Gedankenspiele über die Sehnsucht - Felicitas Hoppe - E-Book

Gedankenspiele über die Sehnsucht E-Book

Felicitas Hoppe

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Beschreibung

Das Glück ist da, wo du nicht bist? Diagnose: Sehnsucht. Krankheit des schmerzlichen Verlangens. Wer will die schon haben? Allerdings sind, rein chemikalisch betrachtet, ungesättigte Verbindungen reaktionsfreudiger als gesättigte. Aber was ist eigentlich das Ziel unserer süchtigen Wünsche? Felicitas Hoppe lädt zu einer Reise durch Räume, Träume und Zeiten ein, auf der sich die Sehnsucht in Longing, der Weltschmerz in Fernweh, die Nostalgia in Neugier und der Wunsch in die Angst vor seiner Erfüllung verwandelt. Dabei tun sich kleine und etwas größere Fragen auf: Was ist der Unterschied zwischen Werbung und Philosophie? Zwischen Verheißung und Erfüllung? Zwischen Genügsamkeit und Selbstoptimierung? Und, last but not least: Welche Rolle spielen dabei, zwischen Diesseits und Jenseits, Gott und die Kunst?

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Seitenzahl: 26

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Felicitas Hoppe

Gedankenspiele über die

Sehnsucht

Literaturverlag Droschl

Für Dietrich zur Nedden

Don’t live basic – live iconic!

Fabel: Unser Leben ist von der Sehnsucht nach Erfüllung grundiert; und zugleich von der großen Angst davor, die der russische Dichter Daniil Charms bündig in folgender Fabel vorführt:

»Ein Mensch von kleinem Wuchs sagte: ›Ich wäre mit allem einverstanden, wenn ich nur ein kleines bißchen größer wäre.‹ Kaum hatte er das gesagt, da sieht er, vor ihm steht eine Zauberin.

– Was willst du? – fragt die Zauberin.

Und der Mensch von kleinem Wuchs steht da und bringt vor Angst kein Wort über die Lippen.

– Nun? – sagt die Zauberin.

Der Mensch von kleinem Wuchs steht da und schweigt. Die Zauberin verschwand.

Da brach der Mensch von kleinem Wuchs in Tränen aus und fing an, sich die Nägel abzubeißen. Erst biß er sich alle Fingernägel ab, dann auch die Zehennägel. Leser, denk dich hinein in diese Fabel, und dir wird ganz schlecht.« (Charms, S. 164)

 

Endstation Sehnsucht: Das ist, je nach Bedarf, so persönlich wie politisch zu lesen; schließlich hat den Dichter der Fabel die Karikatur seiner Sehnsucht und sein subersives Versprechen, für den Fall der Erfüllung »mit allem einverstanden« zu sein, bekanntlich mehr als nur ein paar Nägel gekostet, sondern realiter wenig später das ganze Leben. Umso schwerer wiegt des Wünschers notorisches Schweigen; und seine Selbstbestrafung im Angesicht einer Zauberin, die offenbar alles andere als eine gute Fee ist. Er hat die Chance des Augenblicks nicht ergriffen und die Gelegenheit zur Selbstoptimierung verpasst.

Jeder Märchenleser kann ein Lied davon singen, wie schnell wir uns voreilig beim Wünschen verwünschen und im Licht des Alltags als die Gefoppten dastehen. Menschen von kleinem Wuchs sind wir schließlich alle, auch wenn wir uns gern etwas größer wähnen. Wunsch und Sehnsucht sind allerdings zweierlei; denn der Wunsch bringt lediglich sprachlich zum Ausdruck, was die Sehnsucht selber nicht sagen kann, und dringt folglich in ihr Zentrum nicht vor. Er reduziert sie notdürftig auf das scheinbar Erfüllbare, während sie selbst bekanntlich am liebsten bei sich bleibt. Unstillbarkeit ist ihr hungriger Adel und ihr unersättliches Markenzeichen.

 

Tarnkappen: Der Schriftsteller Günter de Bruyn, der Zeit seines Lebens den Raum des Privaten gegenüber politischen Zumutungen und Verheißungen zu verteidigen suchte, wusste genau, wovon diese zwielichtige Zauberin spricht. Jahrzehnte später schreibt er in seiner Zwischenbilanz über eine gewisse Reni: »Mein Werben um Reni dauerte etwa acht Jahre, von meiner Einschulung bis zu ihrer Konfirmation; und ein zusätzliches Jahr brauchte ich noch, um es mir abzugewöhnen – was mir aber durch den Beginn einer anderen unglücklichen Liebe glänzend gelang. Diese beschäftigte mich dann länger als sie währte. Sehnsüchte, die unerfüllt blieben, können langlebig sein.« (de Bruyn, S. 81 f.)

Nicht das Objekt der Begierde, sondern der es begehrt, ist der hochgestimmte Sehnsuchtsinhaber, der seine Wahrnehmung einem traumhaften Wunsch unterwirft, den der Gegenstand seiner Anbetung nur selten erfüllt – nicht weil er nicht will, sondern weil er nicht kann. Doch der Verehrer gibt nicht auf, denn »