebinden gestellte Flachs gut trocknete. War dies geschehen, so konnte er erst gebrochen werden.

Der gebrochene Flachs wurde dann gesponnen. Fast in jedem Hause im Gebirge waren damals Spinnräder anzutreffen. Nicht selten spannen alle erwachsenen Hausbewohner, gewiß aber die Weibspersonen. Die jüngeren Leute kamen zuweilen auch zur Winterszeit in dem oder jenem Hause des Dorfes mit Spinnrad und Rocken zu gemeinsamer Arbeit zusammen. In einer solchen „Spinnstube“ wurde aber nicht bloß gesponnen, sondern es erklang in derselben auch fröhlicher Gesang und herrschte munteres Treiben.

Aus dem Garne wurde Leinwand hergestellt, die größtenteils verkauft oder vertauscht wurde. In manchem Hause traf man einen oder mehrere Webstühle. Die Weber verfertigten zumeist um Lohn „Hausleinwand“ für wohlhabende Leute.

In den Dörfern erschienen regelmäßig sogenannte „Garnmänner“, welche sowohl Garn als auch fertige Leinwand einkauften und beides in den Handel brachten. Oft tauschten sie auch Garn und Leinwand gegen Erzeugnisse der Landwirtschaft um. Von einem solchen Garnhändler will ich euch jetzt in diesem Büchlein erzählen.

Derselbe war, da er mit dem Familiennamen Kluge hieß, im Riesengebirge allgemein unter dem Namen „Garnkluge“ bekannt. So wollen auch wir ihn vorläufig nennen.

Garnkluge wohnte in Hermannseifen, einem Dorfe am Fuße des Riesengebirges zwischen Hohenelbe und Trautenau. Jeden Samstag hausierte er wie andere Garnmänner die Dörfer in der Umgebung der beiden Städte um Garn ab. Die Leute verkauften ihm auch gern ihre Erzeugnisse, weil er ein redlicher Mann war und ihnen nicht bloß einen höheren Preis als andere dafür zahlte, sondern ihnen gleich bares Geld gab oder, wenn sie es wünschten, auch Lebensmittel dafür eintauschte

Garnkluge schaffte dann das eingekaufte Garn auf die Jahrmärkte nach Breslau und Brünn, wo er es den Großhändlern verkaufte. Einmal wurde er auf einem dieser Märkte auch mit einem italienischen Agenten bekannt; dessen Handlungshaus in Venedig forderte ihn später auf, fertige Leinenwaren unmittelbar dorthin zu liefern. Das war für Garnkluge ein willkommener Anlaß, seinen Handel zu vergrößern.

Wie groß damals der Handel mit Garn und Linnen im Riesengebirge war, geht daraus hervor, daß beispielsweise die Stadt Trautenau in dem zehnjährigen Zeitraume von 1784 bis 1793 nach Preußisch-Schlesien 310.790 Stück Leinwand im Werte von 3.505.037 Gulden Conv.-Münze, nach dem Inneren Böhmens und Österreichs 92.965 Stück Leinwand im Werte von 1.185.225 Gulden Conv.-Münze und nach dem weiteren Auslande 57.836 Stück Leinwand im Werte von 670.584 Gulden C.-M., also zusammen 461.591 Stück im Werte von 5.360.866 Gulden Conv.-Münze lieferte. Wie einträglich das Leinengeschäft zu jener Zeit gewesen ist, möge die Tatsache beweisen, daß der Trautenauer Leinwandhändler Ignaz Falge im Jahre 1796 die Herrschaft Lomnitz mit dem Gute Tschista, im Jahre 1798 aber schon wieder die Herrschaft Miletin kaufen konnte, daß ferner der Arnauer Färber und Leinwandhändler Johann Franz Theer im Jahre 1790 die Herrschaft Wildschütz nebst Hermannseifen erwarb und in den Freiherrnstand mit dem Adelsnamen „von Silberstein“ erhoben wurde.

Da es zu jener Zeit noch keine Eisenbahnen gab, so wurden alle Frachten nach entfernten Gegenden nur von Großfuhrleuten besorgt. Diese hatten dabei ein schönes Leben, denn sie kamen weit in der Welt herum. Es gab in Nordböhmen Fuhrleute, die oft nach Bayern, in die Alpenländer, nach Ungarn, Mähren, ja bis nach Italien fuhren. Nach Prag ist fast jeder Fuhrmann Nordböhmens einmal im Jahre gefahren.

Der Fuhrmann war damals noch eine gar wichtige Persönlichkeit; er war oft Frächter und Kaufmann in einer Person. Er führte die Erzeugnisse des Landes hinaus in die Ferne und kaufte dort auf eigene Hand oder auf Bestellung Waren aller Art, die man daheim nicht bekam, und machte damit gute Geschäfte. Er brachte dem Dorfkrämer allerlei Waren aus der Stadt, den Bauern steirische Sensen und Sicheln mit. Die Wirtin wünschte die raren Kaffeebohnen, eine Hofbäuerin hatte Seife, ihre Tochter ein seidenes Tüchel bestellt; und das kleine „Nannerl“ sollte eine Puppe bekommen. Auch die Post ersetzte zuweilen der Fuhrmann. Da gab ihm wohl eine Mutter ein Päckchen Würste vom Schweineschlachten oder Kuchen von der Kirchweih („Kirmes“) mit, daß er sie unterwegs in der Garnisonsstadt, durch die er fahren mußte, ihrem Sohne einhändige, der dort bei den Soldaten war.