GERMAN KAIJU - verDAMNt! - Markus Heitkamp - E-Book

GERMAN KAIJU - verDAMNt! E-Book

Markus Heitkamp

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Beschreibung

Zwölf Autor:innen entführen Sie in die Welt der Riesenmonster, wo blutspritzende Riesenechsen Hubschrauber zum Absturz bringen, ein gewaltiger Hai Münster zerquetscht, liebestolle Monstereber wüten und erneut Bielefeld zerstört wird – dort, wo Sie niemand schreien hört. Seien Sie dabei, wenn Deutschland in Schutt und Asche gelegt wird und nichts und niemand den Aufmarsch der German Kaiju aufhalten kann. Eine weitere Hommage an den klassischen japanischen Monsterfilm mit Geschichten von Andreas Zwengel, Claudia Rapp, Sarah König, Ralf Kor, Carolin Gmyrek, Markus Heitkamp, Rafaela Creydt, Isa Theobald, Marina Heidrich, Tanja Kummer, Thorsten Küper und Thomas Williams. Vorworte von Timo Rose und Christian von Aster.

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Vorwort von Timo Rose
Vorwort von Markus Heitkamp
Vorwort von Christian von Aster
Andreas Zwengel
Killing.exe
Claudia Rapp
Falsch gemischt ist halb gestorben
Sarah König
Free Meggie – gefräßiger Schrecken aus dem See
Ralf Kor
Der Meggi-Heist
Carolin Gmyrek
Bruderliebe- Blut ist dicker als Meerwasser
Markus Heitkamp
Krebirah – Terror aus der Tiefe
Rafaela Creydt
Saat des Verderbens
Isa Theobald
Die freundlichen Tentakel aus der Nachbarschaft
Marina Heidrich
Love hurts
Tanja Kummer
Falter Royale
Thorsten Küper
Sie werden alle sterben …
Thomas Williams
Wahre Monster

Markus Heitkamp (Hrsg.)

GERMAN KAIJU – verDAMNt!

ISBN 978-3-945230-69-5

1. Auflage, Allmersbach im Tal 2023

Cover & Zeichnungen: Christian Günther

Satz und Layout: Tanja & Marc Hamacher

Lektorat: Tanja & Marc Hamacher

© 2023, Leseratten Verlag, Allmersbach im Tal

www. leserattenverlag.de

Der Leseratten Verlag ist Fördermitglied beim

Phantastik-Autoren-Netzwerk (PAN ) e.V.

Weitere Infos unter:

http://wir-erschaffen-welten.net

In Gedenken an

Haruro Nakajima.

Der Mann, der Godzilla war.

Für Ramses, dem einzig wahren Monster in meinem Leben.

Vorwort von Timo Rose

Die Nacht wird nur durch den Schein des Vollmondes erhellt. Der Wind pfeift durch die Bäume des nahe liegenden Waldes und leise ist das Zirpen von Grillen zu vernehmen. Es ist friedlich. Doch aus weiter Ferne, immer näher kommend, ertönt ein grollendes Geräusch. Lichter blitzen durch das Dunkel der Nacht und durchbrechen den Nebel, welcher das Dorf nahe am Wald sanft wie eine Decke umhüllt. Das grollende Geräusch kommt näher und näher, bis der erste Panzer der hiesigen Armee die Nebelwand durchbricht. Viele weitere Panzer folgen und drehen ihre Kanonenrohre in Richtung des Waldes. Helikopter und Kampfjets tauchen wie aus dem Nichts auf und und überfliegen das komplette Gebiet. Plötzlich ertönt eine Stimme aus einer der geöffneten Panzertüren: »Feuer!«

Nach und nach feuern die Panzer. Bäume schlagen wie Streichhölzer um, Erde und schweres Gestein fliegt meterweit in die Luft und vereinzelte Stellen beginnen zu brennen. Ein markerschütternder Schrei, ein lautes Gebrüll übertönt jegliches andere Geräusch. Langsam, fast wie in Zeitlupe, steigt eine dunkle Kreatur aus dem Flammenmeer. Die Kreatur, ein riesiges behaartes Monster, ähnlich einem 50-Meter großem Bigfoot, ist mit einem Satz bei den Panzern, reißt den nächstbesten in die Luft und schleudert ihn in die ersten Häuserreihen des Dorfes. Die Explosion beleuchtet das gesamte Geschehen und die Soldaten erkennen das grauenvoll entstellte Gesicht der Kreatur. Das Monster sieht aus, als hätte es bereits viele Kämpfe hinter sich. Das Gesicht ist mit verkrusteten Wunden und vielen Narben übersäht.

Wieder ertönt die Stimme: »Feuer! Lasst das Monster nicht entkommen!«

Und wieder speien die Panzer tödliches Feuer, während fast zeitgleich Bomben aus der Luft auf die Kreatur fallen. Das haarige Biest stürzt zu Boden, getroffen von vielen Raketen und Bomben. Sein markerschütternder Schrei klingt, als würde er um Hilfe oder Gnade betteln.

»Jetzt haben wir ihn!«, vernimmt man aus dem Dunkeln der Nacht. »Zielt auf den Kopf!« Erneut ertönen dumpfe Schüsse aus den Kanonenrohren. Explosion folgt Explosion.

»Es blutet! Seht ihr – es blutet!«, schreit ein Soldat seinen Kameraden entgegen.

Eine in Weiß gekleidete, an einem Krückstock gehende Person taucht plötzlich zwischen den Bodentruppen auf und bleibt nachdenklich stehen.

»Doktor Müller, wir haben es geschafft«, sagt die Stimme zu dem Mann in Weiß. »Das wollten Sie doch, richtig?«

Doktor Müller wendet sich dem General zu. »Ich weiß nicht, was genau wir wollten – was richtig oder was falsch ist. Ich weiß es nicht mehr. Ich weiß nur, dass wir etwas getötet haben, das genau wie wir ein Recht auf Leben hatte. Nur weil wir etwas nicht verstehen, muss es nicht gleich zerstört werden.«

Plötzlich und völlig unerwartet vernehmen der Doktor und die Bodentruppen eine Art winselndes Geräusch und neben dem toten Monster erscheint eine kleinere, viel kleinere Version, die genauso aussieht wie das Große. Der Nachwuchs der Kreatur hat überlebt. Betroffen senkt Doktor Müller seinen Kopf, während er auf das Feuerkommando wartet. Dann ertönen Gewehrsalven, die das Jungtier schonungslos zu Boden strecken.

So in etwa könnte das Ende eines alten, japanischen Kaiju-Films aussehen. Kaiju-Geschichten waren immer voller Dramatik und Gesellschaftskritik, hatten eine Message oder kritisierten den Lebenswandel in dieser, unserer Welt. Das gesamte Genre ist viel mehr als nur Monsteraction, Menschen in Gummianzügen oder vereinzelt auffindbare Literatur. Aus der Fangemeinde eines jeden Landes entstand in den letzten 90 Jahren das, was heute das Kaiju-Fandom genannt wird. Fans, die sich mit dem Genre, dem Thema KAIJU beschäftigen, ihre Liebe zu den Monstern und Kreaturen diskutieren und auf immer neuen Input warten. Das alles findet in einer Zeit statt, in der das Genre, besonders das GODZILLA-Franchise, langsam aus der Nische heraustritt und Teil des Mainstream-Kinos wird oder bereits geworden ist. Immer mehr Menschen kaufen Figuren, schauen sich die Monsterverse Filme im Kino an oder lesen diverse Bücher über Kaiju. Die Fangemeinde ist gewachsen, ja und das ist etwas Gutes. Es fühlt sich wundervoll an, in einer Zeit zu leben, in welcher dieses Genre eine Art Wiedergeburt erlebt.

Ich bin Teil dieses Fandoms, heiße Timo, mache Filme, schreibe Drehbücher und widme einen Großteil meiner Zeit dem Kaiju-Genre, genauer gesagt, GODZILLA. Ich betreibe journalistische Arbeit, schreibe Reviews, führe Interviews und betreibe die Onlineplattformen Königreich der Monster (KDM) und bin Autor der KDM Bücher über GODZILLA, KING KONG, GAMERA und Co.

Ich bin kein großer Freund von Vorworten, weshalb meins wohl auch etwas anders ausfällt als das diverser Kollegen. Hier haben wir wieder Monstergeschichten, die es wert sind, publiziert und gelesen zu werden. Geschichten, welche von der unbändigen Energie der Fantasie geführt werden. Geschichten von Autoren, die dieses Genre lieben, Fans sind und einen Beitrag leisten möchten. Unbändige Kreativität ist hier federführend und lässt den Leser in eine Welt eintauchen, die fernab der Realität in ihren Köpfen stattfindet, wo Kaiju, Monster oder andersartige Kreaturen Städte zerstören. Auch das Motiv Gut gegen Böse darf natürlich nicht fehlen, ist es schließlich schon immer ein sehr großer Bestandteil dieses Genres. Es ist schön, etwas zu lesen, das von Fans für Fans gemacht wurde. Etwas, von dem man bereits im Vorfeld weiß, dass man es mögen und genießen kann, sobald die erste Seite aufgeschlagen wird.

An dieser Stelle möchte ich mich recht herzlich bei Markus Heitkamp bedanken, dem Mann, der mich zu dieser kleinen Gastsession eingeladen hat. Danke Markus. Den Lesern wünsche ich an dieser Stelle ganz viel Spaß mit German Kaiju – verDAMNt! und ich kann es kaum erwarten, bis ein weiteres Buch erscheint. Ich wünsche mir mehr davon. Mehr, sehr viel mehr!

Timo Rose

Februar 2023

Timo Rose

Timo Rose ist ein deutscher Regisseur, Schauspieler, Kameramann, Filmeditor und Produzent, der überwiegend im Genre des Horrorfilms tätig ist. Er hat bisher bei über 30 Produktionen, inklusive einer Show für M-TV, Regie geführt, schreibt Filmmusiken und erstellte Spezialeffekte für seine Filme und ausländische Produktionen.

In Filmen von Timo Rose findet man u.a. Schauspieler/innen wie Judith O‘Dea (aus George A. Romeros Night of the living Dead), Joe Davison (Stranger Things Staffel 2), Lloyd Kaufman (Toxic Avenger, Rocky) oder auch bekannte Gesichter aus Deutschland, wie z.B. Katy Karrenbauer, Timo Jacobs, Peter Thorwarth, Ferris MC, Dustin Semmelrogge oder auch DSDS-Gewinner Mehrzad Marashi. Zuletzt führte er bei den Filmen Winnie Pooh – Blood and Thunder und Könige die Regie. Als Musiker ist Rose stimmlich auf über 25 Alben zu hören und im Jahr 2021 veröffentlichte er sein siebtes Soloalbum. Rose schreibt zudem Drehbücher, Filmkritiken und widmet sich seinen Monsterseiten im Internet: KDM. Als Autor arbeitet Timo aktuell an seinen drei Fachbüchern über Monsterfilme: Königreich der Monster Band 1-3.

Vorwort von Markus Heitkamp

Als der Verlag und ich 2019 mit der tatkräftigen Unterstützung der damaligen Autor*innen GERMAN KAIJU auf den Markt brachten, war ich überzeugt davon, dass wir etwas ganz Großes und Neues geschaffen hatten. Dass dieses Buch darüber hinaus auch noch erfolgreich sein würde, hatte ich gehofft, aber ich wäre keine Wette darauf eingegangen.

Nun, jetzt sind vier Jahre vergangen, eine Pandemie hat uns heimgesucht und es sind einige Liter Kirschbier diverse Kehlen herabgeflossen.

Zu Beginn des Jahres 2022 erschien mit Operation M.E.L.B.A. eine Novelle, angesiedelt im German Kaijuverse und man ahnt schon, wir haben uns einiges vorgenommen. Beide Bücher waren so erfolgreich, dass wir den vielen Zugabe skandierenden Lesenden gerecht werden wollen.

Hier nun mit GERMAN KAIJU – verDAMNt! die konsequente Fortführung von zerstörerischen Gewaltorgien riesiger Monster. Wo man in der Tradition alter japanischer Monsterfilme im Fachjargon von der Showa-, Heisei- und Millenium-Reihe spricht, müssten wir unsere GERMAN KAIJU Bücher eigentlich alle in der Generation Alpha ansiedeln. Aber ich wäre nicht ich, wenn ich so etwas Langweiliges wählen würden.

GERMAN KAIJU ist für mich mein Erster Kontakt, Operation M.E.L.B.A. mein Treffen der Generationen und GERMAN KAIJU – verDAMNt! wird hoffentlich Das unentdeckte Land.

Noch weiß ich nicht, wo die Reise mit unserem Geman Kaijuverse hingehen wird, aber ich bin dankbar für den großen Zuspruch aus den Reihen des deutschen Riesenmonster-Fandoms und den vielen positiven Reaktionen von anderen fantastikbegeisterten Lesenden. Es bleibt mir also Danke zu sagen und viel Spaß mit den neuen Geschichten zu wünschen. Auf dass die Reise der Riesenmonster durch deutsche Gefilde noch lange weiter geht.

Euer

Markus (Grummel) Heitkamp

Vorwort von Christian von Aster

Seien wir ehrlich,

GERMAN KAIJU ist, sei es als Film, Buch oder was-auch-immer zunächst einmal nichts, von dem man denken würde, dass es funktioniert. Wie auch sollte ein Mitte des vergangenen Jahrhunderts begründetes japanisches Spezialeffektfilmsubgenre mit dem Fokus auf obskure, durchweg riesenwüchsige Ungeheuer eine deutsche Entsprechung finden? Zumal sich doch auch Hollywood schon mehr als einmal und nicht immer überzeugend daran versucht hat. Und das, obwohl einst jene Traumschmiede den Proto-Kaiju King Kong gebar, der hernach allerdings noch dreißig Jahre brauchte, um jene Größe zu erreichen, die es brauchte, gegen das Synonym des Genres, das ungekrönte Gottmonster Godzilla anzutreten. Dem einige Jahre später Mechani-Kong, ein böses Roboterduplikat King Kongs folgte, das ein gewisser Dr. Who …

Aber halten wir kurz inne. Denn der Taumel des Irrsinns, in den man gerät, sobald man sich auf den Kaiju-Kult einlässt, ist bereits erahnbar. Und somit auch, dass es bei der Idee, derlei Motive in unsere heimische Kultur zu übertragen, nicht darum geht, ob es funktioniert. Das Bestreben, Hamburg zum Tokio des Nordens zu machen, um es zermalmt unter den klobigen Stummelpranken nordischer Godzilla-Epigonen enden zu lassen, ist nicht rational, sondern hat vielmehr etwas mit Leidenschaft zu tun. Und dem Wunsch, einem Genre ein Denkmal zu setzen, dessen Qualitäten mühelos zwischen Horror, Satire, Gesellschaftskritik, Drama, Pathos und Unsinn fluktuieren.

Ich weiß noch, wie ich in jungen Jahren und ohne zu wissen, was genau es war, das ich da zu sehen bekam, staunend meiner ersten Kaiju-Filme ansichtig wurde und wie japanische Wissenschaftler, Militärmodellautos, bizarre Außerirdische und die rauchenden Überreste Tokios mich gleichsam verstört und begeistert haben. Weshalb ich, der ich darüber hinaus einst hingebungsvoll hochhauszerlegend Rampage spielte, der Faszination dieses Genre durchaus auch erlegen bin.

Das ist mein persönlicher Zugang zu dieser Materie, der (abgesehen davon, dass ich irgendwann einmal versehentlich ein Horrorlexikon verfasst habe, das wir an dieser Stelle aber besser unerwähnt lassen) zumindest dazu geführt hat, dass ich mich, im Bestreben, eine liebevoll absurde Reminiszenz zu verfassen, soweit hineinrecherchierte, dass mir zumindest eine Ahnung jener bizarren Subkultur zuteilwurde, in der begeisterte Kaiju-Fanatiker sich über Dinge austauschen, von denen gewöhnliche Sterbliche nicht einmal etwas ahnen: Hochindividuelle gigantische Kreaturen, die, irgendwo zwischen Mythologie und Reaktorunfall entstanden, mit destruktiven Talenten gesegnet, jenseits von Gut und Böse in einem Universum schwer durchschaubarer Konfliktdiversität existieren.

Eigentümlicherweise musste ich feststellen, dass sich in meinem näheren Bekanntenkreis mehrere solche Fanatiker befinden. Einer davon ist derjenige, der sich anscheinend nie die Frage gestellt hat, ob GERMAN KAIJU funktioniert und dessen ungebrochene Leidenschaft der Grund dafür ist, dass derlei nunmehr nicht bloß existiert, sondern sich nach einer Anthologie, einer Novelle und Gründung einer obligatorischen Eingreiftruppe zu einem veritablen Universum auswächst: Markus Heitkamp. Ohne den es – was bedauerlich wäre – dieses vergnügliche Subsubgenre schlicht nicht gäbe und der nicht nur ein Pionier deutsch überdimensionierter Ungeheuerlichkeiten, sondern, wobei sich durchaus ein Zusammenhang erahnen lässt, auch kryptozoologisch engagiert ist. Wobei es im Kontext des vorliegenden Buches wohl wichtiger ist, dass die heitkampsche Besessenheit sowohl einen Verleger zu ergreifen vermochte, als auch zur hingebungsvollen Beteiligung diverser Autoren am unkontrollierten Kreaturenwachstum im deutschen Raum führte. Was nun folgerichtig zu diesem Buch und zu GERMAN KAIJU – verDAMNt! führt und die Frage, ob derlei funktioniert vergleichsweise obsolet macht. Zumal Herr Heitkamp, der die erste Anthologie dieser Reihe im Jahr 2019 herausgab, in Anbetracht des norwegischen Northern Kaiju Troll aus dem Jahr 2022 als Vorreiter einer Bewegung betrachtet werden muss, der vermutlich noch die ein oder andere nordeuropäische Metropole zum Opfer fallen wird. Wobei Tokio, was das angeht, noch immer einen gewissen Vorsprung hat.

Bis der aufgeholt ist, wird Herr Heitkamp noch einige Anthologien herausgeben müssen.

Und so kann dieses Vorwort kaum anders enden als mit:

Let there be monsters.

And let them be big.

Christian von Aster

Dezember 2022

Andreas Zwengel

Andreas Zwengel tobt sich gerne im Genre-Dreieck zwischen Fantastik, Krimi und Abenteuer aus. Er arbeitet an mehreren Serien mit und versucht dadurch, Ruhm und Reichtum zu erlangen (Hört gefälligst auf zu lachen!). Sein persönliches Opus magnum um einen abgehalfterten Fernsehclown und den Problemlöser eines Spielzeugkonzerns geht demnächst in die zweite Runde und visiert Verkaufszahlen im hohen zweistelligen Bereich an.

Zwengel arbeitete lange im Schuldienst, um junge Menschen positiv zu beeinflussen und ihnen Zukunftsperspektiven zu vermitteln. Als Folge dieser Tätigkeit entwickelte er eigene Ambitionen zum Gangsta-Rappa, B-Promi, Moderator, Schmuckdesigner und Game-Tester.

Was das alles mit Echsen von außergewöhnlicher Größe (ExAuGrTM) zu tun hat, entzieht sich seiner Kenntnis.

Weitere Stationen seines auffällig unauffälligen Lebens findet man im Clearnet mit exklusiven und unverpixelten Bildern unter:

www.andreas-zwengel.de

Killing.exe

Die beiden Tiger-Kampfhubschrauber feuerten eine weitere Salve und Einschüsse zierten den Rücken der Riesenechse. Doch die Wirkung war wie zuvor gleich null. Die 12,7-Millimeter-Geschosse vermochten die natürliche Panzerung des Echsenkörpers nicht zu durchdringen. Das Monster war mit Stacheln aus Keratin übersät und wo nichts hervorstand, schützten es die sich überlagernden Schuppen. Dies war keines dieser schlanken filigranen Reptilien, sondern ein breitgebautes Wesen auf kurzen Beinen. Selbst den Schwanz bedeckten dornenbestückte Schuppen, die ihn zu einem überdimensionalen Morgenstern machten. Jeden Moment konnte er die angreifenden Maschinen vom Himmel schlagen.

Die Spezialkräfte der Feuerwehr hatten gerade die letzten Kanister der geborgenen Chemieabfälle in spezielle Sicherheitsbehälter verpackt und auf dem Transporter verstaut. Ihr Job war erledigt, deshalb blieben sie keine Sekunde länger als nötig. Sie entfernten sich von dem Fahrzeug, ließen die Atemgeräte fallen und verschwanden über das freie Feld. Sie verzichteten sogar auf eine Dekontaminierung durch die Dekon-Einheit vor Ort. Gefährliche Giftstoffe waren eine Sache, aber eine vierzig Meter lange Riesenechse eine ganz andere. Die Männer und Frauen mochten in ihren gelben Chemikalienschutzanzügen zwar aussehen wie Kamikaze-Minions, aber ihre Lebenserhaltung war doch deutlich ausgeprägter.

Der schwere Transporter setzte sich in Bewegung, während mehrere Soldaten noch dabei waren, die Ladung zu sichern. Die Sicherheitsbehälter konnten auf den Feldwegen gehörig in Bewegung geraten und nach der riskanten Bergung sollte die Mission nicht an einer umgekippten Tonne scheitern.

Die beiden Tiger-Kampfhubschrauber stiegen vor den zuschnappenden Kiefern der Echse in die Höhe und brachten sich außer Reichweite, bevor sie erneut das Feuer eröffneten. Die zweisitzigen Helikopter verfügten über schwere M3P Maschinengewehre auf beiden Seiten, mit jeweils 400 Schuss. Sie beschäftigten das Monster so gut es ging, um seinen Vormarsch zu verlangsamen. Denn zu stoppen war es nicht.

Drei ATF-Dingos folgten dem Transporter und deckten seinen Rückzug.

Die Allschutz-Transport-Fahrzeuge waren durch ihre Panzerung besonders beliebt auf Patrouillenfahrten in Kriegsgebieten, aber hier, im relativ friedlichen Odenwald, zählte vor allem ihre Geländegängigkeit. Sie mussten etwa zwei Kilometer zurücklegen, bevor sie eine befestigte Straße erreichten. Für die Dingos kein Problem, aber das Transportfahrzeug kam mit seiner gefährlichen Ladung viel zu langsam voran.

Im vordersten Dingo saß der Kommandant dieses Einsatzes und betrachtete die Aufnahmen, die er von mehreren Drohnen erhielt. Sie umkreisten die Echse so dicht wie Fliegen, die an einer Kuh klebten, und das Monster machte sich nicht einmal die Mühe, sie zu verscheuchen oder zu zerstören. Oberst Mathis Böhm war ein drahtiger, mittelgroßer Endvierziger und ließ sich durch nichts so leicht aus der Ruhe bringen. Mutierte Riesenechsen einmal ausgenommen.

Tiger eins feuerte in diesem Moment zwei 70-Millimeter-Raketen direkt vor die breite Schnauze der Echse. Gelbrote Explosionsblüten ließen das Monster tatsächlich für einen Moment stocken.

Böhms Adjutant lenkte eine der Drohnen über die Echse hinweg, um nach Verletzungen Ausschau zu halten.

»Was ist das da auf dem Rücken?«, fragte Böhm und wies auf den kleinen Monitor. »Zoomen Sie mal näher ran!«

»Das ist die Irre«, erklärte sein Adjutant.

»Wie bitte?«

Der junge Mann räusperte sich. »Ich meine die psychisch labile Person, die Sie aus unerklärlichen Gründen hinzugezogen und mit umfangreichen Kompetenzen ausgestattet haben.«

»Sitzt sie auf einem Motorrad?«

Iona Deda genoss es, wie die geländegängige Maschine unter ihr bockte. Auf einer Straße hätte sie die harten Stöße durchaus genießen können, doch überall aus dem Rücken der Riesenechse ragten stachelige Höcker auf, denen sie ausweichen musste.

Der abgeflachte Körper glich einer Kraterlandschaft und befand sich zudem noch in Bewegung. Beides machte Ionas Vorwärtskommen nicht gerade leichter. Sie lenkte das Motorrad um eine weitere Stachelreihe herum und hatte Mühe, mit dem schweren Rucksack auf ihrem Rücken das Gleichgewicht zu halten.

Der Kopf bot ein besonderes Hindernis: lange, rückwärts gerichtete Dornen, die den Nacken wie ein Kragen umgaben. Mit jeder Kopfbewegung zur Seite stachen sie nach hinten. Und zu allem Unglück hatte die Krötenechse den Störenfried auf ihrem Rücken bemerkt. Sie duckte ihren Kopf, sodass sich die Stacheln im Nackenbereich aufrichten, wie die Verteidigungslinie von Lanzenträgern.

»Können Sie den Hubschraubern sagen, sie sollen aufhören zu schießen«, schrie Iona in ihr Headset. »Sie richten an der Oberseite eh nichts aus und mir fliegen die Querschläger um die Ohren.«

»Verraten Sie mir mal, was Sie da veranstalten?«, fragte Böhm zurück.

»Na was wohl? Ich beschäftige unseren Freund, bis der Konvoi die Straße erreicht.«

Einer der Kampfhubschrauber flog dicht über den Kopf der Echse hinweg. Die reckte sich nach oben und schnappte mit ihrer Zunge nach der Maschine. Durch das Anheben des Kopfes senkten sich die Stacheln auf der Rückseite und Iona nutzte die Gelegenheit. Sie raste über den Nacken, bremste und sprang von der Maschine, die seitlich über den Schädel hinaus rutschte. Schnell packte Iona einen der steil aufgerichteten Dornen und hielt sich daran fest, während die Echse dem Konvoi nachsetzte.

Kaum zu glauben, dass diese Geschichte erst vor weniger als vierundzwanzig Stunden begonnen hatte, als ein Hobby-Höhlenforscher direkt nacheinander drei unglaubliche Funde machte. Die erste Entdeckung, und sein eigentliches Anliegen, war ein Höhlensystem, das er schon länger an dieser Stelle vermutet hatte. Die zweite bestand darin, dass jemand vor vielen Jahren eine gehörige Menge Giftmüll durch eine schmale Felsspalte entsorgt hatte, die in einem gewaltigen Hohlraum mündete. Damit wäre sein Bedarf an Sensationen bereits gedeckt gewesen, doch seine dritte und bei Weitem größte Entdeckung war eine riesige, krötenartige Echse, die in der geräumigen Höhle hauste und sich anscheinend von den Chemieabfällen ernährte.

Nein, der Mann hatte es anders beschrieben. Ihm war es so vorgekommen, als würde sich die Echse daran berauschen und in einem drogenumnebelten Dämmerschlaf leben. Aus diesem war sie erwacht, kurz bevor die Spezialkräfte die Bergung vollständig abgeschlossen hatten. Seitdem benahm sie sich wie ein gewalttätiger Junkie auf Entzug und versuchte, den Diebstahl ihrer Droge zu verhindern.

Da sie den kleinen gelben Kerlen nicht durch die Felsspalte folgen konnte, hatte sie sich einen anderen Ausweg aus dem Höhlensystem gesucht. Unter gewaltigem Getöse war sie auf der anderen Seite des Bergs durch eine dünne Felsschicht gebrochen und hatte Gesteinsbrocken, entwurzelte Bäume sowie beachtliche Erdmengen springbrunnenartig aufgehäuft. Wie ein Erdmännchen im XXL-Format hatte die Echse sich kurz orientiert und war zur Spitze des Berges gestürmt, von wo aus sie die dreisten Diebe ausmachte. Und ab da ging es richtig los.

Iona hielt breitbeinig das Gleichgewicht auf dem unsicheren Untergrund und nahm ihren Rucksack ab. Sie holte ein Kletterseil heraus und warf die vorgefertigte Schlinge um das größte Horn in ihrer Nähe. Den Karabinerhaken am anderen Ende befestigte sie an dem Gurtgeschirr, dass sie bereits um ihre Körpermitte trug.

Die Echse kürzte über eine große Wiese ab und steuerte diagonal auf den Konvoi zu. Sie legte ein beachtliches Tempo vor und durch die Abkürzung würde sie die Fahrzeuge noch vor der befestigten Straße erreichen, falls Iona nichts unternahm. Sie zog den Rucksack verkehrt herum auf, sodass er wie eine Babytasche vor ihrer Brust hing, und holte die ersten beiden Haftminen mit extrastarker Klebefläche hervor. Diese heftete sie links und rechts neben sich auf den Schädel und nahm das nächste Paar heraus. Die seitlich liegenden Augen wurden durch knöcherne Wülste geschützt. Iona musste mitten ins Gesicht der Echse klettern, um an die verwundbaren Stellen zu gelangen.

Mit einem Sprung landete sie auf der breiten Schnauze. Sofort bewegte die Echse den Kopf, wodurch Iona nicht nur das Gleichgewicht verlor, sondern auch die beiden Sprengsätze. Es gelang ihr, sich an einem der kleineren Dornen festzuhalten, die seitlich über dem Maul hervorragten. Dort befand sie sich Auge in Auge mit der Echse. Sofort schnellte deren gewaltige Zunge hervor, um den Störenfried wegzuschlecken. Iona schwang sich zur Seite und spürte den rauen Rand über ihren Arm streichen. Der Zunge war sie entgangen, aber nicht dem Gefühl, einen Eimer voll Speichel ins Gesicht geschüttet zu bekommen. Angewidert schüttelte sie sich.

Während sie sich mit einer Hand an dem Dorn festhielt, zog die andere eine weitere Haftmine aus dem Rucksack. Sie streckte sich nach vorne und heftete die Mine so dicht wie möglich an den Mund des Monsters. Ernsthaften Schaden konnte Iona nicht verursachen, aber wenigstens Verwirrung stiften. Schon allein durch ihre Anwesenheit war die Echse langsamer geworden.

Blitzschnell kletterte Iona zu dem rechten Auge empor und hängte den ganzen Rucksack an einen Dorn, der sich direkt daneben befand. Anschließend lockerte sie das Kletterseil, damit es sich nirgendwo verhakte, und sprang seitlich vom Kopf der Echse. Nach drei Metern spannte sich das Seil und Iona schwang um den riesigen Echsenkörper herum. Bevor sie wieder aufstieg, klinkte sie sich aus und flog einige Meter über die Wiese. Sie landete weniger schmerzhaft als erwartet, rollte ein paar Mal um die eigene Achse und kam in einer halbaufgerichteten Haltung zum Stillstand, den Fernzünder für die Minen bereits in der Hand.

Die Sprengsätze explodierten alle gleichzeitig und hüllten den Kopf kurzzeitig in eine dichte Rauchwolke. Die Echse blieb verwirrt stehen und schüttelte den Kopf. Der Inhalt des Rucksacks war oberhalb des schützenden Knochenwulsts am Auge hochgegangen. Alles, was Iona ausgerichtet hatte, waren eine dicke Lippe und heftige Kopfschmerzen.

»DAMN«, fluchte Iona laut.

»Wie bitte?«, fragte Oberst Böhm über Funk.

»Nichts. Mir rutscht manchmal ein Fluch heraus.«

»DAMN? Ist das nicht auch der Name Ihrer Behörde?«

»Ja, okay, mehr als nur manchmal«, gab sie zu.

»Man hat Ihre Behörde danach benannt?«

»War nicht meine Idee«, brummte Iona. »Kann mich jemand abholen?«

Der letzte Dingo ließ sich etwas zurückfallen, um die Echse zu beschäftigen. Die Fahrzeuge waren alle mit einem schweren Maschinengewehr Kaliber .50 BMG bewaffnet und damit hielt der Bordschütze direkt auf das Gesicht der Echse. Die Wirkung entsprach in etwa dem Versuch, einen ICE durch Anpinkeln bremsen zu wollen. Aber Fahrer und Schütze bewiesen stahlharte Hoden und wurden noch langsamer, um die Stelle unter dem Kopf unter Beschuss zu nehmen, die sie für verwundbar hielten. Die erste Salve brachte sofortige Ernüchterung. Die Schuppen an der Kehle waren zwar glatt, aber genauso undurchdringlich wie der Rest. Also gab der Fahrer den Versuch auf und beschleunigte wieder, um den Vorderbeinen zu entgehen. Die Panzerung der Dingos hielt zwar ohne weiteres mehreren Kilogramm TNT stand, aber ein seitlicher Stupser von diesem Wesen könnte ihn doch gehörig aus dem Gleichgewicht bringen.

Der Konvoi hatte den Bergkamm überwunden und bewegten sich nun über eine vierspurige Umgehungsstraße talwärts. Man hatte sofort nach der Entdeckung der Echse mit der Evakuierung aller umliegenden Ortschaften begonnen, die möglicherweise auf der Route des Monsters lagen.

Oberst Böhm konnte die nördliche Einfahrt des Lohbergtunnels bereits sehen. Die Rettung lag unmittelbar vor ihnen. Nun blieb nur zu hoffen, dass sie sich bei der Größe des Monsters nicht verschätzt hatten.

»Ist der Spezialist angekommen?«, erkundigte sich Iona Deda über Funk.

»Wenn Sie damit dieses versoffene Wrack meinen, das die ganze Zeit herumschreit, dass es entführt wurde und jeden verklagen wird, dann ja.«

Einer der Tiger flog über den Konvoi hinweg und ging kurz vor dem Tunneleingang nieder, um einen Passagier aussteigen zu lassen. Die junge Frau in der schwarzen Kampfmontur und dem markanten Sidecut winkte dem Piloten zu und verschwand im Tunnel.

Nacheinander fuhren der Transporter und die drei Dingos in den Lohberg-Tunnel ein. Böhm ließ seinen Dingo zwanzig Meter hinter der Einfahrt anhalten und sah nach hinten. Die Riesenechse füllte den Eingang immer mehr aus. Erst im letzten Moment bremste sie ab, duckte sich und versuchte, in die Öffnung hineinzukriechen, doch selbst flach auf dem Bauch wollte es ihr nicht gelingen.

»Sie kommt nicht rein«, berichtete der Oberst über Funk.

»Gut«, antwortete Iona. »Ansonsten wäre meine Planung sinnlos gewesen.«

»Sie waren nicht sicher?«

»Na ja, das war nicht so eine Planung mit Millimeterpapier und Computersimulation. Eher ein Gefühl, dass es klappen könnte.«

Böhm gab nur einen Stöhnlaut von sich, während sein Adjutant die Fakten nachlieferte. »Der Tunnel ist knapp zehn Meter breit und viereinhalb Meter hoch. Wenn das Biest nicht so einen stacheligen Rücken hätte, könnte es sich gerade so zu uns durchschieben.«

Iona stieg in Böhms Dingo zu und sie fuhren bis zur Mitte des Tunnels, wo der Transporter gehalten hatte. Dort gab es eine beidseitige Pannenbucht, die ausreichend Platz für eine provisorische Kommandozentrale in Form einer Wagenburg bot. Die anderen Dingos positionierten sich mit einigem Abstand, damit sie auf beiden Seiten die Tunneleingänge beobachten konnten, die 1080 Meter auseinanderlagen. Der Tunnel verfügte über eine lückenlose Videoüberwachung. Unfälle oder ungewöhnliche Ereignisse wurden sofort an die Tunnelleitzentrale gemeldet. An diesem Tag staunte man in Eschwege nicht schlecht, als die ersten Bilder übertragen wurden. Über Funk hatte Böhm bereits die Sperrung aller Zufahrtsstraßen veranlasst. Die Fahrer, die aus Richtung Darmstadt oder aus Nieder-Ramstadt direkt kamen, brauchten keine besondere Aufforderung, denn sie hatten gesehen, was sich da aus östlicher Richtung näherte.

»Schickt die Drohnen raus!«, befahl Böhm.

Sofort ließen seine Leute die MIKADO-Aufklärungsdrohnen an beiden Enden des Tunnels aufsteigen. Sie würden ihnen Bilder der Außenwelt liefern. Oberst Böhm wandte sich an seinen Adjutanten. »Wie ist unsere Lage?«

Der junge Mann schob sich seine Brille mit dem Zeigefinger auf der Nase nach oben. »In südlicher Richtung gibt es einen Fluchttunnel, der auf zwei Drittel der Strecke parallel zum Tunnel verläuft. Eine Flucht zu Fuß wäre möglich.«

»Wir bleiben in der Mitte des Tunnels. Wenn wir lange genug durchhalten, verliert das Biest das Interesse.«

»Das wäre nicht so gut«, sagte Iona hinter ihm. »Wenn es uns nicht mehr kriegen will, sucht es sich ein leichteres Ziel. Zum Glück haben wir den letzten Rest von dem Stoff, auf den es scharf ist.«

Oberst Böhm drehte sich zu Iona, die mit untergeschlagenen Beinen auf der Motorhaube des Transporters hockte. Er legte den Kopf in den Nacken. »Ich hätte da ein paar Fragen.«

»Kann ich mir vorstellen.«

»Man hat mir zu verstehen gegeben, dass Sie zu einer obskuren Organisation gehören, die sich mit solchen Dingen auskennt, und ich Sie unterstützen soll. Aber bisher hatte ich noch keine Gelegenheit, Ihre Referenzen zu überprüfen.«

Iona streckte ihre Beine aus, rutschte von der Motorhaube herunter und landete direkt neben ihm. »Damit sollten Sie warten, bis das hier vorbei ist.«

Sie hatte berufsbedingt oft mit Militärangehörigen zu tun und wusste es zu schätzen, dass Oberst Böhm zu den Guten gehörte. Er hatte kein Problem damit, Ratschläge von Zivilisten, Liberalen oder Frauen anzunehmen, und hielt Wissenschaftler nicht durchweg für weltfremde Fachidioten. Man konnte mit ihm arbeiten und das war bei dieser Geschichte auch die Mindestanforderung.

Der Adjutant trat neben Böhm und hielt ihm ein Tablet hin, auf dem die Übertragung der Drohnen zu sehen war. Die Echse stieg in diesem Augenblick über den Tunneleingang hinweg und kletterte den Hang hinauf. Eine Bewegung ihrer Vorderpfote riss zwanzig Meter Drahtzaun aus der Erde. Schnell bewegte sie sich durch ein schmales Tal und entwurzelte eine Reihe von Obstbäumen. Glücklicherweise standen keine Häuser auf der Strecke, denn sie hätte wohl kaum einen Bogen darum gemacht. »Die Echse ist auf dem Weg zum Südende des Tunnels. Ist dort oben jemand in Gefahr?«, erkundigte sich Böhm.

»Nur Wiesen und Felder, wenn sie diesen Weg beibehält. Die letzten Häuser des Ortes liegen rechts von ihr, aber sie steuert beeindruckend genau auf den Südeingang zu. Leider können wir ihr nicht weiter folgen, ohne den Kontakt zur Drohne zu verlieren.«

»Also müssen wir warten, bis die Drohnen im Süden ihn ins Bild bekommen? Das ist schlecht. Schicken Sie zwei Mann den Berg hinauf, ich brauche einen ständigen Überblick.« Böhm wandte sich an Iona. »Wären wir weitergefahren, könnten wir bereits einen großen Vorsprung haben.«

»Es geht nicht darum, zu entkommen. Dieses Monster würde alle Ortschaften auf seinem Weg verwüsten. Keine zwei Kilometer von hier liegt eine Schule an einer sehr schmalen Stelle des Tals, es müsste mitten hindurch, um weiterzukommen. Aber es will keine Menschen fressen oder Wolkenkratzer einreißen. Es sucht nur den Stoff, nach dem es anscheinend süchtig geworden ist.«

»Also gut, wie ist der Plan?«

Iona trat neben die beiden Soldaten und warf einen Blick auf das Tablet. »Wir haben unseren Teil bereits erfüllt. Wir mussten die Echse nur ins Jagdgebiet seines natürlichen Feindes bringen.«

»Wer soll das sein?«

»Die Mensons.«

Der Oberst kniff die Augen zusammen. »Wer oder was ist ein Menson?«

Der Kioskbetreiber im Bahnhof Mühltal staunte nicht schlecht, als der unangekündigte Sonderzug auf dem einzigen Gleis hielt. Der Verkehr auf dieser Strecke wurde zuvor komplett eingestellt. Doch der Zug, der soeben eingefahren war, stand ohnehin auf keinem Fahrplan.

Die drei geschlossenen Waggons besaßen weder Kennung noch Markierungen und auf den drei Tiefladern dahinter befanden sich farbenprächtige Fahrzeuge, irgendwo zwischen landwirtschaftlichen Maschinen und selbstentworfenem Kriegsgerät. Ihre Funktion ließ sich in den meisten Fällen nur erraten. Ein Unimog mit einem Schneepflug an der Spitze und einem Hebekran auf der Ladefläche wirkte nicht nur auf den ersten Blick deplatziert. Dahinter folgten ein Pick-up mit Panzerplatten auf allen Seiten und einer Harpune auf der Ladefläche und noch weitere Trucks mit diversen Spezialvorrichtungen. Den Abschluss bildete ein sportlicher Mercedes, der zudem die musikalische Untermalung der Szenerie bot: schneller, lauter Classic Rock.

Die Seitentüren glitten auf und ein vielstimmiges Motorengeheul ertönte aus den Waggons. Mehrere Quads und Motorräder rollten auf den schmalen Bahnsteig. Dahinter wurden die größeren Fahrzeuge abgeladen.

Der Bahnhof war für solche Aktionen nicht ausgestattet und ein gepanzertes Vehikel mähte ungeniert den hüfthohen Zaun zum angrenzten öffentlichen Parkplatz nieder. Zum Glück standen dort nur wenige Autos, sonst wäre es ihnen wahrscheinlich so ergangen wie dem Zaun.

So richtig mulmig wurde dem Kioskbetreiber aber erst, als er die Passagiere des Zuges zu sehen bekam. Wilde Gestalten in widerstandsfähiger Kleidung mit geschminkten Gesichtern und gefärbten Haaren. Entgegen ihrem grellen Äußeren gingen sie ruhig und konzentriert vor. Offenbar besaßen sie nicht die Absicht, den Bahnhof in Schutt und Asche zu legen. Aber vielleicht hoben sie sich das für die Abreise auf.

Nach weniger als zehn Minuten war der Spuk vorüber. Der geheimnisvolle Zug setzte sich wieder in Bewegung und von der Streitmacht war nur noch entferntes Motorenröhren zu vernehmen.

Die Echse hatte begonnen, den südlichen Tunneleingang zu zerstören, und ging dabei nicht zimperlich vor. Sie stieß den gepanzerten Schädel gegen die Betonumrandung und schon prasselten die ersten Brocken auf die Fahrbahn herab. Sie wusste, dass sie den Tunnel nicht zum Einsturz bringen konnte, sie wollte nur den Eingang verschütten und den Fluchtweg versperren.

Auf dem Monitor konnten Böhm und Iona verfolgen, wie sich das Wesen abrackerte. Es bohrte seine Krallen in den Hang und scharrte Erde nach unten. Immer wieder hieb es mit dem Schädel auf die freigelegte Betonröhre und brach Stücke heraus, bis nur noch ein schmaler Spalt des Tunnels frei blieb.

»Nicht dumm, unser schuppiger Freund. Die Entfernung zwischen beiden Öffnungen ist zu groß, um sie beide im Auge zu behalten, also verschließt er eine«, befand Böhm. »Unsere Experten haben dieses Wesen als Krötenechse identifiziert. Sie leben in den Wüstengebieten von Mexiko und im Südwesten der USA und werden bis zu dreizehn Zentimeter groß. Na ja, in der Regel.«

»Mein Experte kann die Lücken füllen«, sagte Iona.

Der Mann saß in der Türöffnung des Jeeps, der ihn in den Tunnel gebracht hatte, und wirkte nicht sehr zufrieden. Er hatte einen Bart, der aussah wie mit der Küchenschere gestutzt, strähnige Haare und blutunterlaufene Augen. Seine Kleidung wartete erfolglos darauf, als Retro-Mode wiederentdeckt zu werden.

»Hallo, mein Name ist Iona, ich habe dich kommen lassen.«

Thilo Cornelius zog die Nase hoch, unterließ es aber, auszuspucken. »Du hast mich entführen lassen!«

»Sie hat Ihre Hilfe erbeten«, erklärte Oberst Böhm. »Die Umsetzung dieser Bitte verdanken Sie mir.«

»Ich brauche was zu trinken, vorher sag ich gar nichts«, brummte Cornelius.

Böhm wandte sich an seinen Adjutanten. »Bringen Sie dem Mann ein Wasser.«

»Ich glaube nicht, dass er um Wasser bittet, Herr Oberst.«

Böhm wandte sich wieder an Cornelius. »Ist das Ihr Ernst?«

»Ich habe seit gestern Abend nichts mehr getrunken.«

»Aha«, machte der Oberst, den diese Zeitspanne nicht wirklich beeindruckte. »Und was war die längste Zeit, die Sie ohne Alkohol ausgehalten haben?«

Thilo blickte auf seine Armbanduhr. »Hängt davon ab, wie lange Ihr noch braucht, um mir etwas zu besorgen.«

Der Offizier konnte nur mit Mühe an sich halten. »Sind Sie sich eigentlich der aktuellen Lage bewusst?«

»Ihr wollt was von mir wissen, so viel habe ich verstanden. Wenn ich sowieso nur der Erklär-Bär bin, muss ich dafür wohl kaum nüchtern sein.«

Der Adjutant räusperte sich. »Die Kavallerie rückt an.«

Die seltsame Kolonne fuhr von Norden in den Tunnel ein. Sprachlos betrachtete Böhm die unterschiedlichen Fahrzeuge. Eine buntere Zusammenstellung fand man wohl höchstens auf einem Kinderkarussell.

»Was sind das für Leute?«, fragte Böhm. Ionas vage Erklärung, dass es sich um einen Subunternehmer handele, reichte ihm plötzlich nicht mehr aus. So viele Mensons auf einem Haufen zu sehen, war kein schöner Anblick. »Ist das so eine Art Mad Max-Cosplay?«

»Die Mensons sind ein weitverzweigter Clan aus kleinen mittelständischen Betrieben. Schrotthändler, Autoschrauber, Wilderer und Waffenschmuggler, die eine Gelegenheit gesehen haben, ihre Kernkompetenzen zu bündeln.«

»Und Monster zu jagen?«

»Das ist leider eine Wachstumsbranche.«

Der vordere Truck hielt dicht vor Oberst Böhms Stiefelspitzen. Ein bärtiger Mann vom Format einer Wohnzimmerschrankwand schwang sich vom Fahrersitz und warf mit einer Zeitlupenbewegung das lange graue Haar zurück. Lothar Menson war kein junger Hüpfer mehr und das nicht erst, seit ihm eine mutierte Riesenameise das Knie zertrümmert hatte. Er nickte Iona lächelnd zu und streckte dem Oberst seine Hand entgegen.

»Lothar Menson«, stellte er sich vor. »Sie haben ein Ungezieferproblem?«

»Äh ja, obwohl ich nicht sicher bin, ob das bei dieser Größe noch die richtige Bezeichnung ist.«

Lothar lachte. »Da, wo ich aufgewachsen bin, hatten wir Ungeziefer, das hat dir die Fliegenklatsche aus der Hand gerissen und dich damit totgeprügelt.«

Iona begrüßte ihn mit einer innigen Umarmung.

»Ich habe von dem Ameisenmistvieh und deinem Knie gehört. Wir sollten es mit der Echse da draußen zusammenbringen.«

Seine Leute fanden das ausgesprochen witzig, Lothar weniger. Außerdem zierte der Ameisenkopf längst die Wohnzimmerwand über seinem Kamin.

Iona wies auf Cornelius. »Wir waren gerade dabei, ihn um ein paar Informationen zu bitten. Leider will er erst sprechen, wenn wir ihm etwas Alkoholisches beschafft haben.«

Lothar Menson betrachtete Cornelius, der unter seinem Blick merklich kleiner wurde. »Was ist Ihr bevorzugtes Gift?«

»Nun, ein guter Gin …«

»Wir haben Wodka und einen ausgezeichneten Sliwowitz.«

»Zur Not …«

»Felix, bring mal die Hausapotheke«, rief Lothar, ohne den Kopf zu drehen. »Wir haben hier einen medizinischen Notfall.«

»Die Echse befindet sich auf dem Rückweg«, unterbrach der Adjutant aufgeregt und schwenkte sein Tablet. »Die Tiger können sie sich oben auf dem Berg vornehmen. Dort sind nur Äcker und Wiesen. Eine bessere Chance bekomme wir nicht.«

Böhm strahlte. »Einverstanden. Geben Sie den Piloten die Freigabe.« Er schenkte Menson ein triumphierendes Lächeln. »Vielleicht werden Ihre Dienste gar nicht mehr benötigt.«

Der zündete sich seelenruhig eine Zigarette an. »Soll mir recht sein. Ich habe eine Klausel in meinem Vertrag, die mir meine Bezahlung garantiert, selbst wenn ich keinen Finger rühre.«

Der Adjutant verband das Tablet mit einem größeren Bildschirm im Heck des Dingos, damit alle bei dem Einsatz zusehen konnten.

Bisher hatten sie sich mit den schweren Waffen zurückgehalten, um die Landschaft zu erhalten. Tiger Eins war mit 70-Millimeter-Raketen ausgestattet, die an den äußeren Aufhängungen befestigt waren. Tiger Zwei hatte noch mehr Wumms an Bord. Vier Panzerabwehrraketen PARS 3 LR warteten auf jeder Seite auf ihr Ziel. Mit ihnen konnte man Panzer in sieben Kilometer Entfernung zerstören und Oberst Böhm hielt diese Zerstörungskraft im vorliegenden Fall durchaus für ausreichend.

»Die Fire-and-Forget-Raketen ermöglichen es, nach dem Abschuss sofort wieder in Deckung zu gehen, während die Geschosse noch unterwegs sind«, betonte Böhm ganz unbescheiden. »Auch wenn hier kein Gegenfeuer zu erwarten ist.«

»Das Biest macht irgendetwas Merkwürdiges«, meldete der Pilot von Tiger Eins in diesem Moment über Funk.

»Werden Sie etwas konkreter!«, forderte Böhm. Merkwürdig war dieser Tage ein dehnbarer Begriff.

»Es sieht uns an und … ach du Scheiße!«

Was der Pilot nicht berichten konnte, zeigte die MIKADO-Drohne oben auf dem Berg: Die Echse streckte sich auf den Vorderbeinen in die Höhe und dann schoss ein langer Blutstrahl aus ihrem Auge. Er besaß einen Durchmesser von mindestens eineinhalb Metern und traf aus etwa hundert Meter Entfernung.

Im nächsten Moment sahen beide Kampfhubschrauber aus, als habe man sie mit Lack übergossen.

Die Flüssigkeit hätten die Maschinen überstanden, aber der überraschende Sichtverlust wurde ihnen zum Verhängnis. Die Tiger berührten sich nur leicht, doch dabei zerschlugen sich die Rotoren aneinander. Beide Hubschrauber stürzten aus geringer Höhe auf einen Acker.

»Was war das denn?«, fragte Oberst Böhm fassungslos.

Thilo Cornelius hatte rasch hintereinander mehrere Gläser des Pflaumenschnapses verköstigt und wurde zusehends gesprächiger.

»Man nennt es Reflexbluten«, erklärte er. »Diese Echsen können dünne Gefäße um ihre Augen platzen lassen. Das Blut sammelt sich unter dem Augenlid und wird gezielt verspritzt.«

»Das können die wirklich? Das ist keine Folge der Mutation?«

»Eine natürliche Abwehr gegen größere Gegner.« Cornelius zuckte mit den Schultern. »Die Natur ist ganz schön tricky.«

Selbst Lothar Menson ließ diese Information eine Augenbraue heben. »Dieses Monster könnte uns in seinem Blut ersäufen?«

Cornelius leerte ein weiteres Glas. »Die nutzen das natürlich nur im äußersten Notfall, weil es sie jedes Mal ihr Blut kostet.«

Böhm rieb sich nachdenklich das Kinn. »Also könnten wir die Echse theoretisch verbluten lassen. Wir müssten sie nur immer wieder zum Angriff provozieren.«

Menson zündete sich eine neue Zigarette an. »Ich fürchte, so dumm ist dieses Biest nicht.«

Oberst Böhm wandte sich ungeduldig an Cornelius. »Nachdem Sie jetzt wieder Ihren Pegel haben, sind Sie vielleicht so freundlich, irgendetwas zu sagen, das einen Nutzen bei der Bekämpfung hat.«

Iona beugte sich zu Cornelius herunter und stützte die Hände auf ihre Oberschenkel. »Wir brauchen jetzt jede Information. Wir wissen von deiner Schmuggeltätigkeit mit exotischen Tieren. Ebenso vom Mai 2018, als der Zoll dich hier in der Nähe kontrolliert hat.«

Cornelius schüttelte den Kopf. »Die Durchsuchung hat nichts erbracht, mein Auto war leer.«

»Man hat damals vermutet, dass du einen Tipp bekommen hast und die Ware rechtzeitig verstecken konntest.«

»Das wurde niemals bewiesen«, beharrte Cornelius trotzig.

»Richtig. Wahrscheinlich wäre die Geschichte für immer vergessen worden. Aber jetzt ist einer deiner kleinen Freunde zurückgekommen. Woraus bestand die Ladung damals noch?«

Cornelius sah sie völlig ausdruckslos an. »Wenn ich etwas darüber wüsste, käme das doch einem Schuldeingeständnis gleich, oder? Deshalb habe ich absolut keine Ahnung, wovon ihr eigentlich redet.«

Menson spuckte seine Zigarette zur Seite. »Darf ich es mal versuchen?«

Schon nach wenigen Hundert Metern musste der Mercedes anhalten, weil Cornelius auf der Motorhaube so laut schrie, dass man die Musik nicht mehr hören konnten. Menson band ihn wieder los und verfrachtete ihn auf die Rückbank zwischen zwei Cousins. Sie wendeten und fuhren zur Tunnelmitte zurück.

»Ihr natürliches Umfeld sind Wüstengebiete, sie haben es gerne warm«, plapperte Cornelius drauflos. »In den USA gelten sie als bedroht und sind fast ausgerottet, aber hier bei uns ist es trotzdem nicht unmöglich, an sie heranzukommen. Eigentlich sterben sie sehr schnell außerhalb ihrer gewohnten Umgebung, aber dieses Glück hatten wir wohl nicht. Und jetzt sowieso nicht mehr.«

»Denke ich auch nicht«, sagte der Oberst. »Dieses Vieh hat jahrelang in Chemieabfällen gebadet, das haut nichts so leicht um. Also brauchen wir eine Schwachstelle.«

»Vergiften fällt dann als Möglichkeit wohl auch aus«, überlegte Iona.

»Es gibt kaum eine ungeschützte Stelle«, erklärte Cornelius. »Wo keine Dornenreihen sind, ist der Körper mit dichtem Schuppenpanzer bedeckt. Selbst der Kopf setzt sich nur so weit vom Körper ab, um seine Beweglichkeit zu ermöglichen.«

Böhm horchte auf. »In diesem Spalt ist er also verletzlich.«

»Wenn Sie es dorthin schaffen, wäre das eine Möglichkeit. Aber das wird schwer. Diese Echsen marschieren in einen Ameisenhaufen hinein und beginnen zu fressen. Die Ameisen haben ihnen nichts entgegenzusetzen, da sie die Panzerung auch nicht durchdringen können.« Cornelius schnaufte missmutig. »Ich habe mich eher darum gekümmert, sie am Leben zu halten. Ich weiß nicht, wie man sie am besten killt.«

»Gehört das nicht zum Standardwissen? Ich dachte, Sie sind Biologieprofessor oder so was.«

»Nee. Ich habe eine kleine Zoohandlung.«

Der Kopf des Obersts flog zu Iona herum. »Wollen Sie mich verarschen?«, brüllte der Offizier.

Sie machte eine auffordernde Handbewegung zu Cornelius, damit er weitersprach.

»Sie mögen keine Kälte, denn die Umgebungstemperatur bestimmt ihre Körpertemperatur. Wechselwarme Tiere werden bei kalten Temperaturen langsamer.«

»Heißt das, ab einer bestimmten Temperatur können sie sich nicht mehr fortbewegen?«, fragte der Oberst.

»Aber wie realistisch ist ein Kälteeinbruch? Und dieses Monster ist ja wohl zu groß zum Einfrieren.«

»Das ist … irgendwie enttäuschend«, sagte Böhm. Er winkte seinen Adjutanten heran. »Zeigen Sie ihm die Liste der Kadaver, die wir in der Höhle gefunden haben! Vielleicht fällt ihm dazu etwas Brauchbares ein.«

Lothar Menson hatte beim Scheitern der Kampfhubschrauber ebenso ungerührt zugesehen wie bei der Befragung von Cornelius. »Jetzt wird es wohl Zeit für Low-Tech-Maßnahmen.«

»Dieses Monster schüchtert Sie nicht besonders ein oder irre ich mich?«, fragte Böhm gereizt.

»Kennst du einen, kennst du alle«, sagte Menson achselzuckend. »Bei meinem ersten Kaiju war ich noch ziemlich nervös. Ist schon ’ne Weile her.«

»Sie sind also darauf vorbereitet, sich mit einem Monster dieser Größe anzulegen?«

»Wir sind wie bösartige Flöhe für dieses Monster«, tönte ein bulliger Kerl in neonfarbener Ledermontur vom Steuer des Unimogs aus.

»Ich wäre lieber ein todbringendes Virus«, beschwerte sich ein gut aussehender Kerl mit blauen Haaren. »Ebola Jones.«

Das Beeindruckendste an der Menson-Familie war zweifellos, wie wenig beeindruckt sie vom Anblick der riesigen Echse waren. Für diese Leute stellte sich nicht die Frage, ob sie dieses Monster erlegten, sondern nur auf welche Weise und wie schnell.

»Haben Sie keine Angst um Ihre Mitarbeiter?«, erkundigte sich Böhm.

»Das sind alles Mensons. Alle Mitglieder des Teams.«

»Wie bei den Ramones?«

»Aber wir heißen wirklich alle so und wir verfügen über einen unerschöpflichen Vorrat an Großcousins. Von den meisten kenne ich nur den Namen, von manchen nicht mal den.«

»Sie scherzen«, hoffte Böhm.

»Nein, wirklich.« Lothar Menson winkte einen jungen Mann mit Maori-Tätowierung heran. »Hey du, sag ihm, dass es stimmt … äh …«

»Tex«, gab er genervt Auskunft. »Ich bin dein Sohn.«

»Echt? Wie ist der Name deiner Mutter?«

Der junge Mann ging augenrollend weiter.

»Kinder«, sagte Menson und sah zu einem etwa vierzehnjährigen Jungen hinab, der am Ärmel seiner Lederjacke zupfte. »Krieg’ ich einen Panzer?«

»Auf keinen Fall.«

»Och, bitte!«

»Du weißt, was beim letzten Mal passiert ist.«

Schmollend zog der Junge ab.

Oberst Böhm räusperte sich. »Was ist denn beim letzten Mal passiert?«

»Fragen Sie nicht.«

»Und wie sind Sie überhaupt an einen Panzer gekommen?«

»Wie gesagt, fragen Sie nicht.«

Der Oberst wandte sich mit sehr ernstem Gesicht an Iona. »Ich bin von der Qualifikation Ihrer Helfer nicht überzeugt.«

Sie zuckte mit den Schultern.

»Schauen Sie einfach nur zu. Alles Weitere liegt in der Verantwortung der Mensons.«

»Falls denen gelingt, was die Bundeswehr mit ihrer Ausrüstung nicht geschafft hat, hoffe ich nur, dass es nie jemand erfährt.«

»Das bekommen wir hin«, sagte Iona und grinste. »Die Mensons sind nicht auf Ruhm aus, die interessiert nur ihre Bezahlung.«

Oberst Böhm schüttelte besorgt den Kopf. »Ich bin immer noch der Meinung, wir hätten ein zweites Angebot einholen sollen.«

Menson winkte seinen Leuten zu, die schon die ganze Zeit auf ihren Einsatz warteten. Mit wildem Gejohle starteten sie die Motoren. Ein Drittel des Fuhrparks bestand aus Transportfahrzeugen, an denen sich die Mensons auf den anderen Gefährten bedienen konnten. Ein Biker hielt eine Lanze zur Haiabwehr unter dem Arm wie ein Ritter, doch Lothar winkte ab. Alles, was die Panzerung nicht durchdringen konnte, war nutzlos.

»Bei der Haut können wir das meiste von unserem Werkzeug vergessen«, rief er.

Tex seufzte. »Ich vermisse die Würmer. Würmer sind so einfach zu zerlegen.«

»Aber auch eklig.«

Die Mensons benutzten keine regulären Waffen, sondern verfügten über ein buntes Sortiment an Sprengsätzen der Marke Eigenbau. Ganze Getränkekästen voller Molotowcocktails standen bereit und die sahen noch am harmlosesten aus. Auf der Ladefläche eines Jeeps lagen aufgereiht Kettensägen, Bohrer und ein paar heftige Gartengeräte. Böhm betrachtete kopfschüttelnd die Auslagen. »Wieso glauben Sie, der Echse schaden zu können, wenn unsere modernen Waffensysteme versagt haben?«

Menson stieß eine Rauchsäule aus und wirkte für kurze Zeit wie ein gütiger Großvater, der seinem Enkel das Geheimnis des Lebens anvertraute. »Wir greifen sie von innen an, über die Körperöffnungen.«

»Also über das Maul.«

»Auch.«

Oberst Böhm brauchte einen Moment, um zu begreifen, was Menson meinte.