Gedanken zur digitalen Entgiftung - Jens Glutsch - E-Book

Gedanken zur digitalen Entgiftung E-Book

Jens Glutsch

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Beschreibung

Privatsphäre, Freiheit, Überwachung und Manipulation - dies sind die Grundgedanken, welche dieser Sammelband der Blog-Artikel des Jahres 2016 aus der Manufaktur für digitale Selbstverteidigung behandelt. Angereichtert mit sprachlichen Ausflügen in die Popkultur dieser und vergangener Tage und stets mit der angemessenen Bissigkeit gewürzt. Abgerundet werden die Artikel mit praktischen Hinweisen zum alltäglichen Schutz der Privatsphäre - direkt umsetzbar.

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Ich widme diese Buch Johanna.

Danke, dass du mich auf Ideen bringst.

Inhaltsverzeichnis

Der Blog-Jahresband 2016

Privatsphäre? - Warum denn?

2.1 Ich hab doch nix zu verbergen

2.2 Wozu brauche ich denn eine Privatsphäre?

2.3 Wie unsere Privatsphäre beschränkt wird

2.4 Wie kann ich meine Privatsphäre schützen?

Datensparsamkeit

3.1 Datensparsamkeit, Tao und Anarchie – Das hilft beim Schutz der Privatsphäre

3.1.1 Tao und Stoa

3.2 Was ich tun kann, wenn die Datenkraken mir an die Daten gehen wollen

3.3 Anarchische Ideen zum Daten sparen

3.4 Teilen ist teilen, aber posten ist Selbstaufgabe

Passwörter

4.1 Warum wir starke Passwörter brauchen

4.2 Wie sieht ein starkes Passwort aus?

4.3 Passphrasen-Mantra oder Diceware – Ideen für selbstgebastelte sichere Passwörter

4.4 Passwort-Manager – Passwort-Verwaltung für Müßige

Kurznachrichten

5.1 Wie? Immer noch WhatsApp?

5.2 Wie kurznachrichte ich dann sicher?

5.3 Was kann schon passieren...ich hab ja nix zu verlieren!

5.4 Ich hab gar nix mitbekommen Kurznachrichten und Aufmerksamkeit

Überwachung

6.1 Wer überwacht uns...und warum?

6.2 Wir überwachen dich – nur zu deiner eigenen Sicherheit!

6.3 Wir überwachen dich – weil wir doch nur dein Bestes wollen!

6.4 Wir überwachen uns – weil wir die Mittel dazu haben!

Soziale Netzwerke

7.1 Warum posten eigentlich alle?

7.2 Was mach ich mit meiner Privatsphäre bei Facebook?

7.3 Was mache ich mit meiner Privatsphäre bei Twitter?

7.4 Soziale Alternativen

Profile

8.1 Was ist denn so schlimm an Profilen?

8.2 Ich weiß, wo du warst, wo du bist und wo du sein wirst – Bewegungsprofile

8.3 Ich weiß, was du willst, weil ich weiß, wer deine Freunde sind – Persönlichkeitsprofile

8.4 Pre-Crime - vorhersagende Polizeiarbeit und Profile

Off the Grid

9.1 Ein Versuch, möglichst unsichtbar zu werden

9.2 Tor, Tails und die Theorie der Anonymität

9.3 Mails, Mäßigung und die neue Mündigkeit

9.4 Wie weit will ich gehen?

Digital Natives und Privatsphäre

10.1 Digital Natives haben es schwerer

10.2 Digital Natives kennen sich doch eh besser aus, oder?

10.3 Digital Natives auf Stellensuche

10.4 Digital Native oder Digital Naïve?

Silver Surfer

11.1 Noch nicht zu alt zum Surfen!

11.2 Ich hab ja nichts mehr zu verlieren

11.3 Früher war alles besser

11.4 Das ist alles so kompliziert

1. Der Blog-Jahresband 2016

Ein Jahr gesammelte Gedanken - organisiert in den großen Themen, die mich in diesem Jahr 2016 voran- und umgetrieben haben.

Ich finde es schlicht zu schade, diese Gedanken nur dem virtuellen Raum des Internets zu überlassen. Schließlich leite ich eine Manufaktur, da geziemt es sich für mich, meine Gedanken auch in guter alter analoger Manier, zu Papier zu bringen. Gut, da gibt es dann sicher noch diejenigen, die das ganze Papier für einen Holzweg halten und der Ansicht sind, wir hätten nie Meißel und Steintafel beiseitelegen sollen. Diesen rufe ich zu: Greift zu Hammer und Meißel und gebt meinen Worten einen dauerhaften Rahmen - in Stein! Besser, als meine Worte dauerhaft in den digitalen Speichern der Internetkonzerne und Geheimdienste zu wissen.

Nun denn, geschätzter Leser, ich wünsche dir viel Spaß beim Stöbern, Erinnern und neu entdecken meiner Gedankensammlung 2016.

2. Privatsphäre? - Warum denn?

2.1 Ich hab doch nix zu verbergen

Als Begründung für den fragwürdigen Umgang mit den eigenen Daten höre ich immer wieder das Argument “Ich habe doch nichts zu verbergen!”. An dieser Stelle schüttele ich regelmäßig voller Verwirrung meinen Kopf und ich überlege, ob ich hier möglicherweise einfach sehr stur oder sehr uneinsichtig bin. Bisher habe ich für mich jedes Mal dieselbe Antwort gefunden. Nein, ich bin nicht uneinsichtig und ja, ich habe weiterhin etwas zu verbergen.

Ich will hier einige Punkte aufzeigen, die hoffentlich verdeutlichen, warum ich die Aussage “Ich habe doch nichts zu verbergen!” für kurzsichtig, ja sogar für gefährlich halte.

Wenn jemand sagt “Ich habe doch nix zu verbergen!”, zeigt sie oder er auf den ersten Blick zwei Dinge:

Sie (oder er) handeln nach seiner (oder ihrer) Überzeugung entsprechend den geltenden Regeln und Konformismen.

Er (oder sie) will ein leuchtendes Vorbild an Transparenz sein.

Das sind beide beachtenswerte Ansichten. Nur glaube ich nicht, dass es tatsächlich so ist.

Zu Punkt 1: Ich halte es schlicht für unmöglich, dass sich ein Mensch an alle (zumal diese sich oft genug widersprechen) Regeln und Konformitäten halten kann. Jedem von uns ist schon mehr oder weniger häufig ein Regelverstoß vor die Füße gefallen. Und möglicherweise hält dieser Mensch dies auch gar nicht für maßgeblich, da ihm (oder ihr) dieser Regelverstoß gar nicht aufgefallen ist. Es kann auch sein, dass dieser Regelverstoß in die persönliche Grauzone von “ach das ist jetzt aber nicht so schlimm” fällt und daher garnicht als ein solcher betrachtet wird.

Das Blöde bei einem Fehlen der Privatsphäre aber ist, dass es hier einfach keine Grauzone mehr gibt. Alles ist öffentlich. Alles wird nur nac Regeln und Gesetzen bewertet, die eigene Einschätzung einer Situation hat keine Bedeutung mehr. Da ist halt das kurze Halten im Halteverbot ein Verstoß gegen die Gesetze. Da ist das Fußballspielen auf der Wiese ein Regelverstoß.

Es gibt einfach keine persönliche Grauzone mehr, in der man sich selbst ausloten kann. Wenn kein Raum für Privatsphäre da ist, gibt es auch keinen Raum für persönliche Entscheidung.

Zu Punkt 2: Vollkommene Transparenz zu leben ist eine furchtbare Dystopie. Ich denke, dass jeder der versucht dies zu erreichen, zum Scheitern verurteilt ist. Niemand kann vollkommene Transparenz leben. Es ist schlicht unmöglich, weil wir einfach unsere Umwelt mit unseren Eindrücken, Ideen, Gedanken und Gefühlen überfluten würden. Was aber noch viel wichtiger ist, wir können einfach nicht alles von uns preisgeben, da wir sonst uns selbst preisgeben würden. Wir brauchen unsere Privatsphäre einfach dafür, um zu sein.

Wir können uns nur in einem Raum entwickeln, in dem wir ganz wir selbst sein können. Wir brauchen unsere Geheimnisse, wir brauchen unsere Abgründe, die sonst niemand kennt.

Ein weiterer Grund für die Notwendigkeit einer Privatsphäre ist der freie Wille. Wenn alles über uns bekannt ist, haben wir keine Wahl mehr uns für das Richtige zu entscheiden. Wir können uns dann nicht mehr entscheiden, bei Rot über die Ampel zu gehen, weil es sofort öffentlich bekannt sein würde, dass wir einen Regelverstoß begangen haben. Und dieses Wissen, dass alles öffentlich ist, was wir tun, zwingt uns dazu, uns regelkonform zu verhalten. Wir müssten uns immer an alle Regeln und Gesetze halten und hätten einfach nicht mehr die Möglichkeit, uns - und sei es nur insgeheim - abseits der erlaubten Pfade zu bewegen. Es besteht einfach keine Wahlfreiheit mehr für uns, uns richtig oder falsch zu verhalten. Dadurch wird regelkonformes Verhalten zum Zwang und wenn hier Zwang als Grund für das Verhalten vorliegt, ist es nicht mehr gut, weil eben die Wahl, das Richtige zu tun fehlt.

Es geht noch weiter: Unsere Demokratie wäre ad absurdum geführt. Freie, geheime Wahlen wäre nicht mehr möglich. Jeder wüsste, wen und ob wir gewählt haben. Das wäre das Ende unserer frei gewählten Gesellschaftsform.

Zum Abschluss meiner Gedanken möchte ich noch einen ganz konkreten und pragmatischen Hinweis auf die Notwendigkeit von Privatsphäre geben: Passwörter.

Wir alle nutzen Passwörter und niemand kommt auf die Idee, diese Passwörter öffentlich zu machen.

Also schließe ich mit den Worten:

Wir haben alle etwas zu verbergen. Darum meine eindringliche Bitte an euch, macht euch stark für eure Privatsphäre und beginnt mit starken Passwörtern. Vielleicht, indem ihr einen Passwort-Manager wie Master Password1 oder KeePassX2 verwendet.

2.2 Wozu brauche ich denn eine Privatsphäre?

“Wozu brauche ich denn Privatsphäre?” Diese Frage taucht oft im Anschluss an meine Gedanken zum Thema Ich hab doch nix zu verbergen! auf.

Ich will hier einige Anregungen dafür geben, wozu wir unsere Privatsphäre brauchen und warum ich glaube, dass wir ohne unsere Privatsphäre nicht wir selbst wären.

Jeder von uns braucht einen geistigen Sandkasten, in welchem Ideen betrachtet werden können, ohne dass hier von außen Einfluss genommen werden kann. Wir brauchen ein Labor in welchem wir mit Gefühlen und Gedanken experimentieren können, ohne dafür Rechenschaft ablegen zu müssen. Dieser Freiraum gibt uns Kraft unsere Identität zu bewahren.

Individualität

Ich bin überzeugt davon, dass wir ohne unsere Privatsphäre keine Individualität entwickeln, bzw. leben können. Wenn alles über uns bekannt ist, dann können wir keine eigenständige Persönlichkeit entwickeln. Eigene Gedanken, eigene Ideen, ein eigener Kopf etwickelt sich nicht im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit. Hierzu bedarf des dem Kerzenschein der Heimlichlichkeit. Ganz nebenbei wird uns dies sogar in Artikel 2 des Grundgesetzes3 mitgegeben.

Entwicklung

Neben der Entfaltung der eigenen Individualität (oh, ein schöner Pleonasmus, fällt mir gerade dabei auf :) ), findet auch Wachstum, Wandel und Entwicklung nur im heimlichen Raum der Privatsphäre statt. Das bringt auch Stephen Fearing in seinem Song Me & Mr. Blue schön zum Ausdruck:

“Changes always happen best in privacy”.

Wenn wir überwacht werden und unsere Privatsphäre immer weiter eingeschränkt wird, ist für uns einfach keine Entwicklung mehr möglich. Wir werden blasse Kopien der vermeintlichen Idealvorstellungen, die uns durch Medien, Werbung und Gesellschaft vorgehalten werden.

Freier Wille

Wenn alles von uns bekannt ist, wenn jede unserer Entscheidungen öffentlich gemacht ist, haben wir auch keine Möglichkeit mehr uns frei zu entscheiden. Wenn wir uns lediglich an Recht und Gesetz halten können, weil jede unserer davon abweichenden Handlungen als falsch vorgeworfen und entsprechend geahndet wird, nimmt uns dies unseren freien Willen. Eine Handlung, die nur in dieser Form ausgeführt wird, weil wir wissen, dass wir überwacht werden, verliert jeden Anspruch daran, gut zu sein. Die Entscheidung, ob etwas richtig oder falsch ist, liegt in unserem eigenen Ermessen und nicht darin, ob die Gesellschaft dies als richtig oder falsch festlegt. Wird uns dieser Ermessensspielraum dadurch genommen, dass wir keine Privatsphäre mehr haben, um diesen Ermessensspielraum auszuloten, dann verlieren wir auch unseren freien Willen und werden zu reinen Befehlsempfängern degradiert.

Kreativität

Nur im sicheren Raum unserer Privatsphäre ist Kreativität möglich. Neue Ideen müssen im Geheimen entstehen. Die Öffentlichkeit unterdrückt ungewöhnliche Gedanken und kopiert lieber allseits Bekanntes. Wenn kein Raum für unpopuläre Ideen vorhanden ist, wird der Mainstream einfach immer wieder in einer neuen Verkleidung hochstilisiert. Das ist langweilig. Das bringt uns nicht weiter. Wirklich Neues entsteht nur im Privaten. Wird aber eine neue Idee gleich an die Öffentlichkeit gezerrt, weil es einfach keine Privatsphäre mehr gibt, ist diese gleich dem Vergleich mit dem Mainstream ausgesetzt und hat hier nur, als junge, ungezähmte Idee, wenig Kraft sich zu entwickeln. Wächst diese Idee jedoch in einem geschützten und geheimen Bereich der Privatsphäre heran, so ist sie kräftig genug, um sich freiwillig der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Schutz vor Manipulierbarkeit

Unsere Privatsphäre ist auch ein stabiler Schutzwall gegen die immer stärker zunehmende Manipulation unseres Lebens, unserer Entscheidungen. Datensammler versuchen, unsere Privatsphäre immer stärker einzuschränken, damit sie immer bessere Profile von uns erstellen können. Diese Profile geben mehr und bessere Ansatzpunkte, um uns zu manipulieren. Wenn wir jedoch unsere Privatsphäre stärken, indem wir weniger über uns preisgeben, schützen wir uns vor desen Manipulationsversuchen.

Was können wir jetzt jedoch konkret tun, um unsere Privatsphäre zu schützen?

Mein Tipp heute lautet:

Seid datensparsam! Überlegt, bevor ihr etwas postet. Überlegt, ob es notwendig ist. Überlegt, ob es hilfreich ist. Überlegt, ob es freundlich ist. Und falls eines davon nicht zutrifft, halte ich mich an Oscar Wilde:

“Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.”

2.3 Wie unsere Privatsphäre beschränkt wird

Nachdem wir nun einige Ideen haben, warum wir unsere Privatsphäre schützen sollten, gebe ich jetzt einige Hinweise darauf, wodurch unsere Privatsphäre beschränkt wird.

Ich habe manchmal das leichte Gefühl paranoid zu sein - aber bloß, weil alle hinter dir her sind, heißt das ja noch lange nicht, dass ich unter Verfolgungswahn leide ;)

So ungefähr können wir uns gut die Situation vorstellen, in der wir leben - meistens ohne das wir es bewusst mitbekommen.

Aber ganz im Spaß (ernsthaft möchte ich unsere Lage wirklich nicht bewerten, sonst verliere ich noch den Spaß am Leben - und das wär wirklich blöd), wir werden schon von ganz schön vielen Seiten in unserer Privatsphäre eingeschränkt.

Es fängt beim Staat an, geht weiter über die verschiedenen Geheimdienste (und da hören wir erstaunlicherweise meistens nur von den “befreundeten” Diensten ... da will ich wirklich gar nicht wissen, wie die Nachrichtendienste der “unfreundlichen” Staaten uns aushorchen), Unternehmen, die nur unser Bestes wollen (nämlich unsere Daten) und endet schließlich bei uns selbst!

Ja, das ist jetzt der Moment für betretenes Schweigen.

Letztendlich sind wir selbst unser größter Feind.

Aber dazu komme ich noch später.

Ich fange jetzt mal beim Großen an und arbeite mich dann durch bis zum Kleinen. Allerdings ist das keine Wertung in der Reihenfolge. Jede Form der Überwachung ist schlimm.

Die Einschränkung unserer Privatsphäre findet bei diesen unterschiedlichen Überwachern auf verschiedenen Ebenen statt, was ihnen jedoch meiner Meinung nach gemein ist (was ganz schön gemein ist [Verzeihung, ich hatte heute einen Clown zum Frühstück]), ist die Tatsache, dass alle dadurch Kontrolle über uns ausüben wollen.

Und darauf habe ich mal so überhaupt keinen Bock.

Genug der Vorrede, los gehts.

Der Staat.

Unser lieber Staat (egal welcher Couleur die aktuelle Regierung ist, da ist Rot so Schwarz wie Grün eher ins Olivegrüne und Braun auch nicht mehr von Gelb, Lila gepunktet oder Grau zu unterscheiden ist), möchte unsere Daten. Zum Terrorschutz. Zur besseren Altersvorsorge. Damit wir wissen, wie viele Gürteltiere so pro vermietetem Quadratmeter leben oder wo noch ein Atommüllendlager entstehen kann, ohne dass zu viele Steuerhinterzieher auf die Cayman Islands verschwinden. Egal welches Argument dafür aus dem Fabulierlexikon der Lobbyisten gezogen wird oder welche tote Sau mal wieder durch das politische Dorf gejagt wird - es hat alles nur den Grund mehr Kontrolle über uns zu erlangen. Und ein mehr an Kontrolle erreicht man sehr einfach durch ein weniger an Privatsphäre. Denn: Wissen ist Macht.

Für diesen Zweck werden dann so brandgefährliche, weil vollkommen unsichere Spielzeuge wie der elektronische Ausweis4 oder vollkommen untaugliche und rechtswidrige Maßnahmen wie die Vorratsdatenspeicherung5 angeleiert.

Geheimdienste.

Unsere Freunde. Die, die man ja nicht überwacht. Das sind die Besten. Vermutlich sogar die Besten der Besten der Besten, Sir!

Naja, zumindest was der Ideenreichtum und die Skrupellosigkeit bei ihrer Datenschnüffelei angeht. Egal ob BND, NSA6 oder GCHQ7, alle machen sie mit. Hören unsere Telefonate ab, lesen unsere E-Mails und werten unsere Kreditkartenabrechnungen aus.

Von Privatsphäre ist da keine Rede mehr - höchstens als irgendetwas, das möglichst schnell für “den höheren Zweck”, das “Allgemeinwohl” oder die “Terrorabwehr8” geopfert werden muss. Wir müssen halt Opfer bringen für unsere Sicherheit. Als ob auch nur ein Terroranschlag verhindert worden wäre durch die nahezu vollkommene Überwachung dieser Maschinerie die Orwell sich noch nicht mal in seinen wüstesten Träumen ausmalen konnte. Dieses irrsinnige Missverhältnis von milliardenfacher Massenüberwachung, um eine Handvoll Terroristen zu verfolgen. Diese Terroristen müssen Monster leviathanischen Ausmaßes sein, wenn sie bei den Geheimdiensten solche Ängste auslösen, dass hier die Privatsphäre von Milliarden Menschen geopfert wird, um so ein paar Irre zu verfolgen.

Unternehmen.

Unternehmen schränken unsere Privatsphäre von einer ganz anderen Seite her ein. Diese werten die Daten, die sie bereits über uns besitzen aus, um daraus noch weitere Werte über uns zu berechnen. Die Datenkraken setzen komplexe (und am Rande bemerkt höchst geheime) Algorithmen9 ein, um unsere Kreditwürdigkeit zu berechnen, um uns Vorschläge zu machen, was wir doch bitte als Nächstes kaufen sollten, welches Lied wir jetzt am besten hören mögen, welchen Film wir gleich schauen sollten und wohin unsere nächste Urlaubsreise gehen muss.

Das tun diese unternehmerischen Gutmenschen natürlich nur für uns. Natürlich.

Drauf gepfiffen! Ich will das nicht! Ich will entscheiden, was ich als Nächstes esse, welches Lied ich höre, wohin und wie ich meine nächste Reise mache. Es ist schon schlimm genug, dass sich diese, diese Datenmonster anmaßen mich zu kennen, die Vorstellung haben, mich verstanden zu haben. Zu wissen wie ich ticke. Ach! Ihr armen Technologie-Jünger, ihr tut mir leid! Nichts wisst ihr. Ihr gaukelt euren Kunden - ich will lieber sagen: Euren Datenquellen - vor, ihr würdet jeden individuell behandeln. Nein, das wollt ihr nicht. Ihr wollt, dass alle gleich sind, denn dadurch steigt euer Profit nämlich viel besser.

Wir selbst.

Endlich bin ich beim Kern unserer Beschränkung angekommen. Es ist eine Selbstbeschränkung, nein eine Selbstverstümmelung gar. Wir selbst sind unser schlimmster Feind. Wir selbst überwachen uns am stärksten. Freiwillig! Wir liefern schön artig unsere Schlafzyklen ab. Wir lassen unsere Schritte zählen. Teilen großzügig der Welt mit, wann wir Sex haben weil unser smarter Thermostat einen Anstieg der Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit im Schlafzimmer feststellt, posten unseren Blutdruck durch unser „Fitness“-Armband, vermessen unseren Blutzuckerspiegel durch intelligente Kontaktlinsen10 und sagen wirklich ständig wann wir wo sind durch die Geodaten, die wir mit Fotos teilen oder durch die Routenberechnung mit GoogleMaps in unseren Smartphones.

Und noch mehr: Wir liefern die Bilder unserer eigenen Heimüberwachungskameras freiwillig ab, damit diese von Gesichtserkennungsprogrammen11 ausgewertet werden können.

Sind wir denn noch zu retten?

Ja. Ich bin überzeugt davon, denn ich habe Ideen und Gedanken dazu, wie wir uns selbst retten können. Denn genauso wir selbst verschuldet in diesen Überwachungsalbtraum eingetaucht sind, genauso können wir uns selbstverantwortlich daraus befreien.

Und ich kann euch dabei helfen.

2.4 Wie kann ich meine Privatsphäre schützen?

Also schön.

Langsam dringt es durch die Hornhaut auf meiner Seele zu mir durch, dass ich selbst etwas tun muss, um meine Privatsphäre zu schützen, um mich nicht selbst in diesem ganzen Datenmüll zu verlieren.

Aber was? Und wo fang ich an?

Fang an, wo du bist. Jetzt. Hier. Setz dir nicht erst einen Startpunkt in der Zukunft, weil dann fängst du nie an.

Es ist auch wirklich nicht schwer anzufangen. Wir müssen nicht komplett alles, was wir bisher getan haben umkrempeln und auf den digitalen Müll werfen, sondern wir können Schritt für Schritt anfangen, unsere Privatsphäre zurückzuerobern und zu stärken.

Lüge, betrüge und täusche

Wir riskieren unsere Privatsphäre stark dadurch, dass wir zu viel von uns preisgeben - und das nutzen die Datenkraken dreist aus. Sie sammeln alles, was sie von uns bekommen können - und bereitwillig geben wir es ihnen. Es werden in so vielen Formularen so viele Daten von uns abgefragt, von der Schuhgröße unseres Hamsters über unsere Lieblingsfarbe der Gardinen bis zu unseren Geburtstagen, Geschlecht, zweiter Vorname der Schwiegermutter und all solche Sachen, die meistens vollkommen unnötig für die Erbringung der Dienstleistung sind, die wir an dieser Stelle in Anspruch nehmen wollen.

Ein Musik-Streaming-Dienst braucht deine Adresse nicht, um dir Musik zu liefern. Sie wird gestreamt, nicht von der Post ausgetragen.

Und die Schuhgröße deines Hamsters muss auch niemand erfahren - es sei denn du bestellst Schuhe für deinen Hamster.

Deswegen ist mein Rat: Lüge! Betrüge! Täusche!

Gib - wenn es sich denn um ein Pflichtfeld handelt - falsche Daten an.

Die Datenkraken belügen dich auch - also warum zahlen wir es ihnen nicht mit gleicher Münze heim? Wir haben nichts davon, wenn wir den Datensammlern diese Daten geben - also wenn sie Daten haben wollen - dann geben wir ihnen Datenmüll!

Erst denken - dann posten

Wir geben unsere Privatsphäre auch an anderer Stelle ganz freiwillig auf. Niemand zwingt uns dazu, wir tun es einfach so. Wir machen uns ganz selbstverständlich und ohne Zwang datennackt. Wir begehen an uns selbst Datenmissbrauch, wenn wir ständig jeden Moment unseres Lebens posten, anstatt ihn zu genießen. Niemand will sehen, was ich diesen Abend zu essen auf dem Tisch habe. Kein Mensch muss wissen, dass ich - erstaunlicherweise - auch an diesem Abend auf die S-Bahn warte, um nach Hause zu fahren.

Niemanden interessiert das. Auch dich nicht mehr, nachdem du es gepostet hast.

Deswegen ist ein ganz einfacher Schutz deiner Privatsphäre: erst denken, dann posten.

Zähle bis zehn, dann überleg dir, ob es sinnvoll, hilfreich und gut ist, was du gerade posten willst.

Kannst du all diese Fragen klar mit “ja” beantworten, dann meinetwegen, poste es.

Ansonsten genieße einfach den Moment und behalte ihn für dich!

Niemand muss alles über dich wissen - schon gar nicht Facebook Gib einfach nicht alle Daten preis! Facebook und andere asozialen Plattformen vermitteln dir den Eindruck, dass du viel tiefer und erfolgreicher in diesem oder jenem Netzwerk eingebunden bist, je mehr du über dich preisgibst! Deine Lieblingsfilme! Deine Fernsehserien für die du sogar deine Mutter verkaufen würdest, um sie nicht zu verpassen! Deine Lieblingsapps! Deine Schuhgröße (diesmal nicht die deines Hamsters - der hat ja sein eigenes Profil)! Wann du geboren wurdest! Und wo! Und warum! Was du von blauleuchtenden Pinguinflüglern hältst! Und warum! Wo du wohnst! Und seit wann! Und mit wem! Und wen du anbetest! Und warum nicht jemanden anderen! Und wie deine sexuelle Orientierung ist (Facebook bietet die Wahlmöglichkeit aus mehr als 60 Orientierungen)! Wenn du all das angibst, wirst du ein besseres Mitglied dieser Community! Genau!

Oder einfach nur vollkommen kontrolliertes Opfer, welches prima ausgebeutet werden kann.

Gib so wenig wie möglich preis. Du brauchst den Schwachsinn nicht auszufüllen, damit du an diesem Netzwerk teilhaben kannst. Es dient einzig dazu, dich in ein Profil zu pressen, um dir noch viel besser “genau auf dich abgestimmte Inhalte” aufzuoktroyieren.

Such selber, anstatt suchen zu lassen

Ich finde es schon albern, dass “googeln” es tatsächlich in den Duden geschafft hat. Tatsächlich mit der Bedeutung “etwas zu recherchieren”. Also weiter weg von recherchieren kann etwas mit Google suchen nicht sein. Denn du findest nichts Neues. Du findest Dinge, von denen Google denkt, dass sie für dich wesentlich sind. Du bist in einer Filterblase gefangen, die sich immer stärker um die Dinge dreht, die du bereits kennst. Das hat auch schon Adolph Freiherr von Knigge erkannt, dass es sich dabei um ein schlechtes Vorgehen handelt, als er folgendes sagte:

“Sei nie ganz müßig! Lerne dich selbst nicht zu sehr auswendig, sondern sammle aus Büchern und Menschen neue Ideen. Man glaubt es gar nicht, welch ein eintöniges Wesen man wird, wenn man sich immer in dem Zirkel seiner eigenen Lieblingsbegriffe herumdreht, und wie man dann alles wegwirft, was nicht unser Siegel an der Stirne trägt.”

“Lerne aus Büchern und Menschen neue Ideen.” Lerne neue Ideen und zwar aus Büchern und Menschen. Google kann dir keine neuen Ideen liefern, denn es lässt dich “immer in dem Zirkel” der “eigenen Lieblingsbegriffe herumdrehen”. Und dadurch wirst du “ein eintöniges Wesen”. Darum, Mensch, befreie dich aus deiner selbst gewählten Unmündigkeit und suche frei. Frei von Tracking und Vorfilterung. Nutze Suchmaschinen wie DuckDuckGo.com oder Startpage. Hier wird deine Suche nicht vorgefiltert und du musst dich nicht weiter “in dem Zirkel der [Google-gewählten] Lieblingsbegriffe herumdrehen”. Suche frei, Mensch!

Mach halt wieder ein paar Dinge analog

Leg dir ein Adressbuch zu. Also ein richtiges Buch. Mit echten Seiten. Leuchturm191712 hat dafür ein ganz tolles Produkt. Es ist immer da. Es braucht keinen Strom. Es ist kompatibel mit allen Stiften.

Kauf - oder bastel - dir einen Kalender. Hier brauchst du dir keine Gedanken zu machen, wer deine geheimen Termine liest. Oder wem du den Kalender freigegeben hast. Oder ob er Zugriff von deinen 97 datensaugenden Apps hat. Es ist einfach ein Taschenkalender. Du kannst darin rummalen, kritzeln, schreiben, schmieren, Seiten rausreißen und wieder einkleben. Es ist einfach schön.

Und jetzt überrasche mal jemanden mit einer Postkarte. Das ist viel schöner, individueller und persönlicher als ein blöder Post in deiner Timeline.

Das ist digitaler Ungehorsam!

Greifen wir zur Datenselbstverteidigung und schützen unsere Privatsphäre!

1https://ssl.masterpasswordapp.com/

2https://www.keepassx.org/

3https://de.wikipedia.org/wiki/Artikel_2_des_Grundgesetzes_f%C3%BCr_die_Bundesrepublik_Deutschland

4https://www.ccc.de/de/updates/2013/epa-mit-virenschutzprogramm

5http://blog.data-detox.de/2015/12/22/sie-ist-wieder-da/

6http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2015-08/xkeyscore-nsa-verfassungsschutz/komplettansicht

7https://theintercept.com/2015/09/25/gchq-radio-porn-spies-track-web-user-sonline-identities/

8https://theintercept.com/2015/11/17/u-s-mass-surveillance-has-no-record-of-thwarting-large-terror-attacks-regardless-of-snowden-leaks/

9https://www.schneier.com/blog/archives/2016/01/replacing_judgm.html

10http://www.zeit.de/digital/2014-01/google-kontaktlinse-diabetes

11https://netzpolitik.org/2012/facewatch-id-grosbritannien-startet-denunziatien-app/

12https://www.leuchtturm1917.de/

3. Datensparsamkeit

3.1 Datensparsamkeit, Tao und Anarchie – Das hilft beim Schutz der Privatsphäre

Unsere Privatsphäre schützen wir effektiv dadurch, dass wir sie eben nicht freiwillig preisgeben. Das ist eine ganz simple Sichtweise, nur ist sie für viele gar nicht so simpel umzusetzen. Wir sind mittlerweile einfach so sehr daran gewöhnt worden, dass wir unsere Daten freiwillig - und dazu noch gerne - hergeben.

Und gerade dadurch setzen wir einen Großteil unserer Privatsphäre aufs Spiel: indem wir unsere Daten ganz ohne Zwang, ohne Überwachung von außen abgeben.

Einfach aus uns heraus.

Weil Daten hergeben, so toll ist.

Weil ich doch nix zu verbergen habe.

Weil doch die ganze Welt (oder zumindest meine 3875 “Freunde”) unbedingt wissen muss, wo ich gestern um 23:36 Uhr war.

Hier spielt die Überwachung durch Datenkraken noch gar keine Rolle.

Und wenn wir nicht gerade Edward Snowden sind (und das sind - zum Glück - die wenigsten), dann spielen an dieser Stelle auch die Geheimdienste nur eine untergeordnete Rolle. Die Daten, welche die Geheimdienste hier abgreifen, ist einfach Beifang (wie ein Delphin in der Thunfischdose eben).

Die Datenkraken müssen in diesem Fall auch noch nicht einmal aktiv nach unseren Daten verlangen, denn wir schenken sie ihnen ja!