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Die Abenteuer der 15-jährigen Leonie und ihres Bruders Tobias gehen weiter und bringen sie und viele andere Menschen im Zirkus bei einer Raubtierdressur in Gefahr. Später lernt Leonie in ihrem Heimatort den geheimnisvollen Sebastian kennen. Für Tobias und seinen Freund Martin wird es im Zeltlager gefährlich, als plötzlich ein nächtliches Gewitter tobt. Ein paar Runden auf der Nordschleife des Nürburgrings bringen Abwechslung in den Urlaub. Am Ende dürfen Leonie und Tobias einen Test auf Weltraumtauglichkeit im Raumschiff Diskus-Dom machen.
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Seitenzahl: 200
Veröffentlichungsjahr: 2022
Gefahr gebannt
Ein herzlicher Dank geht an Kerstin und Bernhard Götzfried für fachlichen Rat und gute Ideen
Gefahr gebannt
Gerhard Brenner
© 2022 Gerhard Brenner
Layout und Coverdesign von: Heinz Renz (www.renzdesign.de)
Verlagslabel: brennusbooks
ISBN Softcover: 978-3-347-47773-5
ISBN Hardcover: 978-3-347-47782-7
ISBN E-Book: 978-3-347-47786-5
Druck und Distribution im Auftrag des Autors: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung „Impressumservice“, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.
Inhaltsverzeichnis
Was bisher geschah
1. Grandioses Spektakel
2. Der schwarze Panther
3. Sebastian
4. Auf der Suche
5. Kino rundum
6. Im Zeltlager
7. Blitz und Donner überm Baumhaus
8. Die Drachenflieger
9. Die Nordschleife
10. Verfolgungsjagd und Messerszenen
11. Überraschender Besuch
12. Der Test
13. In der Hitze der Lava
14. Schwerelos
15. Blackbird
16. Im Schloss
17. Graf Fridolin von Falkenberg
Anhang: Unsere Hauptpersonen
Der Autor stellt sich vor
Was bisher geschah
Die 15-jährige Leonie hatte von einem fremden jungen Mann ein Handy geschenkt erhalten, mit dem man beliebige Gegenstände ferngesteuert bewegen kann. Sie darf niemandem etwas von den besonderen Funktionen ihres Smartphones verraten und es nur zum Guten anwenden. Sofort gerieten sie und ihre Freunde in allerlei Abenteuer, in denen das besondere Smartphone oft zum Einsatz kam.
Dann hatte Tobias den Lageplan der Vulkanhöhle in Leonies Zimmer entdeckt und war plötzlich im Gewölbe aufgetaucht. Zur Freude des Mädchens war Caron gar nicht böse gewesen, weil er Leonies Bruder später sowieso in die Geheimnisse eingeweiht hätte. Die Geschwister durften das Raumschiff des Antaloniers besichtigen und auch Tobias bekam am Ende ein Handy mit den besonderen Funktionen.
Jede Menge Abenteuer folgten für die beiden Geschwister, wie zum Beispiel beim Absturz eines Modellflugzeugs, beim Einbruch in Großmutter Erikas Haus, im Freibad oder in der Diskothek. Ein Erlebnis der angenehmen Art war das Treffen von Leonie und ihrer neuen Freundin Julia mit ihrem Lieblingssänger gewesen.
Gefährlich wiederum war es geworden, als drei entflohene Strafgefangene beim Tag der offenen Tür im Autohaus Silcher aufgekreuzt waren. Um ein Haar wären Leonie und zwei weitere Jugendliche den Banditen direkt in die Arme gelaufen.
1. Grandioses Spektakel
Es war am Montagmorgen nach den Ereignissen beim Tag der offenen Tür im Autohaus Silcher in Westenbach. Tobias konnte beruhigt ausschlafen, denn der Seniorchef hatte nach den aufreibenden Vorkommnissen den Montag als Urlaubstag für die ganze Belegschaft ausgerufen.
Bei Leonie sah die Sache schon anders aus. Sie hatte ihren Ferienjob zwar überstanden, aber von Ruhe konnte trotz der Sommerferien keine Rede sein. Früh morgens, als sie sich gerade nochmal gemütlich im Bett herumdrehen wollte, wurde sie von der Mama ans Telefon gerufen.
Ganz verschlafen schlurfte Leonie im Trainingsanzug die Treppe hinab, nahm den Hörer von der Mutter in Empfang und machte es sich im Wohnzimmer auf dem Sofa bequem. Am anderen Ende war der Redakteur eines Jugendmagazins, der noch ein paar Fragen zu den Erlebnissen im Autohaus hatte. Leonie gab Auskunft, soweit sie das konnte, ohne Caron in seiner Verkleidung als SEK Mann erwähnen zu müssen. Aber darauf kam die Sprache gar nicht. Offensichtlich hatten alle bisher gut dichtgehalten.
Als der Redakteur fragte, was Leonie mit dem Finderlohn machen würde, musste sie erstmal herzlich lachen.
„Finderlohn? – Da gab’s keine Belohnung, weil wir drei nichts gefunden haben. Der Tresor mit dem vielen Gold wurde von der Polizei entdeckt.“
Der Mitarbeiter des Jugendmagazins bedauerte dies sehr und nach ein paar weiteren Fragen war das Gespräch beendet. Leonie steckte das Telefon in die Ladeschale und warf einen Blick auf die Tageszeitung, die auf dem Couchtisch lag. Und da fand sie tatsächlich ein großes Bild auf der Titelseite, das sie mit Isabel und Achim bei den Interviews zeigte, die sie schon im Autohaus gegeben hatten. Interessiert las sie den ganzen Artikel durch. Sehr gut, auch hier war keine Rede von einem zusätzlichen SEK Beamten.
Jetzt ist Caron aber reich, dachte sie, als ihr das Thema Finderlohn wieder einfiel. Der hat zumindest bei der Ergreifung der Täter mitgeholfen, dem steht jetzt ein großer Batzen Geld zu! Aber andererseits war es sehr unwahrscheinlich, dass sich Caron deswegen plötzlich in der Öffentlichkeit zeigen würde. Der hat doch sein Raumschiff und ist sicher nicht auf einen Finderlohn angewiesen, dachte Leonie. Nur zu gerne hätte sie ihn jetzt einfach angerufen und erfahren, wie er auf die ganze Geschichte aufmerksam geworden war. Aber die direkte Kontaktaufnahme per Smartphone war nur für absolute Notfälle vorgesehen, um Carons Existenz und Mission nicht zu gefährden.
Leonie überlegte gerade, ob sie jetzt gleich frühstücken oder doch lieber nochmal zurück ins Bett gehen sollte, als das Telefon schon wieder läutete. Sie griff nach dem Hörer und befürchtete, dass wieder irgend so ein Pressemensch die Abenteuer zum 150. Mal hören wollte.
„Leonie Bernstein, hallo?“, meldete sie sich.
„Du kannst es wohl nicht lassen, was?“
Leonies Gesichtsausdruck wechselte von erster Überraschung schnell zur Freude. „Mensch, Julia, du bist aber früh dran in den Ferien!“
Am anderen Ende war die Arzttochter aus Rosenstadt.
„Was muss man denn von dir schon wieder in der Presse lesen und im Radio hören, altes Landmädel? Jetzt hast du dich sogar mit entflohenen Strafgefangenen angelegt! Du kriegst wohl nie genug, was?“
Julias Stimme war anzuhören, dass sie diese Aussagen selbst nicht ernst nahm. Und schon waren die beiden Freundinnen in ein Gespräch vertieft, sodass Leonie sogar das Frühstück wieder vergaß.
Am Dienstag musste Tobias wieder ran ans Werk, wie Vater öfters schon gesagt hatte. Natürlich war der ungewöhnliche Tag der offenen
Tür noch das große Thema im Autohaus gewesen. Das würde wohl eine Weile auch noch so bleiben.
Als Tobias am Abend nach Hause zurückgekehrt war und die Treppe zu seinem Zimmer hochstieg, hörte er Stimmen aus Leonies Zimmer. Er war schon fast an der Tür vorbei, als er von Leonie hereingerufen wurde.
„Was gibt’s denn?“, fragte er und betrat den Raum. „Oh, hallo Isabel! Auch mal wieder im Lande?“
„Wie du siehst. Hi, Tobias!“
„Na, Schwesterlein, wo brennt’s denn?“
„Weißt du schon, wo du heute Abend sein wirst?“
„Heute Abend? Woher soll ich das wissen?“
„Siehst du, dann weiß ich eben mehr als du! Um Acht bist du nämlich mit uns beiden in Hofberg im Zirkus. Irgendwelche Einwände?“
Tobias stand da und zog verwundert die Augenbrauen hoch. „Und ich soll wohl auch das Eintrittsgeld übernehmen, oder wie habt ihr beiden euch das gedacht?“
„Nur hinfahren! Eintrittskarten hat Isabel bereits. Sie will uns mitnehmen, weil ihren Eltern etwas dazwischen gekommen ist.“
„Und was ist mit Tim? Gehört er auch dazu?“
„Nein“, lachte Isabel, „der wollte zwar gerne mit, aber der Arme hat zurzeit ein wenig Hausarrest…“
Tobias schmunzelte, als er das hörte. Dann ging er im Zimmer auf und ab. „Hm, mal überlegen. Also gut, ich bin dabei! Sagen wir um halb acht hier vor dem Haus?“
„Einverstanden“, sagte Isabel. „Ich werde pünktlich sein.“
Hofberg war der Ort, in dem Papa Walter im Landwirtschaftsamt arbeitete. Er hatte knapp 20.000 Einwohner und lag etwa 15 Kilometer von Steinburg entfernt. Der Festplatz lag außerhalb der Stadt. Vom Busbahnhof aus hätte man weit zu Fuß gehen müssen. Die Mädchen waren also mehr als froh, dass sie im Auto bis in die Nähe des Zirkus gefahren wurden. Viele Parkplätze waren schon belegt. Die Leute strömten dem Eingang des großen Zeltes zu.
Die drei traten ebenfalls ein. Wie eine unsichtbare Wolke umhüllte sie der Geruch von wilden Tieren und Sägespänen. Ja, das war eben der Zirkus! Diese Atmosphäre konnte man im Kino oder im Fernsehen nicht erleben. Sie wurden zu ihren Plätzen geführt: dritte Reihe Mitte, ganz nahe am Geschehen in der Manege!
„Pst! Es geht schon los“, flüsterte Leonie.
Das Licht über den Zuschauerrängen war erloschen. Helle Scheinwerfer wurden auf die Manege und den Vorhang gerichtet. Die Kapelle spielte einen Tusch. Der Vorhang teilte sich, der Direktor des Unternehmens trat hervor. Er begrüßte die Anwesenden und machte sie mit dem Programm bekannt. Applaus begleitete ihn, als er sich mit ein paar tiefen Verbeugungen nach draußen zurückzog.
Nach einer kurzen Pause, die durch die Kapelle überbrückt wurde, stürmten zehn Hunde von unterschiedlicher Größe herein. Es war nicht ganz einfach, sie bestimmten Rassen zuzuordnen. Aber das schien auf ihr darstellerisches Talent keinerlei Einfluss genommen zu haben. Es war eine Freude, zu sehen, wie rasch und geschickt sie hüpften und über Hindernisse sprangen, allerlei Kunststücke vollführten und danach immer wieder brav an das jeweilige Plätzchen zurückkehrten, um sich den verdienten Lohn von der Dompteuse abzuholen.
Besondere Aufmerksamkeit zog ein kleiner schwarzer Pudel auf sich, als er in einem unbedachten Moment über die Absperrung der Manege sprang und sich von mehreren Kindern mit allerlei Süßigkeiten füttern ließ.
Ein scharfer Pfiff, ein Knall mit der Peitsche in der Luft, schon kehrte der Ausreißer reumütig an seinen Platz zurück. Der Beifall verstärkte sich, als die Tiere mit lautem Gebell hinter dem Vorhang verschwanden. Die Dompteuse verbeugte sich galant, ein paar schnelle Schritte, weg war auch sie.
Nun wurde eine große Matte ausgelegt. Eine Gruppe von Bodenakrobaten begann mit ihrer Vorführung. Die Zuschauer staunten nur so. Es war kaum zu glauben, zu welchen Biegungen und Verrenkungen ein menschlicher Körper fähig ist. Auch hier wollte nach dem abschließenden Tusch der Applaus kein Ende nehmen.
Als nächstes war nur der durchdringende Klang eines Saxophons zu hören. Die Kinder jubelten laut. Jeder wusste, was diese Töne zu bedeuten hatten: Der Freund aller Kleinen und Großen stolperte in die Manege. Viel zu weite Hosen, riesige Schuhe, stark geschminkt und mit einem übergroßen Umhang versehen, so stand er plötzlich da, der heiß ersehnte Clown! Er spielte seine Melodie zu Ende und verbeugte sich dann.
Der Jubel verstärkte sich. Was konnte so ein Clown nicht alles anstellen! Wie tollpatschig er sich benahm! Und wie viel Klugheit und Überlegung musste hinter all diesen Kunststücken stecken. Sie sahen aus, als wären sie im Schlaf zu schaffen, und doch war die eine oder andere gewagte Darbietung mit dabei. Das Orchester untermalte die gespielten Unfälle des Spaßmachers so geschickt, dass man hätte meinen können, einem gut synchronisierten Film beizuwohnen.
Der Clown kam zum Ende seiner Nummer. Er ging kurz zum Vorhang, um sich ein Mikrofon zu holen. Dann bedankte er sich für den Applaus und bat alle Anwesenden um äußerste Ruhe. Irgendetwas Besonderes sollte wohl noch kommen. Die Zuschauer beruhigten sich schnell und warteten gespannt.
Helfer brachten einen runden Tisch. Dann wurde eine Röhre hergetragen, die aus Glas oder einem durchsichtigen Kunststoff bestehen musste. An einem Ende ragte ein Stück Gartenschlauch aus der Seite der Röhre. Sie wurde so auf die Mitte des Tisches gestellt, dass der Schlauch auf der Platte lag. Ein Mädchen in einem Glitzerkostüm betrat die Arena. Es hielt einen Lederball in den Händen, den es dem Clown zuwarf. Geschickt fing ihn dieser auf und prellte ihn ein paar Mal auf den Boden.
„Liebe Zuschauer, werte Gäste, wie Sie alle sehen können, handelt es sich hier um einen ganz normalen Fußball.“
„Ich will auch mal“, rief ein kleiner Junge in der ersten Reihe und streckte die Hände hoch.
Der Clown sah sich um, dann kickte er den Ball in hohem Bogen auf den Jungen zu. Der war zu klein, um ihn selbst auffangen zu können, so übernahm das sein Vater und gab den Ball dann an den Sohn weiter. Der strahlte über das ganze Gesicht, hielt den runden Gegenstand mit beiden Händen vor sich und kickte mit aller Kraft dagegen. Weit flog der Ball zwar nicht, aber das kostümierte Mädchen hatte sich schon auf die junge Familie zu bewegt und holte ihn für ihren Chef, den Spaßmacher, zurück.
Als dieser wieder neben dem runden Tisch stand, warf er den Ball in die Röhre. Der hüpfte noch ein paar Mal auf und ab und blieb dann auf der Tischplatte liegen.
„Stellt euch vor“, setzte der Clown seine Vorführung fort, „ich werde jetzt so stark in den Schlauch hier blasen, dass der Ball in der Röhre bis zur roten Markierung schwebt. Traut ihr mir das zu, Kinder?“
„Nein“, schrie ein kleines Mädchen aus Leibeskräften, bevor die restliche Menge der jungen Besucher ein laut schallendes „Ja!“ hören ließ.
„Du traust mir das nicht zu?“, rief der Clown und ging auf das Mädchen zu, das ziemlich weit vorne saß und sich jetzt ängstlich duckte.
Plötzlich brach der Spaßmacher in ein so Herz erweichendes Schluchzen aus, dass das Publikum raste vor Vergnügen.
„Die sagt, ich kann das nicht“, rief der Clown in die Menge und begann schon wieder zu heulen. Ein großer Applaus für diese Einlage war ihm sicher.
Dann kehrte er zum Tisch zurück. Die Musik hatte schon lange ausgesetzt. Ein leiser, langsam anschwellender Trommelwirbel war zu hören. Alle Lampen waren erloschen. Nur der Tisch wurde von ein paar starken Scheinwerfern in helles Licht getaucht.
Der Clown nahm den Schlauch in die Hand. Er blickte sich um, dann setzte er ihn an die Lippen und holte tief Atem.
„Nicht lachen!“, rief er plötzlich und erreichte gerade dadurch einen ungestümen Lacherfolg. Er wartete, bis wieder Ruhe eingekehrt war, dann setzte er den Schlauch wieder an. Diesmal blies er mit aufgeblähten Backen hinein. Da der Ball begann zu zittern! Und nun bewegte er sich tatsächlich! Zentimeter um Zentimeter schwebte er in dem Glaszylinder nach oben.
Jetzt machte der Clown eine Pause. Er nahm den Schlauch vom Mund und hielt ihn mit dem Daumen zu. Dann schaute er zu dem Mädchen hin und rief: „Ätsch, ich schaffe das eben doch!“
Ein Geschrei aus vielen Kehlen war die Antwort der Ball war plötzlich auf die Tischplatte zurück geplumpst. Doch der Clown ließ sich nicht beirren. Sofort blies er wieder in den Schlauch und ließ nicht locker, bis der Ball tatsächlich die Markierung erreicht hatte.
Mit einem Beckenschlag wurde der Trommelwirbel beendet. Dann sank der Ball unter dem Jubel der Menge langsam bis auf die Tischplatte zurück.
Nun folgte die Auftrittsmelodie des Clowns. Mit erhobenen Händen nahm er den Beifall in Empfang. Immer und immer wieder musste er sich vor Jung und Alt verbeugen. Es wollte einfach keine Ruhe mehr einkehren. So nahm er das Mikrofon erneut zur Hand.
„Danke! Vielen Dank“, sagte er unter weiteren Verbeugungen. Erst ein langanhaltender Tusch des Orchesters verschaffte ihm die nötige Aufmerksamkeit.
„Wer weiß, ob nicht unter Ihnen, liebe Zuschauer, ein ähnliches Talent verborgen ist? Haben Sie nicht mal Lust, das Kunststück zu versuchen? Verlieren kann man dabei nicht. Im Gegenteil: Dem, der es schafft, den Ball bis zur Markierung schweben zu lassen, winken nicht weniger als hundert Euro!“
Bei diesen Worten zog er einen riesigen Geldbeutel hervor, entnahm ihm den Geldschein und zeigte ihn herum. Sofort ließ sich ein Murmeln und Raunen hören. Ob es wohl jemand wagen würde, diese Herausforderung anzunehmen?
„Wie hat er das nur gemacht?“, wollte Isabel wissen.
„Ich glaube, dass ich ihm schon auf die Schliche gekommen bin“, entgegnete Tobias. „Im Tischfuß hat er vermutlich ein elektrisches Gebläse versteckt, das er irgendwie fernsteuern kann.“
„Woher willst du das denn so genau wissen?“, wunderte sich Leonie. „Hätte der Ball nicht auch mit Magnetkraft bewegt werden können?“
„Glaube ich nicht. Der Fußball hätte sonst einen Kern aus Eisen haben müssen. Dann hätte ihn der Clown garantiert nicht auf den Boden geprellt. Außerdem hat sich der Ball während des Fluges um sich selbst gedreht. Das passiert auch bei einem Tischtennisball, den man mit einem Haarföhn von unten anbläst.“
„Wenn ich an den Krach denke, den mein Föhn so von sich gibt, dann kann ich kaum glauben, dass dieses Gebläse weniger Lärm macht! Aber ich habe gar nichts gehört.“
„Das ist auch kein Wunder, Leonie! Der Trommelwirbel hat alles andere übertönt. Außerdem sitzen wir mindestens acht Meter weit weg vom Geschehen.“
Das Gespräch wurde durch die Stimme des Clowns unterbrochen: „Hier ist er schon, unser mutiger Kandidat!“
Ein junger Mann von vielleicht zwanzig Jahren hatte die Arena betreten und wurde mit Beifall begrüßt. Der Clown führte ihn zum Tisch und reichte ihm den Schlauch. Mit einem Mal war es wieder ganz still. Jeder war gespannt darauf, wie der Spaß denn enden würde.
Das Licht wechselte. Nur der Kandidat und der Tisch mit Röhre und Fußball waren zu sehen. Der Clown hatte sich in das Halbdunkel zurückgezogen. Tobias beobachtete ihn genau. Aha, die linke Hand des Clowns glitt in die Hosentasche. Ein schelmisches Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit.
Der Trommelwirbel des Schlagzeugs setzte ein, der Ball begann zu schweben. Der Kandidat mühte sich ab, höher und höher ging es hinauf, doch der Fußball erreichte nicht die rote Markierung, so sehr er sich auch anstrengte. Knapp darunter hielt er an, dann sank er auf die Tischplatte zurück.
„Meine sehr verehrten Zuschauer, wie Sie sehen, steht der Preis noch aus“, sagte der Clown und zog den Geldschein ein zweites Mal hervor.
„Du“, meinte Leonie plötzlich und gab Isabel einen Rippenstoß, „das wäre was für dich!“
„Was? Soll ich mich etwa vor all den Leuten hier blamieren?“
Tobias hatte bemerkt, dass Leonie ihm zu zwinkerte. Sie wollte also Isabel überraschen. Nun, dagegen war ja im Grunde nichts einzuwenden. Also begann auch er damit, ihr so lange gut zuzureden, bis sie endlich einwilligte und nach vorne ging.
„Da haben wir sie ja, unsere nächste Kandidatin. Verrätst du uns bitte, wie du heißt?“
Isabel nannte ihren Namen. Fast wäre sie erschrocken, als sie ihre Stimme plötzlich über die Lautsprecher vernahm. Der freundliche Beifall von den Rängen brachte ihr die Ruhe zurück und gab ihr für den Auftritt etwas Mut.
Alles war bereit. Die Kapelle spielte wieder einen Tusch. Die Menge wartete gespannt. Isabel atmete tief ein und pustete in den Schlauch. Alle starrten auf den Ball.
Würde der Clown den Spaß wiederholen? Wohl jeder rechnete damit. Und wieder begann der Ball zu schweben. Isabel pustete aus Leibeskräften. Höher und höher ging es hinauf bald musste der Ball die Markierung erreicht haben. Nun sank er ein Stück weit, dann ging es plötzlich wieder voran – die Markierung war fast schon erreicht!
Das Publikum schaute still und fasziniert. Dass der Spaßmacher nicht mehr wusste, was er tun oder sagen sollte, das hatten inzwischen fast alle mitgekriegt.
Die Helferin stand neben ihm. Krampfhaft hielt sie sich an seinem Arm fest. Dann ging ein Aufatmen durch die Menschenmenge. Es war also geschafft!
Nanu, das Ganze sollte wohl noch weitergehen? Denn der Fußball stieg immer höher. Die Zuschauer witterten die Sensation. Schon hatte der Ball die obere Öffnung der Glasröhre hinter sich gelassen und schwebte nun frei im Raum, dem Zeltdach zu! Die Bewegung stoppte erst, als er die dunkle Plane berührt hatte.
Jetzt waren die Leute gar nicht mehr zu halten! Alle sprangen auf, johlten und klatschten vor Vergnügen in die Hände. Der Lärm war unbeschreiblich. Die Kapelle versuchte sich an einem Tusch, doch war sie kaum zu hören.
Isabel stand nur da und starrte nach oben. Das Genick tat ihr schon weh. Ihre Augen klebten förmlich an dem Ball, der schon wieder niedersank. Bald tauchte er in die Röhre ein. Dann lag er wieder ruhig auf dem Tisch, ganz so, als sei nichts gewesen.
Der Clown brauchte eine ganze Weile, bis er sich gefasst hatte. Dann zog er den Geldbeutel hervor, nahm die Banknote heraus und kam auf Isabel zu. „Ich muss schon sagen, dass ich sehr überrascht bin. Du hast ein außergewöhnliches Talent, Isabel, das muss man dir lassen. Nach der Vorstellung musst du mir unbedingt verraten, wie du das gemacht hast.“
„Tut mir leid, das kann ich nicht. Ich dachte, Sie hätten sich wieder einen Spaß erlaubt!“
„Diesmal wirklich nicht, das kann ich dir versichern. Wenn ich das nicht alles selbst gesehen hätte, ich hätte es nicht für möglich gehalten.“
Isabel wusste nicht, wie ihr geschah, als sie plötzlich die hundert Euro in Händen hielt. Sie bedankte sich und eilte dann zurück an ihren Platz. Von lautem Beifall wurde sie begleitet.
Dieser verstärkte sich, als sich der Clown und die Helferin verbeugten und aus der Arena marschierten. Mitarbeiter holten Tisch und Zubehör, die Musik setzte wieder ein, das Programm konnte seinen Fortgang nehmen.
2. Der schwarze Panther
„Das gibt’s nicht“, schmunzelte Isabel, als sie wieder zwischen Leonie und Tobias Platz genommen hatte. „Ich weiß gar nicht, wie mir heute geschieht!“
„Dann freu dich einfach über das, was du erlebt hast“, meinte Leonie.
„Das Programm geht schon weiter“, bemerkte Tobias und schaute zur Manege.
„Also, ihr seid mir Typen! Dass euch das alles so unberührt lässt? Man könnte fast auf den Gedanken kommen, ihr hättet schon von Anfang an gewusst, was alles passieren würde.“
„So, denkst du das?“, fragte Tobias und hob verwundert die Augenbrauen. Dann hatte er sich wieder gefasst. „Wir wollen eben nichts versäumen, das ist alles.“
Er drehte den Kopf nach vorne, blickte dabei aber Isabel scharf an. Hatte sie vielleicht Verdacht geschöpft? Nein, es sah so aus, als würde sie nicht weiter über die Reaktion der beiden nachdenken. Wahrscheinlich war sie mit den Gedanken schon woanders.
Und tatsächlich, da sagte Isabel: „Übrigens, Leonie, eigentlich war es deine Idee, mich nach vorne zu schicken! Also gehört dir die Hälfte des Gewinns.“
„Überhaupt nicht. Du hast dich in die Höhle des Löwen gewagt. Ich hätte mich vor so vielen Leuten bloß blamiert.“
„Seid bitte ruhig”, bat Tobias. „Das Programm geht weiter.“
Schnell ließ Isabel den Schein in ihrer Handtasche verschwinden. Ein kurzer Blick von ihr nach rechts und links: Leonie und Tobias waren bereits voll in die Darbietungen in der Manege vertieft.
Der nun folgende Auftritt wurde vom Zirkusdirektor und seinen Elefanten gestaltet. Die Dickhäuter drehten sich im Kreis. Dann stellten sie sich auf die schweren Hinterbeine. Ein besonders großes Exemplar führte einen gelungenen Handstand vor.
Anschließend kamen Drahtseilartisten, die hoch oben in der Zirkuskuppel Kunststücke vorführten. Es war atemberaubend: Ob mit Stange oder nur mit Schirm, die Damen und Herren schienen sich dort oben wie zu Hause zu fühlen. Keinerlei Anstrengung war ihnen anzumerken. Der Kopfstand auf einem auf das Seil gestellten Stuhl erschien geradezu als Kinderspiel. Auch die Fahrt auf einem Rad sah aus, als wäre sie das Einfachste der Welt. Das Sicherheitsnetz wurde nicht gebraucht.
Es folgte eine Schau dressierter Affen. Wie konnten diese Tiere so herrlich menschlich reagieren! Bei allem Können stand jedoch der Spaß im Vordergrund.
Dann trat ein Jongleur in die Manege. Alle möglichen Gegenstände wirbelten nur so durch die Luft. Bälle, Keulen, Ringe, ja sogar brennende Fackeln wurden in rascher Folge hochgeworfen und sicher wieder aufgefangen.
„So würde ich auch gerne jonglieren können“, wandte sich Leonie der Freundin zu. Isabel schwieg.
„Nanu, was ist los? Ist dir nicht gut?“
„Ich habe so ein komisches Gefühl im Magen. Ich glaube, mir kommt gleich alles hoch!“
„Wie kommt denn das?“
„Mein Auftritt hat mich ziemlich angestrengt. Dazu der Geruch der vielen Tiere. Vielleicht liegt es daran.“
„Willst du für eine Weile an die frische Luft?“
„Ich trau mich nicht so recht mitten in der Vorstellung.“
„Es ist eh gleich Pause. Ich geh dann mit! Okay?“
Dankbar nickte Isabel. Es dauerte wirklich nicht mehr lange bis zum Abtritt des Jongleurs. Mit vielen anderen Besuchern verließen auch unsere drei das Zelt.
Eine Viertelstunde später ertönte ein Klingelzeichen. Tobias kehrte an seinen Platz zurück, während Leonie und Isabel noch draußen blieben. Im Zelt waren große Eisengitter zu einem runden Käfig zusammengefügt worden, der die gesamte Manege umspannte. Helfer hatten eine Art von Tunnel, ebenfalls aus Eisengittern, angeschlossen. Die Raubtierdressur konnte beginnen.
Der Dompteur betrat die Manege. Er war groß und stark gebaut. Seinem festen Blick konnte wohl kein Tier widerstehen. In einer Hand hielt er eine lange Peitsche, mit der er laut knallte. Dann verbeugte er sich nach allen Seiten. Erwartungsvoller Beifall brandete ihm entgegen.
Schon sah man die ersten Tiere im Zugang erscheinen. Ein Sperrgitter wurde nach oben weggezogen, die Raubkatzen rannten auf ihre Plätze. Und jetzt saßen sie da in Reih und Glied, jede auf einem großen, runden Podest: mehrere Löwen, drei Tiger und ein schwarzer Panther.