Gaslicht 15 - Susan Grant - E-Book

Gaslicht 15 E-Book

Susan Grant

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Beschreibung

In dieser neuartigen Romanausgabe beweisen die Autoren erfolgreicher Serien ihr großes Talent. Geschichten von wirklicher Buch-Romanlänge lassen die illustren Welten ihrer Serienhelden zum Leben erwachen. Es sind die Stories, die diese erfahrenen Schriftsteller schon immer erzählen wollten, denn in der längeren Form kommen noch mehr Gefühl und Leidenschaft zur Geltung. Spannung garantiert! Außer dem Plätschern der Wellen war kein Laut zu hören. Keine Menschenseele war jetzt noch unterwegs. Niemand begegnete ihm. Er begann schon zu glauben, daß der Erpresserbrief weiter nichts als der makabre Scherz eines Verrückten gewesen war, als er den angegebenen Treffpunkt erreichte. Die alte Blutbuche an der Wegbiegung. Nervös hielt er inne und blickte sich um. Niemand war zu sehen. Trotzdem hatte er das unheimliche Gefühl, beobachtet zu werden. Er glaubte Blicke zu spüren, die wie Nadelstiche seine Haut trafen. Neben ihm dehnten sich dunkle, hohe Hecken. Wie leicht konnte sich dort jemand verbergen. Plötzlich hörte er ein Geräusch hinter sich. Er wollte herumfahren, als ein Schlag seinen Rücken traf. Den Blick bescheiden zu Boden gesenkt, hört sich Carry Mason die Ausführungen der Hausdame Jane an. Durch das hohe Bogenfenster fiel Sonnenlicht und schenkte den dunklen, antiken Möbeln Glanz. Madame Jane, eine hagere Frau mit strengen Zügen und schwarzen Adleraugen, hatte ihr keinen Platz angeboten. Prüfend ging ihr Blick über die Erscheinung des jungen Mädchens, fand ihre Züge angenehm, das rote Haar ordentlich frisiert und die Kleidung schlicht. »Deine Zeugnisse sind ja soweit in Ordnung«, sagte sie. »Die Stellenvermittlung hat dich wärmstes empfohlen. Versuchen wir es mit dir. Die Probezeit dauert ein Vierteljahr. Danach hast du die Chance, fest angestellt zu werden. Das heißt, wenn Lady Faye mit dir zufrieden ist. Du sollst vorwiegend unserer jungen Lady zur Verfügung stehen. Hast du noch Fragen, Carry?« »Nein, Madame! Ich werde mir große Mühe geben, Lady Faye zufrieden zu stellen.« »Das hoffe ich! Dann komm mit,

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Gaslicht – 15 –

Das Lachen der Teufelin

Susan Grant

Außer dem Plätschern der Wellen war kein Laut zu hören. Keine Menschenseele war jetzt noch unterwegs. Niemand begegnete ihm. Er begann schon zu glauben, daß der Erpresserbrief weiter nichts als der makabre Scherz eines Verrückten gewesen war, als er den angegebenen Treffpunkt erreichte. Die alte Blutbuche an der Wegbiegung. Nervös hielt er inne und blickte sich um. Niemand war zu sehen. Trotzdem hatte er das unheimliche Gefühl, beobachtet zu werden. Er glaubte Blicke zu spüren, die wie Nadelstiche seine Haut trafen. Neben ihm dehnten sich dunkle, hohe Hecken. Wie leicht konnte sich dort jemand verbergen. Plötzlich hörte er ein Geräusch hinter sich. Er wollte herumfahren, als ein Schlag seinen Rücken traf.

Den Blick bescheiden zu Boden gesenkt, hört sich Carry Mason die Ausführungen der Hausdame Jane an. Durch das hohe Bogenfenster fiel Sonnenlicht und schenkte den dunklen, antiken Möbeln Glanz.

Madame Jane, eine hagere Frau mit strengen Zügen und schwarzen Adleraugen, hatte ihr keinen Platz angeboten. Prüfend ging ihr Blick über die Erscheinung des jungen Mädchens, fand ihre Züge angenehm, das rote Haar ordentlich frisiert und die Kleidung schlicht.

»Deine Zeugnisse sind ja soweit in Ordnung«, sagte sie. »Die Stellenvermittlung hat dich wärmstes empfohlen. Versuchen wir es mit dir. Die Probezeit dauert ein Vierteljahr. Danach hast du die Chance, fest angestellt zu werden. Das heißt, wenn Lady Faye mit dir zufrieden ist. Du sollst vorwiegend unserer jungen Lady zur Verfügung stehen. Hast du noch Fragen, Carry?«

»Nein, Madame! Ich werde mir große Mühe geben, Lady Faye zufrieden zu stellen.«

»Das hoffe ich! Dann komm mit, ich werde dir dein Zimmer zeigen und dich später den Herrschaften vorstellen.«

In der schloßähnlichen Villa der Sullivans gab es mehrere Stockwerke. In der Mansarde, direkt unter dem Dachboden, lagen die Zimmer der Hausangestellten. Carry bekam ein winziges Zimmer zugewiesen, in dem gerade nur ein Bett, ein Schrank und ein kleiner Tisch mit Stuhl vor dem Fenster Platz hatten.

Die Hausdame ließ sie allein, damit sie ihre Sachen auspacken konnte. Sobald sie damit fertig war, sollte sich Carry wieder bei ihr melden, um von ihr in ihre Pflichten eingewiesen zu werden.

Carry trat an das kleine Fenster und betrachtete die Aussicht, während ein eigenartiges Lächeln ihre Lippen umspielte. Unten fiel der im englischen Stil angelegte Park sanft bis zum Dark-Lake hinab, der sich bis zum Horizont erstreckte. Links wurde der See von schwarzen Felsen begrenzt, die düstere Schatten auf das Wasser warfen. Einige Seemöwen flogen kreischend über die glatte Wasseroberfläche dahin. Es war anzunehmen, daß der See reich an Fischen war.

Auf sensible Naturen mochte diese Landschaft bedrohlich wirken. Doch Carry spürte nur ein Gefühl von Triumph. Sie hatte ihr Ziel erreicht und die Stellung bei den Sullivans bekommen. Nach all den stressigen Jobs in drittklassigen Hotels bedeutete das für sie einen großen Fortschritt in ihrer Karriere.

Jetzt brannte sie drauf, ihre neue Herrin kennenzulernen. Faye Sullivan war nur einige Jahre jünger als sie. Hoffentlich war sie nett und nicht so arrogant wie viele Adelige, die mit einem goldenen Löffel im Mund zur Welt gekommen waren und sich für etwas Besseres hielten.

Aber wie auch immer, Carry würde sich darauf einstellen müssen. Sie hatte keine andere Wahl.

Faye saß in ihrem eleganten Boudoir, als die Hausdame Jane ihr Carry vorstellte. Die junge Lady war auffallend hübsch. Aschblondes Haar mit hellen Strähnen umrahmte ihr ovales Gesicht mit den klassisch schönen Zügen, den strahlend blauen Augen und den vollen Lippen, die ein herzliches Lächeln zeigten.

»Carry, schön, daß du bei uns bleiben willst«, lächelte sie. »Es ist mittlerweile gar nicht so einfach geworden, junge Mädchen in diese einsame Gegend zu lotsen, wo die nächste Disko meilenweit weg­liegt.«

»Ich mache mit nichts aus Diskotheken«, entgegnete Carry. »Mich zieht nichts in die Großstädte mit ihrem Trubel und Benzingestank. Ich freue mich und bin glücklich, für Sie arbeiten zu dürfen, Lady Faye.«

»Schön, Carry!« Faye nickte ihr mit freundlichem Lächeln zu. Das hübsche Mädchen gefiel ihr, auch wenn der Ausdruck ihrer Augen seltsam wirkte. Sie waren wie dunk­le Fenster, die kein Licht hereinließen, undurchschaubar.

Sicher ist Carry nur schüchtern, sagte sich Faye. Wie angenehm, endlich ein eigenes Mädchen zu haben, anstatt auf die ältere mürrische Mabel angewiesen zu sein, die hauptsächlich ihrer Mutter, Lady Dawn, zur Verfügung stand und weder ein Händchen für schicke Frisuren noch für Schönheitspflege hatte.

Pünktlich um zwanzig Uhr wurde auch heute im Eßzimmer mit den englischen Stilmöbeln vom Butler Fred das Dinner serviert. Wie üblich saß Lord Julian am Kopfende der Tafel. Der Platz seiner Gattin Dawn war rechts von ihm, ihr gegenüber saß Faye. Diese Sitzordnung bestand, seit Faye alt genug war, am gemeinsamen Dinner teilzunehmen.

»Wie gefällt dir dein neues Mädchen, Faye?« erkundigte sich ihre Mutter in ihrer ruhigen, introvertierten Art. Lady Dawn hatte angenehme Züge und war ganz Dame. Doch Faye sah ihr überhaupt nicht ähnlich und viele mochten sich fragen, woher Faye ihre bezaubernde Schönheit hatte.

Ganz sicher nicht von ihrem Vater, denn Lord Julian konnte man höchstens auf grobe, maskuline Art attraktiv nennen.

»Carry wirkt recht sympathisch«, drückte sich Faye vorsichtig aus. »Es ist noch zu früh, sich ein Urteil zu erlauben.«

»Verlassen wir uns ganz auf Madame Janes Urteil«, warf der Lord ein. »Sie hat nun mal ein Gespür für gutes Personal.« Er warf einen zärtlichen Blick auf seine Tochter, die er vergötterte. Zu seinem Leidwesen hatte seine zarte Frau ihm nur eine Tochter schenken können. Auf sie konzentrierte sich jetzt seine ganze Liebe. »Dad, das schöne Wetter scheint sich zu halten. Reiten wir morgen früh zusammen aus?« Faye blickte ihn erwartungsvoll an.

»Morgen? Leider unmöglich. Ich erwarte einen wichtigen Klienten in unserer Anwaltskanzlei. Verschieben wir den Ausritt auf Samstagmorgen. Dann bin ich gern mit von der Partie.«

*

Über den Dark-Lake tanzten noch die Nebelfrauen, als Faye und der Lord in aller Herrgottsfrühe losritten. Fayes sonst so friedliche Schimmelstute Sunshine wirkte heute überraschend nervös und ungeduldig.

»Ich glaube, Sunshine verspürt schon Frühlingsgefühle.« Faye blickte sich lachend zu ihrem Vater um, der ihr auf einem kräftigen Fuchswallach folgte. »Sie läßt sich kaum halten. Wie wäre es mit einem kleinen Galopp?«

»In Ordnung! Reite du voran, Faye. Aber sei bitte vorsichtig.«

Sobald Faye die Stute zum Galopp durchpariert hatte, preschte diese los wie von der Tarantel gebissen, und Faye mußte sich höllisch konzentrieren, um nicht aus dem Sattel zu fliegen.

»Faye, halt Sunshine zurück?« hörte sie ihren Vater brüllen, während die Uferböschung des Sees an ihr vorüberraste wie in einem zu schnell abgespulten Film.

Das ist leichter gesagt als getan, durchzuckte es die junge Lady. Sunshine reagierte auf keinen ihrer Versuche sie zu stoppen. Wie entfesselt raste sie mit wirbelnden Hufen dahin. Verzweifelt versuchte sie, die Stute zu zügeln, als sie mit grellem Wiehern so unvermittelt stieg, daß Faye in hohem Bogen aus dem Sattel flog.

»Um Himmelswillen!« eisiger Schrecken durchfuhr Julian, als er seine Tochter regungslos an der Uferböschung liegen sah, während die Stute mit schleifenden Zügeln weiterraste. »Fay, Darling, bist du in Ordnung?« Er sprang vom Pferd und neigte sich in panischer Angst über sie. Sie hatte die Augen geschlossen. Ob sie ohnmächtig war, oder…?

»Fay, kannst du mich hören? Sag doch etwas«, flehte er.

In diesem Moment öffnete sie die Augen und starrte ihn blicklos an. »Dad, was ist…?«

»Sunshine hat dich abgeworfen. Hast du Schmerzen?«

»Mein Kopf«, stöhnte sie. »Mir ist schwindelig. Ich kann dich gar nicht richtig erkennen.«

»Versuche mal, aufzustehen.« Vorsichtig nahm er sie unter die Achselhöhlen und stellte sie auf die Beine. »Gebrochen scheinst du nichts zu haben. Glück im Unglück.« Kurzerhand packte er sie auf den Fuchswallach und führte das Pferd mit seiner Last zum Stall zurück.

Ben, der Stallbursche eilte sogleich besorgt herbei. »Ist etwas passiert, Mylord?«

»Sunshine hat Faye abgeworfen und ist durchgegangen. Du mußt versuchen, sie einzufangen. Beeile dich!«

»So ein Unglück aber auch. Ist die junge Lady verletzt?«

»Ich fürchte, ja, und ich werde auf der Stelle den Landarzt rufen.« Er informierte Ben noch, in welche Richtung die Stute gerannt war, dann führte er Faye ins Haus und brachte sie in ihr Boudoir, nachdem er Butler Fred beauftragt hatte, das neue Stubenmädchen zu holen.

Kurz darauf klopfte es an der Tür, und Carry trat ins Boudoir. »Die junge Lady hat sich verletzt?« meinte sie betroffen. »Das tut mir aber leid, Sir!«

»Sorge bitte dafür, daß meine Tochter sogleich zu Bett gebracht wird.« Julian warf einen flüchtigen Blick auf das Mädchen und stutzte.

Diese dunklen Augen, das flammend rote Haar… Er hatte das vage Gefühl, sie zu kennen, ihr irgendwann schon einmal begegnet zu sein. Irgendeine dunkle Erinnerung berührte wie ein Eishauch sein Herz. »Du bist also die Neue?« sagte er mit einer Stimme, die wie zerbrochen lang. »Wie ist dein Name?«

»Carry Mason, Mylord«, hauchte sie mit gesenktem Blick.

»Ach, ja?« Erleichterung durchströmte ihn. Der Name war ihm fremd. Er hatte ihn noch niemals vorher gehört, und Mädchen mit rotem Haar und dunklen Augen gab es massenhaft in Schottland.

Er verabschiedete sich, um Dr. Forrest anzurufen. Er war in großer Sorge um seine Tochter, und diese Sorge verdrängte alle düsteren Gedanken.

*

Carry hatte die junge Lady gesäubert und ihr eines ihrer entzückenden Nachthemden aus besticktem Batist angezogen. Immer wenn ihr übel wurde, hielt sie ihr die Schüssel, wusch ihr das Gesicht und trocknete den Schweiß auf ihrer Stirn.

Als Dr. Forrester von Fred hereingeführt wurde, verließ Carry taktvoll das Boudoir.

Noch immer hatte Faye das grauenvolle Gefühl, die Umwelt wie durch einen Nebelschleier zu sehen, und so konnte sie den Arzt, der an ihr Himmelbett trat, nur schattenhaft wahrnehmen. Erst der vertraute Klang seiner Stimme schreckte sie auf.

»Faye, wie schön, dich endlich wiederzusehen«, sagte Dr. Andrew Forrest mit Wärme. »Auch wenn der Anlaß nicht gerade erfreulich ist.«

»Andrew, du? Bist du es oder ist es dein Geist?« flüsterte Faye total überrascht. »Ich hatte eigentlich deinen Vater erwartet. Seit wann bist du wieder im Lande?«

»Erst seit kurzem, Faye. Meinem Dad, er ist ja auch nicht mehr der Jüngste, geht es momentan nicht so besonders, und er ist froh, durch mich Entlastung zu bekommen. Landarzt zu sein ist nun mal ein harter Job und kein Zuckerlecken.«

»Du hast dich ja eine Ewigkeit lang nicht mehr bei uns blicken lassen«, schmollte sie. »Muß ich erst vom Pferd stürzen und mir den Schädel einschlagen, damit du dich bei uns blicken läßt?«

»Übertreibe nur nicht. Dein hübscher Kopf scheint noch völlig intakt zu sein. Erzähl mir, wie ist das passiert?«

»Sunshine hat heute verrückt gespielt. Ich weiß auch nicht was ihr in die Krone gestiegen ist. Sie preschte los wie Lützows wilde Jagd, und dann gab es für mich kein Halten mehr. Beim Sturz muß ich dann mit dem Hinterkopf auf einen Stein geprallt sein. Es tat so höllisch weh, daß ich für einige Minuten völlig weggetreten war.«

»Laß mal sehen, Faye!« Mit unendlicher Zartheit tastete er ihren Hinterkopf ab. »Du hast da eine ganz nette Beule«, stellte er fest. »Außerdem eine Gehirnerschütterung. Als dein Leibarzt verordne ich dir drei Tage lang strenge Bettruhe und Eisbeutel auf die Beule. Du kannst von Glück sagen, daß dir nicht mehr passiert ist, Faye!«

»Ich hätte mir ja auch das Genick brechen können«, schauderte sie.

»Erhol dich erstmal von dem Schrecken. Ich sehe morgen wieder nach dir.«

»Du willst schon gehen?« fragte sie so enttäuscht, daß ihm warm ums Herz wurde.

»Ich komme ja wieder«, lächelte er. »Wir haben uns sicher eine Menge zu erzählen. Aber jetzt brauchst du erst einmal Ruhe ohne Ende. Sei ein braves Mädchen und hör auf den Onkel Doktor.«

»Ich werde mir Mühe geben.« Faye brachte sogar ein schwaches Grinsen zuwege, dann schlief sie auch schon ein.

Andrew beruhigte noch Lady und Lord Sullivan und bat sie, ihn sofort anzurufen, falls sich Fayes Zustand verschlechtern würde.

Carry kümmerte sich rührend um die Verletzte, versorgte sie mit Eisbeuteln, Tee und Zwieback und hielt ihr den Kopf, wenn ihr übel wurde. Es war Carrys erste Bewährungsprobe und sie bestand sie zur vollsten Zufriedenheit ihrer Herrschaft.

Bevor der Lord sich schlafen legte, sah er noch einmal nach seiner Tochter. Voller Liebe blickte er in ihr schönes, vom leichten Fieber gerötetes Gesicht.

»Kann ich noch etwas für dich tun, Darling?« fragte er sanft.

»Nein, vielen Dank! Ich fühle mich schon wieder ganz fit«, übertrieb sie. »Was ist mit Sunshine? Habt ihr sie gefunden?«

»Die Stute steht längst wieder in ihrer Box, zum Glück unverletzt. Sie hat sich auch wieder beruhigt. Mach dir keine Sorgen, mein Herz!«

»Was war nur mit ihr los? Dermaßen von der Rolle habe ich sie noch nie erlebt.«

»Tiere sind nun mal unberechenbar. Ich habe den Tierarzt kommen lassen, der die Stute gründlich untersucht hat und sie völlig in Ordnung fand.« Lord Sullivan verschwieg, daß der Tierarzt den Verdacht ausgesprochen hatte, Sun­shine könnte gedopt worden sein. Was natürlich völlig abwegig war.

Wer hätte ein Interesse daran haben können, Sunshine zu dopen? Sie war doch kein Rennpferd, das Preise gewinnen mußte.

»Schlaf gut, mein Liebes!« Er küßte sie zart auf die Stirn und verließ auf Zehenspitzen das Boudoir als wäre Faye eine Schwerkranke.

Lord Julian hatte der Unfall hart mitgenommen. Er hatte ihm wieder erneut klargemacht, wie sehr er seine Tochter liebte, wie sehr er an ihr hing. Wenn ihr etwas zustoßen sollte, er würde es nicht ertragen können.

*

Wie versprochen erschien An­drew am nächsten Abend zum Krankenbesuch.

»Wie geht es denn meiner reizenden Patientin?« erkundigte er sich in seiner launigen Art.

»Wenn ich so liege, geht’s, Doc«, scherzte Faye mühsam. »Aber ehrlich gesagt, so ganz toll fühle ich mich nicht. In meinem Kopf veranstalten noch immer Flugzeuge ein Wettfliegen. Dabei kenne ich Kopfschmerzen sonst gar nicht. Es ist für mich eine ganz neue Erfahrung, Kopfweh zu haben, wenn auch keine angenehme.«

»Medikamente möchte ich dir nicht verabreichen. Davon würde dir nur wieder übel werden. Aber ich habe etwas anderes für dich, das dir hoffentlich Erleichterung verschaffen wird.« Er kramte in seiner Arzttasche und holte ein Fläschchen Japanisches Heilöl heraus. Behutsam rieb er mit der scharf riechenden Essenz ihr die Stirn und Schläfen ein.

Faye schloß mit wohligem Seufzer die Augen. Sie empfand die sanfte Berührung seiner Finger als angenehm.

»Mach ruhig weiter«, murmelte sie. »Es tut gut, gestreichelt zu werden. Ich glaube, du hast die Hände eines Wunderheilers.«

»Schön wär’s. Dann könnte ich meinen Patienten die Medikamente ersparen. Du weißt ja, daß auch schon mein Großvater Landarzt in unserer Gegend war. Die Leute haben ihm nachgesagt, er hätte durch bloßes Handauflegen feststellen können, wie hoch die Temperatur des Patienten war.«

»Andrew, wir haben uns noch soviel zu erzählen. Ich weiß gar nichts über die Zeit, in der du in London studiert hast. Ich hoffe, du wirst mich auch besuchen, wenn ich wieder gesund bin.«

»Das werde ich gern machen«, versprach er und berührte flüchtig ihre Stirn mit seinen Lippen. »Bis bald, Faye!«

Nachdem sich der Arzt verabschiedet hatte, tauchte Carry auf, um Faye für die Nacht zurecht zu machen. Sie brachte frischen Tee für die junge Lady, der im Raum aromatischen Duft verbreitete. »Es sind schlaffördernde Mittel darin, Miß Faye«, erklärte sie. »Dr. Forrest hat ihn empfohlen. Ein sympathischer Mann, dieser junge Arzt. Sie kennen ihn von früher?«

»Wir kennen uns von Kind an.« Faye lächelte. »Andrew hat schon als kleiner Junge seinen Vater zu Patientenbesuchen begleitet. Wir haben auch dieselbe Schule besucht, Andrew drei Klassen höher als ich. Erst nach seinem Abitur haben wir uns aus den Augen verloren, weil er sein Studium in London aufgenommen hat.«