Gelebte Unterwerfung - Siri S - E-Book

Gelebte Unterwerfung E-Book

Siri S

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Beschreibung

Siri S lebt BDSM. Sie engagierte sich lange und intensiv in der Berliner Szene, leitete das weit über die Hauptstadt hinaus bekannte »Subbiekränzchen« und die Bondage-Gruppe »Miss Rope«. In diesem Roman, der auf wahren Erlebnissen basiert, beschreibt sie, wie sie BDSM für sich entdeckt. Aus ihren Tagebuchaufzeichnungen ließ die Autorin einen Roman entstehen, der in ihrer ganz eigenen Sprache erzählt, wie sie ihre ersten Erfahrungen empfunden hat und schließlich BDSM als Teil ihrer selbst akzeptiert. Dieser autobiografische Roman räumt mit allen Klischees über BDSM auf. Schonungslos und ehrlich erzählt Siri S und lässt die Leser daran teilhaben, wie sie ihre Neigungen entdeckt, wie sie zweifelt und schließlich zu sich selbst findet. Sie schreibt von den Schwierigkeiten, den geeigneten Partner zu finden und von dem Glück, wenn man ihn gefunden hat. Sie räumt mit gängigen Klischees über BDSMler auf und am Ende werden Sie feststellen, BDSMler sind auch nur ganz normale Menschen.

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Seitenzahl: 333

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Siri S

Gelebte Unterwerfung

ISBN 978-3-945967-27-0

(c) 2016 Schwarze-Zeilen Verlag

www.schwarze-zeilen.de

Das Coverfoto wurde von Paula Céline fotografiert, das Model ist die Autorin.

Alle Rechte vorbehalten.

Hinweis

Auch wenn diese Geschichte, die Geschichte der Autorin ist, so wurden Personen, Orte und Handlungen verändert und entspringen der Fantasie. Ähnlichkeiten mit realen Personen sind nicht beabsichtigt.

Dieses Buch ist nur für Erwachsene geeignet, bitte achten Sie darauf, dass das Buch Minderjährigen nicht zugänglich gemacht wird.

Vorspiel

Ich ging die Straße entlang, es war dunkel. Jeden Abend derselbe Weg, tagein, tagaus. Ich kannte jeden Stein, jede Kuhle im Asphalt, jeden Baum. Selbst mit geschlossenen Augen hätte ich den Weg gefunden. Meine Tasche hing lässig über meinem Arm, es war schon etwas frischer geworden, aber ich hatte mir zum Glück eine leichte Sommerjacke mitgenommen. Ich ärgerte mich beinahe, keine Strumpfhose angezogen zu haben, aber der Rock war lang genug, um wenigstens etwas Kälte abzuhalten. In Gedanken hing ich dem vergangenen Arbeitstag nach, meinen Kolleginnen, meiner Arbeit, die ich mir für den nächsten Tag schon zurechtgelegt hatte. In den Ohren hatte ich Kopfhörer, diese kleinen Dinger, die man nicht sieht, und hörte Radio. Belanglose Musik, die mich ablenkte und entspannte.

Ein Griff an meiner Schulter, Hände auf meinem Mund ..., ich spürte, wie mir die Tasche herunter gerissen wurde, wie sich jemand von hinten an mich heran presste. Nein, es war nicht die Tasche, auf die es dieser Person abgesehen hatte, das war mir sofort klar, ich war das Ziel! Bilder schossen mir durch den Kopf, Fantasien, wie ich sie schon oft gehabt hatte. Doch das hier war Realität, es fühlte sich anders an, Angst ..., pure Angst wäre in meinen Augen zu sehen gewesen, wenn ich sie nicht geschlossen hätte, und dennoch sickerte Nässe zwischen meine Beine. Ich wurde von der Straße heruntergezogen, hinein in den kleinen Park, an dem ich schon so oft vorbeigegangen war. Immer noch spielte die Musik in meinen Ohren, aber ich hörte nicht mehr viel davon, mein Puls raste.

Ich wurde auf den Boden gestoßen, hätte aufspringen, schreien und davonrennen können, aber ich tat es nicht, war wie gelähmt. Ich blieb einfach knien, auf allen Vieren, wie ein geprügelter Hund. Eine Hand in meinem Nacken, die meinen Kopf tiefer drückte, mich fixierte, mein Gesicht fast auf den Boden presste. Mein Rock wurde hochgeschoben, sodass mein Hintern sichtbar wurde, mein kleiner String weggerissen, ich spürte die Kraft, die dahintersteckte. Mit Gewalt wurde ich festgehalten, es tat weh und trotzdem ..., nein, ich musste mich wehren, aber ich konnte es nicht ..., ich sollte jetzt schreien, aber ...

Tief bohrte sich etwas in mich hinein, ich spürte einen sehr kräftigen Schlag auf meinem Hintern, der aber nicht als solcher ankam, und ich gab immer noch keinen Laut von mir, außer das leise Stöhnen, das durch die heftigen Stöße aus mir herausgepresst wurde.

I

Schweißgebadet erwachte ich. Wieder einer dieser Träume. Was war nur mit mir los? Albträume sind ja ganz normal, aber wieso war ich nass zwischen den Beinen? Ich rieb mir die Augen und betrachtete gedankenverloren das leere Bett neben mir. Jochen war schon zur Arbeit gegangen, und der Wecker verriet mir, dass ich mich noch einmal herumdrehen konnte, denn es war noch zu früh, um aufzustehen. Aber an Schlaf war nicht mehr zu denken, ich war immer noch aufgewühlt. Ich fühlte mich mit meinen 33 Jahren irgendwie lebendig begraben, alles ging schief und stetig bergab. Mein kleines Juwelier-Geschäft, das ich mir vier Jahre zuvor aufgebaut hatte, lief so schlecht, dass ich schon dabei war, mir einen Käufer zu suchen, ich war finanziell am Boden. Und zu Hause? Tja, es war ein Aushalten, Durchstehen und Ertragen. Sieben Jahre wohnte ich mit Jochen zusammen, wir ödeten uns an, stritten viel, und im Bett war seit eineinhalb Jahren Funkstille. Ja richtig, eineinhalb Jahre, und es hat mir nichts ausgemacht! Immer wenn er einen halbherzigen Versuch, natürlich abends im Dunkeln, startete, war ich müde, hatte Kopfschmerzen oder ließ mir irgendetwas anderes einfallen. Er ließ sich immer sofort, aber murrend, abwimmeln, und ich ging davon aus, dass er es nur formhalber versucht hatte. Am Anfang unserer Beziehung war natürlich alles neu gewesen, aufregend und voller Leidenschaft, wir probierten alles Mögliche aus – Sekt, Eiswürfel, Kerzenwachs – aber davon war nichts mehr übrig geblieben. Ich vermutete, solange ich die Initiative ergriff, lief es super, irgendwann hatte ich dazu aber keine Kraft und Lust mehr, sollte er sich doch nehmen, was er wollte. Leider tat er das nur einmal, aber das war dann auch richtig klasse. Danach gab es keinen Sex mehr, er kam wohl nicht damit klar, wir haben auch nie drüber geredet.

Was war bis dahin also falsch gelaufen? Wir hatten doch sehr lange Zeit Spaß an uns und waren begeistert, Neues auszuprobieren. Heute weiß ich, wir haben einfach nicht miteinander geredet. So konnte sich in meinem Kopf eine Parallelwelt aufbauen, in die ich mich ungehindert hineinsteigern konnte, sodass er gar keine Chance hatte, mit mir mitzukommen. Und vor allem, worüber reden, wenn man selbst noch gar nicht wusste, was in einem schlummerte?

Ich beschloss also für mich, ganz allein, als das neue Jahr begann: Jetzt wird alles anders! Aber dass es so anders werden würde, hatte ich damals nicht im Geringsten vermutet! Eigentlich hatte ich vor, mein Geschäft zu verkaufen, mir einen gut bezahlten Job zu suchen und Jochen dann tatsächlich vor die Tür zu setzen. Ich wollte mein Leben wieder genießen, schauen, wie begehrt ich noch war, und meine Freizeit mit meinem Sohn verbringen. Ich hatte also abgeschlossen mit diesen sieben Jahren gemeinsamen Lebens und wollte langfristig auch keinen Mann mehr in meiner Wohnung - dafür aber viele in meinem Leben. Nun, man sollte vorsichtig sein, mit dem, was man sich wünscht, es könnte in Erfüllung gehen!

II

Alles fing damit an, dass meine Azubine mich dazu drängte, mir doch mal die Profile in der Freenet Singlecommunity anzusehen, in der sie sich vor ein paar Wochen angemeldet und schon viele nette Kontakte zu Männern geknüpft hatte. Mir ging das aber zu schnell, ich wollte mich doch erst mal sortieren und mich in Ruhe umschauen. Schließlich hatte ich noch einen Mann zu Hause, wenn auch nur zum Kochen, Putzen und Rumärgern. Ich wollte im Moment nicht noch mehr Probleme, die, die ich hatte, reichten aus!

»Nun ja, gucken kann man ja mal.«

Ich war erstaunt. So viele gut aussehende Männer.

»Man kann ja mal schreiben, nur mal sehen, was die so wollen.«

»Hm, dazu braucht man aber ein eigenes Profil.«

»Aber egal, weiß ja keiner, ist ja alles so schön anonym.«

Ich schrieb erst zögerlich, gab keine privaten Informationen heraus, wimmelte sie sofort ab, wenn es um Telefonnummern ging, ich wollte ja niemanden kennenlernen. Nur mal sehen, wie die so reagierten. Schauen, ob ich noch begehrt war. Ich merkte bald, dass so, wie ich mein Profil gestaltete, die Qualität der Zuschriften war. Also gab ich mir etwas mehr Mühe und entwarf einen neuen Profiltext. Wenn, dann sollten die Gespräche auch Niveau haben. Ich überarbeitete mein Profil mehrfach, aber die Option war nur E-Mail Kontakt. Ich bekam täglich 3 bis 6 Mails, eine ansprechender als die andere, ich schrieb und schrieb, aber beim Telefonnummerntausch war meine Grenze.

Ich weiß bis heute nicht, was mich geritten hat, Carsten so viel mehr anzuvertrauen. Vielleicht war es seine ehrliche, offene Art? Oder, weil er keinen Zweifel daran ließ, dass er seine Freundin niemals verlassen würde, also keine Gefahr bestand. Ich glaube, es war alles zusammen, er hatte ein schon fast unheimliches Feingefühl, mich genau da zu packen, wo ich am empfindlichsten war. Er fiel in mein Leben ein wie ein Heuschreckenschwarm und stellte alles auf den Kopf. Aber nicht dass ich mich verliebt hätte, wie auch, nur durch E-Mails hin- und herschreiben? Nein, ich war neugierig geworden, neugierig auf das Leben. Wenn Jochen das wüsste, dass ich genau über sein verhasstes Internet jemanden kennengelernt hatte, er hätte sofort das Telefon abgemeldet. Für ihn war das alles nur neumodischer Kram, aber wie schrieb mir meine Freundin so schön? »Wer zum alten Eisen gehört, muss damit rechnen, verschrottet zu werden.«

Wir schrieben uns von Tag zu Tag heißere Mails und SMS, das heißt, er schrieb und ich las, es war Cybersex pur. Er weckte Gefühle in mir, die schon längst vergessen schienen. Schon beim Lesen hatte ich dieses Ziehen in der Bauchgegend, es war so klasse, endlich wieder begehrt zu werden. Es dauerte tatsächlich keine Woche, und wir verabredeten uns zum Kaffee. Es war wirklich nur ein gemeinsames Kaffeetrinken geplant.

»Wo wollen wir uns treffen?«, fragte er, da er aus einer ganz anderen Ecke Berlins kam.

Das Parkcenter nahe der S-Bahn fand ich passend, denn dort war die Wahrscheinlichkeit gering, dass mich jemand erkennen würde. Also holte er mich nach der Arbeit ab. Ich war aufgeregt wie ein Schulmädchen, und wir fuhren Richtung Parkcenter – nur hatten wir beide nicht wirklich Lust, das Parkhaus zu verlassen. Wir fielen übereinander her wie ausgehungerte Wölfe, da war nichts Zärtliches, nichts Behutsames, es war wilder, hemmungsloser Sex. Schon allein die Gefahr, entdeckt zu werden, ließ die Sache noch prickelnder werden, und wir wurden mutiger. Wir taten es sogar außerhalb des Autos, im Stehen und wir duckten uns nur, wenn ein anderes Auto an uns vorbeifuhr. Ich hätte noch stundenlang weitermachen können, aber die Zeit drängte, für einen Kaffee braucht man in der Regel nicht länger als zwei Stunden, und deshalb hatte ich auch nicht mehr eingeplant. Es war absoluter Wahnsinn, ich fühlte mich wie neu geboren, und es war echt unglaublich, dieser Mann kam in der kurzen Zeit dreimal!

Das Erstaunliche an der Geschichte aber war, dass im Eifer des Gefechts das Kondom platzte, ich hatte doch keine Erfahrungen mit diesen Dingern. Mit Jochen hatte ich damals vor »unserem ersten Mal« das HIV-Testergebnis ausgetauscht, und seitdem war ich treu. Hm, was tun, sprach Zeus, abbrechen? Auf keinen Fall, zu spät war zu spät. Das Prekäre daran war aber, dass ich am nächsten Tag einen schon vor ewiger Zeit geplanten Frauenarzttermin hatte. Sollte ich da wirklich hingehen? Im Nachhinein stellte es sich als Glück heraus, dass ich diesen Termin hatte.

Beklommen betrat ich das Sprechzimmer, nachdem ich aufgerufen wurde.

»Mir ist da etwas passiert bzw. einem Mann, also nicht meinem Mann«, stammelte ich hochrot.

Der Doc war ungefähr in meinem Alter und grinste nur.

»Na, erzählen Sie schon, so schlimm kann das ja nicht sein.«

Ich schluckte.

»Nun, uns ist gestern ein Kondom geplatzt, und da ich den Mann noch nicht so lange kenne, möchte ich einen HIV-Test machen lassen.«

Der Doc nickte verständnisvoll.

»Aber erst ab auf den Stuhl, Sie sind ja zur regulären Untersuchung hier.«

Und mitten in der Untersuchung geschah dann das Entsetzliche, ich werde seine Worte niemals vergessen:

»Soll ich den Rest des Kondoms dann auch gleich entfernen?«

Ich wurde rot, grün und lila gleichzeitig und konnte kaum noch ausatmen, so peinlich war mir das, und er schob gleich noch hinterher:

»Ach, ein Rotes war es«, sagte er belustigt, doch ich hätte im Boden versinken können.

So schnell war ich noch nie aus dieser Praxis raus. Hinterher meinte meine Freundin, die ich zwischenzeitlich eingeweiht hatte, dass es gut so war, denn die Reste des Kondoms wären von allein nicht so schnell herausgekommen. Der HIV-Test war zum Glück negativ. Und ich war erleichtert, so glimpflich davongekommen zu sein.

Am nächsten Tag war ich immer noch in Hochstimmung, oh ja, Hormone sind doch eine spitze Droge. Ich freute mich auf die Mails von Carsten, aber ich hatte auch gleichzeitig Angst davor, dass das alles gewesen sein könnte, denn er wollte ja nur eine sexuelle Akkustation, nichts Längeres oder Festes. Ich war verunsichert, denn ursprünglich wollte ich überhaupt nichts von ihm und nun fieberte ich seinen Nachrichten entgegen. Ich konnte nicht mal richtig mit ihm darüber sprechen, denn ich rechnete wirklich mit einem ›War schön, und tschüss‹. Man liest schließlich ständig etwas von One-Night-Stands. War das nun mein Erster? Dann sprach ich ihn doch darauf an und konnte wieder aufatmen, wo ich schließlich gerade auf den Geschmack gekommen war, denn er meinte nur:

»Nein, mein Akku ist noch lange nicht wieder voll.«

Ich war also, ohne es zu merken, mittendrin in einer Affäre, die rein sexuell bestimmt war.

Wie konnte es nur dazu kommen? Sicher war ich ausgehungert und fühlte mich von Jochen nicht mehr begehrt, aber wieso konnte ich ihm das nicht sagen? Weil es einfacher ist, sich in etwas Neues zu stürzen, als am Alten zu arbeiten? Konnte ich es auf meine Jugend schieben? Würde ich heute anders reagieren? Ich denke schon. Denn heute weiß ich, wie viel eine beständige Beziehung wert ist und wie sehr es sich lohnt, daran zu arbeiten.

Carsten und ich, wir wollten uns eigentlich mit dem nächsten Treffen Zeit lassen, aber schon nach ein paar intensiven Mails war klar: nächste Woche! Wir schrieben uns viele Mails und tauschten Träume und Fantasien aus, es war erschreckend, wie viel Übereinstimmung es gab. Ich wollte auch mal Sex mit einer Frau erleben - und er mit einem Mann. Natürlich wusste ich, dass es illusorisch war, oder vielleicht doch nicht? Wir hielten es keine Woche aus und verabredeten uns um zwölf Uhr mittags in einem Pärchenclub. Oh Mann, was war ich aufgeregt, am helllichten Tag in einen Pärchenclub zu gehen, wie pervers waren wir denn drauf? Das ist natürlich Quatsch, es geht ja schließlich um die schönste Nebensache der Welt, aber ich kam mir höllisch verrucht vor.

Zum Glück war es total leer, klar, um diese Zeit, also konnten wir uns erst mal in aller Ruhe umsehen, verzogen uns aber trotzdem in die abgeschlossene Pärchenecke. Es war ein wunderschöner Nachmittag, wir erfühlten unsere Körper und probierten so ziemlich alle Stellungen aus, die es gibt. Zwischendurch haben wir viel geredet und kamen zu dem Entschluss, aufs Ganze zu gehen und es mal mit einem zweiten Pärchen zu probieren.

Es stellte sich schnell heraus, dass Carsten sehr, na sagen wir mal, spontan war. Kaum hatten wir unsere Idee ausgesprochen, da wurde schon gesucht. Wir erstellten ein gemeinsames Profil bei Freenet und legten uns eine gemeinsame E-Mail-Adresse zu. Es war superspannend, wir schrieben einzelne Frauen und auch Pärchen an, stellten aber schnell fest, dass rund 80 Prozent Fakes waren.

Mit einem Pärchen schrieben wir uns intensiver, sie war auch Bi, und sie hatten schon Erfahrung mit anderen Frauen. Leider wurde schnell klar, dass sie ausschließlich an mir interessiert waren, beide hatten ein Problem damit, dass Carsten dabei sein sollte. Trotzdem traf ich mich mit ihnen zum Kaffee, aus Neugier und um sie umzustimmen. Na ja, was soll ich sagen, eigentlich war die Frau gar nicht mein Fall, sie war sehr hager und irgendwie sprang kein Funke über. Außerdem wollte ich sie alleine sprechen, aber keine Viertelstunde später konnte ihr Kerl es wohl vor Neugier nicht mehr aushalten und kam dazu. Ich war platt, ich konnte ihm nicht in die Augen sehen – es sprühte förmlich zwischen uns. Was war nur mit mir los? Nach diesem Treffen war ich hin- und hergerissen. Wäre es gut, ihn noch mal zu treffen? Andererseits hoffte ich inständig, dass die beiden es mit uns versuchen würden, und zwar seinetwegen, nicht ihretwegen.

Wir verabredeten dann doch einen Termin, allerdings mit der Option, dass die Männer nur Zuschauer von uns Frauen waren, also kein Partnertausch stattfinden sollte. Und ich bestand darauf, Carsten dabei zu haben. Das war zwar nicht ganz das, was wir wollten, aber beim ersten Mal kann man ja Abstriche machen.

Wir mailten auch nach dem Date weiter, doch irgendwie lief auf einmal etwas falsch, er war wohl eifersüchtig auf Carsten und hatte Angst, dass seiner Liebsten etwas zustoßen könnte. Immer mehr drängten sie mich, damit ich mich alleine mit ihnen treffen würde, aber das wollte ich nicht. Ich wollte auch nicht zu denen nach Potsdam fahren, so etwas kam für mich gar nicht infrage. Es blieb dabei, entweder sie würden in den Pärchenclub kommen oder es würde kein weiteres Treffen geben. Dieses Hin und Her war uns viel zu kompliziert.

Zum verabredeten Termin fuhren Carsten und ich also zu »unserem« Pärchenclub und warteten. Kurz nach dem vereinbarten Zeitpunkt kam eine SMS:

»Wir werden nicht kommen. Ein Pärchenclub ist unter unserem Niveau. Sorry und viel Spaß Euch.«

Natürlich waren wir enttäuscht, pah, unter ihrem Niveau! Doch wir ließen uns von denen den Spaß nicht verderben und kosteten unsere gemeinsame Zeit voll aus. Gegen Ende kam sogar noch ein sehr leckeres Pärchen, das sich zu uns gesellte. Es wurde nicht lange gefackelt, es ging gleich richtig zur Sache. Und es war traumhaft, das erste Mal richtige Brüste in der Hand zu haben, sie zu streicheln und zu lecken, boah, das schmeckte nach mehr. Wieder war es weder zärtlich noch behutsam, es war einfach nur geil, jeder nahm sich, was er wollte. Leider hatten wir nicht mehr so viel Zeit, es war schon kurz vor Mitternacht, und übertreiben wollten wir es auch nicht. Wir mussten uns ja immer irgendwelche Alibis für unsere Partner besorgen, und ein Besuch bei der Freundin dauert selten bis nach Mitternacht. Also zogen wir total aufgewühlt und zittrig ab, nur mit einem Gedanken im Kopf. Das muss sich unbedingt wiederholen.

Wäre ich verheiratet gewesen, dann wäre ich wohl eine Ehebrecherin gewesen. Warum trennte ich mich also nicht von Jochen? Reden konnte ich mit ihm über all das nicht, nahm ich jedenfalls an. Ist es zu anmaßend, dem anderen so etwas zu unterstellen? Wäre es zu diesem Zeitpunkt vielleicht noch möglich gewesen, einen gemeinsamen Weg zu finden? Auch Carsten und ich, wir stellten uns die Frage, wohin unser Verhältnis führen würde. Aber wir gaben uns immer wieder die gleiche Antwort: ›Ach, weißt du, eigentlich will ich es nicht wirklich wissen, ich genieße das Hier und Jetzt. Man lebt schließlich nur einmal, und wenn es uns denn in den Wahnsinn treibt, soll es halt so sein.‹ Wir liefen also sehenden Auges ins offene Messer.

Am nächsten Morgen bekam ich von diesem Kerl, der sich gestern noch zu fein war, mit uns den Swingerclub zu besuchen, eine Mail. Er fragte, ob ich noch sauer wäre und ob er mich nicht irgendwie dazu überreden könne, es mit den beiden allein, ohne Carsten, zu versuchen. Ich reagierte nicht, der musste doch wohl spinnen, so ein Idiot – er hätte alles haben können! Ich war bockig und wollte ihn provozieren, mal sehen, wie weit er gehen würde. Ich erzählte ihm, das ich mehr von ihm wollte – und zwar alles! Und ich wollte, wenn, dann nur ein Treffen mit ihm alleine. Es dauerte auch keinen halben Tag, und ich hatte ihn so weit. Er sagte zu. Dieser eingebildete Kerl war absolut schwanzgesteuert und bildete sich tatsächlich ein, dass ich für ihn meine Vereinbarung mit Carsten in den Wind schlagen würde und außerdem würde ich auch Jochen hintergehen. Aber darin unterscheiden sich wohl die Meinungen zwischen Frauen und Männern, wahllos durch die Gegend vögeln war noch nie mein Ding. Ich ließ ihn natürlich abblitzen.

Aber Carsten und ich hatten noch eine Vereinbarung. Wir wollten beide eine rein sexuelle Beziehung. Sobald sich einer von beiden in den anderen verlieben sollte, wäre Schluss. Ich persönlich wäre natürlich sehr glücklich und froh darüber gewesen, wenn er sich eines Tages in mich verliebt hätte, denn er war ein toller Mann. Andererseits hoffte ich natürlich inständig, dass dies nie der Fall sein würde, denn es wäre das Ende unserer, sagen wir mal, Erlebnisse. Und noch viel mehr Angst hatte ich davor, dass ich mich verlieben würde und ich dann nicht Schluss machen konnte, weil ich es gar nicht wollte. Carsten hätte es vielleicht verschreckt, bisher war kein Mann in meinem Leben mit zu viel Nähe klargekommen, es würde sich auf jeden Fall etwas verändern. Unglücklich verliebt zu sein ist nicht gerade toll. Ich glaubte einfach, dass wir privat nicht zusammenleben könnten, wir waren uns schlichtweg zu ähnlich, oder würde es gerade deshalb doch gehen? Klar stellte ich mir ab und an vor, wie es wohl wäre, wenn wir beide frei wären, wie viel Zeit wir dann füreinander hätten. Aber ich fragte mich auch, würde er sich mit meinem Sohn verstehen, und wie fühlt es sich an, neben ihm aufzuwachen? Er war superlieb, intelligent, aufmerksam und zärtlich, konnte aber auch ganz schön dominant sein. Und genau das brauchte ich, ich musste auf der Arbeit, bei der Erziehung meines Sohnes und im Alltag immer die Dominante sein, da wollte ich mich wenigstens in Bezug auf Sex und im besten Fall noch in der Beziehung fallen lassen. Aber das waren Illusionen, die sich wohl nie verwirklichen lassen würden. So blieben wir also dabei – lebe den Tag, als wär´s dein Letzter!

Und wie wir lebten, schnell war ein neues Pärchen gefunden. Sie war supersüß und ihre Fotos vielversprechend. Wir telefonierten, simsten und ich traf mich mit ihr, diesmal aber wirklich ohne die Männer. Sie war wie ein scheues Reh. Das sprach mich an, ließ mich aber auch Bedenken anmelden. Diesmal wollten wir uns mehr Zeit lassen, um einander besser kennenzulernen, schließlich mussten wir jedes mal glaubhafte Alibis für unsere Partner erfinden. Und das ging nicht wöchentlich. Wir schrieben weiter Mails, und wieder mal stellte sich heraus, dass die beiden eigentlich nur mich wollten. Wieso wollte jeder Sex mit mir, außer mein eigener Mann? Diesmal blockte ich gleich ab, entweder zu viert oder gar nicht. Carsten habe ich davon nie etwas erzählt, es musste für ihn doch auch schrecklich sein, dass alle immer nur Sex mit mir wollten. Drei Wochen später verabredeten wir uns mit den beiden, selbe Stelle, selbe Welle: Pärchenclub.

Dazwischen hatten wir mehr Zeit als uns lieb war. Carsten beschäftigte mich mit Aufträgen, wie Bilder von mir in bestimmten Situationen zu machen und mich keinesfalls selbst zu befriedigen, es sei denn, er gab Anweisungen dazu. Mir machte es ungeheuren Spaß, und eines Tages fragte er mich:

»Sag mal, was denkst du, was wir hier eigentlich machen?«

Ich ahnte nichts Böses, und meine Antwort kam aus dem Bauch heraus:

»Na, Sex.«

Er aber antwortete:

»Merkst du gar nicht, dass du alles artig machst, was ich dir sage?«

Klar hatte ich das bemerkt, aber ich fand nichts Ungewöhnliches daran. Er meinte daraufhin jedoch:

»Genau das nennt man BDSM.«

Ich schreckte zurück, das war doch etwas für diese Verrückten, die sich aus Spaß prügelten. Da gehörte ich doch nicht dazu, ich lehnte das kategorisch für mich ab. Er aber ließ nicht locker und gab mir Lesestoff. Parallel dazu lernte er bei erotic-single, wir hatten mittlerweile in so ziemlich allen Foren und Chats ein Profil, Lisa kennen. Sie war eine von »denen«, und zwar devot. Sie suchte gerade einen dominanten Mann für eine Partnerschaft, aber wir kamen ins Gespräch. Sie fand unsere Herangehensweise spannend und half Carsten, mich erst mal aufzuklären, worum es bei SM überhaupt ging. Für mich war klar: Ich bin dominant, bin es immer gewesen, und schlagen lass ich mich schon gar nicht. Basta!

Ich las kleine Storys, die mir Lisa und Carsten schickten, und beantwortete mir währenddessen ein paar Fragen, die sich mir dadurch stellten. Mehr und mehr kam dabei heraus, dass ich mich geirrt hatte. Klar, war ich immer dominant, aber war ich damit glücklich? Suchte ich nicht immer jemanden zum Anlehnen, zum Fallenlassen? Warum fand ich es so toll, dass Jochen zwei Meter groß war? Ich wollte beschützt werden. Warum klappte es mit Jochen nicht mehr? Weil ich nicht mehr die Initiative ergreifen wollte. Warum hatte ich so einen Spaß am Sex mit Carsten? Weil nichts Kuscheliges dabei war, er nahm sich einfach, was er wollte. Und hatte ich nicht schon einmal so etwas Ähnliches erlebt, damals, als ich als junges Mädchen eine Affäre mit meinem Exchef hatte? Er hatte mich auch dominiert, mich emotional abhängig, mich beinahe hörig gemacht. Warum konnte ich diese Affäre von damals nicht vergessen, warum spukte sie mir ständig im Kopf herum? Ich konnte keinen richtigen Schlussstrich darunter ziehen, hielt ihn nach zehn Jahren immer noch an der langen Leine. Wusste ich vielleicht instinktiv, dass sich der Kreis irgendwann wieder schließen würde? Nur war es das wirklich?

Man kann sich nicht vorstellen, was in mir vorging, ich stellte plötzlich mein gesamtes Leben infrage.

Dann las ich alles, was ich zu diesem Thema kriegen konnte und fühlte dabei tief in mich hinein. Was turnte mich an, was stieß mich ab? Es war wie eine Erlösung, ich erkannte meine Rolle und wusste, was zu tun war, um endlich so fühlen zu können, wie es wirklich in mir aussah. Ich redete viel mit Carsten und Lisa darüber, sie verstanden mich, akzeptierten es. Carsten war überglücklich, weil er nun auch aus seiner Haut konnte, und wir beschlossen, dass er mein Dom sein sollte. Ich schrieb alles auf, was ich mochte und was nicht und erstellte eine Tabuliste, die natürlich nicht viel Spielraum ließ. Ich war noch zu ängstlich, wusste nicht, wie ich wirklich fühlen würde, wenn er grob zu mir wäre. Und geschlagen zu werden konnte ich mir immer noch nicht vorstellen, schließlich hatte ich in meiner Kindheit genug schlechte Erfahrungen damit gemacht.

Mein Vater war ein jähzorniger unberechenbarer Wüterich, der seine Launen an mir ausließ. Ich war nicht umsonst mit achtzehn von zu Hause ausgezogen. In dieser Beziehung entsprach ich also auch dem gängigen Klischee des klassischen SMlers. Aber wenn man nur körperliche Zuwendung kannte, die grob und unberechenbar war, dann fühlte sich genau das auch richtig an.

Wieder mal war es Lisa, die mich dazu anregte, auch Geschichten, bei denen es um Schläge ging, zu lesen und in mich hineinzufühlen, was ich dabei empfand, ob es mich vielleicht doch anturnen könnte. Ich merkte recht schnell, dass es etwas ganz anderes war, bewusst geschlagen und nicht sinnlos geprügelt zu werden. Aber ich fühlte auch, dass ich es nur für jemanden ertragen könnte, der das zu schätzen wusste. Ich erstellte während des Lesens eine neue Tabuliste, mit der Carsten nun schon viel mehr anfangen konnte. Er trug mir auch auf, mir ein Safeword auszudenken, das ich in brenzligen Situationen sagen konnte, um abbrechen zu können. Schließlich wollten wir uns langsam an all das herantasten, wirkliche Erfahrung hatten wir beide nicht.

Bei all diesen Gedanken und Empfindungen, die auf mich einstürmten, vergaß ich fast unser Rendezvous mit der Süßen. Wir überholten uns gerade selbst. Ich bekam von Carsten eine Liste von Regeln, die ich einzuhalten hatte, zum Beispiel täglich ohne Slip und mit Liebeskugeln herumzulaufen, was für mich unrealisierbar schien. Ich hatte zu der Zeit nur diese Plastikklapperteile, die meterweit zu hören waren, und ohne Slip fand ich unhygienisch. Doch sollte er mal in dem Glauben bleiben, zumal mir Bravsein sowieso nicht lag! Natürlich bekam er das schnell mit und drohte mir so einige »tolle« Sachen fürs nächste Treffen an. Das machte die Sache natürlich spannend, und ich freute mich nun viel mehr auf Carstens Strafe, als auf die Süße. Die drei Wochen gingen schnell vorbei und wir trafen uns wieder im Club. Natürlich hatten Carsten und ich uns früher verabredet, wir wollten ja erst mal nur uns. Im Nachhinein muss ich sagen, hätten wir den Termin mit den beiden bloß abgesagt, obwohl uns dadurch so einiges klar wurde.

Aber erst einmal sollte ich meine Bestrafung bekommen. Ich hatte Lisa erzählt, dass ich den Gynstuhl geil fand und es auch nicht schlimm wäre, wenn sich jemand dazugesellen würde. Carsten zog mich also gleich zum Stuhl, und als dann irgendein Typ hechelnd vor der Tür stand, bat er ihn herein. Außerdem quälte er mich fast bis zum Wahnsinn, indem er immer, wenn ich kurz vor einem Orgasmus war, abbrach. Es war einfach irre! Die richtige Strafe war dann anders, als von Carsten geplant, denn dieser Typ, den ich mit der Hand befriedigen sollte, wurde nicht hart. Er war einfach völlig überrumpelt, weil ich mich gespielt dagegen wehrte, Carsten aber nicht locker ließ. Irgendwann gab ich es auf; sollte Carsten sich doch beschweren, wie er wollte, das war höhere Gewalt. Die Situation war aber mehr als prickelnd, und ich hatte danach mörderweiche Knie, mein Puls war auf 180 und ich war völlig aufgedreht.

Eine Viertelstunde später sollte unsere Verabredung kommen, und ich musste versuchen, nicht mehr ganz so aufgedreht zu sein und schnell wieder herunterzukommen. Das gelang mir leider nur bedingt, ich hätte sofort über die Süße herfallen können, doch die war so schüchtern. Selbst als ich anfing, ihre Hand zu streicheln, saß sie nur steif da. Das konnte ja was werden! Ich hielt es dann nicht mehr aus und fragte sie, ob wir nicht beide in die Pärchenecke wollten. Dort fingen wir zaghaft an, uns zu streicheln. Sie war so zart und wirkte so zerbrechlich, dass ich Angst hatte, ihr wehzutun. Irgendwie taute sie nicht auf, egal was ich anstellte, sie stöhnte nicht mal, es fehlte jegliche Leidenschaft. Selbst als die Männer dazukamen, wurde es nicht besser, es war nicht mehr als Petting bei Teenies. Sie zog nicht mal ihr Höschen aus. Ich war aber immer noch heiß wie Nachbars Lumpi und sah nur, wie unsere kostbare Zeit dahinschwand. Ich zog Carsten an mich heran und merkte bald, dass es den beiden wohl doch zu schnell ging, jedenfalls zogen sie ab und wir konnten uns ganz unserer Lust hingeben. Dann geschah noch etwas Erstaunliches, Carsten fingerte mich, dachte ich jedenfalls, aber es fing an immer mehr wehzutun und ich wusste nicht, was er da in mir machte. Kurz bevor ich das Safeword sagen wollte, weil ich es vor Schmerz nicht mehr aushielt, explodierte ich. Es war der absolute Wahnsinn, so etwas hatte ich noch nicht erlebt! Hinterher erzählte er mir, dass er seine Hand fast komplett in mich reingesteckt hatte. Unglaublich!

Rückblickend betrachtet kann ich nur sagen, dass die Geschichte mit der Süßen überhaupt nicht unsere Kragenweite war, mehr als ein schaler Beigeschmack war nicht übrig geblieben. Dabei hatte ich mir so etwas immer so schön erträumt, wie richtig genüsslich in einen reifen Pfirsich zu beißen. Aber Blümchensex war halt nicht unser Ding, und dass wir mehr in Richtung SM suchen müssten, war uns von dem Moment an noch klarer. Es war echt erstaunlich, alles, was ich mir als toll vorgestellt hatte, war eher naja, und wovon ich niemals zu träumen gewagt hatte, war einfach nur toll.

Also weiter auf zu neuen Ufern!

Wir mailten uns noch heftiger, oh, wie ich es liebte, wenn er mir geile SMS schickte! Ich zickte, und er wurde immer fieser. Es reichte, dass er am Telefon seine Stimme erhob, damit ich im Schritt feucht wurde. Ich war einfach nur noch dauergeil. Selbst an den Wochenenden trug ich jetzt seine neuen roten Latexliebeskugeln, ich fing langsam an, Spaß daran zu bekommen. Ich saß auf meiner Couch neben Jochen und ließ die Kugeln langsam herausgleiten, um sie dann durch Zusammenziehen der Muskeln wieder nach oben zu befördern. Nur länger stehen konnte ich nicht, denn dann machten sie sich selbstständig, für die Schwerkraft waren meine Muskeln noch nicht trainiert. Ich war also voll drin im Spiel, und auch wenn ich mal ein paar Minuten nicht an Carsten dachte, sobald sich die Kugeln bemerkbar machten, waren meine Gedanken sofort wieder bei ihm.

Dienstag früh eskalierte es, ich steckte so tief in meiner Rolle drin, dass ich Realität und Spiel vermischte. Eigentlich wusste ich ganz genau, dass Carsten Dienstagvormittag immer Sitzung hatte, aber mein Hirn steckte zwischen den Beinen. Ich hatte nur einen Gedanken. Warum hatte er sein Handy aus? Ich dachte, er wollte mich ignorieren, weil ich einen Tag vorher noch gesagt hatte, dass dies eine der schlimmsten Strafen für mich wäre. Ich laberte ihm viermal auf seinen Anrufbeantworter, schickte SMS und heulte mich bei Lisa aus. Die rückte mir glücklicherweise erst einmal den Kopf zurecht und zog mich an den Haaren aus dem Spiel heraus. Nach und nach konnte ich wieder klar denken. Am Nachmittag fiel es mir wie Schuppen von den Augen und ich erschrak vor mir selbst. Wie konnte das nur passieren, und das mir, wo ich doch sonst so fest mit beiden Beinen auf dem Boden stand? Ich benahm mich wie ein vierzehnjähriger Teenie. Nein, so weit durfte es nie wieder kommen! Schließlich sollte das alles ein Spiel bleiben und durfte die Realität nicht beeinflussen.

Am nächsten Tag redete ich mit Lisa und Carsten ausführlich darüber, ich wollte, dass sofort alle Aktivitäten auf den Club beschränkt wurden, kein Spiel mehr außerhalb, mein Privatleben durfte davon nicht beeinflusst werden! Lisa versuchte mir zwar verständlich zu machen, dass man Gefühle nicht auf einen Club beschränken könne und dass es mich erst recht fertigmachen würde, wenn ich meine Neigungen wieder einzusperren würde. Aber ich wollte nichts davon hören, ich war zu schockiert. Außerdem hatte ich auf einmal tierische Angst, mich in dieser Rolle doch in Carsten zu verlieben, das wäre das Ende gewesen und das machte mir Panik. Doch in diesem Moment war ich zum ersten Mal richtig froh, das alles bei uns so schnell ging.

Dieses Hin und Her dauerte nur zwei Tage, aber mir wurde dadurch sehr vieles klar. Denn es war natürlich Blödsinn – zur Liebe gehören mehr Dinge, als lediglich eine festgelegte Rolle zu spielen. Ich kannte ihn im Prinzip gar nicht, wusste nicht, was er im realen Leben mochte und was nicht, wie er lebte, nicht einmal wo er wohnte. Wenn dann konnte ich Dinge, Gesten, Eigenschaften an ihm lieben, aber unter diesen Umständen nicht ihn selbst. Er sah das wohl genauso, denn er zog sich urplötzlich zurück. Es kamen kaum noch Mails und SMS fast gar keine mehr, er sagte mir nicht mehr, dass er mich begehrte und über seine Gefühle sprach er gar nicht mehr mit mir. Ich befürchtete, dass er mit dem Gedanken spielte, die Sache zu beenden.

Dennoch war ich erleichtert, etwas Abstand zu bekommen, sodass ich wieder einen klaren Kopf hatte, denn die nächste Session war anberaumt. Ich weiß nicht, woher Carsten die Fantasie nahm, es war einfach unglaublich. Wir trafen uns wieder in unserem Club. Carsten fackelte nicht lange, er dirigierte mich gleich nach der Willkommenszigarette zur Schaukel und heizte mich erst mal an. Dann verband er mir die Augen. Das war ein irres Gefühl, weil ich ja nicht mal annähernd wusste, was er vorhatte. Als Nächstes verschnürte er meine Hände mit einem Seil, band es irgendwo oben fest und meinte dann:

»Ich bin dann mal an der Bar, etwas trinken.«

Mir wurde angst und bange, ich hing da und wartete auf die Dinge, die da kommen würden. Es fühlte sich merkwürdig, aber auch sehr prickelnd an, und ich hoffte, dass Carsten mich nicht wirklich allein lassen würde.

Dann merkte ich, wie mich irgendwelche Hände berührten und, ich wusste sofort, das ist nicht Carsten! Ich fand das absolut bemerkenswert, dass ich den Unterschied sofort spürte, wo wir uns doch tatsächlich insgesamt erst viermal gesehen und gefühlt hatten. Irgendwie waren es dann vier Hände, zwei Zungen und frag nicht was, ein absolut geiles Gefühl. Nur meine Hände waren nach kurzer Zeit eingeschlafen, ich konnte sie ja nicht mal drehen, das war zwar unangenehm aber erträglich. Die beiden Herren streichelten mich überall und erregten sich an mir und kamen schließlich tatsächlich gleichzeitig, nicht in, aber an mir.

Und dann kam das Gefühl, das Lisa vorher beschrieben hatte, zum Glück war ich diesmal vorgewarnt. Diese unendliche Dankbarkeit, dass Carsten da war, er kam auch zwischendurch zu mir, hatte mich aber nur angesprochen, nicht berührt. Ich bin ihm nur noch um den Hals gefallen und wollte nichts sehen oder hören, ich wollte nur noch ihn. Es war ein ganz neues Gefühl, eher so, wie ein Kind seiner Mutter dankbar ist, aber es war einfach nur wunderschön! Carsten fiel im Anschluss richtig über mich her, er krallte sich an mir fest und ließ mir keine Chance zu entkommen.

Ich hatte also an diesem Tag meine erste wirkliche SM-Session. Carsten hatte alles richtig gemacht, ob geplant oder instinktiv, sei dahingestellt. In Gedanken schwelgte ich in Erinnerung an diese erste Szene, die Gefühle davor, während und danach. Eines stand von da an fest, ich war süchtig danach! Carsten hatte mich wohl bis in alle Ewigkeit versaut. Wie sehr, das ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal annähernd. Denn wäre dieser Abend anders verlaufen, hätte mein weiteres Leben wohl eine ganz andere Wendung genommen. Auch war es nun zu spät, mit Jochen darüber zu reden, denn wie sollte ich jemandem diese Gefühle, die in mir geweckt wurden, beschreiben? Und wie konnte ich ihm erklären, warum das alles passierte, wo ich es selbst noch gar nicht einordnen konnte.

Ich las wieder unheimlich viel, nun aber ganz anders als bisher, denn ich war eingetaucht in die Materie, hatte sie selbst erlebt, und auf einmal war es, als läse ich über mich. Es war absolut fesselnd, ich konnte gar nicht mehr aufhören zu lesen. Und mir wurde wieder einmal so einiges klar. Erstens konnte man Gefühle nicht auf einen Ort beschränken, das merkte ich ständig, ich hatte eben das dringende Bedürfnis, Carsten gegenüber übermütig und aufmüpfig zu werden, obwohl wir nicht im Club waren. Und zweitens war es selbst den Protagonisten in diversen Büchern schon passiert, dass sie Realität und Spiel vermischten. Es ging also nicht nur mir so, es war fast normal, dass man bei so intensiven Gefühlen auch mal die Kontrolle verlor. Und war das nicht auch genau das, was man ja eigentlich wollte? Die Kontrolle verlieren. Ich war sehr erleichtert, und noch erleichterter wurde ich, als mir bewusst wurde, dass man unter diesen Umständen täglich spielen konnte. Wie auch Lisa schon gesagt hatte, man kann seine Emotionen nicht auf den Club beschränken, und das merkte ich. Ich war glücklich, viel darüber gelesen zu haben und auch mit Lisa darüber reden zu können, das gab mir so unendlich viel.

Ach ja, wir waren schon ein gut eingespieltes Team. Lisa mit ihren Erfahrungen, Tipps und auch den Kopfwäschen, Carsten mit seiner unheimlichen Fantasie und seinem Einfühlungsvermögen und ich mit meinem Lernwillen und der unbändigen Neugier. Es war umwerfend, dass wir nach so kurzer Zeit schon so weit waren. Wir lernten wahnsinnig schnell, redeten viel und genossen jede Sekunde unseres Lebens. Es war, als wenn wir alles auf einmal nachholen müssten, wir wollten abtauchen, und das im Crashkurs. Das Leben machte Spaß, und wir genossen es, aber nicht ohne Rücksicht auf Verluste. Nur eins wusste ich die ganze Zeit über nicht, wie dachte Carsten über mich? Sah er mich nur als Spielzeug, als sexuelle Akkustation, oder bedeutete ich ihm mehr? Begehrte er nur meinen Körper, den Sex mit mir, oder auch mich? Aber vielleicht war es besser, dass ich es nicht wusste, vielleicht wäre ich enttäuscht gewesen oder aber es hätte unser Spiel ins Wanken gebracht.

Ein paar Tage später hatte ich die nächste Offenbarung, ich sprach mit Lisa über meine Tabuliste. Denn Carsten hatte ein großes Problem, mich gefügig zu machen, da ich so ziemlich alles auf der Tabuliste stehen hatte, was er gegen mich hätte verwenden können. Lisa machte mir klar, dass Tabus das sind, was ich unter gar keinen Umständen machen würde, für nichts auf der Welt. Und ich erkannte, dass ich Tabus mit No-Gos vermischt hatte, also hieß es wieder einmal, die Tabuliste zu überarbeiten. Gesagt getan, und siehe da, Carstens Fantasien schossen ins Unermessliche.

Wir hatten wieder einmal Kontakt zu einem Pärchen geknüpft und wollten uns in der folgenden Woche mit den beiden treffen. Diesmal beschlossen wir, unsere Session vorher zu planen. Die beiden konnten daran teilnehmen oder es lassen, ganz wie sie es wollten. Wir wollten jedenfalls unseren Spaß haben. Noch einmal sollte es nicht passieren, dass wir unsere kostbare Zeit verschwendeten.

Zwischendurch passierte aber noch etwas Unerwartetes, ich liebe solche Überraschungen. Ich war allein in meinem Laden und dachte an nichts Schlimmes, als jemand in voller Motorradmontur hereinkam. Erst als er mich fragte:

»Kugeln drin?«, erkannte ich, dass es Carsten war.