4,99 €
Wie oft lügen wir uns im Job selbst etwas in die Tasche, oder glauben den üblichen Märchen? Dass ein hohes Gehalt auch für hohe Zufriedenheit sorgt, teambildende Maßnahmen ganz viel verändern oder dass wir selbst unersetzlich und unabkömmlich sind. Aber die sich hartnäckig haltenden Arbeitsmythen sind nicht nur falsch, sie kosten auch Zeit, Geld, Erfolg und letztlich unsere Lebensenergie. Marco von Münchhausen, Nachfahre des berühmten Lügenbarons, hat sich in bester Tradition seines Ahnherrn aufgemacht, die Lügenmärchen der Arbeitswelt zu entzaubern. Lesen Sie hier, warum die Gleichung Mehr Gehalt = mehr Glück nicht aufgehen kann und was Sie sinnvoll tun können, um ein gutes Gehalt UND Zufriedenheit zu erlangen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2015
Leseprobe
Marco von Münchhausen
»Geld macht glücklich?!«
Das Märchen vom großen Gehalt
Campus VerlagFrankfurt/New York
Das Geld, das man besitzt, mag wohl für viele das Mittel zur Freiheit sein, doch das, dem man nachjagt, ist das Mittel zur Knechtschaft.
Jean-Jacques Rousseau
Eines Morgens reiste ich früh aus meinem Hause ab, um zu einem Zuge zu eilen, der mich zu einem Kunden bringen sollte. In diesem Zug begegnete ich einem jungen Manne, der in der Welt der Wirtschaft außerordentliche Dienste geleistet haben musste, so beschwert war er mit Markenuhr, Füllfederhalter, modernsten Klapprechnern, glänzenden Kleintelefonen und Aktenkoffern aus Aluminium, von denen der Eingeweihte weiß, dass sie am Markte für viel Geld gehandelt werden. Er jonglierte beiläufig mit einer extra-entspiegelten UV-Schutz-Designersonnenbrille und einem Schlüsselbunde, von dem, unschwer zu erkennen, mehrere Schlüssel für teure Wagen baumelten.
»Warum nehmen Sie den Zug, wenn Sie vortreffliche Wagen Ihr Eigen nennen, mein Herr?«, fragte ich höflich. Der Herr musterte mich, und ließ sich dann herab, mir zu antworten: »Ich hatte heute Lust dazu. Abgesehen davon, raubt mir mein Chauffeur den letzten Nerv. Er wäscht meine Wagen so oft, dass der Lack zu leiden beginnt. Ich habe ihn aus meinem Haus geworfen.«
»Das ist ein schweres Schicksal«, erwiderte ich.
»Sie sagen es«, antwortete der Herr mit einem gequälten Lächeln.
»Solcherart Sorgen hatte ich nicht, als ich in einer Ein-Raum-Wohnung lebte, meine Hemden selbst bügelte, mein Essen selbst zubereitete, und jeden Morgen mit meinem klapprigen Golfe zur Arbeit fuhr. Doch nach zwei Jahren schon beförderte mich mein damaliger Herr in eine herausgehobene Position, die mir mehr Geld einbrachte, was mich sehr beglückte. Als ich nach weiteren zwei Jahren erneut befördert wurde, wiederum zwei Jahre später die Firma wechselte, um noch mehr Geld zu verdienen, und nach abermals zwei Jahren über so viel Geld verfügte, dass ich mir eine eigene Unternehmung leisten konnte, da war mein Glück noch größer. Denn nun lege ich mir Dinge zu, die mir meine knappe Zeit verschönern und verlängern. So habe ich denn rasende Automobile, Boote und Flugzeuge. Ich habe ein Schwimmbad, einen Golfplatz und ein Kino, damit ich mir die Anreise zu diesen Vergnügungen sparen kann. Ich habe auch einen Hubschrauber, der mich zu meiner Privatinsel bringt, sobald ich ein wenig Zeit habe.«
Ich war nicht schlecht erstaunt. »Dann haben Sie wohl ein sehr schönes und angenehmes Leben?«, fragte ich.
»Ja«, sagte der Herr. »Meine 52 Bediensteten laufen von morgens bis abends um mich herum, um mir mein Leben angenehmer zu gestalten. Leider muss ich jeden einzelnen von ihnen kontrollieren und antreiben – aber so ist es nun mal mit dem heutigen Personal. Jeden Abend kommen an die 1000 Gäste, um mit mir auf meinen Erfolg anzustoßen, um Austern zu knacken und Hummer zu speisen. Ja, ich kann wohl sagen, dass Geld mich glücklich macht. Je mehr ich habe, desto glücklicher werde ich.«
Als der Zug im nächsten Bahnhofe hielt, erhoben sich 27 flinke Diener, die unbemerkt im Großraumwagen gesessen hatten, rafften wohl an die hundert Gepäckstücke zusammen, und der Herr verließ den Zug mit großem Pompe. Wie sehr ich über diese Begegnung erstaunt war, meine verehrten Damen und Herren, können Sie sich leicht vorstellen.
Finden Sie diese Geschichte übertrieben? Natürlich ist sie das, allerdings nicht ganz frei erfunden! Ich habe mich an die Erzählung eines Bekannten angelehnt, der kürzlich eine ähnliche Story von einem superreichen Inder zum Besten gegeben hat. Geld, viel Geld – das fasziniert uns. Und diese Faszination ist eine Konstante unserer Kultur.
Vielleicht haben Sie in der Schulzeit Goethes Faust gelesen (aus dem die Überschrift zu diesem Unterkapitel stammt). Sicher erinnern Sie sich an den Goldesel aus Ihrem Märchenbuch, der Dukaten hervorbringt als Lohn für den guten Müllergesellen – und an Pechmarie, die wegen ihrer Faulheit von Frau Holle eben nicht mit Gold überschüttet wurde. Möglicherweise kennen Sie das Lied »Wenn ich einmal reich bin« aus dem Musical Anatevka, und vielleicht empfinden auch Sie eine gewisse Faszination, wenn Sie Biografien von Personen lesen, die es »vom Tellerwäscher zum Millionär« gebracht haben – oder die einfach so unermesslich reich und oft auch reichlich verrückt sind, wie es Paris Hilton ist oder Michael Jackson war.
Ob Mythos, Märchen, Musical oder Magazin – es ist immer die gleiche Story: Die Protagonisten jagen Geld, Gold und Reichtum hinterher, auf der Suche nach Glück.
Es scheint uns schon in die Wiege gelegt zu sein, dieses tief in der Psyche verankerte Evolutionsprogramm, immer etwas mehr besitzen zu wollen, als wir gerade haben. »Geld ist für Menschen das, was Käse für die Mäuse ist: eine Belohnung«, erklärte der Schweizer Ökonom Ernst Fehr in einem Zeit-Artikel. »Bekommt eine Maus ein Stück Käse, freut sie sich. Man erkennt das daran, dass ihr Gehirn Glückshormone auslöst.« Beim Menschen der Antike sei das vermutlich ähnlich gewesen. Er war nicht deshalb zufrieden, weil er Geld bekam, sondern weil er sich damit Brot kaufen und seinen Hunger stillen konnte. Der moderne Mensch aber sei anders gestrickt. Seine Hormone strömen, sobald er Geld bekommt – ganz gleich, ob er gerade Hunger hat oder nicht, oder ob er schon alles besitzt, »wie jene Millionäre, die um weiterer Millionen willen Steuern hinterziehen«. Er fühlt sich belohnt. Denn, so Fehr, »Geld ist nicht mehr nur ein Tauschmittel, es ist zur eigenständigen Größe geworden. Der Mensch will es besitzen, weil es ihm ein gutes Gefühl verschafft.«
Wenn er dagegen Gefahr läuft, es zu verlieren, kann Panik ausbrechen. »Die Angst ums Geld ist wie die Angst vorm Verhungern«, erklärte der Psychiater Borwin Bandelow in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Bandelow beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Urängsten der Menschen. Diese zeigen sich etwa, wenn an der Börse Panik ausbricht: Da folgen Banker plötzlich nicht mehr ihrer Vernunft, sondern überlassen ihren Emotionen das Ruder. Man kann, so Bandelow, diese überraschende Verhaltensänderung auf den banalen Gedanken zurückführen, dass sie plötzlich Angst vor dem Verhungern haben. »Wann immer ein Tier vor dem Verhungern ist, läuft nichts mehr über das Vernunftsystem. Diese Urangst des Verhungerns steckt auch bei den Menschen hinter der Verlustangst um das Geld.«
Geld ist also für uns zum einen überlebenswichtig, von existenzieller Bedeutung, zum anderen ist es das vermeintlich wichtigste Mittel, um Glück und Erfüllung zu erlangen. Es ist etwas, mit dessen Hilfe wir glauben, unsere tiefsten Wünsche verwirklichen zu können. Es ist eine Projektionsfläche für das, was wir uns wünschen: »Liebe, Freiheit, Alles« – um ein Graffiti zu zitieren, das ich neulich auf einem kleinen alten Auto in Frankfurt am Main sah.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Möchten Sie mehr lesen?Den vollständigen Text gibt es als eBook bei Ihrem Online-Händler.
Campus Kaleidoskop
Das »Campus Kaleidoskop« ist ein Füllhorn voller faszinierender Geschichten aus den Bereichen Geschichte, Wissen und Gesellschaft. Mythen und Sagen, Herrscher und Heiden, Kriege und Konzile finden sich in dieser rein digitalen Reihe genauso wie Wunder des Weltalls, phantastische Physik und Erkenntnisse und Ereignisse, die die Gesellschaft von heute umtreiben. Renommierte Autoren geben ihr fundiertes Wissen weiter – spannend, fokussiert und auf den Punkt gebracht.
Weitere Informationen finden Sie auf
www.campus.de/kaleidoskop.
Erstmals veröffentlicht als Teil des Buches Die sieben Lügenmärchen von der Arbeit und was Sie im Job wirklich erfolgreich macht, erschienen 2010 im Campus Verlag, Frankfurt am Main.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Copyright © 2015 Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main
Umschlaggestaltung: Guido Klütsch, Köln
Konvertierung in EPUB: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
ISBN der Printausgabe: 978-3-593-38787-1
ISBN der EPUB-Ausgabe: 978-3-593-43288-5
www.campus.de
