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Friedrich Hölderlin

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Beschreibung

Wie kaum ein zweiter deutscher Dichter hat Hölderlin mit seinen Gedichten die Grenzen der Lyrik ausgelotet und immer wieder auch überschritten. So ist er zum Klassiker geworden und wirkt durch die Zeiten bis heute fort. Die vorliegende Auswahl zeichnet seine Entwicklung nach: von den Gedichten im klassischen Versmaß über das rätselhafte Spätwerk bis zu den schlichten Strophen aus seinen letzten Lebensjahren.

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Friedrich Hölderlin

Gedichte

Eine Auswahl

Herausgegeben vonGerhard Kurz

Reclam

2015 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen

Made in Germany 2017

RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-960814-3

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-019343-3

www.reclam.de

[5] Inhalt

Hymne an die Freiheit

Griechenland

Die Eichbäume

Guter Rat

Advocatus diaboli

Die Vortrefflichen

Die beschreibende Poesie

Falsche Popularität

An Diotima

Buonaparte

An die Parzen

Diotima

Lebenslauf

Die Kürze

Die Liebenden

An die jungen Dichter

An die Deutschen

Sokrates und Alcibiades

Hyperions Schicksalslied

Da ich ein Knabe war…

Abendphantasie

Des Morgens

ΠΡΟΣ ΕΑΥΤΟΝ

Sophokles

Der zürnende Dichter

Wurzel alles Übels

Mein Eigentum

Gesang des Deutschen

Der Prinzessin Auguste von Homburg

[6] Geh unter, schöne Sonne…

Rousseau

Wie wenn am Feiertage…

Im Walde

Heidelberg

Der Neckar

Die Heimat

Die Liebe

Lebenslauf

Der Gang aufs Land

Stuttgart

Brot und Wein

Natur und Kunst oder Saturn und Jupiter

Dichtermut

Dichterberuf

Unter den Alpen gesungen

Die Wanderung

Der Rhein

Heimkunft

Germanien

Friedensfeier

Der Einzige

Patmos

Nachtgesänge

Chiron

Tränen

An die Hoffnung

Vulkan

Blödigkeit

Ganymed

Hälfte des Lebens

[7] Lebensalter

Der Winkel von Hahrdt

Andenken

Der Ister

Das Nächste Beste

Kolomb

Mnemosyne

Griechenland

In lieblicher Bläue…

Das Angenehme dieser Welt…

An Zimmern

Der Herbst

Höheres Leben

Der Sommer

Der Winter

Griechenland

Die Aussicht

Anhang

Zu dieser Ausgabe

Anmerkungen

Literaturhinweise

Nachwort

Gedichtüberschriften und -anfänge

[9] Hymne an die Freiheit

Wie den Aar im grauen Felsenhange

Wildes Sehnen zu der Sterne Bahn,

Flammt zu majestätischem Gesange

Meiner Freuden Ungestüm mich an;

Ha! das neue niegenossne Leben5

Schaffet neuen glühenden Entschluss!

Über Wahn und Stolz emporzuschweben,

Süßer unaussprechlicher Genuss!

Sint dem Staube mich ihr Arm entrissen,

Schlägt das Herz so kühn und selig ihr;10

Angeflammt von ihren Götterküssen

Glühet noch die heiße Wange mir;

Jeder Laut von ihrem Zaubermunde

Adelt noch den neugeschaffnen Sinn –

Hört, o Geister! meiner Göttin Kunde,15

Hört, und huldiget der Herrscherin!

»Als die Liebe noch im Schäferkleide

Mit der Unschuld unter Blumen ging,

Und der Erdensohn in Ruh und Freude

Der Natur am Mutterbusen hing,20

Nicht der Übermut auf Richterstühlen

Blind und fürchterlich das Band zerriss;

Tauscht ich gerne mit der Götter Spielen

Meiner Kinder stilles Paradies.

Liebe rief die jugendlichen Triebe25

Schöpferisch zu hoher stiller Tat,

Jeden Keim entfaltete der Liebe

Wärm und Licht zu schwelgerischer Saat;

Deine Flügel, hohe Liebe! trugen

Lächelnd nieder die Olympier;30

Jubeltöne klangen – Herzen schlugen

An der Götter Busen göttlicher.

[10] Freundlich bot der Freuden süße Fülle

Meinen Lieblingen die Unschuld dar;

Unverkennbar in der schönen Hülle35

Wusste Tugend nicht, wie schön sie war;

Friedlich hausten in der Blumenhügel

Kühlem Schatten die Genügsamen –

Ach! des Haders und der Sorge Flügel

Rauschte ferne von den Glücklichen.40

Wehe nun! – mein Paradies erbebte!

Fluch verhieß der Elemente Wut!

Und der Nächte schwarzem Schoß entschwebte

Mit des Geiers Blick der Übermut;

Wehe! weinend floh ich mit der Liebe45

Mit der Unschuld in die Himmel hin –

Welke, Blume! rief ich ernst und trübe,

Welke, nimmer, nimmer aufzublühn!

Keck erhub sich des Gesetzes Rute,

Nachzubilden, was die Liebe schuf;50

Ach! gegeißelt von dem Übermute

Fühlte keiner göttlichen Beruf;

Vor dem Geist in schwarzen Ungewittern,

Vor dem Racheschwerte des Gerichts

Lernte so der blinde Sklave zittern,55

Frönt’ und starb im Schrecken seines Nichts.

Kehret nun zu Lieb und Treue wieder –

Ach! es zieht zu langentbehrter Lust

Unbezwinglich mich die Liebe nieder –

Kinder! kehret an die Mutterbrust!60

Ewig sei vergessen und vernichtet,

Was ich zürnend vor den Göttern schwur;

Liebe hat den langen Zwist geschlichtet,

Herrschet wieder! Herrscher der Natur!«

[11] Froh und göttlichgroß ist deine Kunde,65

Königin! dich preise Kraft und Tat!

Schon beginnt die neue Schöpfungsstunde,

Schon entkeimt die segenschwangre Saat:

Majestätisch, wie die Wandelsterne,

Neuerwacht am offnen Ozean,70

Strahlst du uns in königlicher Ferne,

Freies kommendes Jahrhundert! an.

Staunend kennt der große Stamm sich wieder,

Millionen knüpft der Liebe Band;

Glühend stehn, und stolz, die neuen Brüder,75

Stehn und dulden für das Vaterland;

Wie der Efeu, treu und sanft umwunden,

Zu der Eiche stolzen Höhn hinauf,

Schwingen, ewig brüderlich verbunden,

Nun am Helden Tausende sich auf.80

Nimmer beugt, vom Übermut belogen,

Sich die freie Seele grauem Wahn;

Von der Muse zarter Hand erzogen

Schmiegt sie kühn an Göttlichkeit sich an;

Götter führt in brüderlicher Hülle85

Ihr die zauberische Muse zu,

Und gestärkt in reiner Freuden Fülle,

Kostet sie der Götter stolze Ruh!

Froh verhöhnt das königliche Leben

Deine Taumel, niedre feige Lust!90

Der Vollendung Ahndungen erheben

Über Glück und Zeit die stolze Brust. –

Ha! getilget ist die alte Schande!

Neuerkauft das angestammte Gut!

In dem Staube modern alle Bande,95

Und zur Hölle flieht der Übermut!

[12] Dann am süßen heißerrungnen Ziele,

Wenn der Ernte großer Tag beginnt,

Wenn verödet die Tyrannenstühle,

Die Tyrannenknechte Moder sind,100

Wenn im Heldenbunde meiner Brüder

Deutsches Blut und deutsche Liebe glüht;

Dann, o Himmelstochter! sing ich wieder,

Singe sterbend dir das letzte Lied.

Griechenland

An St.

Hätt ich dich im Schatten der Platanen,

Wo durch Blumen der Cephissus rann,

Wo die Jünglinge sich Ruhm ersannen,

Wo die Herzen Sokrates gewann,

Wo Aspasia durch Myrten wallte,5

Wo der brüderlichen Freude Ruf

Aus der lärmenden Agora schallte,

Wo mein Plato Paradiese schuf,

Wo den Frühling Festgesänge würzten,

Wo die Ströme der Begeisterung10

Von Minervens heil’gem Berge stürzten –

Der Beschützerin zur Huldigung –

Wo in tausend süßen Dichterstunden,

Wie ein Göttertraum, das Alter schwand,

Hätt ich da, Geliebter! dich gefunden,15

Wie vor Jahren dieses Herz dich fand;

Ach! wie anders hätt ich dich umschlungen! –

Marathons Heroen sängst du mir,

[13] Und die schönste der Begeisterungen

Lächelte vom trunknen Auge dir,20

Deine Brust verjüngten Siegsgefühle,

Deinen Geist, vom Lorbeerzweig umspielt,

Drückte nicht des Lebens stumpfe Schwüle,

Die so karg der Hauch der Freude kühlt.

Ist der Stern der Liebe dir verschwunden?25

Und der Jugend holdes Rosenlicht?

Ach! umtanzt von Hellas’ goldnen Stunden,

Fühltest du die Flucht der Jahre nicht,

Ewig, wie der Vesta Flamme, glühte

Mut und Liebe dort in jeder Brust,30

Wie die Frucht der Hesperiden, blühte

Ewig dort der Jugend stolze Lust.

Ach! es hätt in jenen bessern Tagen

Nicht umsonst so brüderlich und groß

Für das Volk dein liebend Herz geschlagen,35

Dem so gern der Freude Zähre floss! –

Harre nun! sie kömmt gewiss die Stunde,

Die das Göttliche vom Kerker trennt –

Stirb! du suchst auf diesem Erdenrunde,

Edler Geist! umsonst dein Element.40

Attika, die Heldin, ist gefallen;

Wo die alten Göttersöhne ruhn,

Im Ruin der schönen Marmorhallen

Steht der Kranich einsam trauernd nun;

Lächelnd kehrt der holde Frühling nieder,45

Doch er findet seine Brüder nie

In Ilissus’ heil’gem Tale wieder –

Unter Schutt und Dornen schlummern sie.

Mich verlangt ins ferne Land hinüber

Nach Alcäus und Anakreon,50

[14] Und ich schlief’ im engen Hause lieber,

Bei den Heiligen in Marathon;

Ach! es sei die letzte meiner Tränen,

Die dem lieben Griechenlande rann,

Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,55

Denn mein Herz gehört den Toten an!

Die Eichbäume

Aus den Gärten komm ich zu euch, ihr Söhne des Berges!

Aus den Gärten, da lebt die Natur geduldig und häuslich,

Pflegend und wieder gepflegt mit dem fleißigen Menschen zusammen.

Aber ihr, ihr Herrlichen! steht, wie ein Volk von Titanen

In der zahmeren Welt und gehört nur euch und dem Himmel,5

Der euch nährt’ und erzog und der Erde, die euch geboren.

Keiner von euch ist noch in die Schule der Menschen gegangen,

Und ihr drängt euch fröhlich und frei, aus der kräftigen Wurzel,

Untereinander herauf und ergreift, wie der Adler die Beute,

Mit gewaltigem Arme den Raum, und gegen die Wolken10

Ist euch heiter und groß die sonnige Krone gerichtet.

Eine Welt ist jeder von euch, wie die Sterne des Himmels

Lebt ihr, jeder ein Gott, in freiem Bunde zusammen.

Könnt ich die Knechtschaft nur erdulden, ich neidete nimmer

Diesen Wald und schmiegte mich gern ans gesellige Leben.15

[15] Fesselte nur nicht mehr ans gesellige Leben das Herz mich,

Das von Liebe nicht lässt, wie gern würd ich unter euch wohnen

Guter Rat

Hast du Verstand und ein Herz, so zeige nur eines von beiden,

Beides verdammen sie dir, zeigest du beides zugleich.

Advocatus diaboli

Tief im Herzen hass ich den Tross der Despoten und Pfaffen

Aber noch mehr das Genie, macht es gemein sich damit.

Die Vortrefflichen

Lieben Brüder! versucht es nur nicht, vortrefflich zu werden

Ehrt das Schicksal und tragt’s, Stümper auf Erden zu sein

Denn ist Einmal der Kopf voran, so folget der Schweif auch

Und die klassische Zeit deutscher Poeten ist aus.

[16] Die beschreibende Poesie

Wisst! Apoll ist der Gott der Zeitungsschreiber geworden

Und sein Mann ist, wer ihm treulich das Factum erzählt.

Falsche Popularität

O der Menschenkenner! er stellt sich kindisch mit Kindern

Aber der Baum und das Kind suchet, was über ihm ist.

An Diotima

Schönes Leben! du lebst, wie die zarten Blüten im Winter,

In der gealterten Welt blühst du verschlossen, allein.

Liebend strebst du hinaus, dich zu sonnen am Lichte des Frühlings,

Zu erwarmen an ihr suchst du die Jugend der Welt.

Deine Sonne, die schönere Zeit, ist untergegangen5

Und in frostiger Nacht zanken Orkane sich nun.

Buonaparte

Heilige Gefäße sind die Dichter,

Worin des Lebens Wein, der Geist

Der Helden sich aufbewahrt,

[17] Aber der Geist dieses Jünglings

Der schnelle müsst er es nicht zersprengen5

Wo es ihn fassen wollte, das Gefäß

Der Dichter lass’ ihn unberührt

wie den Geist der Natur,

An solchem Stoffe

wird zum Knaben10

der Meister

Er kann im Gedichte

nicht leben und bleiben

Er lebt und bleibt

in der Welt.15

An die Parzen

Nur Einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen!

Und einen Herbst zu reifem Gesange mir,

Dass williger mein Herz, vom süßen

Spiele gesättiget, dann mir sterbe.

Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht5

Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht;

Doch ist mir einst das Heil’ge, das am

Herzen mir liegt, das Gedicht gelungen,

Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt!

Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel10

Mich nicht hinab geleitet; Einmal

Lebt ich, wie Götter, und mehr bedarf’s nicht.

[18] Diotima

Du schweigst und duldest, und sie verstehn dich nicht,

Du heilig Leben! welkest hinweg und schweigst,

Denn ach, vergebens bei Barbaren

Suchst du die Deinen im Sonnenlichte,

Die zärtlichgroßen Seelen, die nimmer sind!5

Doch eilt die Zeit. Noch siehet mein sterblich Lied

Den Tag, der, Diotima! nächst den

Göttern mit Helden dich nennt, und dir gleicht.

Lebenslauf

Hoch auf strebte mein Geist, aber die Liebe zog

Schön ihn nieder; das Leid beugt ihn gewaltiger;

So durchlauf ich des Lebens

Bogen und kehre, woher ich kam.

Die Kürze

»Warum bist du so kurz? liebst du, wie vormals, denn

Nun nicht mehr den Gesang? fandst du, als Jüngling doch,

In den Tagen der Hoffnung,

Wenn du sangest, das Ende nie!«

Wie mein Glück, ist mein Lied. – Willst du im Abendrot  5

Froh dich baden? hinweg ist’s! und die Erd ist kalt,

Und der Vogel der Nacht schwirrt

Unbequem vor das Auge dir.

[19] Die Liebenden

Trennen wollten wir uns, wähnten es gut und klug;

Da wir’s taten, warum schröckt’ uns, wie Mord, die Tat?

Ach! wir kennen uns wenig,

Denn es waltet ein Gott in uns.

An die jungen Dichter

Lieben Brüder! es reift unsere Kunst vielleicht,

Da, dem Jünglinge gleich, lange sie schon gegärt,

Bald zur Stille der Schönheit;

Seid nur fromm, wie der Grieche war!

Liebt die Götter und denkt freundlich der Sterblichen!5

Hasst den Rausch, wie den Frost! lehrt und beschreibet nicht!

Wenn der Meister euch ängstigt,

Fragt die große Natur um Rat.

An die Deutschen

Spottet ja nicht des Kinds, wenn es mit Peitsch und Sporn

Auf dem Rosse von Holz mutig und groß sich dünkt,

Denn, ihr Deutschen, auch ihr seid

Tatenarm und gedankenvoll.

Oder kömmt, wie der Strahl aus dem Gewölke kömmt,5

Aus Gedanken die Tat? Leben die Bücher bald?

O ihr Lieben, so nimmt mich,

Dass ich büße die Lästerung.

[20] Sokrates und Alcibiades

»Warum huldigest du, heiliger Sokrates,

Diesem Jünglinge stets? kennest du Größers nicht?

Warum siehet mit Liebe,

Wie auf Götter, dein Aug auf ihn?«

Wer das Tiefste gedacht, liebt das Lebendigste,5

Hohe Jugend versteht, wer in die Welt geblickt

Und es neigen die Weisen

Oft am Ende zu Schönem sich.

Hyperions Schicksalslied

Ihr wandelt droben im Licht

Auf weichem Boden, selige Genien!

Glänzende Götterlüfte

Rühren euch leicht,

Wie die Finger der Künstlerin5

Heilige Saiten.

Schicksallos, wie der schlafende

Säugling, atmen die Himmlischen;

Keusch bewahrt

In bescheidener Knospe,10

Blühet ewig

Ihnen der Geist,

Und die seligen Augen

Blicken in stiller

Ewiger Klarheit.15

[21] Doch uns ist gegeben,

Auf keiner Stätte zu ruhn,

Es schwinden, es fallen

Die leidenden Menschen

Blindlings von einer20

Stunde zur andern,

Wie Wasser von Klippe

Zu Klippe geworfen,

Jahrlang ins Ungewisse hinab.

Da ich ein Knabe war…

Da ich ein Knabe war,

Rettet’ ein Gott mich oft

Vom Geschrei und der Rute der Menschen,

Da spielt ich sicher und gut

Mit den Blumen des Hains,5

Und die Lüftchen des Himmels

Spielten mit mir.

Und wie du das Herz

Der Pflanzen erfreust,

Wenn sie entgegen dir10

Die zarten Arme strecken,

So hast du mein Herz erfreut

Vater Helios! und, wie Endymion,

War ich dein Liebling,

Heilige Luna!15

O all ihr treuen

Freundlichen Götter!

Dass ihr wüsstet,

wie euch meine Seele geliebt!

[22] Zwar damals rief ich noch nicht20

Euch mit Namen, auch ihr

Nanntet mich nie, wie die Menschen sich nennen

Als kennten sie sich.

Doch kannt ich euch besser,

Als ich je die Menschen gekannt,25

Ich verstand die Stille des Äthers

Der Menschen Worte verstand ich nie.

Mich erzog der Wohllaut

Des säuselnden Hains

Und lieben lernt ich30

Unter den Blumen.

Im Arme der Götter wuchs ich groß.

Abendphantasie

Vor seiner Hütte ruhig im Schatten sitzt

Der Pflüger, dem Genügsamen raucht sein Herd.

Gastfreundlich tönt dem Wanderer im

Friedlichen Dorfe die Abendglocke.

Wohl kehren itzt die Schiffer zum Hafen auch,5

In fernen Städten, fröhlich verrauscht des Markts

Geschäft’ger Lärm; in stiller Laube

Glänzt das gesellige Mahl den Freunden.

Wohin denn ich? Es leben die Sterblichen

Von Lohn und Arbeit; wechselnd in Müh und Ruh10

Ist alles freudig; warum schläft denn

Nimmer nur mir in der Brust der Stachel?

[23] Am Abendhimmel blühet ein Frühling auf;

Unzählig blühn die Rosen und ruhig scheint

Die goldne Welt; o dorthin nimmt mich15

Purpurne Wolken! und möge droben

In Licht und Luft zerrinnen mir Lieb und Leid! –

Doch, wie verscheucht von töriger Bitte, flieht

Der Zauber; dunkel wird’s und einsam

Unter dem Himmel, wie immer, bin ich –20

Komm du nun, sanfter Schlummer! zu viel begehrt

Das Herz; doch endlich, Jugend! verglühst du ja,

Du ruhelose, träumerische!

Friedlich und heiter ist dann das Alter.

Des Morgens

Vom Taue glänzt der Rasen; beweglicher

Eilt schon die wache Quelle; die Buche neigt

Ihr schwankes Haupt und im Geblätter

Rauscht es und schimmert; und um die grauen

Gewölke streifen rötliche Flammen dort,5

Verkündende, sie wallen geräuschlos auf;

Wie Fluten am Gestade, wogen

Höher und höher die Wandelbaren.

Komm nun, o komm, und eile mir nicht zu schnell,

Du goldner Tag, zum Gipfel des Himmels fort!10

Denn offner fliegt, vertrauter dir mein

Auge, du Freudiger! zu, so lang du

[24] In deiner Schöne jugendlich blickst und noch

Zu herrlich nicht, zu stolz mir geworden bist;

Du möchtest immer eilen, könnt ich,15

Göttlicher Wandrer, mit dir! – doch lächelst

Des frohen Übermütigen du, dass er

Dir gleichen möchte; segne mir lieber dann

Mein sterblich Tun und heitre wieder

Gütiger! heute den stillen Pfad mir.20

ΠΡΟΣ ΕΑΥΤΟΝ

Lern im Leben die Kunst, im Kunstwerk lerne das Leben,

Siehst du das Eine recht, siehst du das andere auch.

Sophokles

Viele versuchten umsonst das Freudigste freudig zu sagen

Hier spricht endlich es mir, hier in der Trauer sich aus.

Der zürnende Dichter

Fürchtet den Dichter nicht, wenn er edel zürnet, sein Buchstab

Tötet, aber es macht Geister lebendig der Geist.

[25] Wurzel alles Übels

Einig zu sein, ist göttlich und gut; woher ist die Sucht denn

Unter den Menschen, dass nur Einer und Eines nur sei?

Mein Eigentum

In seiner Fülle ruhet der Herbsttag nun,

Geläutert ist die Traub und der Hain ist rot

Vom Obst, wenn schon der holden Blüten

Manche der Erde zum Danke fielen.

Und rings im Felde, wo ich den Pfad hinaus5

Den stillen wandle, ist den Zufriedenen

Ihr Gut gereift und viel der frohen

Mühe gewähret der Reichtum ihnen.

Vom Himmel blicket zu den Geschäftigen

Durch ihre Bäume milde das Licht herab,10

Die Freude teilend, denn es wuchs durch

Hände der Menschen allein die Frucht nicht.

Und leuchtest du, o Goldnes, auch mir, und wehst

Auch du mir wieder, Lüftchen, als segnetest

Du eine Freude mir, wie einst, und15

Irrst, wie um Glückliche, mir am Busen?

Einst war ich’s, doch wie Rosen, vergänglich war

Das fromme Leben, ach! und es mahnen noch,

Die blühend mir geblieben sind, die

Holden Gestirne zu oft mich dessen.20

[26] Beglückt, wer, ruhig liebend ein frommes Weib,

Am eignen Herd in rühmlicher Heimat lebt,

Es leuchtet über festem Boden

Schöner dem sicheren Mann sein Himmel.

Denn, wie die Pflanze, wurzelt auf eignem Grund25

Sie nicht, verglüht die Seele des Sterblichen,

Der mit dem Tageslichte nur, ein

Armer, auf heiliger Erde wandelt.

Zu mächtig ach! ihr himmlischen Höhen zieht

Ihr mich empor, bei Stürmen, am heitern Tag30

Fühl ich verzehrend euch im Busen

Wechseln, ihr wandelnden Götterkräfte.

Doch heute lass mich stille den trauten Pfad

Zum Haine gehn, dem golden die Wipfel schmückt

Sein sterbend Laub, und kränzt auch mir die35

Stirne, ihr holden Erinnerungen!

Und dass auch mir zu retten mein sterblich Herz,

Wie andern eine bleibende Stätte sei,

Und heimatlos die Seele mir nicht

Über das Leben hinweg sich sehne,40

Sei du, Gesang, mein freundlich Asyl! sei du

Beglückender! mit sorgender Liebe mir

Gepflegt, der Garten, wo ich, wandelnd

Unter den Blüten, den immerjungen,

In sichrer Einfalt wohne, wenn draußen mir45

Mit ihren Wellen allen die mächt’ge Zeit

Die Wandelbare fern rauscht und die

Stillere Sonne mein Wirken fördert.

[27] Ihr segnet gütig über den Sterblichen

Ihr Himmelskräfte! jedem sein Eigentum,50

O segnet meines auch und dass zu

Frühe die Parze den Traum nicht ende.

Gesang des Deutschen

O heilig Herz der Völker, o Vaterland!

Allduldend, gleich der schweigenden Mutter Erd,

Und allverkannt, wenn schon aus deiner

Tiefe die Fremden ihr Bestes haben!

Sie ernten den Gedanken, den Geist von dir,5

Sie pflücken gern die Traube, doch höhnen sie

Dich, ungestalte Rebe! dass du

Schwankend den Boden und wild umirrest.

Du Land des hohen ernsteren Genius!

Du Land der Liebe! bin ich der deine schon,10

Oft zürnt ich weinend, dass du immer

Blöde die eigene Seele leugnest.

Doch magst du manches Schöne nicht bergen mir;

Oft stand ich überschauend das holde Grün,

Den weiten Garten hoch in deinen15

Lüften auf hellem Gebirg und sah dich.

An deinen Strömen ging ich und dachte dich,

Indes die Töne schüchtern die Nachtigall

Auf schwanker Weide sang, und still auf

Dämmerndem Grunde die Welle weilte.20

[28] Und an den Ufern sah ich die Städte blühn,

Die Edlen, wo der Fleiß in der Werkstatt schweigt,

Die Wissenschaft, wo deine Sonne

Milde dem Künstler zum Ernste leuchtet.

Kennst du Minervas Kinder? sie wählten sich25

Den Ölbaum früh zum Lieblinge; kennst du sie?

Noch lebt, noch waltet der Athener

Seele, die sinnende, still bei Menschen,

Wenn Platons frommer Garten auch schon nicht mehr

Am alten Strome grünt und der dürft’ge Mann30

Die Heldenasche pflügt, und scheu der

Vogel der Nacht auf der Säule trauert.

O heil’ger Wald! o Attika! traf Er doch

Mit seinem furchtbarn Strahle dich auch, so bald,

Und eilten sie, die dich belebt, die35

Flammen entbunden zum Äther über?

Doch, wie der Frühling, wandelt der Genius

Von Land zu Land. Und wir? ist denn Einer auch

Von unsern Jünglingen, der nicht ein

Ahnden, ein Rätsel der Brust, verschwiege?40

Den deutschen Frauen danket! sie haben uns

Der Götterbilder freundlichen Geist bewahrt,

Und täglich sühnt der holde klare

Friede das böse Gewirre wieder.

Wo sind jetzt Dichter, denen der Gott es gab,45

Wie unsern Alten, freudig und fromm zu sein,

Wo Weise, wie die unsre sind? die

Kalten und Kühnen, die Unbestechbarn!

[29] Nun! sei gegrüßt in deinem Adel, mein Vaterland,

Mit neuem Namen, reifeste Frucht der Zeit!50

Du letzte und du erste aller

Musen, Urania, sei gegrüßt mir!

Noch säumst und schweigst du, sinnest ein freudig Werk,

Das von dir zeuge, sinnest ein neu Gebild,

Das einzig, wie du selber, das aus55

Liebe geboren und gut, wie du, sei –

Wo ist dein Delos, wo dein Olympia,

Dass wir uns alle finden am höchsten Fest? –

Doch wie errät der Sohn, was du den

Deinen, Unsterbliche, längst bereitest?60

Der Prinzessin Augustevon Homburg

Den 28ten Nov. 1799

Noch freundlichzögernd scheidet vom Auge dir

Das Jahr, und in hesperischer Milde glänzt

Der Winterhimmel über deinen

Gärten, den dichtrischen, immergrünen.

Und da ich deines Festes gedacht’ und sann,5

Was ich dir dankend reichte, da weilten noch

Am Pfade Blumen, dass sie dir zur

Blühenden Krone, du Edle, würden.

Doch Andres beut dir, Größeres, hoher Geist!

Die festlichere Zeit, denn es hallt hinab10

Am Berge das Gewitter, sieh! und

Klar, wie die ruhigen Sterne, gehen

[30] Aus langem Zweifel reine Gestalten auf;

So dünkt es mir; und einsam, o Fürstin! ist

Das Herz der Freigebornen wohl nicht15

Länger im eigenen Glück; denn würdig

Gesellt im Lorbeer ihm der Heroe sich,

Der schöngereifte, echte; die Weisen auch,

Die Unsern sind es wert; sie blicken

Still aus der Höhe des Lebens, die ernsten Alten.20

Geringe dünkt der träumende Sänger sich,

Und Kindern gleich am müßigen Saitenspiel,

Wenn ihn der Edlen Glück, wenn ihn die

Tat und der Ernst der Gewalt’gen aufweckt.

Doch herrlicht mir dein Name das Lied; dein Fest25

Augusta! durft ich feiern; Beruf ist mir’s,

Zu rühmen Höhers, darum gab die

Sprache der Gott und den Dank ins Herz mir.

O dass von diesem freudigen Tage mir

Auch meine Zeit beginne, dass endlich auch30

Mir ein Gesang in deinen Hainen,

Edle! gedeihe, der deiner wert sei.

Geh unter, schöne Sonne…

Geh unter, schöne Sonne, sie achteten

Nur wenig dein, sie kannten dich, Heil’ge, nicht,

Denn mühelos und stille bist du

Über den Mühsamen aufgegangen.

[31] Mir gehst du freundlich unter und auf, o Licht!5

Und wohl erkennt mein Auge dich, herrliches!

Denn göttlich stille ehren lernt ich

Da Diotima den Sinn mir heilte.

O du des Himmels Botin! wie lauscht ich dir!

Dir, Diotima! Liebe! wie sah von dir10

Zum goldnen Tage dieses Auge

Glänzend und dankend empor. Da rauschten

Lebendiger die Quellen, es atmeten

Der dunkeln Erde Blüten mich liebend an,

Und lächelnd über Silberwolken15

Neigte sich segnend herab der Äther.

Rousseau

Wie eng begrenzt ist unsere Tageszeit.

Du warst und sahst und stauntest, schon Abend ist’s,

Nun schlafe, wo unendlich ferne

Ziehen vorüber der Völker Jahre.

Und mancher siehet über die eigne Zeit5

Ihm zeigt ein Gott ins Freie, doch sehnend stehst

Am Ufer du, ein Ärgernis den

Deinen, ein Schatten, und liebst sie nimmer,

Und jene, die du nennst, die Verheißenen,

Wo sind die Neuen, dass du an Freundeshand10

Erwarmst, wo nahn sie, dass du einmal

Einsame Rede, vernehmlich seiest?

[32] Klanglos ist’s, armer Mann, in der Halle dir,

Und gleich den Unbegrabenen, irrest du

Unstet und suchest Ruh und niemand15

Weiß den beschiedenen Weg zu weisen.

Sei denn zufrieden!   der Baum entwächst

Dem heimatlichen Boden, aber es sinken ihm

Die liebenden, die jugendlichen

Arme, und trauernd neigt er sein Haupt.20

Des Lebens Überfluss, das Unendliche,

Das um ihn   und dämmert, er fasst es nie.

Doch lebt’s in ihm und gegenwärtig,

Wärmend und wirkend, die Frucht entquillt ihm.

Du hast gelebt!   auch dir, auch dir25

Erfreuet die ferne Sonne dein Haupt,

Und Strahlen aus der schönern Zeit. Es

Haben die Boten dein Herz gefunden.

Vernommen hast du sie, verstanden die Sprache der Fremdlinge,

Gedeutet ihre Seele! Dem Sehnenden war30

Der Wink genug, und Winke sind

Von alters her die Sprache der Götter.

Und wunderbar, als hätte von Anbeginn

Des Menschen Geist das Werden und Wirken all,

Des Lebens Weise schon erfahren35

Kennt er im ersten Zeichen Vollendetes schon,

Und fliegt, der kühne Geist, wie Adler den

Gewittern, weissagend seinen

Kommenden Göttern voraus,

[33] Wie wenn am Feiertage…

Wie wenn am Feiertage, das Feld zu sehn

Ein Landmann geht, des Morgens, wenn

Aus heißer Nacht die kühlenden Blitze fielen

Die ganze Zeit und fern noch tönet der Donner,

In sein Gestade wieder tritt der Strom,5

Und frisch der Boden grünt

Und von des Himmels erfreuendem Regen

Der Weinstock trauft und glänzend

In stiller Sonne stehn die Bäume des Haines:

So stehn sie unter günstiger Witterung10

Sie die kein Meister allein, die wunderbar

Allgegenwärtig erzieht in leichtem Umfangen

Die mächtige, die göttlichschöne Natur.

Drum wenn zu schlafen sie scheint zu Zeiten des Jahrs

Am Himmel oder unter den Pflanzen oder den Völkern15

So trauert der Dichter Angesicht auch,

Sie scheinen allein zu sein, doch ahnen sie immer.

Denn ahnend ruhet sie selbst auch.

Jetzt aber tagt’s! Ich harrt und sah es kommen,

Und was ich sah, das Heilige sei mein Wort.20

Denn sie, sie selbst, die älter denn die Zeiten

Und über die Götter des Abends und Orients ist,

Die Natur ist jetzt mit Waffenklang erwacht,

Und hoch vom Äther bis zum Abgrund nieder

Nach festem Gesetze, wie einst, aus heiligem Chaos gezeugt,25

Fühlt neu die Begeisterung sich,

Die Allerschaffende wieder.

Und wie im Aug ein Feuer dem Manne glänzt,

Wenn Hohes er entwarf; so ist

[34] Von neuem an den Zeichen, den Taten der Welt jetzt30

Ein Feuer angezündet in Seelen der Dichter.

Und was zuvor geschah, doch kaum gefühlt,

Ist offenbar erst jetzt,

Und die uns lächelnd den Acker gebauet,

In Knechtsgestalt, sie sind erkannt,35

Die Alllebendigen, die Kräfte der Götter.

Erfrägst du sie? im Liede wehet ihr Geist

Wenn es der Sonne des Tags und warmer Erd

Entwächst, und Wettern, die in der Luft, und andern

Die vorbereiteter in Tiefen der Zeit,40

Und deutungsvoller, und vernehmlicher uns

Hinwandeln zwischen Himmel und Erd und unter den Völkern

Des gemeinsamen Geistes Gedanken sind,

Still endend in der Seele des Dichters,

Dass schnellbetroffen sie, Unendlichem45

Bekannt seit langer Zeit, von Erinnerung

Erbebt, und ihr, von heil’gem Strahl entzündet,

Die Frucht in Liebe geboren, der Götter und Menschen Werk

Der Gesang, damit er beiden zeuge, glückt.

So fiel, wie Dichter sagen, da sie sichtbar50

Den Gott zu sehen begehrte, sein Blitz auf Semeles Haus

Und die göttlichgetroffne gebar,

Die Frucht des Gewitters, den heiligen Bacchus.

Und daher trinken himmlisches Feuer jetzt

Die Erdensöhne ohne Gefahr.55

Doch uns gebührt es, unter Gottes Gewittern,

Ihr Dichter! mit entblößtem Haupte zu stehen,

Des Vaters Strahl, ihn selbst, mit eigner Hand

[35] Zu fassen und dem Volk ins Lied

Gehüllt die himmlische Gabe zu reichen.60

Denn sind nur reinen Herzens,

Wie Kinder, wir, sind schuldlos unsere Hände,

Des Vaters Strahl, der reine versengt es nicht

Und tieferschüttert, die Leiden des Stärkeren

Mitleidend, bleibt in den hochherstürzenden Stürmen65

Des Gottes, wenn er nahet, das Herz doch fest.

Doch weh mir! wenn von

Weh mir!

Und sag ich gleich,

Ich sei genaht, die Himmlischen zu schauen,70

Sie selbst, sie werfen mich tief unter die Lebenden

Den falschen Priester, ins Dunkel, dass ich

Das warnende Lied den Gelehrigen singe.

Dort

Im Walde

Aber in Hütten wohnet der Mensch, und hüllet

sich ein ins verschämte Gewand, denn inniger

ist achtsamer auch und dass er bewahre den Geist,

wie die Priesterin die himmlische Flamme,

dies ist sein Verstand.5

Und darum ist die Willkür ihm und höhere Macht

zu fehlen und zu vollbringen dem Götterähnlichen,

der Güter Gefährlichstes, die Sprache dem Menschen

gegeben, damit er schaffend, zerstörend, und

[36] untergehend, und wiederkehrend zur ewiglebenden,10

zur Meisterin und Mutter, damit er zeuge, was

er sei geerbet zu haben, gelernt von ihr, ihr

Göttlichstes, die allerhaltende Liebe.

Heidelberg

Lange lieb ich dich schon, möchte dich, mir zur Lust,

Mutter nennen, und dir schenken ein kunstlos Lied,

Du, der Vaterlandsstädte

Ländlichschönste, so viel ich sah.

Wie der Vogel des Walds über die Gipfel fliegt,5

Schwingt sich über den Strom, wo er vorbei dir glänzt,

Leicht und kräftig die Brücke,

Die von Wagen und Menschen tönt.

Wie von Göttern gesandt, fesselt’ ein Zauber einst

Auf die Brücke mich an, da ich vorüber ging,10

Und herein in die Berge

Mir die reizende Ferne schien,

Und der Jüngling, der Strom, fort in die Ebne zog,

Traurigfroh, wie das Herz, wenn es, sich selbst zu schön,

Liebend unterzugehen,15

In die Fluten der Zeit sich wirft.

Quellen hattest du ihm, hattest dem Flüchtigen

Kühle Schatten geschenkt, und die Gestade sahn

All ihm nach, und es bebte

Aus den Wellen ihr lieblich Bild.20

[37] Aber schwer in das Tal hing die gigantische,

Schicksalskundige Burg nieder bis auf den Grund

Von den Wettern zerrissen;

Doch die ewige Sonne goss

Ihr verjüngendes Licht über das alternde25

Riesenbild, und umher grünte lebendiger

Efeu; freundliche Wälder

Rauschten über die Burg herab.

Sträuche blühten herab, bis wo im heitern Tal,

An den Hügel gelehnt, oder dem Ufer hold,30

Deine fröhlichen Gassen

Unter duftenden Gärten ruhn.

Der Neckar

In deinen Tälern wachte mein Herz mir auf

Zum Leben, deine Wellen umspielten mich,

Und all der holden Hügel, die dich

Wanderer! kennen, ist keiner fremd mir.

Auf ihren Gipfeln löste des Himmels Luft5

Mir oft der Knechtschaft Schmerzen; und aus dem Tal,

Wie Leben aus dem Freudebecher,

Glänzte die bläuliche Silberwelle.

Der Berge Quellen eilten hinab zu dir,

Mit ihnen auch mein Herz und du nahmst uns mit,10

Zum stillerhabnen Rhein, zu seinen

Städten hinunter und lust’gen Inseln.

[38] Noch dünkt die Welt mir schön, und das Aug entflieht

Verlangend nach den Reizen der Erde mir,

Zum goldenen Paktol, zu Smirnas15

Ufer, zu Ilions Wald. Auch möcht ich

Bei Sunium oft landen, den stummen Pfad

Nach deinen Säulen fragen, Olympion!

Noch eh der Sturmwind und das Alter

Hin in den Schutt der Athenertempel20

Und ihrer Gottesbilder auch dich begräbt,

Denn lang schon einsam stehst du, o Stolz der Welt,

Die nicht mehr ist. Und o ihr schönen

Inseln Ioniens! wo die Meerluft

Die heißen Ufer kühlt und den Lorbeerwald25

Durchsäuselt, wenn die Sonne den Weinstock wärmt,

Ach! wo ein goldner Herbst dem armen