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Immer häufiger begleiten Stress und Hektik das Familienleben: Beruf und Schule fordern uns, zu Hause stehen ebenso tausend Dinge an. Kinder fühlen sich in dieser schnelllebigen Zeit oft überfordert und reagieren gereizt. Somit kann der Familienalltag ganz schön anstrengend werden. Viele Eltern verzweifeln. Sie sagen Dinge, die sie so nicht sagen wollten. Sie handeln anders, als sie das von sich erwartet hätten. Dabei wollen die meisten doch nur eines: Den Familienalltag entspannt erleben, die Zeit mit den Kindern genießen und ein glückliches Leben führen. In diesem Buch erfahren Sie, wie Sie mit einfachen Schritten zu mehr Gelassenheit im Familienalltag finden. Wie man runterkommt vom »Schneller, Mehr und Besser« sowie von den oft zu hohen Ansprüchen an sich selbst und an die Kinder. Damit Sie wieder Zeit finden für ein achtsames und glückliches Miteinander!
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Seitenzahl: 211
Veröffentlichungsjahr: 2017
Tanja Draxler-Zenz
Gelassenheit steckt an
Entspannt durch den Familienalltag
ENNSTHALER VERLAG STEYR
Erklärung
Die in diesem Buch angeführten Vorstellungen, Vorschläge und Therapiemethoden sind nicht als Ersatz für eine professionelle medizinische oder therapeutische Behandlung gedacht. Jede Anwendung der in diesem Buch angeführten Ratschläge geschieht nach alleinigem Gutdünken des Lesers. Autor, Verlag, Berater, Vertreiber, Händler und alle anderen Personen, die mit diesem Buch in Zusammenhang stehen, können weder Haftung noch Verantwortung für eventuelle Folgen übernehmen, die direkt oder indirekt aus den in diesem Buch gegebenen Informationen resultieren oder resultieren sollten.
www.ennsthaler.at
ISBN 978-3-7095-0073-6
Tanja Draxler-Zenz · Gelassenheit steckt an
Alle Rechte vorbehalten
Copyright © 2017 by Ennsthaler Verlag, Steyr
Ennsthaler Gesellschaft m.b.H. & Co KG, 4400 Steyr, Österreich
Umschlaggestaltung: Thomas Traxl, Steyr
Titelbild: © shapecharge / iStockphoto.com, © Imaster / Fotolia.com
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH
Cover
Titel
Impressum
Mein Traum
Aufbruch
I. Eltern heute – Warum Eltern unter Druck stehen und wie sie sich daraus befreien
Die Rolle der Eltern
Die Stressfalle
Von Krokodilen und kuscheligen Kätzchen
Schritte zur Gelassenheit
Achtsame Präsenz
Das funktionierende Netzwerk
Neu ausrichten
II. Kindheit heute – Warum Kinder unter Druck stehen und wie Sie Ihrem Kind helfen, sich daraus zu befreien
Viele kleine Individuen
Kinder unter Zeitdruck
Sechs Schritte zu einem gelassenen Familienleben aus Sicht der Kinder
1. Von der Liebe
2. Der sichere Hafen
3. Die wahren Bedürfnisse
4. Zeit, Muße und Langeweile
5. Spielen, die Arbeit der Kinder
6. Erwachsenenfreie Zonen
III. Familien heute – Warum Familien unter Druck stehen und wie sie es schaffen, gelassen den Alltag zu leben
Adventure Family
Das Leben ist ein Abenteuer
Medien – Abenteuer im Kastenformat
Krisen als Chance
Slow Family
Slow Motion
Mit Selbstregulation zu einem gelassenen Familienalltag
Spannung und Entspannung
Von Eulen und Lerchen
Rituale
Ohne Fundament kein Haus
Slow, trotz Kindergarten und Schule?
Downshifting Family
Der Ort, an dem die Zeit stehen bleibt
Familienbett
Mit Humor geht’s leichter
Das Hormon der Liebe
Crunchy Family
Dank
Quellen
Über die Autorin
Weiters erschienen
Als unsere Kinder noch sehr klein waren, unterlag ich der Illusion, wir würden alles ganz anders machen. Vom Stress, von dem alle reden, lassen wir uns nicht anstecken. Die Nachmittage, an denen Mama und Papa Taxi für ihre Kinder spielen, wird es bei uns nie geben. Keine Förderprogramme in der Freizeit. Wir werden uns mehrere Monate Auszeit im Jahr gönnen, immerhin sind mein Mann und ich selbstständig. Wir können uns diese Freiheit nehmen. So mein Vorsatz.
Solange unsere Kinder noch sehr klein waren, lief es tatsächlich richtig gut. Je größer sie wurden, desto mehr schien mir dieser Traum eines gelassenen, entspannten Familienalltags zu entgleiten. Die Ansprüche der Kinder wuchsen, mit ihnen ihre Launen. Am Nachmittag nur zu Hause zu sein, war eine Qual für sie. Sie wollten zum Musikunterricht, zum Ballett oder Fußball. Taxifahrerin war inzwischen meine zweite Berufsbezeichnung.
Kindergarten und Schule forderten ihre Zeit, von den Hausaufgaben gar nicht zu reden. An unserem Ausbildungszentrum nahm die Arbeit für meinen Mann und mich ständig zu. Das war auch gut so. Mehr Aufträge, mehr Arbeit, zeitgleich natürlich auch mehr Geld. Das konnten wir bei drei Kindern richtig gut gebrauchen. Außerdem liebte ich meine Arbeit und konnte mir ein Leben ohne sie nicht vorstellen. Aber von Zeit zu Zeit fiel mir die Decke auf den Kopf. Es wurde mir einfach alles zu viel. Zu viele Termine, zu viele Anforderungen von allen Seiten und zu wenig Zeit für unsere kleine Familieninsel.
Meinen Traum eines gelassenen, entspannten Familienalltags hatte ich dennoch nie aus den Augen verloren. Es muss doch Möglichkeiten geben, gelassen zu bleiben, trotz der Anforderungen, die auf einen zukommen. Es muss doch möglich sein, entspannt zu bleiben, zumindest den größten Teil des Tages, ohne gleich aus der Gesellschaft aussteigen zu müssen.
Nach einigen neuen Lebensstrategien und Umstrukturierungen kann ich jetzt sagen: Wir haben es geschafft! Es gelingt uns nicht immer, aber immer öfter. Ich bin bestimmt keine Übermutter und unsere Familie ist keine dauerentspannte, immer gut gelaunte Superfamilie. Uns würde dann auch ziemlich schnell langweilig werden.
Mir geht es vielmehr um einen lebendigen und dennoch entschleunigten Familienalltag, der sich auch mit Beruf und Kindergarten sowie Schule gut arrangieren lässt. Es geht darum, dass alle Familienmitglieder Zeit finden, das Leben in vollen Zügen zu genießen und den Alltag bewusst zu erleben. Es geht darum, endlich runterzukommen vom Perfektionswahn und dem »Immer gut drauf«-Syndrom. Es wird Zeit, als Familie auch im Trubel des Alltags gelassen bleiben zu können.
Tanja Draxler-Zenz, im Jänner 2017
Als Sonjas erste Tochter vor einigen Jahren auf die Welt kam, dachte sie, alles mit links zu schaffen. Kein Problem. Sie hatte gehört, dass Babys mindestens drei Stunden schlafen, dann sanft erwachen und friedlich ihre Milch trinken. Danach sofort wieder in ihren geliebten Schlummerschlaf fallen und sich erst nach einigen Stunden wiederum melden. Welch ein Vergnügen. Das ist ja besser als Urlaub.
Sie hatte sich viel vorgenommen für die ersten Monate mit ihrem neuen Familienmitglied. Was würde sie alles machen, während das Baby schlief. Sie fühlte sich wie im siebten Himmel, wenn sie sich diese wunderbare Zeit vorstellte.
Es kam natürlich ganz anders. Sonjas Tochter wollte nur getragen und ständig gestillt werden und schlief so gut wie nie allein in ihrem Bettchen. Schlaue Ratgeber über »artgerechte Babyhaltung« hatte es zu dieser Zeit noch nicht in dieser Fülle wie heute gegeben. Es hätte Sonja sicher einiges erleichtert.
Trotz der vielen schlaflosen Nächte und der enorm anstrengenden Zeit hatte sie von Beginn an ihr Muttersein und ihre neue kleine Familie geliebt. Sonja hatte nicht damit gerechnet, wie viel Liebe sie für dieses kleine Wesen empfinden könnte. Wie intensiv das Leben im positiven Sinne wird, wenn man plötzlich für ein kleines Baby verantwortlich ist. Es war für sie trotz der ungewohnten Umstände und oft sehr anstrengenden Zeiten absolut klar, dass ihre Familie wachsen sollte. Mittlerweile sind sie zu fünft. Doch die Anforderungen, die täglich anstehen, haben sich nicht nur verfünffacht, sondern gefühlsmäßig verhundertfacht.
Vergangenheit versus Gegenwart
Haben Sie auch manchmal das Gefühl, dass früher alles besser war? Die Menschen lebten immerhin im Rhythmus der Natur, sie lebten mit den Jahreszeiten. Im Sommer arbeiteten sie mehr, im Winter weniger aufgrund des Lichtmangels. Sie trugen ihre Babys bei sich, die dann einschliefen, wann immer sie es brauchten. Die Menschen lebten in Clans zusammen und wechselten sich bei der »Kinderbetreuung« ab. Das Thema Stress kannten sie so gut wie nicht. Zumindest nicht in dem Ausmaß, wie wir es kennen. Die Zeit wurde auch fürs Zusammensitzen, zum Herumschlendern und einfach nur zum Spielen genützt. Einfach fantastisch. Zurück auf die Bäume. 1, 2, 3, los!
Oder doch nicht? Wer glaubt tatsächlich an die Winnetou-Romantik oder Steinzeit-Wellness? So entspannt war es ja dann doch wieder nicht. Zurück auf die Bäume möchte nicht wirklich jemand von uns, oder? »Das einzig Beständige im Leben ist die Veränderung«, sagte schon der griechische Philosoph Heraklit von Ephesos (um 520–460v.Chr.). Da stimme ich ihm zu. Außerdem leben wir in einer Zeit, in der es schier unendliche Möglichkeiten gibt. Zumindest hier bei uns in den westlichen Ländern. Wir haben zu essen, warme Kleidung und meist auch einen Job. Es kommt jedoch darauf an, was wir aus diesen Möglichkeiten machen oder wie wir unser Leben gestalten möchten.
Immer schneller, immer höher, immer mehr
Es scheint dennoch nicht so recht zu klappen mit einer entspannten, gelassenen Lebenshaltung. Wir haben uns gesellschaftlich gesehen in einem Irrgarten verlaufen, aus dem viele von uns schwer wieder herausfinden. Hektik und Stress begleiten oft den Familienalltag. Der Terminkalender der Erwachsenen ist voll. Bei Kindern sieht es meist nicht anders aus. Eine Aktion nach der anderen lässt gestresste Mütter ihre Kinder vom Sport zur Musikschule und weiter zum Nachhilfeunterricht fahren. Haben die Eltern das Gefühl, ihr Kind sei nach all den Aktivitäten überfordert oder unruhig, wird es zur Entspannungsstunde und zum Kinderyoga angemeldet. Bleibt noch freie Zeit, etwa im Zug zur Arbeit oder im Schulbus, wird diese genutzt, die E-Mails zu checken oder am Smartphone zu spielen.
Die meisten von uns wurden dazu erzogen, sich anzupassen und dabei die eigene Persönlichkeit zu vergessen. Dazu kommt, dass die Menschen zunehmend das Gefühl haben, immer mehr arbeiten zu müssen, obwohl sie reicher sind als je zuvor. Sie konsumieren mehr materielle Dinge als jemals zuvor in der Geschichte. Shoppen gehört zur modernen Freizeitgestaltung. Arbeiten, Geld ausgeben, Stress und Hektik dominieren den Tagesablauf. Dabei steht uns mehr freie Zeit zur Verfügung als den Generationen vor uns.
Zugleich rücken Werte, die einst sehr wichtig waren, in den Hintergrund. Werte, wie einander in der Gemeinschaft zu unterstützen oder füreinander zu sorgen. Es bleibt immer weniger Zeit für das Zusammensein, für Partnerschaft, für Freunde – und auch für Kinder. Noch nie in der Geschichte der Menschheit haben wir so getrennt voneinander gelebt wie jetzt. Die Arbeit und das Geld stehen an erster Stelle. Das Phänomen »Familie« wird zum Auslaufmodell.
Aber werden die Menschen zeitgleich glücklicher? Wie geht es Ihnen, wenn Sie Ihre Mitmenschen beobachten? Wird noch miteinander gelacht, umarmt oder einfach einmal herumgealbert? Wenn ich durch die Straßen laufe, kommen mir vorwiegend angespannte, deprimierte, nach unten blickende Gesichter entgegen. Treffe ich tatsächlich mal jemanden, der entspannt wirkt und dabei auch noch ein breites Grinsen auf den Lippen hat, kommt mir spontan in den Sinn, er könnte Drogen genommen haben …
Die Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind erschreckend. Vier Millionen Deutsche litten im Jahr 2014 an depressiven Krankheiten. Für das Jahr 2030 rechnet die WHO damit, dass Depression weltweit die häufigste Krankheit sein wird. Der Verbrauch von Antidepressiva hat sich seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt.1 Der ständige Zeitdruck und das Gefühl, dass alles schnell gehen muss und zu wenig Zeit ist für das, was wirklich guttut, spielen dabei eine wesentliche Rolle.
Aussteigen
Die meisten von uns, die in einer Familie leben, wollen vor allem eines: den Familienalltag entspannt erleben. Aber ist dafür genügend Zeit vorhanden? Können Eltern überhaupt in all dem Trubel die Bedürfnisse ihrer Kinder, geschweige denn ihre eigenen wahrnehmen? Bleibt überhaupt Zeit, das Familienleben gelassen und achtsam zu leben? Wenn nicht, hilft es vielleicht auszusteigen?
Aussteigen aus dieser Gesellschaft? Ich denke nicht. Wir sind nicht Robinson Crusoe, der auf einer einsamen Insel lebt. Aber aussteigen aus dieser hohen Lebensgeschwindigkeit, das gelingt sehr wohl. Wir können das Tempo unserer Zeit nicht verringern. Aber wir können sehr wohl jenes Tempo wählen, nach dem wir agieren. Wir können uns jeden Tag aufs Neue dafür entscheiden, den Alltag gelassener und bewusster zu erleben. Ich sage nicht, dass es immer leicht oder nebenbei gelingen wird. Ganz bestimmt nicht. Ich sage auch nicht, dass Sie ab jetzt nur noch entspannt in der Hängematte liegen sollen, während Sie Bob Marley hören und einen Drink schlürfen. Das wäre auf Dauer auch eintönig, nicht wahr?
»Familie leben« ist kein Zuckerschlecken. Es gibt immer wieder Zeiten, in denen es drunter und drüber geht. In denen Krisen den Alltag bestimmen oder es einfach zum Aus-der-Haut-Fahren ist. Und dennoch haben Sie es zum größten Teil selbst in der Hand, wie Sie Familie leben möchten.
Vorteile der heutigen Gesellschaft nutzen
Natürlich hat es seine Berechtigung, Kritik am hektischen Tempo der Welt zu üben. Aber die Lösung wird nicht sein, die »Welt anzuhalten«, sodass alles nur noch langsam geht. Es ist vielmehr an der Zeit, darüber nachzudenken, wie die Vorteile der heutigen Gesellschaft genutzt werden können, sie mit den wertvollen Erfahrungen der letzten Jahrtausende zu verknüpfen. Ich möchte nicht dafür plädieren, in die Vergangenheit zurückzukehren. Es gilt zu überlegen, was in unserer Existenz als Menschen wirklich wertvoll ist.
Nicht alles ist gut oder schlecht, schwarz oder weiß. Sie werden von mir keine Ratschläge oder Rezepte hören, wie Sie Ihr Zeitmanagement in den Griff bekommen oder wie Ihre Kinder in einem Dauerentspannungsmodus das Leben genießen können. Bleiben wir in der Realität. Der Familienalltag kann sehr anstrengend sein. Er fordert so manches von uns und bringt uns immer wieder an unsere Grenzen. Ich kenne Ihre ganz persönliche Familie nicht. Nur Sie kennen sich selbst, Ihre Kinder und Ihre Familie am besten. Sie entscheiden, was zu Ihnen passt und worin Sie sich vielleicht wiederfinden.
Dieses Buch wird aufdecken, worauf Sie unbedingt einen Blick werfen sollten. Es soll erprobte und höchst effektive Möglichkeiten aufzeigen, wie Sie mehr Gelassenheit in Ihren Familienalltag bringen. Machen Sie sich auf die Suche nach einem gelasseneren Lebensstil. Vielleicht ist er gar nicht so weit entfernt, wie Sie glauben. Vielleicht finden Sie ihn gleich um die Ecke, um endlich wieder Ihr Familienleben zu genießen, so wie Sie es sich ursprünglich einmal vorgestellt haben.
Muster durchbrechen
Geh nicht nur die glatten Straßen. Geh Wege, die noch niemand ging, damit du Spuren hinterlässt und nicht bloß Staub.
Antoine de Saint-Exupéry
Mit Mustern, die wir mittlerweile gesellschaftlich gesehen als »normal« einstufen, werden wir uns näher beschäftigen. Es braucht Menschen, die couragiert genug sind, diese Muster zu durchbrechen, die immer wieder einmal innehalten und aus Gewohntem aussteigen. Damit die Gesellschaft den Familien ihren rechtmäßig verdienten Platz (zurück-)gibt. Damit Kinder wieder gesehen und wahrgenommen werden, jedes auf seine ganz eigene Art. Damit Eltern gelassen als echte Begleiter fungieren können, wie es immer schon gedacht war. Denn Sie als Elternteil nehmen eine pädagogische Rolle ein, ob Sie es wollen oder nicht.
Wissen Sie, was das Wort »Pädagoge« ursprünglich bedeutete? In griechischer Übersetzung heißt es: »Sklave, der die Kinder seines Herrn in die Schule führte«. Somit waren Pädagogen die Begleiter der Kinder. Nicht diejenigen, die das Kind formten und es auf seine Zukunft vorbereiteten. Eltern sollen wieder Zeit finden, ihre Kinder begleiten zu dürfen. Außerdem sollen sie in ihrer Rolle als »Universalgenies« geschätzt werden und das Recht haben, sich selbst zu entfalten. Seien Sie mutig und machen Sie sich auf eine Reise, um sich selbst und Ihrer Familie diese wertvolle »kurze« Familienzeit zu schenken. Um Ihren Alltag gleich jetzt und nicht erst, wenn die Kinder aus dem Haus sind, gelassener anzugehen.
Freude am Leben
Und warum all das? Damit Menschen wieder mehr miteinander lachen und sich dabei gleichzeitig in die Augen sehen. Damit Freunde auch angefasst werden können und nicht nur virtuell vorhanden sind. Damit Zeit bleibt, Kinder »artgerecht« zu begleiten, sie zu sehen und zu spüren. Und das alles, damit die Erde Chancen hat zu überleben – indem Menschen auf ihr wohnen, die ein nachhaltiges und bewusstes Leben führen.
Packen Sie es an. Nehmen Sie sich Zeit für die schönen Dinge des Lebens.
Jan und Manuela gehören zu den 180-Prozent-Eltern. Sie gehören zu den Eltern, die die Bedürfnisse ihrer Kinder ernst nehmen möchten und ihnen eine schöne Kindheit bieten wollen. In der Schule unterstützen sie die beiden älteren, wann sie nur können. Gemeinsames Erledigen der Hausaufgaben bis spät in die Nacht ist dabei keine Seltenheit. Das verlangt einiges von ihnen selbst ab. Oft fühlen sie sich dabei überfordert. Auch der Jüngste soll es in der Kita (Kindertagesstätte) gut haben, sein Wohl liegt ihnen sehr am Herzen. Ihre Kinder sollen glücklich sein. Jan und Manuela fühlen sich für deren Zukunft verantwortlich.
Immer wieder plagt sie jedoch das Gefühl, es nicht gut genug zu machen. Sind sie wirklich gute Eltern? Immerhin sind sie nicht nur Eltern dreier Kinder, sondern auch beide berufstätig. In ihrem Job geben sie alles. In letzter Zeit wird es ihnen aber auch in der Arbeit oft zu viel. Es bleibt zu wenig Zeit für ihre Partnerschaft oder Hobbys, die sie früher so gerne gemeinsam ausübten. Jan und Manuela haben immer öfter das Gefühl, zwischen all den Anforderungen, die sie täglich zu bewältigen haben, auf der Strecke zu bleiben. Zu Hause zanken sie mehr, als ihnen lieb ist, und sagen Dinge zueinander, die sie anschließend bereuen oder gar nicht so gemeint haben. Auch den Kindern gegenüber reagieren sie immer öfter gereizter.
Kennen Sie ähnliche Situationen aus Ihrem Leben? Ganz bestimmt fühlen Sie sich in der einen oder anderen Situation überfordert. Sie können weder gelassen reagieren, noch entspannt Ihren Alltag verbringen? Werfen wir somit gleich zu Beginn einen Blick auf Sie. Im ersten Teil dieses Buchs werden wir uns speziell mit dem Thema Gelassenheit und einem stressfreien Lebensstil in Ihrem Alltag beschäftigen.
Die Rolle der Eltern hat sich mit den Jahrzehnten markant verändert. Waren Kinder vor fünf Jahrzehnten noch ein selbstverständlicher Bestandteil einer (Groß-)Familie, ist Elternschaft heute eine Option. Die klassische Familie kommt kaum noch vor. Heute wird in allen möglichen und unterschiedlichsten Formen zusammengelebt. In der Arbeitswelt sollen Eltern am besten immer und flexibel zur Verfügung stehen. Die Wirtschaftsentwicklungen der letzten Jahrzehnte macht es Eltern nicht gerade leicht. Elternschaft erschwert die Teilnahme am freien Wettbewerb.
Gleichzeitig ist seit den 1980er-Jahren eine starke Pädagogisierung der Elternrolle zu beobachten. Erziehungsstile, geprägt von Gehorsam, Anpassung und Pflichtbewusstsein, wurden von einem partnerschaftlichen Erziehungsstil abgelöst. Eltern gelangen durch viele dieser Umstände immer häufiger an die Grenzen ihres erzieherischen Handelns. Sie erlegen sich auch vermehrt den Druck auf, alles richtig machen zu wollen. Immerhin fühlt sich ein Drittel der Eltern im Erziehungsalltag »oft bis fast täglich« gestresst.2
Viele Eltern fürchten, ihrer Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Sie haben etwa Angst davor, ein klares Nein auszusprechen. Sie umgehen damit nervenaufreibende Konfliktsituationen mit dem Nachwuchs. Meist fehlt es an etwas ganz Wesentlichem: an Zeit. Viele Familien haben nur wenig Zeit für gemeinsame Momente. Es fehlt an Eltern, die Zeit haben für sich selbst, für ihre Kinder und das, was sie gern machen. Eltern, die Zeit mitbringen, um miteinander, mit ihren Freunden oder ihren Kindern zu reden. Eltern, die zwischen all den Anforderungen dennoch das Leben genießen können.
Beatrice hat einen wichtigen Abgabetermin. Ihr Artikel muss bis morgen fertig sein. Noch einmal will sie ihren Chef nicht enttäuschen. Sie hatte in letzter Zeit so viele andere Dinge um die Ohren, dass sie sich nicht richtig auf ihre berufliche Arbeit konzentrieren konnte. Ihr Sohn Markus ist vier Jahre alt. Er besucht die Kita und geht gerne dorthin. In letzter Zeit aber war er öfter krank. Öfter, als Beatrice es sich »leisten« konnte, von der Arbeit fernzubleiben. Und jetzt das: Ein Anruf der Erzieherin aus der Kita zieht Beatrice den Boden unter den Füßen weg. Markus hat Fieber. Nicht hoch, aber er muss abgeholt werden. Beatrice weint ins Telefon: »Ich kann Markus jetzt nicht abholen. Ich muss bis morgen meinen Artikel abgeben, sonst verliere ich meinen Job.« Sie legt den Telefonhörer auf. Eine gefühlte Ewigkeit vergeht, bis ihr bewusst wird, was sie eben getan hat. In Wahrheit waren es wahrscheinlich ein paar Millisekunden. Beatrice ist schockiert über sich selbst. Was hat sie gerade gemacht? Sie erkennt sich selbst nicht wieder. Markus ist krank und sie will ihn nicht nach Hause holen. Weinend klappt sie den Laptop zu und macht sich so schnell wie möglich auf den Weg in die Kita. Sie nimmt Markus entgegen. Er schmiegt sich in ihren Arm. Es tut ihr so leid. Wie kann sie sich selbst jemals verzeihen? Die Erzieherin bittet Beatrice in ihr Büro. Beatrice kann nicht anders, sie beginnt zu heulen. Die Erzieherin tröstet sie und versichert ihr, dass alles wieder gut werden würde. Trösten gehört eigentlich nicht zu deren Aufgaben, aber in letzter Zeit kommen immer mehr überforderte Eltern in ihr Büro und schütten bei der Pädagogin ihr Herz aus.
Angelika, Leiterin eines Kindergartens, beobachtet Ähnliches in ihrem Arbeitsalltag: »Immer mehr Eltern bekommen eine kühle Ausstrahlung. Nicht aus einer Böswilligkeit heraus. Sondern weil sie maßlos überfordert sind. Mit ihrem Job, ihrem Kind, mit den vielen Anforderungen, denen sie ausgesetzt sind. Der Druck ist überall hoch. Viele Eltern kommen in mein Büro und weinen. Sie sehen keinen Ausweg aus dieser Spirale. Der Arbeitgeber verlangt natürlich Leistung. Aber das funktioniert nicht mit kleinen Kindern. Die brauchen Zeit und wollen einfach einmal gehalten werden.«
Verantwortung übernehmen
Wer die Situation für Kinder verbessern will, muss natürlich zuallererst bessere Rahmenbedingungen für Eltern schaffen. Doch abgesehen von den Rahmenbedingungen liegt es an Ihnen selbst, wie Sie mit dem Thema Zeit in Ihrem Leben umgehen. Ich behaupte jetzt mal ganz keck, dass es nur an Ihnen liegt, sich für einen gelasseneren Lebensstil zu entscheiden.
Selbst wenn der Alltag von äußeren Gegebenheiten abhängig ist, übernehmen doch vorwiegend Sie die Verantwortung dafür, wie Sie mit Ihrer Familie leben und Ihre Kinder erziehen möchten. Vielleicht haben Ihre Eltern oder Geschwister, Ihre Arbeitskollegen oder Ihr Chef andere Ideen dazu und meinen es besser zu wissen als Sie. Aber am Schluss ist es doch Ihre eigene Entscheidung, wie Sie leben.
Ich kann verstehen, wenn Sie jetzt verärgert dieses Buch zuklappen und es nie wieder aufschlagen. Es ist auch Ihr Recht. Doch sehen Sie es mal so: Außer Ihnen hat niemand die Macht, Ihr Leben zu verändern. Ist das nicht ein großartiger Gedanke? Da Sie noch dran sind und das Buch bis jetzt nicht zur Seite gelegt haben, lade ich Sie ein, noch ein Stück weiterzulesen. Es wird einfacher, als Sie es sich vielleicht momentan vorstellen können.
Wie möchten Sie Ihr Leben verbringen? Von einem Termin zum anderen hetzend, gestresst und genervt – oder gelassen, bewusst und entspannt. Haben Sie Lust darauf, wieder einmal Zeit mit Lachen und einem Gefühl der inneren Zufriedenheit zu verbringen? Sie müssen wissen, in Ihnen und Ihrer Familie schlummert ein riesengroßes Potenzial, das sich nur in einem gelassenen, stressfreien Lebensalltag entfalten kann.
Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert, jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen. […]
Was wir hinterlassen, ist nicht so wichtig wie die Art, wie wir gelebt haben.
Captain Jean-Luc Picard (Star Trek: Die nächste Generation)
Produktivität
#ScienceFiction#multidimensionale#zukunftsorientierte #immerfunktionsfähige #einsatzbereite#Eltern
Es ist für die Industrie zur Normalität geworden, alle Arbeitsabläufe auf die kleinsten Zeitreserven zu überprüfen. Hinter dem Wort Effektivität steht die Vorstellung, man wäre nur dann wettbewerbsfähig, wenn man bei der Arbeit jeden Bruchteil einer Sekunde optimal nutzt. Den idealen Arbeiter müsste man sich dann als eine Art Roboter vorstellen, der nie ermüdet, immer im gleichen hohen Tempo arbeitet und sich nicht einmal ablenken lässt. Produktivität heißt für uns, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel herzustellen.3
Alexandra zerreißt sich oft zwischen den Anforderungen am Arbeitsplatz und den Aufgaben, die sie zu Hause als Mutter zu erledigen hat. Immer wieder stellt sie fest, dass sie viel gelassener war, als ihre Kinder noch sehr klein waren. »Na ja, einerseits ging ich noch nicht arbeiten, somit fiel ein großer Stressfaktor weg. Aber was soll ich machen, die Arbeitswelt der Erwachsenen und die Lebensräume der Kinder wurden von der Wirtschaft getrennt. Das macht ganz viel Stress. Ich muss meine Kinder versorgt wissen, während ich arbeite. Wo bleiben sie, wenn sie z.B. krank sind oder Ferien haben? Es wäre leichter, wenn ich mehr von zu Hause aus arbeiten könnte oder die Kita in unmittelbarer Nähe meiner Arbeitsstelle wäre … Was macht mir noch Stress? Als meine Kinder älter geworden sind, ist das Gefühl in mir immer stärker geworden, ich muss sie auf das Leben, sprich die Wirtschaft und Berufstätigkeit vorbereiten. Ist es fair zu sagen: ›Nein, wir machen da jetzt einfach nicht mit‹?«
Der Beruf fordert die Eltern, und zu Hause stehen ebenso tausend Dinge an. Pro Kind wächst die To-do-Liste: Hausaufgaben erledigen, Vokabeln abfragen, gesunde Jause in der Kita herrichten, Abschlussgeschenke für die ErzieherInnen besorgen, Geld für die Schwimmtage einzahlen, Elternsprechtage besuchen und so weiter und so fort. Auf dieser Liste wurde weder gekocht, geputzt, die Wäsche gemacht, die Reifen gewechselt oder der Rasen gemäht. Geschweige denn, den Kindern etwas vorgelesen, mit ihnen gekuschelt oder ein Spiel gespielt.
Was sind wir Eltern eigentlich? Ich stelle mir manchmal vor, wie ich in einer Science-Fiction-Version von mir selbst aussehen würde. Ich hätte mindestens acht Arme, drei Gehirne und einen Akku, der sich niemals leert.
?Wussten Sie, …
… was sich Eltern wünschen und was sie brauchen? Laut der groß angelegten Studie »Eltern unter Druck«4, die in Deutschland durchgeführt wurde, wünschen sich Eltern:
vor allem eine größere gesellschaftliche Wertschätzung, indem ihre Bedürfnisse stärker als bisher berücksichtigt werden. Sie sehen, dass sie in der politischen Diskussion überhaupt nicht vorkommen.Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sie wollen keine Entweder-oder-Entscheidung treffen müssen. Sie wünschen sich eine familiengerechte Personal- und Zeitpolitik in Unternehmen, eine Ausweitung von Teilzeit- und Heimarbeitsplätzen und eine verbesserte Betreuungssituation für die Kinder.ein kinderfreundliches Klima. Sie fordern eine größere Akzeptanz und Wertschätzung in der Öffentlichkeit, sei es in Restaurants und Cafés, im Wartezimmer beim Arzt, bei Behörden, Ämtern, Banken, in Supermärkten oder bei der Wohnungssuche.einen leichteren Wiedereinstieg in den Beruf nach der Kinderzeit.eine stärkere finanzielle Unterstützung. Elternschaft darf nicht zum Armutsrisiko werden.eine qualitativ bessere Bildung für ihre Kinder in kleineren Klassen und Lehrer, die auf die Kinder eingehen und sie motivieren. Sie benötigen eine Entlastung, keine zusätzliche Belastung, z.B. durch Überantwortung schulischer Aufgaben (Hausaufgabenbetreuung etc.).Einfach mal runterkommen
Definitiv bleibt bei einem hektischen Lebensstil zu wenig Zeit für aufrichtige Beziehungen, Nähe und Wärme, für Freizeit und Erholung. Viele Eltern erkennen sich zwischen den Herausforderungen, die täglich auf sie einströmen, nicht wieder. Sie sagen Dinge, die sie so nicht sagen wollten. Sie handeln anders, als sie das jemals von sich selbst erwartet hätten.
Es wird Zeit, runterzukommen vom »Schneller, Mehr und Besser«, von den zu hohen Ansprüchen an sich selbst und an die Kinder. Sie bekommen kein goldenes Abzeichen, wenn Sie zu den 200-Prozent-Eltern gehören. Und auch Ihre Kinder haben ein Recht darauf, einfach einmal mittelmäßig sein zu dürfen.