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Nach dem ersten Buch "Der Blick oder der Dorfmörder" gibt es jetzt Geschichten, die das Leben schreibt. Biographisches und Fiktion werden in diesem Buch zum Ganzen. Lustiges und Besinnliches für jeden Leser und jedes Alter.
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Seitenzahl: 185
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Vorwort
1. Krankenhaus
2. Glück gehabt!
3. Beim Friseur
4. Im Schwimmbad
5. Aufklärung
6. Der Ausflug
7. Beim Metzger
8. Im Wartezimmer
9. Besuch im Altenheim
10. Liebe
11. Versammlung
12. Kaffeetrinken
13. Autofahrt
14. Fernsehabend
15. Früher
16. Beim Zahnarzt
17. Das männliche Geschlecht
18. Reise nach Rostock
19. Liebe
20. Wie alles begann
21. Reklame und ihre Folgen
22. Theaterbesuch
23. Oma Christine
24. Der 30. Geburtstag
25. Hosenkauf
26. Hausputz
27. Kirmes
28. Geht doch!
29. Fußballabend
30. Spaziergang
31. Geburtstag
32. Kinder, Kinder
33. Umzug
34. Knie-OP und Reha
35. Zum Schluss
Ich möchte mich zuerst bei allen bedanken, die unfreiwillig etwas Lustiges zu meinen Geschichten beigetragen haben.
Dieses Buch widme ich meinem Mann, meiner Oma Christine, meinen Eltern und natürlich auch meinen Kindern, die in einigen Anekdoten vorkommen. Wobei sich Biographisches und Fiktives miteinander vermischen.
Renate Seifert-Rüsche
Sie lag auf dem Bett und überlegte, wie es wohl passiert sein könnte. »Ist das die 85-jährige Patientin?«, rief der Pfleger und sah von oben auf sie herab. »Das hättest du wohl gerne, in dem Alter hält man wohl schön den Mund«, dachte sie und sagte: »Sehe ich so aus? Ich kann Ihnen ja mal meine Brille leihen, damit Sie besser gucken können.« Er sah sie an, konnte aber nicht mehr antworten, da ein junger Assistenzarzt an ihr Bett kam und fragte: »Wie geht es denn? Na, wie ist denn das passiert? Da wollen wir Sie mal zum Röntgen fahren, die Nase ist ja ganz geschwollen, die Augen sind fast zu, der Gegner sieht wohl auch so aus?« Er wollte wohl witzig sein, aber darüber konnte keiner lachen, sie am wenigsten. Denn es tat doch richtig weh – Hinfallen war also nichts für sie … Für wen denn auch, seien wir doch ehrlich: Wenn man als Kind hinfällt: »Ach, die arme Kleine, musst nicht weinen.« Ab einem gewissen Alter heißt es (hinter vorgehaltener Hand): »Die wird aber auch immer klappriger.« Aber zurück zum Krankenhaus: Sie wartete auf die Röntgenassistentin, die erst ziemlich spät, so nach einer »gefühlten« Stunde, ins Zimmer kam und mit hochrotem Kopf ihre Arbeit tat. Auf die Frage, ob sie Fieber habe, da sie so rot im Gesicht sei, wurde sie noch verlegener und bekam keinen Ton heraus. Na, hatte sie vorhin nicht den jungen Assistenzarzt hinter ihr hergehen sehen? Ja, das konnte sein, aber was kümmerte sie das eigentlich? War sie neidisch auf diese, sie musste zugeben, süße Schwester? Sie war doch auch einmal jung gewesen und war da auf der Arbeit nicht ein netter Kollege? Sie kam so ins Schwärmen und merkte gar nicht, dass ein anderer Arzt an ihr Bett kam und ihr den Befund mitteilte: Sie hörte nur noch: »Die Nase muss genäht werden, das rechte Bein ist angebrochen und wird geschient«, und zur Schwester: »Sie wird auf die Chirurgie gebracht und muss mindestens vier Wochen bleiben.« »Das kann ja noch heiter werden«, dachte sie sich, »vor allen Dingen werde ich sicher zu einer alten Oma gelegt, die abends das Gebiss rausnimmt, nicht mehr richtig hören kann und auch noch nachts schnarcht oder rumpupst«. Außerdem wird die dann im Fernseher nur so »Rummel, Rummel« hören und womöglich den »Heini« mögen. Fix und fertig wurde sie alleine von dem Gedanken, was so auf sie zukommen könnte. Sie wurde von einer Schwester abgeholt und zuerst musste die Nase genäht werden. Das war ja auch nicht das Gelbe vom Ei, immer kam vom Arzt der Satz: »Schön ruhig halten, dann kann besser genäht werden«. Na, dann! … Fertig! … Weiter ging es, noch einmal Nase röntgen. Aber da machte plötzlich ihre Blase schlapp. »Schwester, kann ich mal für kleine Mädchen?« Schwester war im Gespräch mit dem Chirurgen und hatte wohl nicht zugehört. Wieder: »Schwester, kann ich mal zur Toilette?« Wieder keine Reaktion. »Hallo, hallo, wenn ich jetzt nicht auf die Toilette komme, geschieht ein großes Unglück!« »Na, wer wird denn hier so ungeduldig sein, nur weil Sie mal Pipi machen müssen, macht man hier keinen Aufstand«. »Na, dann kann ich ja nächstens laufen lassen, wenn es egal ist!!«, meinte sie und die Schwester schob sie in die nächste Toilette. Aber habt ihr schon einmal mit einem Bein hoch die Hose herunterbekommen? Das wünscht man aber auch keinem. Dann meldete sich der Magen! HUNGER!! »Schwester, ich habe Hunger!«, rief sie von der Toilette aus. »Das kann aber jetzt nicht wahr sein, so eine Patientin habe ich aber noch nicht gehabt«, rief die Schwester, half ihr aber aus der Toilette heraus und fuhr sie zuerst zum Aufzug und dann Richtung Station 14. Dort wurde sie von einer Kollegin übernommen. Diese lächelte sie an und sie lächelte einfach mal zurück. Kann ja nicht verkehrt sein, falls man mal was braucht, sie durfte die erste Zeit nicht aufstehen und da hatte man keine andere Wahl.
Als sie im Zimmer angekommen war, sah doch alles recht freundlich aus, die Bettnachbarin war zur Untersuchung unterwegs und sie würde sie später noch sehen. Die Spannung blieb doch, wie sah sie aus, die Frau, mit der sie womöglich lange in einem Zimmer bleiben musste? Endlich ging die Tür auf und ein Schrei folgte: »Nein, du, was machst du denn hier?« »So eine dumme Frage, was soll ich hier schon machen? Eier ausbrüten?« »Ach, das ist aber ein Zufall, dass wir beide hier zusammen liegen. Wann haben wir uns denn zuletzt gesehen?«
Ihr Inneres rief nur: »Hilfe!«, aber sie lachte die andere an und antwortete: »Das ist aber eine Überraschung! Schön, dass wir auf einem Zimmer sind, das wird sicher lustig«. Oh, sie konnte lügen, wenn die wüsste, dass sie diese Frau nicht ausstehen konnte! Die hatte doch vor Jahren ihrem Erich schöne Augen gemacht: Wie sie sich »ranschmiss«! Immer nur: »Ach, Erich, der Abend ohne dich wäre nur halb so schön«, säuselte sie und sah ihm dabei tief in die Augen. Und was machte Erich? Lächelte, fand das noch klasse, dabei sah sie in ihrem geblümten Kleid wie eine Matrone aus. Der supertiefe Ausschnitt konnte ihrer Meinung nach auch nichts mehr retten. Nun war sie in ihrem Zimmer, im Nachbarbett, und sie fragte sie: »Na, welche Krankheit hast du denn? Doch nichts Schlimmes oder gar Ansteckendes?« »Ach«, antwortete sie, »es ist nur der Appdis, der Schnitt ist nur klein, da kann ich ja wieder meinen Bikini anziehen«. »Oh Gott, wer zieht nur einem Nilpferd einen Bikini an?«, dachte sie, und laut fragte sie nach: »Was ist denn ein Appdis? Das habe ich ja noch nie gehört, und Bikini, ist das in deinem Alter nicht übertrieben?« »Es soll nur so ein Wurm sein, wie ich den Doktor verstanden habe. Was heißt überhaupt: In meinem Alter trägt man keinen Bikini? Ich kann es mir leisten, schließlich habe ich 20 Pfund abgenommen.« »Na, wenn man vorher zwei Zentner gewogen hat, sind 20 Pfund wie 20 Gramm, und wenn du Würmer hast, darfst du gar nicht hier liegen. Da gehörst du isoliert, da werde ich für sorgen«, sagte sie ihr ins Gesicht. Dieses wurde fast dunkelrot, und wenn nicht in diesem Moment die Visite gekommen wäre …
GLÜCK GEHABT!!
Der Professor kam mit mehreren Ärzten und Schwestern an ihr Bett, las sich den Bericht durch, blickte sie an, dann wieder den Bericht, schüttelte den Kopf und ging zum Nachbarbett.
Na, das war aber irgendwie komisch, nicht mit mir zu sprechen. Was sollte denn das? »Ach, Herr Doktor, ich habe da mal eine Frage«, begann sie vorsichtig. Bei einem Professor kann man nie wissen, das sind ja auch keine »normalen« Menschen. Da ist man schon wer, da hat man Geld, eine Villa, eine Frau, Kinder, vielleicht noch eine Freundin, und man ist im Golfklub, denn es gibt Verpflichtungen.
Nach einiger Zeit, er sah sie mitleidig an (den Blick könnte sie sich bei ihrem »Ende« vorstellen), und er fragte: »Ja, was gibt es denn Schönes?« Schönes? Das war aber auch schön, wer stellt denn so dämliche Fragen? Sie lag doch nicht zu ihrem Vergnügen hier! »Wie lange muss ich denn hierbleiben?«, war die Frage. »Na, wenn Sie schön brav liegen und nicht aufstehen, dann geht es vielleicht schneller, also abwarten!«, gab er zur Antwort. Muss man also schön brav sein, dann bekommt man auch ein Leckerli? Na, verdammt noch mal, sind wir hier auf der Kinderstation? Oder doch auf der Geriatrie? Oh Gott, nur nicht, das wäre wirklich das Ende.
Sie lächelte ihn nur an und sah auf ihre Uhr, denn es war eigentlich Besuchszeit. Sie wollte endlich etwas anderes hören und vom Nebenbett kommt plötzlich ein schrilles Lachen. Was hat sie denn jetzt? Ist ihr der Wurm schon ins Gehirn gestiegen? Sie hört noch: »Ja, Herr Professor, danke, Herr Professor, werde es so machen, Herr Professor.« Nachdem die Ärzte den Raum verlassen hatten, fragte sie nach: »Na, was gibt es denn zu lachen?« »Ich darf morgen nach Hause, bin wieder gesund«. »Ist der Wurm weg?«, war ihre Frage. »Ach, Wurm hin, Wurm her; es ist alles wieder gut und da kann mich mein Geliebter abholen. Werde gleich anrufen, kann es kaum erwarten«. Jetzt war sie aber platt, die und Geliebter? Da lachen aber die Hühner. So viel Geld hat sie ja gar nicht, dass sie sich einen Geliebten leisten kann. Aber mal abwarten, werde mir das Bürschchen mal ansehen. Die Zeit wollte aber auch nicht vergehen, hatte auch keine Lust, sich von ihr »vollquatschen« zu lassen. »Ach, in einer halben Stunde kommt er, ich habe ja richtig Sehnsucht.« Um Gottes willen, wen will die denn noch in ihrem Alter alles betören? Und laut sagte sie: »Ja, da bin ich aber gespannt, was du so kennen gelernt hast!« Kaum ausgesprochen, schon erschien in der Zimmertür ein Bild von einem Mann: groß, schlank, braungebrannt, schwarzhaarig und jung. Ihr fehlten die Worte, nein, so etwas, sie war fertig.
»Hallo, mein Schatz«, säuselte die Nachbarin, und er gab ihr einen dicken Kuss auf den Mund. »Bah!«, dachte sie nur. Aber eigentlich nicht »Bah!«, wie kam so eine Frau an so einen Mann? War sie neidisch? Sie schloss ihre Augen und überlegte fieberhaft … vielleicht aus dem Internet? Da kann man ja einiges erleben und vielleicht auch »aufreißen«. »Tschüsse, bissi morge«, kam aus seinem Mund. Aha, Ausländer, konnte sie sich ja denken. Deutsche Männer packen die doch nicht mehr an. Oh Gott, was war sie gehässig! Sie konnte es nicht lassen und fragte nach: »Na, der ist aber auch nicht hier geboren?« »Nein, ich habe meinen Schatz im letzten Karibikurlaub kennen gelernt und er ist sofort mit zu mir gezogen.« »Und, der hat sich das gefallen lassen? Einfach so mitnehmen, das kostet doch richtig viel? Umsonst geht so ein schöner Mann doch nicht mit dir nach Hause?«
So, jetzt war die andere so weit … innerlich lachte sie sich eins ins Fäustchen. Aber diese schwärmte nur und antwortete: »Nein, er hat mir gesagt, dass er mich liebt und mich heiraten will!« »Ach, das war doch sicher nicht ernst gemeint, der will doch nur dein Geld! Du bist ja nicht mehr die Jüngste und er könnte doch dein Enkel sein.« »Na, hör mal«, empörte sie sich, »meine Kinder haben ihn auch schon kennen gelernt und finden es toll, dass ich auch heiraten möchte.« Über so viel Blödsinn konnte sie nur staunen, wie kann man in dem Alter noch so doof sein? Aber irgendwie gingen ihr die Argumente aus, im Grunde war es doch egal, ob die noch einmal heiratete! Was hatte sie damit zu tun?
Nur, sie hatte einen Kloß im Hals sitzen, warum konnte sie nicht so ein »Schnäppchen« machen?
Aber sollte sie sich grämen? Sie hatte doch ihren Erich. Der war auch mal schlank, dunkelhaarig und jung. Irgendwie war bei ihnen doch auch noch Liebe, und als er dann ins Krankenzimmer kam und sie ihn so wie früher küsste, da sah er sie verwundert an, als wenn er sagen wollte: »Was ist denn hier passiert?«
Karin schaute in den Spiegel. »Ich sehe furchtbar aus.« Die Haare hingen nur so fusselig herum, die Augen waren gerötet, die Augenbrauen schienen in jede Richtung zu wachsen, und dann entdeckte sie etwas Schreckliches: Haare am Kinn! Was sollte das? »Kommen jetzt die männlichen Hormone? Wie soll ich da hinterher aussehen?« Es reichte! »Ich muss zum Friseur! Ich muss zum Schönheitssalon!!«
Ein Termin war schnell ausgemacht, aber erst in zwei Tagen. Wie konnte Karin diese beiden Tage nur überbrücken? Kopftuch tragen? Lieber nicht, sie wohnte zwar ländlich, aber doch nicht so. Das war in der heutigen Zeit auch nicht mehr »in«. Nicht mehr rausgehen? Keine frische Luft mehr? Es war Gott sei Dank auch nicht mehr so warm, da konnte man sich eine Mütze aufsetzen oder einen Hut? Mütze habe ich keine gescheite und Hut? Habe zwar welche, aber tragen das eigentlich nicht nur alte Frauen? Wieso hatte ich mir beim Kauf darüber keine Gedanken gemacht? Karin wusste nicht mehr weiter und rief ihre Freundin Claudia an. Während des Gesprächs kam Karins Mann Max ins Zimmer. Gestikulierte mit den Händen herum und Karin unterbrach ihr Gespräch: »Was ist los? Du fuchtelst so mit den Händen, bist du krank?« »Ach, ich wollte nicht stören, wollte doch nur fragen, ob du noch die leckeren Plätzchen von Weihnachten hast?« »Das weißt du doch, die hast du schon alle aufgegessen. Habe noch ein paar gekaufte in der rechten Schublade, die kannst du essen«, antwortete sie. »Da sind sie aber nicht«, rief er aus der Küche und Karin verdrehte die Augen. »Warte einen Moment, Claudia, bin gleich wieder da.« Sie ging in die Küche und Max sah sie an: »Was hast du? Du siehst so giftig aus.« »Nein, ich bin ganz entspannt, wieso sehe ich giftig aus? Habe doch gar keinen Grund.« »Doch«, meinte er: »Wenn man entspannt aussieht, dann geht das so.« Er machte ein lächelndes Gesicht. »Gar nicht. Wenn ich entspannt bin, dann lasse ich alles hängen, etwa so.« »Ja, stimmt«, meinte er, »dann hängen die Wangen so runter.« »Aha, ich habe also schon Hängewangen«, sagte sie. »Nein, du verstehst wieder alles falsch, es hängt doch nur ein bisschen. Au, nein, so meine ich es auch nicht. Ach, ich habe gar keine Meinung«, rief er und ging aus der Küche in den Flur. Sie lief ihm hinterher und schrie: »So weit ist es schon, dass du mir meine Wangen schlecht machst. Nachher sind es auch noch die heute Morgen entdeckten Haare am Kinn.« Oh, jetzt war es raus. Das hatte er ja noch gar nicht gesehen und sie musste ihn auch noch darauf hinweisen. Wie dumm war sie nur? Er drehte sich um und fing an zu lachen, nahm sie in den Arm und sagte: »Na und? Haare hin oder Haare her, ist doch egal, ich liebe dich auch so.« Sie weinte und lachte und plötzlich fiel ihr ein, dass Claudia ja noch am Telefon war. Die hatte sie ganz vergessen. Wieder am Apparat, merkte sie, dass diese in der Zwischenzeit aufgelegt hatte. Na, auch egal. Vielleicht sieht man sich ja auch beim Friseur.
Endlich Friseurtag!!
Dort saßen auch noch drei andere Frauen, alle mittleren Alters (das heißt Ü 55–Ü 60). Die eine kam aus dem Nachbarort, hatte rote, glatte Haare und sah wie Pumuckl aus. Zum Schreien. Jetzt sprach sie mich auch noch an: »Na, wir kennen uns doch auch?« Blöde Anmachfrage! »Ja, kann sein. Ich weiß aber nicht, woher.« Sei schlau und stell dich doof, hat mir mal meine Oma gesagt. »Sie waren doch letztens mit Ihrer Nase im Krankenhaus, da haben wir uns doch auf dem Flur getroffen.« »Hatte ich total vergessen.« »Das kann ja mal passieren, man trifft so viele Menschen, da kann mal einer vergessen werden«, antwortete ich. Endlich kam Karin dran; die Friseurin sah auf ihr Haar und meinte: »Da gibt es jetzt nur eine Radikalkur, was haben Sie mit den Haaren gemacht?« Na, red hier nicht rum, dachte sie nur und gab aber als Antwort: »Ach, ich weiß auch nicht, wir waren in Urlaub und dort bin ich einfach bei einem Friseur reingegangen, habe gefragt, ob die mal eben durchschneiden können. Da ist es passiert, jetzt sehe ich so aus.«
»Na, das bekommen wir wieder in den Griff, wir machen erst einmal eine schöne Farbe rein, werden die Augenbrauen zupfen und da sehe ich«, in dem Moment wurde sie lauter, »Sie haben ja auch schon Haare im Gesicht, Sie bekommen einen Damenbart …« Karin hätte sie schlagen, durch den Wolf drehen oder Ähnliches machen können. Musste das so laut gesagt werden? Die anderen Frauen hatten zugehört und schon kamen die Kommentare: »Ach, Sie sind ja in so einem Alter, da hat man hinterher überall Haare.« Pengüü! Das war wieder so nach Karins Geschmack, die Alten konnten doch nicht ihre Klappe halten.
Sie lächelte nur krampfhaft, man machte also gute Miene zum bösen Spiel. Endlich war die Farbe auf den Haaren, und in der Einwirkzeit bekam sie zwei Zeitschriften: »Die goldene Henne« und »Ich bin für dich da«. Bei beiden konnte man nur das kalte Grausen bekommen, denn es triefte nur so vor Schmerz und Herz. Was ging das eigentlich Karin an, ob der Graf x mit der Gräfin y im Pool geknutscht hatte? »Sollen sie doch, davon habe ich auch nichts«, dachte Karin, »mit mir knutscht jedenfalls keiner im Pool. Das hat zwei Gründe: Erstens habe ich keinen Pool und zweitens, welcher Graf soll mit mir schon knutschen?« Kaum gedacht, kommt der Nachbar herein, lächelt und fragt: »Ach, habt ihr für mich noch Zeit? Möchte mich gerne stylen lassen.«
Karin hätte bald die Zeitungen fallen lassen. Stylen? Wo denn? Die fünf Haare? Laut sagte sie: »Ach, Gerd, du bist ja auch da. Du brauchst doch gar nicht zum Friseur, die paar Haare kann deine Frau schneiden.« Alles lachte, nur Gerd nicht, der sah im Moment sauer aus, er sah mich an und meinte: »Bei dir lohnt es sich doch auch nicht, selbst mit gefärbten Haaren guckt dich keiner mehr an!« Das hätte er ihr auch in jungen Jahren nicht gesagt und alle hörten auf zu lachen und warteten auf Karins Antwort. »Nur weil du anfängst dement zu werden, brauchst du mich nicht zu beleidigen«, erwiderte Karin. Alles grinste und was machte Gerd? Tür auf, Tür zu … weg war er. Die Friseurin fand das nicht so gut, denn Gerd war ja auch ein Kunde. Sie sah mich an und meinte: »Na, wenn ich Sie nicht so gut kennen würde, müsste ich Schadenersatz verlangen. Schließlich hätte er bestimmt 20,00 Euro bei mir bezahlt.« »Na, so teuer ist es, fünf Haare zu kämmen?« »Nein, aber der Kunde hat bei mir schon Augenbrauen zupfen und färben lassen.« Karin fing laut an zu lachen und rief: »Habt ihr gehört, der lässt sich die Augenbrauen färben und dabei kann er auch nichts mehr bei der Damenwelt bewirken!« »Na«, meinten die anderen, »so schlecht sieht er ja auch noch nicht aus.« »Ich etwa?«, fragte Karin. »Nein«, riefen sie, »aber man muss das Alter sehen und die vielen Falten.« Na toll, beim Mann sind Falten und Alter nicht wichtig, aber die Frauen müssen bis zum Ende ihrer Tage wie die Jungfrau von Orleans aussehen. Karin hatte sich genug aufgeregt und las einfach in diesen doofen Zeitschriften weiter und dachte: »Komisch, hier steht auch: Im Alter sehen Frauen oft viel besser aus als die gleichaltrigen Männer. Außerdem wirken sie viel vitaler und sind noch an allem interessiert.« Na also: Geht doch!!
»Hallo, kommst du? Wir wollen doch los«, rief Waltraud aus dem Auto, wo noch die Beifahrertür weit geöffnet war. Endlich kam Margret und zog eine schwere Tasche hinter sich her.
»Was nimmst du denn alles mit? So viel brauchst du doch gar nicht. Ich habe meinen Tankini an, brauche nur Waschzeug, Badelaken und Unterwäsche. Na, erzähl mir mal, was du denn so alles brauchst.« »Du hast gut reden, bei meiner Figur braucht man schon einen großen Badeanzug, ein großes Badelaken, einen Bademantel und Diverses«, antwortete sie.
»Aber hallo«, lachte Waltraud, »wenn du meinst, du wärst dick, dann zeige ich dir gleich mal richtig Dicke.«
Das Wasser im Thermalbad war wie immer superwarm. Man ging hinein und fühlte sich einfach wohl.
So ging es beiden, dieses wohlige Gefühl machte sich bei beiden breit. »Wie fühlst du dich denn jetzt?«, fragte Waltraud.
»Ach, herrlich, und wir sind sogar ganz alleine in dem großen Bad.«
Kaum ausgesprochen, da kamen schon mehrere Frauen herein, alles so geschätzte Größe 54. »Soll ich dir mal sagen, was mein Vater meinte? Da kommt ein Krampfadergeschwader.« Margret wäre bald vor lauter Lachen untergegangen und wollte aber nicht auffallen, bekam einen hochroten Kopf und schwamm in eine andere Richtung. Die nächste Attraktion kam auch noch: ein Mann, dicker Bauch, darunter eine fast durchsichtige Hose, die bis zu den Waden ging. Fast alle im Bad sahen in seine Richtung und hielten irgendwie die Luft an. Hält die Hose? Oder fällt sie? Margret stand wieder im Wasser neben Waltraud und hatte das auch mitbekommen: »Gibt es hier nur solche Typen? Wo bin ich denn hier reingeraten?«
»Auf dem Lande«, sagte Waltraud. »Hier gibt es viele lustige Sachen zu erleben und zu sehen.«
Eine andere Frau kam angeschwommen und meinte: »Der ist oft hier, wir sind alle gespannt, wie lange die Hose noch hält.«
Wieder in der Umkleide rief Margret: »Meine Hose ist weg. Ich kann doch nicht ohne Hose auf die Straße gehen. Ist das hier normal?« »Nein«, meinte Waltraud, »vielleicht hast du sie verlegt? Wir wollen doch auch hinterher noch einkaufen gehen, dann ziehe dir doch den Bademantel an, da fällt es nicht auf.« Sie sah Margret an und die meinte: »Der Bademantel ist ganz rot und mit Kapuze.« »Ja«, rief Waltraud, »es ist doch bald wieder Nikolaus, ich nehme deine Hand und ziehe dich hinterher. Was meinst du?«