Gesammelte Romane und Erzählungen von Robert Louis Stevenson - Robert Louis Stevenson - E-Book

Gesammelte Romane und Erzählungen von Robert Louis Stevenson E-Book

Robert Louis Stevenson

0,0
1,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

Die "Gesammelten Romane und Erzählungen von Robert Louis Stevenson" präsentieren ein facettenreiches Werk, das den Leser auf eine literarische Reise durch die schillernde Vielfalt der menschlichen Erfahrung mitnimmt. Stevenson, ein Meister des Erzählens, vereint in diesen Erzählungen Themen wie Abenteuer, Identität und moralische Dilemmata. Der autoren-spezifische Stil, leicht und doch tiefgründig, spiegelt sich in der geschickten Verbindung von Spannung und Psychologie wider, was seine Werke in den Kontext der viktorianischen Literatur einfügt. Der Leser wird sowohl von dem atmosphärischen Fluss der Erzählungen als auch von der incisiven Charakterisierung gefesselt, die Stevenson durch eine geschickte Sprache und eine komplexe Handlungsstruktur erreicht. Robert Louis Stevenson, ein schottischer Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, ist bekannt für seine außergewöhnliche Fähigkeit, literarische Genres zu durchdringen. Geboren in Edinburgh, beeinflussten seine Reisen und die hiesigen sozialen Strukturen seine Werke stark. Seine eigene Abenteuerlust sowie ein tiefes Verständnis für das menschliche Wesen prägen die Geschichten, die oft autobiografische Züge aufweisen. Diese Sammlung spiegelt seine Erlebnisse und Beobachtungen wider und bietet dem Leser Einblicke in die Gedankenwelt eines der bedeutendsten Schriftsteller seiner Zeit. Die "Gesammelten Romane und Erzählungen" sind nicht nur ein Muss für Liebhaber der klassischen Literatur, sondern auch eine wertvolle Quelle des Nachdenkens über ethische Fragestellungen und die menschliche Natur. Diese Sammlung bietet eine einzigartige Gelegenheit, die Entwicklung von Stevensons literarischem Schaffen nachzuvollziehen und seine zeitlosen Themen zu entdecken. Lassen Sie sich von der Brillanz und dem Erfindungsreichtum dieses Meisterwerks verzaubern und tauchen Sie ein in die Welt eines der größten Erzähler aller Zeiten. In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen: - Eine umfassende Einführung skizziert die verbindenden Merkmale, Themen oder stilistischen Entwicklungen dieser ausgewählten Werke. - Die Autorenbiografie hebt persönliche Meilensteine und literarische Einflüsse hervor, die das gesamte Schaffen prägen. - Ein Abschnitt zum historischen Kontext verortet die Werke in ihrer Epoche – soziale Strömungen, kulturelle Trends und Schlüsselerlebnisse, die ihrer Entstehung zugrunde liegen. - Eine knappe Synopsis (Auswahl) gibt einen zugänglichen Überblick über die enthaltenen Texte und hilft dabei, Handlungsverläufe und Hauptideen zu erfassen, ohne wichtige Wendepunkte zu verraten. - Eine vereinheitlichende Analyse untersucht wiederkehrende Motive und charakteristische Stilmittel in der Sammlung, verbindet die Erzählungen miteinander und beleuchtet zugleich die individuellen Stärken der einzelnen Werke. - Reflexionsfragen regen zu einer tieferen Auseinandersetzung mit der übergreifenden Botschaft des Autors an und laden dazu ein, Bezüge zwischen den verschiedenen Texten herzustellen sowie sie in einen modernen Kontext zu setzen. - Abschließend fassen unsere handverlesenen unvergesslichen Zitate zentrale Aussagen und Wendepunkte zusammen und verdeutlichen so die Kernthemen der gesamten Sammlung.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2023

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Robert Louis Stevenson

Gesammelte Romane und Erzählungen von Robert Louis Stevenson

Bereicherte Ausgabe. Die Schatzinsel + Der Selbstmordklub + Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde + Entführt…
In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen
Einführung, Studien und Kommentare von Sterling Hale
Bearbeitet und veröffentlicht von Good Press, 2023
EAN 8596547674689

Inhaltsverzeichnis

Einführung
Autorenbiografie
Historischer Kontext
Synopsis (Auswahl)
Gesammelte Romane und Erzählungen von Robert Louis Stevenson
Analyse
Reflexion
Unvergessliche Zitate

Einführung

Inhaltsverzeichnis

Diese Ausgabe versammelt wesentliche Romane und Erzählungen Robert Louis Stevensons und führt die Bandbreite seines erzählerischen Könnens vor Augen. Ziel ist es, ein geschlossenes Bild eines Autors zu vermitteln, der Abenteuerlust, psychologische Tiefenschärfe und moralische Fragestellungen mit beispielhafter Formkunst vereint. Der Schwerpunkt liegt auf der narrativen Prosa; damit wird ein Korpus geboten, der die Entwicklung vom frühen Großstadtabenteuer bis zu den späten schottischen und polynesischen Stoffen nachvollziehbar macht. Die Auswahl versteht sich als Lektüre- und Studienausgabe, die zur zusammenhängenden Entdeckung eines überaus einflussreichen Erzählers einlädt.

Abgebildet sind große Romane wie Die Schatzinsel, Der Junker von Ballantrae und das späte, unvollendet gebliebene Projekt Die Herren von Hermiston. Daneben stehen markante Novellen und Erzählungen, unter ihnen Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde, Markheim, Die tollen Männer, Will von der Mühle und Die krumme Janet. Ebenso aufgenommen sind zwei Zyklen mit eng verknüpften Episoden: Des Rajahs Diamant mit den Teilen Frau von Vandeleurs Privatsekretär, Die Geschichte des Gottesmannes und Das Haus mit den grünen Jalousien sowie Der Selbstmordklub mit Der Selbstmordklub, Der Arzt und der Reisekoffer und Das öde Haus.

Einen besonderen Akzent setzen die Erzählungen aus der Südsee, darunter Der Strand von Falesa, Der Schatz von Franchard, Das Flaschenteufelchen und Die Stimmeninsel. Sie zeigen, wie Stevenson seine Themen – Gewissen, Tausch, Loyalität, Versuchung – in neuen Landschaften und Kulturkontakten variiert. Die Sammlung wird durch In der Südsee ergänzt, das Reisebeobachtungen mit memoiristischen Elementen verbindet. Zusammengenommen ermöglichen diese Texte einen Blick auf die Spannweite eines Werks, das sich von den Straßen der Metropole über schottische Täler bis zu Inselwelten erstreckt und dabei stets die menschliche Bewährungsprobe ins Zentrum rückt.

Die Zielsetzung dieser Sammlung ist nicht die vollständige Gesamtausgabe, sondern eine konzentrierte Präsentation von Romanen und Erzählungen, die Stevensons Rang als Prosakünstler belegen. Gedichte, Essays, Briefe und Dramen bleiben bewusst unberücksichtigt, um den Fokus auf die erzählerische Form und ihre Varianten zu richten. Zugleich erweitert In der Südsee den Blick, indem es die Prosa in den Bereich der Beobachtungsliteratur öffnet. So entsteht ein Ensemble, das die Entwicklung der Stoffe, Figurenmodelle und Erzählweisen nachvollziehbar macht und zugleich einen verlässlichen Einstieg in die Vielfalt des stevensonschen Erzählens bietet.

Die vertretenen Genres reichen vom Abenteuerroman über historische und landeskundlich geerdete Romane bis zur psychologischen Novelle mit schauerromantischer Tönung. Die Schatzinsel steht paradigmatisch für das See- und Inselabenteuer, Der Junker von Ballantrae und Die Herren von Hermiston entfalten schottische Konfliktlagen und Familiengeschichten. Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde zeigt die Möglichkeiten der kompakten, moralisch zugespitzten Novelle. Neben diesen größeren Formen stehen kürzere, oft balladenhaft zugerichtete Erzählungen, die fantastische, märchenhafte oder moralische Elemente aufnehmen, sowie urbane Kriminal- und Detektivgeschichten in den Zyklen Des Rajahs Diamant und Der Selbstmordklub.

Die Textsorten sind vielfältig: Romane mit weiter erzählerischer Kurve, mittellange Novellen mit straffem Konflikt, prägnante Kurzgeschichten und zyklisch organisierte Sammlungen, deren Episoden durch Motive, Figuren oder Schauplätze verbunden sind. Stevenson nutzt die Möglichkeiten des Zyklus, um Varianten eines Themas in aufeinander bezogenen Geschichten zu entfalten. Zugleich finden sich eigenständige Meisterstücke, die als Parabel, Sittenbild oder Seestück gelesen werden können. In der Südsee tritt als Sonderfall hinzu: eine Folge von Reise- und Kulturbeobachtungen mit autobiografischem Einschlag, die den Ton der Erzählprosa durch dokumentarische Nüchternheit und genaue Beschreibung ergänzt.

Charakteristisch ist die Souveränität der Erzählhaltung. Stevenson variiert Perspektiven und Gattungsmischungen, arbeitet mit Rückblenden, Berichten und dokumentarisch anmutenden Einschüben. Er nutzt Rahmungen und Binnenerzählungen, ohne den Fluss der Handlung zu stören. Die Ökonomie seiner Prosa zeigt sich in klar gegliederten Szenen, sorgfältig gesetzten Wendepunkten und einer steten Balance aus Spannung und Charakterzeichnung. Wiederkehrend sind außerdem die präzise Ortsbeschreibung und eine dramaturgische Architektur, die Episodenfolge und übergreifende Linie zusammenschließt. So entsteht ein Erzählen, das formal diszipliniert bleibt und zugleich atmosphärisch dicht wirkt.

Thematisch kreisen die Texte um Bewährung und Entscheidung, um Loyalität, Verrat und die Kosten persönlicher Freiheit. Häufig werden Figuren in Grenzlagen gestellt, in denen Verlockung und Pflicht, vernünftige Einsicht und dunkler Drang aufeinandertreffen. Motive der Doppelung, des Maskierten und des Versteckten markieren Spannungen im Selbst und in der Gesellschaft. Moral erscheint dabei nicht als bloße Regel, sondern als gelebte Praxis unter Druck. Hinzu treten Fragen von Besitz und Tausch, Schicksal und Zufall, Aberglaube und Aufklärung. Die Geschichten gewinnen daraus eine innere Spannung, die über die äußere Handlung hinaus trägt.

Schauplätze fungieren als moralische und psychologische Räume. Inseln, Küsten, Nebelstädte und Täler strukturieren Versuchungen, Fluchten, Begegnungen und Entscheidungen. Die See wird zum Prüfstein, an dem Mut, Gier oder Treue sichtbar werden. Schottische Landschaften verleihen Konflikten geschichtliche Tiefe, urbane Räume schärfen Wahrnehmung und Tempo, während die Südseeerzählungen Kontaktzonen zeigen, in denen unterschiedliche Lebensordnungen aufeinandertreffen. Stevenson nutzt die Eigenart der Orte, um Stimmungen zu modulieren und Handlungskräfte zu bündeln. Der Raum bildet nicht bloß Kulisse, sondern Teil der Erzähllogik, in der Figuren ihr Maß und ihre Grenzen finden.

Stilistisch verbindet Stevenson Anschaulichkeit mit Prägnanz. Seine Sätze sind rhythmisch geführt, die Beschreibungen funktional, die Szenenfolge pointiert. Ironische Brechungen und leise Komik treten ebenso auf wie dunklere, balladeske Töne. Das Vokabular bleibt zugänglich, ohne an Genauigkeit zu verlieren. In den kürzeren Formen dominiert straffe Komposition, in den Romanen eine ausgreifende, dennoch kontrollierte Dramaturgie. Das Ergebnis ist eine Prosa, die Leserinnen und Leser unmittelbar in die Lage der Figuren versetzt und die Spannung aus der Konsequenz der Handlung, nicht aus reinem Überraschungseffekt, gewinnt.

Als Gesamtheit bezeugt die Auswahl die Vielseitigkeit eines Autors, der das Abenteuer erneuert, die moderne Kurzgeschichte mitgeprägt und die psychologische Erzählung verfeinert hat. Mehrere der hier versammelten Texte gehören zu den prägenden Lektüren ihrer Gattungen und haben ein dauerhaftes Nachleben in Kultur und Literatur gefunden. Ihre anhaltende Wirkung beruht auf der Verbindung von erzählerischer Meisterschaft, klaren moralischen Konflikten und einer Bildkraft, die den Leser zu eigenständiger Imagination anregt. So erweist sich Stevensons Werk als zugleich zeitgebunden und überzeitlich: fest in seinen Kontexten und doch offen für heutige Fragen.

Diese Sammlung lädt dazu ein, thematische Fäden über Gattungs- und Schauplatzgrenzen hinweg zu verfolgen. Wer die Bücher nacheinander liest, entdeckt Variationen und Kontraste: urbane List und offene See, familiäre Bindung und individuelle Probe, Schein und Sein. Ebenso ist die punktuelle Lektüre einzelner Zyklen oder Novellen möglich, ohne den Gesamtzusammenhang zu verlieren. Die Einleitung möchte Orientierung geben, ohne die Entdeckungsfreude zu schmälern: Sie skizziert Umfang und Anlage, benennt die Genres und weist auf wiederkehrende Motive hin. Der Rest ist Sache der Lektüre – aufmerksam, neugierig, bereit für Unerwartetes.

Autorenbiografie

Inhaltsverzeichnis

Robert Louis Stevenson (1850–1894) war ein schottischer Schriftsteller der viktorianischen Epoche, dessen Werk Abenteuerroman, Schauergeschichte, Reisebericht, Lyrik und Essay umfasst. Mit einer klaren, musikalischen Prosa verband er Spannung, psychologische Tiefenschärfe und moralische Ambivalenz. Seine Bücher erreichten früh ein internationales Publikum und prägen bis heute populäre wie kanonische Literatur. Bekannt ist er vor allem für Die Schatzinsel und Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde, doch sein Oeuvre reicht weit darüber hinaus. Lebenslang von gesundheitlichen Problemen gezeichnet, suchte er unterschiedliche Klimata auf und verbrachte seine späten Jahre im Pazifik, was Themen und Schauplätze seiner späten Werke nachhaltig beeinflusste.

Aufgewachsen in Edinburgh in einer Familie angesehener Ingenieure, erhielt Stevenson eine solide Ausbildung und wurde früh mit Erzähltraditionen Schottlands vertraut. Er studierte zunächst Ingenieurwesen, wechselte dann zur Rechtswissenschaft an der University of Edinburgh und wurde Mitte der 1870er-Jahre zur Anwaltschaft zugelassen. Bald entschied er sich jedoch für das Schreiben. Literarisch prägten ihn die Romantik und die Erzählkunst von Daniel Defoe, Sir Walter Scott und Edgar Allan Poe; zugleich interessierte er sich für Fragen des Stils und der Erzähltechnik. Erste Essays und Reiseberichte erschienen in Zeitschriften, wodurch er in den literarischen Betrieb Großbritanniens der späten 1870er-Jahre hineinwuchs.

Sein literarischer Durchbruch wurde vorbereitet durch Reiseschriften, die Beobachtungsgabe mit erzählerischer Formlust verbanden. An Inland Voyage (1878) und Travels with a Donkey in the Cévennes (1879) zeigen bereits den Ton, der ihn auszeichnet: präzise, ironisch, zugleich empathisch. Essaybände wie Virginibus Puerisque (1881) und Familiar Studies of Men and Books (1882), später Memories and Portraits (1887), formulierten poetologische Überzeugungen, etwa die bewusste Arbeit am Satzrhythmus. Wichtig waren auch literarische Freundschaften, unter anderem mit William Ernest Henley und Sidney Colvin, die Förderung, Kritik und Austausch boten. In diesen Jahren schärfte Stevenson seine Kunst zwischen Reiseprosa, Essay und kurzer Erzählung.

Anfang der 1880er-Jahre wandte er sich entschiedener der fiktionalen Prosa zu. New Arabian Nights (1882) erneuerte die urbane Abenteuergeschichte. Mit Die Schatzinsel, zunächst als Fortsetzungsroman veröffentlicht und 1883 als Buch erschienen, etablierte er das moderne Piratenabenteuer mit eindringlichen Figuren und ökonomischer Erzählweise. Der Gedichtband A Child’s Garden of Verses (1885) erweiterte sein Profil um eine prägnante Kinderlyrik, die Stimme und Perspektive ernst nimmt. Zeitgleich setzte Stevenson seine Reiseliteratur fort, etwa in The Silverado Squatters (1883), und erreichte ein Lesepublikum dies- und jenseits des Atlantiks. Die Resonanz festigte seinen Ruf als formbewusster Erzähler mit populärer Reichweite.

Die Mitte der 1880er-Jahre markiert seine Phase psychologischer und historischer Romane. Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde (1886) verband Großstadtmoderne und das Motiv der Doppelgestalt zu einer kompakten Studie über Verantwortung und Verführung. Ebenfalls 1886 erschien Kidnapped, ein historischer Roman um Loyalität und Identität im schottischen Kontext; später folgte die Fortsetzung Catriona (1893). Weitere wichtige Titel sind The Black Arrow (1888) und The Master of Ballantrae (1889), ein düsterer Familien- und Abenteuerroman. Kurze Prosa wie The Merry Men und andere Erzählungen aus den 1880er-Jahren zeigten sein Gespür für Atmosphäre, Ambiguität und präzise Komposition.

Gesundheitliche Belastungen führten zu längeren Reisen nach Nordamerika und schließlich in den Pazifik. In den frühen 1890er-Jahren ließ sich Stevenson auf Samoa nieder, schrieb dort weiter intensiv und interessierte sich für die politischen Spannungen der Region. A Footnote to History (1892) kommentierte die Lage auf Samoa; In the South Seas erschien postum (1896) als Bilanz seiner Reisen. Er arbeitete teils kollaborativ, unter anderem mit seinem Stiefsohn Lloyd Osbourne an The Wrecker (1892) und The Ebb-Tide (1894). Erzählungen wie The Beach of Falesá (1892) und Island Nights’ Entertainments (1893) nahmen die koloniale Begegnung ernst und experimentierten mit Perspektive und Schauplatz.

In seinen späten Jahren blieb Stevenson produktiv, bis sein früher Tod 1894 in Samoa sein Werk abrupt schloss. Ohne sich an eine Schule zu binden, verband er spannungsreiche Handlung mit stilistischer Strenge und ethischer Reflexion. Seine Bücher sind vielfach adaptiert worden und bleiben in Unterricht, Forschung und populärer Kultur präsent. Sie wirken nach in Abenteuer- und Schauerliteratur, in psychologischer Erzählprosa und in Reiseschreiben. Themen wie Identität, Verantwortung und Freiheit behalten ihre Aktualität, während seine klare Prosa weiterhin Maßstäbe setzt. So gilt Stevenson als Autor, dessen Reichweite die Grenzen von Genre, Nation und Epoche produktiv überschreitet.

Historischer Kontext

Inhaltsverzeichnis

Robert Louis Stevenson (geboren am 13. November 1850 in Edinburgh; gestorben am 3. Dezember 1894 in Vailima, Samoa) schrieb im Spannungsfeld des späten Viktorianismus, dessen technische Dynamik, moralische Strenge und imperiale Reichweite seine Stoffe prägten. Zwischen den 1870er- und 1890er-Jahren verband er Abenteuerroman, Schauerliteratur, Kriminalgeschichte, psychologische Novelle und Reiseprosa zu einem vielfach verschränkten Œuvre. Die vorliegende Sammlung spiegelt diese Breite: frühe Londoner Clubgeschichten der späten 1870er, schottische Historien- und Sittenbilder der 1880er sowie Südsee-Erzählungen und Erinnerungen der 1890er Jahre. Gemeinsamer Hintergrund sind urbanes Modernitätsgefühl, juristisch-religiöse Konflikte schottischer Prägung und die globale Mobilität des britischen Empire.

Stevensons Bildungshorizont war die gespaltene Stadt Edinburgh mit ihrer calvinistischen Tradition und dem Nebeneinander von Altstadt und rational geplanter New Town. Der Gegensatz von öffentlicher Respektabilität und verborgener Transgression – seit dem Fall des Bürgers William „Deacon“ Brodie (1741–1788) sprichwörtlich – durchzieht sein Werk ebenso wie die Rede- und Rechtskultur Schottlands. Sein Vater Thomas Stevenson (1818–1887), ein bedeutender Ingenieur des Leuchtturmbaus, vermittelte nautisches Wissen, Küstenkunde und eine kartographische Vorstellungskraft, die Erzählräume strukturiert. Aus der intellektuellen Nachwirkung der Scottish Enlightenment (David Hume, Adam Smith) bezog der Autor Sensibilität für Ethik, Skepsis und gesellschaftliche Konventionen.

Die rasche Urbanisierung des 19. Jahrhunderts, sichtbar in Gaslichtstraßen, Eisenbahnknoten und nebelverhangenen Metropolen, lieferte die Bühne für Großstadt- und Verbrechensnarrative. In London – Sitz zahlreicher Gentlemen’s Clubs in St. James’s und Pall Mall – verband sich bürgerliche Geselligkeit mit Geheimpolitik und Unterwelt. Die Metropolitan Police (gegründet 1829 durch Sir Robert Peel) und ihre Detective Branch (ab 1842, später CID) schufen neue Figuren moderner Ermittler, während periodische Nebel und soziale Misere die Ästhetik des Unheimlichen stützten. Diese Umwelt formte die frühen Londoner Geschichten ebenso wie spätere psychologische und kriminalistische Motive, die quer durch die Sammlung wiederkehren.

Stevenson schrieb im Takt der Zeitschriftenkultur. Frühe Folgen erschienen 1877–1878 im Londoner Magazin The London (Herausgeber W. E. Henley), später in Jugendblättern wie Young Folks (1881–1882) und in Longman’s Magazine. Die seriellen Publikationsformen begünstigten Episodenbau, cliffhangers und Maskenspiele. Zeitgleich führte er eine poëtologische Debatte mit Henry James: Dessen Essay The Art of Fiction (1884) beantwortete Stevenson mit A Humble Remonstrance (Longman’s Magazine, 1884). Daraus erwuchs eine avancierte Verbindung aus »romance« und realistischer Beobachtung, die sowohl die schottischen Romane als auch die urbane Kriminalprosa und die Überseegeschichten der Sammlung ästhetisch zusammenhält.

Das britische Weltreich bildete die infrastrukturelle Matrix der Abenteuer- und Reiseliteratur. Der Suezkanal (eröffnet 1869), dampfgetriebene Linienschiffe (P&O u. a.) und ein wachsendes Telegraphennetz (transatlantisches Kabel seit 1866) komprimierten Entfernungen und machten die See zu einem modern kalkulierbaren, zugleich mythisch aufgeladenen Raum. Häfen, Reedereien, Versicherer und Kolonialämter schufen Orte, in denen Kaufleute, Matrosen, Missionare und Desperados aufeinandertreffen. Diese logistische Globalisierung stützt wiederkehrende Themen der Sammlung: Schiffbruch und Kurssetzung, Kartographie und Navigation, Grenzregime und Schmuggel – und die moralischen Ambivalenzen einer Welt, die durch Handel, Gewalt und Recht zugleich verbunden wird.

Zwischen 1888 und 1894 erschloss Stevenson den Pazifik aus eigener Anschauung: Er segelte auf der Casco (ab San Francisco, 1888), der Equator (1889) und der Janet Nicoll (1890), bereiste die Marquesas, Paumotus (Tuamotu), Tahiti und die Gilbertinseln, bevor er sich bei Apia in Samoa niederließ. Sein Haus Vailima (ab 1890) wurde politischer Treffpunkt. Der Berliner Samoa‑Akt (1889) regelte eine fragile Dreiherrschaft von Großbritannien, Deutschland und den USA; ein Zyklon zerstörte im März 1889 Kriegsschiffe in Apia. Stevenson intervenierte publizistisch (A Footnote to History, 1892) und wurde als „Tusitala“ („Erzähler“) bekannt – Erfahrungen, die seine Südsee‑Erzählungen und sein spätes Erinnerungswerk prägen.

Im pazifischen Kolonialraum kollidierten Mission, Handel und Kolonialverwaltung. Die London Missionary Society, Wesleyaner und Maristen konkurrierten mit Handelsfirmen um Einfluss, während Plantagen in Queensland und auf Samoa Arbeitskräfte nachfragten. Das sogenannte „blackbirding“ – gewaltsame oder betrügerische Anwerbung melanesischer Arbeiter – veranlasste Schutzgesetze wie den Pacific Islanders Protection Act (1872, ergänzt 1875). Solche Machtverhältnisse, Sprachenkontakte und Rechtsunsicherheiten strukturieren mehrere Südsee‑Texte der Sammlung ebenso wie das dokumentarische Schreiben. Anthropology und Ethnographie liefern Vokabular und Blickregeln; zugleich werden die moralischen Spannungen zwischen Predigt und Profit, Vertrauen und Vertrag, Ritual und Kommerz erzählerisch ausgelotet.

Die schottischen Stoffe binden an die Nachwirkungen des Jakobitenaufstands von 1745 und der Schlacht von Culloden (16. April 1746) an: Loyalitäten, Clanbindungen, Enteignungen und Exil prägen Generationengeschichten. Ebenso wichtig ist das schottische Recht mit seinen Gerichten in Edinburgh. Als historisches Modell für Richterfiguren gilt Robert MacQueen, Lord Braxfield (1722–1799), berüchtigt wegen drakonischer Urteile. Dialektales Scots, kirchliche Disziplin und Volksglauben – Hexenfurcht, Aberglaube – durchziehen Erzählungen über Landgemeinden und Grenzgebiete. Aus dieser Matrix entstehen Konstellationen von väterlicher Autorität, jugendlicher Rebellion, Stolz und Pflicht, die in mehreren Romanen und Novellen der Sammlung variiert werden.

Im 19. Jahrhundert stritten Theologie und Naturwissenschaft um Deutungshoheit. Die „Disruption“ der Church of Scotland (1843) hinterließ ein Klima strenger Sittenaufsicht. Darwins Origin of Species (1859) und Huxleys Verteidigung des Darwinismus schufen Gegenbilder zur traditionellen Anthropologie. Psychiatrie und Neurologie – mit Namen wie Jean‑Martin Charcot in Paris oder Henry Maudsley in London – popularisierten Modelle von Suggestion, Hysterie und gespaltenen Bewusstseinen. Zugleich verbreiteten sich neue Pharmaka (Chloralhydrat ab 1869, Cocain in den 1880ern); der Pharmacy Act (1868) regulierte den Handel. Diese Wissensfelder rahmen die psychologisch‑moralischen Experimente, die in mehreren zentralen Texten der Sammlung verhandelt werden.

Die viktorianische Medienkultur dramatisierte das Verbrechen. Illustrierte Blätter wie die Illustrated Police News und die Pressehysterie um die Whitechapel‑Morde (1888) schufen Muster urbaner Angst: anonyme Täter, labyrinthische Straßen, Doppelleben. Gentlemen’s Clubs, Logen und geheime Zirkel dienten als Schauplätze moralischer Bewährung und Verführung. Gesetzesverschärfungen – vom Habitual Criminals Act (1869) bis zu Polizeireformen – verstärkten Überwachungsphantasien. Diese Konjunkturen nähren die Kriminal- und Schauerseiten der Sammlung, in denen die Maskerade der Respektabilität, die Versuchungen der Großstadt und die Rhetorik der Selbstbeherrschung ineinandergreifen und in Grenzsituationen der Entscheidung auf ihre Stabilität geprüft werden.

Stevensons Raumimagination ist von Küsten, Inseln und Karten geprägt. Der Ingenieursgeist des väterlichen Leuchtturmbaus – der Familie Stevenson verdankt Schottland eine Kette von Seezeichen – verband sich bei ihm mit Zeichnen und Vermessen. Karten wurden nicht selten vor der Prosa entworfen und strukturierten dann Handlung und Bewegung; an einem berühmten Beispiel arbeitete er gemeinsam mit seinem Stiefsohn Lloyd Osbourne (1868–1947). Diese kartographische Poetik setzt Akzente in Seeabenteuern, aber auch in Binnenlandschaften: Pässe, Forstwege, Moore, Fährstationen und Grenzsteine verwandeln sich in Handlungsmotoren, die Besitz, Recht, Schuld und Zufall konkret verorten.

Kontinentale Erfahrungen schärften Stevensons Blick für Sitten und Milieus. Zwischen 1876 und 1879 lebte und schrieb er wiederholt in Frankreich, etwa in Grez‑sur‑Loing bei Fontainebleau, einem Treffpunkt internationaler Künstlerkolonien, wo er Fanny Van de Grift Osbourne kennenlernte. Das Nachbeben des Deutsch‑Französischen Kriegs von 1870/71 prägte Gespräche über Nation, Ehre und Niederlage. Französische Vorbilder – Alexandre Dumas’ Abenteuerromane, Balzacs Gesellschaftspanorama, die Tradition des feuilleton – lieferten Formen für verschachtelte Intrigen, Duelle um Reputation und ökonomische Versuchungen. Auch die ländliche Provinz, ihre Klöster, Wälder und Straßendörfer, bildet in mehreren Erzählungen eine Bühne für Prüfungen des Charakters.

Die 1870er und 1880er sahen die Ausdifferenzierung eines Jugendmarktes. Der Elementary Education Act (1870) steigerte die Alphabetisierung; Zeitschriften wie The Boy’s Own Paper (seit 1879) etablierten Moral‑ und Abenteuerformeln. Stevenson schrieb vielfach für dieses gemischte Publikum: Seine Prosa bleibt klar und handlungsgetragen, aber doppelt codiert, sodass Erwachsene psychologische und gesellschaftskritische Tiefen erkennen. Zirkulierende Leihbibliotheken (Mudie’s) förderten „saubere“ Stoffe, drängten aber auch zu Umfang und Serienfähigkeit. In dieser Gemengelage entstehen Erzählungen, die das Heranwachsen, die Versuchung schnellen Gewinns und die Bindung an Ehre und Freundschaft als Bildungsprozesse mit offenem Ausgang erzählen.

Parallel modernisierte sich das Beweisrecht. Toxikologie und Mikroskopie, seit dem Marsh‑Test (Arsen, 1836) und der forensischen Chemie, erweiterten die Gerichtsmedizin; Alphonse Bertillon entwickelte 1879 in Paris die anthropometrische Identifizierung. Öffentliche Hinrichtungen endeten im Vereinigten Königreich 1868; Strafe verlagerte sich in Gefängnisse und auf eine moralpädagogische Bühne. Unterschiedliche Rechtskulturen Schottlands und Englands – etwa in der Rolle des Richters, der Geschworenen und der Appellationswege – boten Stoff für Konfrontationen zwischen Gewohnheitsrecht, Standesehre und positivistischem Gesetz. Vor diesem Hintergrund exploriert die Sammlung die Grenzwerte von Geständnis, Indiz und Gewissen, von Schuld und Sühne.

Stevenson schrieb für transatlantische Märkte. Vor dem US‑International Copyright Act (Chace Act, 1891) erschwerten Piraterie und Parallel‑Ausgaben die Honorierung; danach stabilisierten sich Rechte und Tantiemen. Britische Verlage wie Cassell & Company, Longmans, Green & Co. sowie Chatto & Windus, und in den USA Charles Scribner’s Sons, verbreiteten seine Texte in Zeitschriften- und Buchform. Illustrationen, Karten und später berühmte Bildzyklen (etwa N. C. Wyeths Arbeiten ab 1911) prägten die Rezeption. Früh einsetzende Übersetzungen ins Deutsche und Französische beförderten einen gesamteuropäischen Resonanzraum, in dem die in dieser Sammlung vertretenen Gattungen gemeinsam zirkulierten.

Stevensons Lebensweg war von Krankheit, Therapie und Mobilität bestimmt. Seit Kindheit an den Lungen leidend, suchte er mildere Klimata: 1879 reiste er nach Amerika, durchquerte per Eisenbahn den Kontinent und heiratete am 19. Mai 1880 in San Francisco Fanny Van de Grift Osbourne. Aufenthalte in Kalifornien (u. a. am Mount Saint Helena) und auf den Kanaren gingen den Pazifikreisen voraus. Das Nomadenhafte spiegelt sich in den Schauplätzen der Sammlung – von schottischen Mühlen und Küsten über Pariser und Londoner Interieurs bis zu Polynesiens Dörfern – und in einer Ethik des Unterwegsseins, die Verantwortung und Flucht gleichermaßen kennt.

Zeitgenössische und nachwirkende Rezeption verbanden Stevensons Vielseitigkeit mit populären Bühnen- und Bildwelten. Die spektakuläre Bühnenfassung von Richard Mansfield (1887, Boston und London) verschärfte Debatten über Moral, Maske und Wissenschaft. Im 20. Jahrhundert normierten Illustratoren wie N. C. Wyeth (1911) die Ikonographie der Piraten- und Inselerzählungen. Autoren wie Arthur Conan Doyle, G. K. Chesterton oder Jorge Luis Borges würdigten Stevensons Kunst der klaren Konstruktion und doppelten Böden. Seine letzte Ruhe fand er auf dem Berg Vaea über Vailima; das Requiem mit „Home is the sailor, home from sea“ fasst eine Welt von Reisen, Gefahren und Heimkünften, die diese Sammlung durchzieht.

Synopsis (Auswahl)

Inhaltsverzeichnis

Die Schatzinsel

Der junge Jim Hawkins segelt mit einer bunt zusammengewürfelten Crew zu einer Insel, um einen vergrabenen Schatz zu finden. Ein klassisches Seefahrerabenteuer über Mut, Verrat und die ambivalente Anziehungskraft des Piraten Long John Silver.

Die Herren von Hermiston

Unvollendeter Schottland-Roman über den Konflikt zwischen einem strengen Richter und seinem sensiblen Sohn, der sich in den Borders verliebt. Erkundet Spannungen zwischen Gesetz, Leidenschaft und Schicksal.

Der Junker von Ballantrae

Die erbitterte Rivalität zweier Brüder im Jakobitenzeitalter zerstört eine Familie und führt zu Verfolgungen über Kontinente hinweg. Ein düsteres Porträt von Obsession, Doppelspiel und fatalen Entscheidungen, erzählt mit bewusst unsicherer Perspektive.

Des Rajahs Diamant (Detektivgeschichten)

Locker verbundene Kriminal- und Gaunergeschichten um einen gestohlenen indischen Diamanten, in denen wechselnde Erzähler und Schauplätze Intrigen, Täuschungen und Zufälle verknüpfen. Der Zyklus spielt mit Motiven des Gentleman-Diebs, falscher Identitäten und moralischen Grauzonen.

Der Selbstmordklub (Erzählungen)

Ein geheimer Zirkel für Lebensmüde gerät ins Visier von Prinz Florizel und Oberst Geraldine, die die Organisation unterwandern. Urbane Abenteuer mit schwarzem Humor verbinden riskante Spiele, Maskeraden und eine Prüfung der Grenzen von Pflicht und Vergnügen.

Südsee-Erzählungen (Der Strand von Falesa; Das Flaschenteufelchen; Die Stimmeninsel)

Ein Handelsmann trotzt einem manipulativen 'Zauberer', eine Wunschflasche erfüllt Träume zu verhängnisvollen Bedingungen, und ein Junge reist unsichtbar zwischen Inseln und erlebt die Folgen von Gier und Raubzügen. Alle drei Geschichten vereinen polynesische Milieus, Märchenmotive und eine kritische Sicht auf Aberglauben und koloniale Verstrickungen.

Der Schatz von Franchard

Ein in der französischen Provinz entdeckter Schatz stellt die Tugenden einer Pflegefamilie auf die Probe und entlarvt die Verlockung des plötzlichen Reichtums. Eine leise moralische Parabel über Besitz, Dankbarkeit und Verlust.

Markheim

Nach einem Verbrechen am Weihnachtstag wird ein Mann von einem rätselhaften Besucher zu Gewissenserforschung und Entscheidung gedrängt. Psychologische Erzählung zwischen Krimi und Moralstück.

Die tollen Männer

Auf einer sturmumtosten schottischen Insel treiben die 'tollen Männer'—die tosenden Wellen—Schiffe ins Verderben, während Aberglaube und Gier eine Familie zersetzen. Atmosphärische Novelle über Naturgewalt, Obsession und Selbsttäuschung.

Will von der Mühle

Die Lebensstationen eines Müllersohns, der Chancen und Liebe bewusst vorbeiziehen lässt, um ein stilles, eigenständiges Dasein zu führen. Eine Meditation über Zeit, Wahl und Genügsamkeit.

Die krumme Janet

Ein junger Pfarrer trifft auf eine als Hexe verschriene Alte; Glaube, Furcht und das Unheimliche prallen in einer dörflichen Gemeinschaft aufeinander. Düstere Erzählung im schottischen Tonfall über religiösen Eifer und Aberglauben.

Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Ein Londoner Anwalt untersucht das rätselhafte Verhältnis zwischen dem geachteten Dr. Jekyll und dem brutalen Mr. Hyde und stößt auf eine Geschichte doppelter Identität. Klassische Schauergeschichte über Moral, Wissenschaft und das gespaltene Selbst.

In der Südsee (Memoiren)

Reiseessays aus Stevensons Jahren im Pazifik, die Landschaften, Menschen und politische Spannungen auf den Marquesas, Samoa u.a. porträtieren. Reflektiert, teils ethnografisch, zwischen Alltagsbeobachtung und Kolonialkritik.

Gesammelte Romane und Erzählungen von Robert Louis Stevenson

Hauptinhaltsverzeichnis

Romane:

Die Schatzinsel
Die Herren von Hermiston
Der Junker von Ballantrae

Erzählungen:

Des Rajahs Diamant (Detektivgeschichten):
Frau von Vandeleurs Privatsekretär
Die Geschichte des Gottesmannes
Das Haus mit den grünen Jalousien
Der Selbstmordklub (Erzählungen):
Der Selbstmordklub
Der Arzt und der Reisekoffer
Das öde Haus
Der Strand von Falesa
Der Schatz von Franchard
Das Flaschenteufelchen
Die Stimmeninsel
Markheim
Die tollen Männer
Will von der Mühle
Die krumme Janet
Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Reiseberichte:

In der Südsee (Memoiren)

Die Schatzinsel

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

I Der alte Freibeuter
Erstes Kapitel Der alte Seehund im »Admiral Benbow«
Zweites Kapitel Der Schwarze Hund erscheint und verschwindet wieder
Drittes Kapitel Der schwarze Fleck
Viertes Kapitel Die Schifferkiste
Fünftes Kapitel Der Tod des Blinden
Sechstes Kapitel Des Kapteins Papiere
II Der Schiffskoch
Siebentes Kapitel Ich gehe nach Bristol
Achtes Kapitel Die Wirtschaft ›Zum Fernrohr‹
Neuntes Kapitel Pulver und Waffen
Zehntes Kapitel Die Seefahrt
Elftes Kapitel Was ich in der Apfeltonne hörte
Zwölftes Kapitel Kriegsrat
III Mein Abenteuer an Land
Dreizehntes Kapitel Der Anfang meines Landabenteuers
Vierzehntes Kapitel Der erste Schlag
Fünfzehntes Kapitel Der Inselmann
Sechzehntes Kapitel Der Doktor setzt die Erzählung fort: Wie das Schiff aufgegeben wurde
Siebzehntes Kapitel Fortsetzung der Erzählung des Doktors: Die letzte Fahrt der Jolle
Achtzehntes Kapitel Fortsetzung der Erzählung des Doktors: Der Ausgang des Gefechtes am ersten Tage
Neunzehntes Kapitel Jim Hawkins nimmt die Erzählung wieder auf: Die Garnison im Pfahlwerk
Zwanzigstes Kapitel Silver als Parlamentär
Einundzwanzigstes Kapitel Der Angriff
Zweiundzwanzigstes Kapitel Der Beginn meines Seeabenteuers
Dreiundzwanzigstes Kapitel Die Ebbströmung
Vierundzwanzigstes Kapitel Die Irrfahrt des Korakels
Fünfundzwanzigstes Kapitel Ich hole den Jolly Roger herunter
Sechsundzwanzigstes Kapitel Israel Hands
Siebenundzwanzigstes Kapitel »Piaster!«
Achtundzwanzigstes Kapitel Im feindlichen Lager
Neunundzwanzigstes Kapitel Noch einmal der schwarze Fleck
Dreißigstes Kapitel Auf mein Ehrenwort
Einunddreißigstes Kapitel Die Schatzsuche; Flints Wegweiser
Zweiunddreißigstes Kapitel Die Schatzsuche; die Stimme in den Bäumen
Dreiunddreißigstes Kapitel Der Sturz eines Piratenhäuptlings
Vierunddreißigstes Kapitel Schluß

I Der alte Freibeuter

Inhaltsverzeichnis

Erstes Kapitel Der alte Seehund im »Admiral Benbow«

Inhaltsverzeichnis

Gutsherr Trelawney, Dr. Livesey und die übrigen Herren haben mich gebeten, unsere Fahrt nach der Schatzinsel vom Anfang bis zum Ende zu beschreiben, und dabei nichts zu verschweigen als die genaue Lage der Insel, und zwar auch dies nur deshalb, weil noch jetzt ungehobene Schätze dort vorhanden sind. So ergreife ich die Feder in diesem Jahre des Heils 17.. und versetze mich zurück in die Zeit, als mein Vater den Gasthof zum »Admiral Benbow« hielt, und als der braungebrannte alte Seemann mit der Säbelnarbe im Gesicht zuerst unter unserem Dache Wohnung nahm.

Ich erinnere mich, wie wenn es gestern gewesen wäre, des Mannes: wie er in die Tür unseres Hauses hereinkam, während seine Schifferkiste ihm auf einem Schiebkarren nachgefahren wurde – ein großer, starker, schwerer, nußbrauner Mann; sein teeriger Zopf hing ihm im Nacken über seinen fleckigen blauen Rock herunter; seine Hände waren schwielig und rissig mit abgebrochenen, schwarzen Fingernägeln, und der Säbelschmiß, der sich über die eine Wange hinzog, war von schmutzig-weißer Farbe. Er sah sich im Schenkzimmer um und pfiff dabei vor sich hin, und dann stimmte er das alte Schifferlied an, das er später so oft sang:

Fünfzehn Mann bei des Toten Kist’ – Johoho, und ‘ne Buddel, Buddel Rum!

in der zitterigen, hohen Stimme, die so klang, wie wenn eine Ankerwinde gedreht würde. Dann schlug er mit einem Knüppel, so dick wie eine Handspeiche, gegen die Tür, und als mein Vater erschien, verlangte er barsch ein Glas Rum. Als dieses ihm gebracht worden war, trank er es langsam aus, wie ein Kenner, mit der Zunge den Geschmack nachprüfend, und dabei sah er sich durch das Fenster die Strandklippen und unser Wirtsschild an. Schließlich sagte er:

»Das ist ‘ne nette Bucht und ‘ne angenehm gelegene Grogkneipe[1q]. Viel Gesellschaft, Maat?«

Mein Vater sagte ihm, Gesellschaft käme leider nur sehr wenig.

»So? Na, dann ist das die richtige Stelle für mich. Heda, Ihr, mein Mann!« rief er dem Mann zu, der den Handkarren schob: »Ladet mal meine Kiste ab und bringt sie nach oben! Hier will ich ein bißchen bleiben! Ich bin ein einfacher Mann – Rum und Speck und Eier, weiter brauche ich nichts; und außerdem die Klippe da draußen, um die Schiffe zu beobachten. Wie Sie mich nennen könnten? Kaptein können Sie mich nennen. Ach so – ich sehe schon, worauf Sie hinauswollen – da!« und er warf drei oder vier Goldstücke auf den Tisch. »Wenn ich das verzehrt habe, können Sie mir Bescheid sagen!« rief er, und dabei sah er so stolz aus wie ein Admiral.

Und in der Tat – so schlecht seine Kleider waren und so gemein seine Sprechweise, er sah durchaus nicht wie ein Mann aus, der vor dem Mast fuhr, sondern war offenbar ein Steuermann oder ein Schiffer, der gewohnt war, daß man ihm gehorchte, oder sonst gab’s Prügel. Der Mann, der den Schiebkarren gefahren hatte, sagte uns, die Postkutsche hätte ihn am Tag vorher am Royal George abgesetzt; er hätte sich erkundigt, was für Gasthöfe an der Küste wären, und als er gehört hätte, daß man unser Haus lobte, – und besonders, so vermute ich wenigstens, als man es ihm als einsam gelegen beschrieb – hätte er beschlossen, bei uns Aufenthalt zu nehmen. Und das war alles, was wir über unseren Gast erfahren konnten.

Er war ein schweigsamer Mann. Den ganzen Tag lungerte er an der Bucht oder auf den Klippen herum und sah durch sein Messingfernrohr über See und Strand; den ganzen Abend aber saß er in einer Ecke der Schenkstube ganz dicht am Feuer und trank Rum und Wasser, und zwar eine sehr steife Mischung. Wenn jemand ihn anredete, antwortete er für gewöhnlich nicht, sondern sah nur plötzlich mit einem wütenden Blick auf und blies durch seine Nase wie durch ein Nebelhorn; und wir und unsere Besucher merkten bald, daß man ihn dann in Ruhe lassen mußte. Jeden Tag, wenn er von seinen Gängen zurückkam, fragte er, ob Seeleute auf der Landstraße vorübergekommen wären. Anfangs dachten wir, er fragte, weil er sich nach Gesellschaft von Kameraden sehnte; schließlich aber merkten wir, daß er im Gegenteil es zu vermeiden wünschte. Wenn ein Seemann im »Admiral Benbow« einkehrte – wie es ab und zu geschah, wenn Leute auf der Küstenstraße nach Bristol gingen – so sah er sich ihn durch das verhängte Fensterchen in der Tür an, bevor er die Schenkstube betrat; und wenn solch ein Seemann anwesend war, verhielt er sich immer mäuschenstille. Vor mir suchte er auch kein Geheimnis aus der Sache zu machen, sondern er beteiligte mich im Gegenteil gewissermaßen an seiner Unruhe. Er hatte mich nämlich eines Tages beiseite genommen und mir versprochen: er wollte mir am Ersten jeden Monats ein silbernes Vier-Penny-Stück geben, wenn ich bloß »mein Wetterauge offen halten wollte nach einem Seemann mit nur einem Bein«, und wenn ich ihm, sobald der auftauchte, augenblicklich Bescheid geben wollte. Wenn nun der Monatserste da war und ich meinen Lohn von ihm verlangte, dann kam es oft genug vor, daß er nur durch die Nase blies und mich mit einem wütenden Blick ansah; aber bevor die Woche zu Ende war, hatte er es sich jedesmal besser überlegt: er brachte mir das Vier-Penny-Stück und wiederholte seinen Befehl, »nach dem Seemann mit dem einen Bein Ausguck zu halten«.

Wie dieser Seemann mich in meinen Träumen verfolgte, brauche ich kaum zu sagen. In stürmischen Nächten, wenn der Wind die vier Ecken unseres Hauses schüttelte und die Brandung in der Bucht gegen die Klippen donnerte, sah ich ihn in tausend Gestalten und mit tausend teuflischen Gesichtern. Bald war das Bein am Knie abgenommen, bald dicht an der Hüfte; dann wieder war er ein ungeheuerliches Geschöpf, das immer nur ein einziges Bein gehabt hatte, und zwar mitten unter dem Rumpf. Ihn zu sehen, wie er sprang und lief und mich über Gräben und Hecken verfolgte, das war für mich der fürchterlichste Nachtmahr. So mußte ich eigentlich mein monatliches Vier-Penny-Stück recht teuer bezahlen, denn ich bekam dafür diese gräßlichen Traumgesichte in den Kauf.

Wenn ich vor dem einbeinigen Seemann eine schreckliche Angst hatte, so hatte ich dafür vor dem Kaptein selber weniger Furcht als andere, die ihn kannten. An manchen Abenden nahm er mehr Rum und Wasser zu sich, als sein Kopf vertragen konnte; dann saß er zuweilen, ohne sich um irgendeinen Menschen zu bekümmern, und sang seine ruchlosen alten wilden Schifferlieder; zuweilen aber bestellte er Runden und zwang die ganze zitternde Gesellschaft, seine Geschichten anzuhören oder als Chor in seine Lieder einzufallen. Oft zitterte das Haus von dem »Johoho, und ‘ne Buddel, Buddel Rum«; alle Nachbarn stimmten aus voller Kehle ein, mit einer Todesangst im Leibe, und einer sang noch lauter als der andere, damit nur der Kaptein keine Bemerkungen machte. Denn wenn er diese Anfälle hatte, war er der ungemütlichste Gesellschafter von der Welt; dann schlug er mit der Faust auf den Tisch und gebot Ruhe; wenn irgendeine Zwischenfrage gestellt wurde, regte er sich fürchterlich auf – manchmal aber noch mehr, wenn keine Frage gestellt wurde, weil er dann glaubte, die Gesellschaft hörte nicht auf seine Geschichte. An solchen Abenden durfte keiner die Schenkstube verlassen, bis er selber vom Trinken schläfrig geworden war und ins Bett taumelte.

Am meisten Angst machte er den Leuten mit seinen Geschichten. Und fürchterliche Geschichten waren es allerdings: von Hängen, über die Planke gehen lassen, von Stürmen auf hoher See, und von den Schildkröteninseln, und von wilden Gefechten und Taten, und von Häfen in den westindischen Gewässern. Nach seinen eigenen Berichten mußte er unter den größten Verbrechern gelebt haben, die Gott jemals zur See gehen ließ; und die Worte, in denen er diese Geschichten erzählte, entsetzten unsere guten Landleute beinahe ebensosehr wie die Verbrechen, von denen sie handelten. Mein Vater sagte fortwährend: unser Gasthof werde zugrunde gerichtet werden, denn die Leute würden bald nicht mehr kommen, um sich anschnauzen und niederducken zu lassen und dann mit zitternden Gebeinen zu Bett zu gehen. Aber ich glaube, daß in Wirklichkeit seine Anwesenheit uns Vorteil brachte. Die Leute grauelten sich allerdings, aber in der Rückerinnerung hatten sie die Geschichten eigentlich gern; es war eine angenehme Aufregung in ihrem stillen Landleben. Unter den jüngeren Leuten gab es sogar eine Partei, die voll Bewunderung von ihm sprach. Sie nannten ihn »einen echten Seehund« und »eine richtige alte Teerjacke« und so ähnlich und sagten, das wären gerade die Leute, die England so gefürchtet zur See machten. In einer Beziehung richtete allerdings der Kaptein uns zugrunde: er blieb eine Woche nach der anderen, so daß die Goldstücke, die er auf den Tisch geworfen hatte, längst verrechnet waren; aber mein Vater konnte sich niemals ein Herz fassen und mehr Geld von ihm verlangen. Sobald er eine leichte Anspielung machte, blies der Kaptein so laut durch die Nase, daß es beinahe ein Brüllen war, und sah meinen Vater so wütend an, daß dieser die Schenkstube verließ. Ich habe ihn nach solcher Abweisung die Hände ringen sehen, und ich bin überzeugt, daß der Verdruß über seinen Gast und die Angst, worin er lebte, seinen allzu frühen unglücklichen Tod sehr beschleunigt haben.

Während der ganzen Zeit, daß der Kaptein bei uns wohnte, trug er immer denselben Anzug; niemals änderte er etwas daran, nur einmal kaufte er Strümpfe von einem Hausierer. Als eine von den Krempen seines Hutes sich losgelöst hatte und herunterhing, ließ er ihn so, wie er war, obwohl diese Krempe ihn bei starkem Wind sehr belästigte. Ich sehe vor meinen Augen noch seinen Rock, auf den er selber oben in seinem Zimmer einen Flicken setzte, sooft er das für nötig hielt; schließlich bestand der ganze Rock nur aus Flicken. Niemals schrieb er einen Brief, niemals empfing er einen; er sprach mit keinem Menschen ein Wort außer mit den Nachbarn, die zu uns in die Wirtschaft kamen, auch mit diesen gewöhnlich nur, wenn er zuviel Rum getrunken hatte. Seine große Schifferkiste hatte keiner von uns jemals offen gesehen.

Nur ein einziges Mal wagte ein Mensch, ihm über den Mund zu fahren, und das geschah erst in der letzten Zeit, als mein armer Vater schon sehr krank und dem Tode nahe war. Doktor Livesey kam eines Nachmittags zu später Stunde, um noch nach dem Kranken zu sehen; meine Mutter setzte ihm ein bißchen zu essen vor, und dann ging er in die Schenkstube, um eine Pfeife zu rauchen, bis sein Pferd vom Dorf zurückgebracht würde; denn wir hatten im alten »Admiral Benbow« keine Stallung. Ich ging mit dem Doktor in die Schenkstube, und ich erinnere mich noch, daß mir der Unterschied zwischen dem sauberen, munteren Doktor mit seiner schneeweiß gepuderten Perücke, seinen hellen, schwarzen Augen und seinem liebenswürdigen Benehmen und den plumpen Landleuten auffiel, besonders aber der Gegensatz zu dem schmutzigen, zerlumpten alten Piraten, der stark angetrunken hinter seinem Tische saß und die Ellenbogen aufgestützt hatte. Plötzlich begann er, der Kaptein nämlich, sein ewiges Lied zu brüllen:

Fünfzehn Mann bei des Toten Kist’ – Johoho, und ‘ne Buddel, Buddel Rum! Suff und der Teufel holten den Rest – Johoho, und ‘ne Buddel, Buddel Rum!

Anfangs hatte ich vermutet, »des Toten Kist’« sei die große Schifferkiste oben im Vorderzimmer, und ich hatte sie in meinen Träumen mit dem einbeinigen Schiffer in Verbindung gebracht. Inzwischen aber hatten wir alle schon längst aufgehört, auf sein Singen zu achten; an diesem Abend war das Lied nur dem Dr. Livesey neu, und ich bemerkte, daß es auf ihn keinen angenehmen Eindruck machte; denn er sah einen Augenblick ganz ärgerlich aus, bevor er in seinem Gespräch mit dem alten Gärtner Taylor fortfuhr, mit dem er sich über ein neues Mittel gegen das Gliederreißen unterhielt. Der Kapitän wurde bei seinem eigenen Lied lustig und schlug schließlich mit der Faust vor sich auf den Tisch; wir alle wußten, daß er damit den Anwesenden Schweigen befehlen wollte. Alle hörten sofort auf zu sprechen – mit Ausnahme des Dr. Livesey; der sprach ruhig weiter, indem er zwischen jedem zweiten oder dritten Wort einen kurzen Zug aus seiner Pfeife tat. Eine Weile starrte der Kaptein ihn an, schlug wieder mit der flachen Hand auf den Tisch, starrte ihn noch grimmiger an und schrie endlich mit einem gemeinen Fluch:

»Stille da unter Deck!«

»Sagten Sie etwas zu mir, Herr?« sagte der Doktor.

Und als der Kerl mit einem neuen Fluch ihm sagte, das wäre allerdings der Fall, antwortete der Arzt:

»Ich habe Ihnen nur eins zu sagen, Herr: wenn Sie mit dem Rumtrinken so weiter machen, wird die Welt bald von einem sehr dreckigen Schuft befreit sein!«

Die Wut des alten Burschen war schrecklich anzusehen. Er sprang auf, zog ein Matrosen-Klappmesser, öffnete es, schwang es auf der offenen Handfläche und drohte dem Doktor, er werde ihn an die Wand spießen.

Der aber rührte sich nicht einmal. Er sprach wie bisher über die Schulter weg zum Kaptein und sagte mit der gleichen ruhigen Stimme, ziemlich laut, so daß alle im Zimmer ihn hören konnten, aber ganz gelassen:

»Wenn Ihr nicht augenblicklich das Messer in die Tasche steckt, so gebe ich Euch mein Wort darauf: nach der nächsten Gerichtssitzung hängt Ihr am Galgen!«

Dann kreuzten ihre Blicke sich; aber der Kaptein gab bald klein bei, steckte seine Waffe ein und setzte sich wieder hin, wobei er wie ein geprügelter Hund knurrte. »Und nun noch eins, mein Mann!« fuhr der Doktor fort: »Da ich jetzt weiß, daß solch ein Bursche in meinem Bezirk ist, so könnt Ihr Euch darauf verlassen, daß ich Tag und Nacht ein Auge auf Euch haben werde. Ich bin nicht nur Arzt, ich bin auch Beamter; und wenn ich auch nur die leiseste Beschwerde über Euch höre – wär’s auch bloß wegen einer Unhöflichkeit wie heute abend –, so werde ich dafür zu sorgen wissen, daß man Euch an dem Kragen nimmt und abschiebt. Und damit genug!«

Bald darauf wurde Dr. Liveseys Pferd gebracht, und er ritt ab; der Kaptein aber war an diesem Abend still und tat noch viele Abende hinterher den Mund nicht auf.

Zweites Kapitel Der Schwarze Hund erscheint und verschwindet wieder

Inhaltsverzeichnis

Nicht lange Zeit nach diesem Auftritt trat das erste von den geheimnisvollen Ereignissen ein, die uns schließlich den Kaptein vom Halse schafften, wenn auch nicht seine Angelegenheiten, wie der Leser sehen wird.

Es war ein bitterkalter Winter mit langandauernden, harten Frösten und schweren Stürmen, und es war von Anfang an klar, daß mein armer Vater wenig Aussicht hatte, den Frühling noch zu erleben. Er wurde mit jedem Tag schwächer, und meine Mutter und ich hatten den ganzen Betrieb der Wirtschaft zu besorgen; so hatten wir immer viel zu tun und konnten uns um unseren unangenehmen Gast wenig kümmern. Es war an einem Januarmorgen, zu sehr früher Stunde. Das Wetter war beißend kalt; die ganze Bucht war grau vom Rauhreif; die Sonne stand noch niedrig und berührte nur eben die Hügelspitzen und schien weit über das Meer hinaus. Der Kaptein war früher als gewöhnlich aufgestanden und nach dem Strand hinuntergegangen; sein Stutzsäbel schwang unter den breiten Schößen seines blauen Rockes hin und her, sein Messingfernrohr hatte er unter die Achsel geklemmt, den Hut in den Nacken zurückgeschoben. Sein Atem hing wie ein Rauchstreifen hinter ihm, wie er so mit langen Schritten dahinging, und der letzte Ton, den ich von ihm hörte, als er um den großen Felsen bog, war ein lautes, entrüstetes Schnauben, wie wenn er immer noch an den Dr. Livesey dächte. Mutter war oben bei Vater, und ich war dabei, den Frühstückstisch zu decken, damit er bei der Rückkehr alles fertig fände; da ging die Tür zur Schenkstube auf, und herein trat ein Mann, den ich nie in meinem Leben gesehen hatte. Er war ein Kerl mit blassem, käsigem Gesicht; an der linken Hand fehlten ihm zwei Finger, und obgleich er einen Stutzsäbel trug, sah er nicht gerade nach einem großen Fechter aus. Ich war immer auf dem Ausguck nach Seeleuten, einerlei ob mit einem Bein oder mit zweien, und ich erinnere mich noch heute, daß der Mann mir sofort verdächtig vorkam. Er sah nicht schiffermäßig aus, und trotzdem hatte er etwas von der See an sich.

Ich fragte ihn, was er wünschte, und er sagte, er wolle ein Glas Rum nehmen. Als ich aber hinausgehen wollte, um das Getränk zu holen, setzte er sich auf einen Tisch und winkte mir; ich möchte näher kommen. Ich blieb aber mit meinem Wischtuch in der Hand stehen, wo ich war. Da sagte er:

»Komm doch her, Jungchen! Komm doch mal näher!«

Ich trat einen Schritt näher an ihn heran.

»Ist der Tisch hier für meinen Maat Bill gedeckt?« fragte er und sah mich dabei lauernd an.

Ich sagte ihm, seinen Maat Bill kenne ich nicht, und der Tisch sei für jemand gedeckt, der in unserem Hause wohne und den wir den Kaptein nannten.

»Na,« sagte er, »mein Maat Bill wird sich wohl Kaptein nennen lassen; das sollte mich gar nicht wundern. Er hat einen Schmiß auf der einen Backe, und ein mächtig netter Kerl ist er, mein Maat Bill, besonders beim Trinken. Wir wollen mal annehmen, euer Kaptein hat einen Schmiß auf der Backe – und, was meinst du? – wir wollen mal annehmen, er hat ihn auf der rechten Backe. Aha, siehst du, ich sagte es dir ja. Na, ist also mein Maat Bill hier im Hause?«

Ich sagte ihm, er sei ausgegangen.

»Wohin denn, Jungchen? Welchen Weg ist er gegangen?«

Ich zeigte ihm den Felsen und sagte ihm, daß der Kaptein jedenfalls bald nach Hause kommen werde, und beantwortete ihm noch ein paar andere Fragen.

Schließlich sagte er:

»Na, da wird mein Maat Bill sich freuen wie über ein Glas Rum.« Der Gesichtsausdruck, mit dem er diese Worte sprach, war durchaus nicht angenehm, und ich hatte meine besonderen Gründe anzunehmen, daß der Fremde sich irrte, selbst wenn seine Worte aufrichtig gemeint wären. Aber ich dachte, das ginge ja mich nichts an; außerdem war es schwierig zu entscheiden, was da zu tun sei.

Der Fremde hielt sich fortwährend dicht bei der Haustür auf und guckte alle Augenblicke um die Ecke wie eine Katze, die auf eine Maus lauert. Einmal ging ich selber auf die Straße hinaus, aber er rief mich sofort zurück, und als ich nicht schnell genug folgte, verzerrte sich sein käsiges Gesicht auf eine ganz fürchterliche Weise, und mit einem Fluch, der mir Angst machte, befahl er mir, sofort ins Haus zu gehen. Als ich aber wieder drinnen war, benahm er sich wie vorher: halb spöttisch, halb schmeichlerisch; klopfte mir auf die Schulter und sagte mir, ich sei ein guter Junge und er möchte mich riesig gerne leiden.

»Ich habe selber einen Jungen,« sagte er, »der sieht dir so ähnlich wie ein Ei dem andern und ist so recht mein Stolz. Aber die Hauptsache für Jungens ist Gehorchen – Gehorsam, Jungchen! Na, wenn du mit Bill zusammen auf See gewesen wärest, dann hättest du nicht hier gestanden und dir was zweimal sagen lassen – glaub mir das! Das gab’s bei Bill nicht, und das gibt’s auch bei denen nicht, die mit ihm gefahren sind. Und sieh mal an, da kommt ja mein Maat Bill, mit einem Fernrohr unterm Arm, der gute alte Kerl! Da wollen wir beide mal man in die Schenkstube gehen, Jungchen, und uns hinter die Tür stellen, und wollen Bill ein bißchen überraschen – die gute alte Seele!«

Mit diesen Worten ging der Fremde mit mir in die Schenkstube zurück und ließ mich hinter ihm in die Ecke treten, so daß wir beide hinter der geöffneten Türe verborgen waren. Ich fühlte mich sehr unbehaglich und unruhig, wie man sich wohl denken kann, und meine Angst wurde dadurch noch größer, daß der Fremde offenbar selber Furcht hatte. Er machte den Griff seines Stutzsäbels frei und lockerte die Klinge in der Scheide; und während der ganzen Zeit, daß wir dastanden und warteten, schluckte er fortwährend, als ob er einen Kloß in der Kehle hätte, wie man zu sagen pflegt.

Endlich trat der Kaptein ein, schlug die Tür hinter sich zu, ohne nach rechts oder nach links zu sehen, und ging quer durch das Zimmer an den Tisch, auf dem das Frühstück für ihn bereit stand.

»Bill!« sagte der Fremde mit einer Stimme, der ich deutlich anmerkte, daß er alle Kraft aufgeboten hatte, sie recht laut und kühn zu machen.

Der Kaptein drehte sich auf dem Absatz herum und sah uns an; alle braune Farbe war aus seinem Antlitz gewichen, und sogar seine Nase war blau; er sah aus wie ein Mensch, der ein Gespenst erblickt oder den Teufel oder sogar noch etwas Schlimmeres, wenn es das gibt, und auf mein Wort: es tat mir leid, wie ich ihn plötzlich so alt und krank aussehend fand.

»Nanu, Bill, du kennst mich doch; du kennst doch gewiß einen alten Schiffsmaat, Bill!« sagte der Fremde.

Der Kaptein riß den Mund auf, wie wenn er nach Luft schnappen müßte, und rief:

»Der Schwarze Hund!«

»Wer denn sonst?« antwortete der andere, der sich offenbar etwas behaglicher zu fühlen begann. »Der Schwarze Hund, immer noch der alte, ist nun hier, um seinen allen Schiffskumpan Bill im ›Admiral Benbow‹ zu besuchen. Oh, Bill, Bill! wir haben was durchgemacht, wir zwei, seitdem ich die beiden Greifer verlor!« Und dabei hält er die verstümmelte Hand in die Höhe.

»Na, denn hör mal zu!« sagte der Kaptein: »Du hast mich gestellt; hier bin ich. Also denn man los: was willst du?«

»Das sieht dir ähnlich, Bill!« antwortete der Schwarze Hund. »Bist immer noch der alte Billy. Ich will mir ein Glas Rum geben lassen von dem lieben Jungchen hier, der so nett ist; und dann wollen wir uns hinsetzen, wenn’s dir recht ist, und wollen ein vernünftiges Wort miteinander schnacken, als richtige alte Schiffskameraden.«

Als ich mit dem Rum wieder hereinkam, saßen sie schon an des Kapteins Frühstückstisch einander gegenüber – der Schwarze Hund nach der Tür zu und etwas seitlings auf seinem Stuhl, so daß er, wie mir vorkam, das eine Auge auf seinem alten Schiffskumpan und das andere auf seiner Rückzugslinie hatte.

Er befahl mir hinauszugehen und die Tür weit offen zu lassen.

»Durchs Schlüsselloch gucken gibt’s bei mir nicht, Jungchen!« sagte er.

Ich ließ die beiden miteinander sitzen und zog mich in den Zapfraum zurück.

Obgleich ich mir natürlich alle Mühe gab, etwas zu hören, konnte ich lange Zeit weiter nichts hören als ein leises Gemurmel; schließlich aber begannen die Stimmen lauter zu werden, und ich konnte ab und zu ein paar Worte vom Kaptein verstehen – meistens Flüche.

»Nein, nein, nein, nein! Und damit basta,« schrie er einmal. Und ein anderes Mal: »Wenn’s zum Baumeln kommt, sollen alle baumeln – das sage ich!«

Dann aber gab es ganz plötzlich einen furchtbaren Ausbruch von Flüchen und anderen Geräuschen – Stühle und Tisch fielen um, er folgte ein Klirren von Stahl und dann ein Schmerzensschrei. Und im nächsten Augenblick sah ich den Schwarzen Hund in voller Flucht und den Kaptein scharf hinter ihm her, beide mit gezogenen Stutzsäbeln; dem Schwarzen Hund aber strömte Blut von der linken Schulter herunter. Unmittelbar vor der Tür führte der Kaptein noch einen letzten furchtbaren Streich nach dem Fliehenden; sicherlich hätte der Hieb ihm den Garaus gemacht, wenn er nicht von dem großen Gasthofsschild des »Admiral Benbow« aufgefangen worden wäre. Man kann die Spur noch bis auf den heutigen Tag an der unteren Leiste des Rahmens sehen.

Mit diesem Hieb war das Gefecht aus. Kaum war der Schwarze Hund auf der Straße, so entwickelte er trotz seiner Wunde eine ungeheure Geschwindigkeit und war in einer halben Minute jenseits der Höhe verschwunden. Der Kaptein aber starrte wie geistesabwesend auf das Schild. Dann fuhr er sich ein paarmal mit der Hand über die Augen, und schließlich ging er in das Haus zurück und sagte zu mir:

»Jim, Rum!«

Und als er diese Worte sprach, taumelte er hin und her und mußte sich mit der einen Hand gegen die Wand stützen.

»Sind Sie verwundet?« schrie ich.

»Rum!« sagte er noch einmal. »Ich muß fort von hier. Rum! Rum!«

Ich lief schnell, welchen zu holen; aber ich war von allen diesen Vorgängen ganz verstört und zerbrach ein Glas und konnte den Zapfen nicht richtig aufdrehen. Und während ich mir noch damit zu tun machte, hörte ich im Schenkzimmer einen schweren Fall. Und als ich hineinrannte, sah ich den Kaptein, so lang er war, auf dem Fußboden liegen. In demselben Augenblick kam meine Mutter, die das Geschrei und der Lärm des Kampfes aufgeschreckt hatten, die Treppe heruntergelaufen, um mir zu helfen. Mit vereinten Kräften hoben wir ihm den Kopf hoch. Er atmete sehr schwer und laut; aber seine Augen waren geschlossen und sein Gesicht war so blaurot, daß es schrecklich anzusehen war.

»Herrje, Herrjemine!« schrie meine Mutter: »Was für eine Schande für unser Haus! Und auch dein armer Vater liegt krank zu Bett!«

Wir hatten keine Ahnung, auf welche Weise wir dem Kaptein helfen könnten; wir dachten, er wäre in dem Gefecht mit dem Fremden tödlich verwundet worden. Ich brachte allerdings den Rum und versuchte ihm etwas davon einzuflößen; aber seine Zähne waren dicht geschlossen, und seine Kinnbacken waren so hart wie Eisen. Wir fühlten uns ganz glücklich und erleichtert, als plötzlich die Tür aufging und Dr. Livesey eintrat, der seinen Besuch bei meinem Vater machen wollte.

»O Herr Doktor!« riefen wir: »Was sollen wir tun! Wo ist er verwundet?«

»Verwundet? Papperlapapp!« sagte der Doktor. »Der ist nicht mehr verwundet als ihr oder ich. Der Mann hat einen Schlaganfall gehabt, wie ich es ihm vorhergesagt hatte. Nun, Frau Hawkins, laufen Sie mal schnell nach oben zu Ihrem Mann, aber sagen Sie ihm, wenn irgend möglich, kein Wort von der Geschichte. Ich muß ja leider mein Bestes tun, dieses Kerls in jeder Beziehung wertloses Leben zu retten, und Jim wird so gut sein, mir eine Schüssel zu holen.«

Als ich mit der Schüssel zurückkam, hatte der Doktor schon dem Kaptein den Ärmel hochgestreift und seinen dicken, muskelkräftigen Arm entblößt, der an mehreren Stellen tätowiert war: »Gut Glück!« – »Schöner Wind!« – »Billy Bones sein Liebchen!« Diese Inschriften waren sauber und deutlich auf dem Unterarm angebracht; auf dem Oberarm aber in der Nähe der Schulter war ein Bild von einem Galgen, an dem ein Mensch hing – sehr hübsch und witzig ausgeführt, wie mir dünkte.

»Prophetisch!« sagte der Doktor und tippte auf das Bild. »Und nun, Meister Billy Bones – wenn das Euer Name ist – wollen wir uns mal die Farbe Eures Blutes ansehen. Jim,« sagte er, »hast du Angst vor Blut?«

»Nein, Herr Doktor.«

»Na, dann halte mal die Schüssel!«

Und mit diesen Worten nahm der Doktor seine Lanzette und öffnete eine Ader.

Eine große Menge Blut wurde abgezapft, bevor der Kaptein die Augen aufschlug und mit einem blöden Blick um sich sah. Zuerst erkannte er den Doktor und runzelte die Stirn; dann fiel sein Blick auf mich, und er sah erleichtert aus. Plötzlich aber wechselte er die Farbe, versuchte sich aufzurichten und rief:

»Wo ist der Schwarze Hund?«

»Hier ist kein schwarzer Hund,« sagte der Doktor, »außer dem, der Euch im Nacken sitzt. Ihr habt zuviel Rum getrunken; jetzt habt Ihr einen Schlaganfall gehabt, genau wie ich’s Euch vorausgesagt habe; ich habe Euch aber, sehr gegen meinen eigenen Willen, noch einmal mit dem Kopfe voran aus dem Grabe herausgezogen. Nun, Herr Bones –«

»So heiße ich nicht!« unterbrach der Kaptein den Doktor.

»Ist mir Wurscht!« antwortete der. »Ein alter Seeräuber, den ich kenne, heißt so; und ich nenne Euch so der Kürze wegen, und was ich Euch zu sagen habe, ist dies: Ein Glas Rum wird Euch nicht umschmeißen, aber wenn Ihr eins trinkt, so werdet Ihr noch eins nehmen und wieder eins, und ich setze meine Perücke zum Pfande: wenn Ihr das Rumtrinken nicht ganz und gar aufgebt, so sterbt Ihr – versteht Ihr dies? – sterbt und geht dahin, wo Ihr hingehört, wie der Mann in der Bibel. Na, nun versucht mal aufzustehen. Ich will Euch zu Bett bringen.«

Mit großer Mühe gelang es uns beiden, dem Doktor und mir, den Kaptein die Treppe hinaufzubringen und ihn auf sein Bett zu legen, wo ihm sofort der Kopf auf das Kissen sank, als ob er beinahe ohnmächtig wäre.

»Also denkt daran!« sagte der Doktor; »ich wasche meine Hände in Unschuld – das Wort Rum bedeutet für Euch Tod.«

Und damit ging er hinaus, um nach meinem Vater zu sehen. Er faßte mich am Arm und nahm mich mit hinaus, und sobald er die Tür geschlossen hatte, sagte er zu mir:

»Das hat nichts zu bedeuten; ich habe ihm genug Blut abgezapft, um ihn für eine Weile ruhig zu halten; er sollte eine Woche im Bett liegenbleiben – das ist das beste für ihn und für euch; aber wenn er noch einen Schlaganfall kriegt, so ist’s aus mit ihm.«

Drittes Kapitel Der schwarze Fleck

Inhaltsverzeichnis

So gegen die Mittagsstunde stand ich vor des Kapteins Türe mit einigen kühlenden Getränken und Medizinflaschen. Er lag noch so ziemlich in derselben Stellung, in der wir ihn verlassen hatten; nur hatte er sich etwas höher hinaufgeschoben. Er schien schwach, zugleich aber auch aufgeregt zu sein.

»Jim,« sagte er zu mir, »du bist hier im Hause der einzige, der was taugt, und du weißt, ich bin immer gut zu dir gewesen. Kein Monat ist vergangen, ohne daß ich dir ein silbernes Vier-Penny-Stück gegeben habe. Und nun sieh mal, Maat, mir geht es verdammt schlecht und ich bin von allen verlassen; und, Jim, du wirst mir ein einziges Nöselchen Rum bringen, nicht wahr, das tust du doch, mein Jungchen?«

»Der Doktor,« fing ich an.

Aber da fluchte er auf den Doktor – mit schwacher Stimme, aber es kam ihm vom Herzen.

»Doktors sind alle Schwätzer,« sagte er; »und der Doktor da – poh, was versteht der von seebefahrenen Menschen? Ich bin an Stellen gewesen, da war’s so heiß wie in der Hölle, und die Kameraden fielen rund um mich herum wie die Fliegen vom Gelben Hans und das Land da schwankte von Erdbeben wie Meereswogen – was weiß so ein Doktor von solchen Ländern? Und ich blieb am Leben, sag’ ich dir, und das machte der Rum. Der war für mich Essen und Trinken, und wir waren wie Mann und Frau; und wenn ich nicht meinen Rum haben soll, dann bin ich ein armseliges altes Wrack an einer Leeküste – und mein Blut kommt über dich, Jim, und über den Schwätzer da, den Doktor!«

Jetzt kam wieder eine Reihe von Flüchen, und dann fing er noch einmal an zu betteln:

»Sieh doch mal, Jim, wie mir die Finger zittern. Ich kann sie nicht stillhalten – kann’s einfach nicht. Habe an diesem lieben Tag noch keinen Tropfen gehabt. Der Doktor da ist ein Schafskopf, sag’ ich dir. Wenn ich nicht einen Schluck Rum kriege, dann krieg’ ich das graue Elend; hab’s schon ein paarmal gehabt. Ich sah den alten Flint in der Ecke da; da hinter dir; sah ihn klar und deutlich; und wenn ich das graue Elend kriege – na, ich habe ein hartes Leben gehabt, und mir wird schlecht bei dem Gedanken. Der Doktor sagte mir ja selber: ein einziges Glas würde mir nichts schaden. Ich will dir eine goldene Guinee für ein Nöselchen geben!«

Er wurde immer aufgeregter, und das machte mich unruhig meines Vaters wegen, mit dem es an diesem Tage sehr schlecht stand und der Ruhe nötig hatte; außerdem hatte ja der Doktor wirklich die Worte gesagt, die der Kaptein mir anführte. Der Bestechungsversuch ärgerte mich allerdings; aber ich sagte:

»Ich brauche Ihr Geld nicht; bezahlen Sie nur, was Sie meinem Vater schuldig sind. Ich will Ihnen ein Glas holen, aber nicht mehr.«

Als ich ihm das Glas Rum brachte, griff er gierig danach und trank es aus; dann sagte er:

»Ah! ah! das tut wohl! mir ist ganz gewiß schon etwas besser. Und nun höre mal, mein Jungchen: sagte der Doktor, wie lange ich hier in dieser alten Klappe liegen müsse?«

»Wenigstens eine Woche.«

»Alle Donner!« schrie der Kaptein. »Eine Woche! Das geht nicht: inzwischen würden sie mir den schwarzen Fleck bringen. Die Schweinehunde sind schon dabei, mir den Wind abzufangen – die Schweinehunde, die nicht sparsam umgehen konnten mit dem, was sie kriegten, und jetzt klauen wollen, was einem andern gehört! Benimmt ein ordentlicher Seemann sich so? Das möchte ich mal hören! Ich bin ein sparsamer Mensch. Ich habe niemals gutes Geld vergeudet, was ich mir verdient hatte; ich habe auch noch nie welches verloren, und ich will auch jetzt wieder dafür sorgen, daß sie sich den Mund wischen können. Vor denen habe ich keine Angst! Ich werde noch ein Segel aufsetzen, mein Jungchen, und sie können mir nachflöten!«

Während er diese Reden hielt, war er mit großer Mühe von seinem Bett aufgestanden; er hielt sich mit einem Griff, daß ich beinahe laut herausgeschrien hätte, an meiner Schulter fest, und ich merkte, daß seine Beine so schwer wie Blei sein mußten, denn er konnte sie kaum bewegen. Seine Worte an sich waren zwar sehr mutig, aber die schwache Stimme, in der er sie aussprach, bildete einen traurigen Gegensatz dazu. Als es ihm gelungen war, sich auf den Bettrand zu setzen, schwieg er einen Augenblick. Dann flüsterte er:

»Der Doktor hat mich alle gemacht, es saust mir in den Ohren. Lege mich auf den Rücken.«

Ich konnte ihm nicht viel helfen; denn ehe ich noch zugriff, war er schon wieder in seine frühere Lage zurückgesunken. Eine Weile lag er still da; endlich sagte er:

»Jim, du sahst heute den Seemann?«

»Den Schwarzen Hund?«

»Jawohl, den Schwarzen Hund!Derist ein schlechter Kerl; aber die, die ihn angestiftet haben, sind noch schlimmer als er. Nun, wenn ich nicht auf irgendeine Weise von hier wegkommen kann und wenn sie mir den schwarzen Fleck in die Hand drücken, dann merke dir, was ich dir jetzt sage: Sie sind hinter meiner alten Schifferkiste her. Nun nimmst du dir ein Pferd – du kannst doch reiten, nicht wahr? Na also – du setzt dich auf ein Pferd und reitest zu – na, in Gottes Namen! – zu dem ewigen Schwätzer, dem Doktor, und sagst ihm, er solle alle Mann auf Deck pfeifen – Behörden und solches Zeug – und soll sich längsseits vom ›Admiral Benbow‹ legen, und er werde des alten Flint ganze Mannschaft fangen, groß und klein, alles, was noch davon übrig ist. Ich war erster Steuermann, ja, das war ich! Dem alten Flint sein erster Steuermann, und ich bin der einzige, der die Stelle kennt. Er gab es mir in Savannah, als er im Sterben lag, gerade wie ich jetzt, wie du siehst. Aber du mußt das nicht melden, bevor sie mir den schwarzen Fleck in die Hand geben, oder bevor du den Schwarzen Hund wiedersiehst, oder einen einbeinigen Seemann, Jim – diesen vor allen!«

»Aber, was ist der schwarze Fleck, Kaptein?« sagte ich.

»Das ist eine Aufforderung, Maat. Ich will dir’s erklären, wenn sie damit kommen. Aber die Hauptsache ist, daß du dein Wetterauge offen hältst, Jim, und verlaß dich drauf, ich will mit dir teilen, Jim, halb und halb, auf meine Ehre!«

Er phantasierte noch eine kleine Weile, und seine Stimme wurde immer schwächer. Dann gab ich ihm seine Medizin; er schluckte sie hinunter wie ein Kind und bemerkte dazu:

»Wenn jemals ein Seemann Medizin nötig hatte, dann bin ich das.«

Schließlich verfiel er in einen schweren, ohnmachtähnlichen Schlaf, und ich ließ ihn allein.