Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Achter Band: enthaltend Kapitel 15 und 16. - Macaulay, Thomas Babington Macaulay, Baron - kostenlos E-Book

Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Achter Band: enthaltend Kapitel 15 und 16. E-Book

Thomas Babington Macaulay, Macaulay, Baron

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The Project Gutenberg EBook of Geschichte von England seit derThronbesteigung Jakob's des Zweiten., by Thomas Babington MacaulayThis eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and withalmost no restrictions whatsoever.  You may copy it, give it away orre-use it under the terms of the Project Gutenberg License includedwith this eBook or online at www.gutenberg.org/licenseTitle: Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten.       Achter Band: enthaltend Kapitel 15 und 16.Author: Thomas Babington MacaulayRelease Date: October 19, 2014 [EBook #47152]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK GESCHICHTE VON ENGLAND ***Produced by Peter Becker and the Online DistributedProofreading Team at http://www.pgdp.net

Thomas Babington Macaulay’s

Geschichte von England

seit der

Thronbesteigung Jakob’s des Zweiten.

Aus dem Englischen.

Vollständige und wohlfeilste

Stereotyp-Ausgabe.

Achter Band:

enthaltend Kapitel 15 und 16.

Leipzig, 1856.

G.H. Friedlein.

Funfzehntes Kapitel. Wilhelm und Marie.

Inhalt.

SeiteZusammenkunft des Parlaments. — Rücktritt Halifax’5Geldbewilligungen6Die Rechtsbill angenommen6Untersuchung der Uebelstände bei der Marineverwaltung8Untersuchung wegen der Führung des irländischen Kriegs8Walker’s Empfang in England9Edmund Ludlow11Heftigkeit der Whigs13Anklagen14Johann Hampden’s Böswilligkeit16Die Corporationsbill18Debatten über die Indemnitätsbill22Der Fall Sir Robert Sawyer’s23Der König beabsichtigt sich nach Holland zurückzuziehen26Er wird zur Aenderung seiner Absicht bestimmt27Die Whigs widersetzen sich seiner Reise nach Irland.27Er prorogirt das Parlament28Freude der Tories29Auflösung und allgemeine Wahl30Veränderungen in den executiven Verwaltungszweigen32Caermarthen erster Minister33Sir Johann Lowther34Ursprung und Fortschreiten der parlamentarischen Bestechung in England35Sir Johann Trevor39Godolphin tritt ab40Veränderungen bei der Admiralität40Veränderungen bei den Milizen40Stimmung der Whigs42Verkehr einiger Whigs mit Saint-Germains. Shrewsbury; Ferguson43Hoffnungen der Jakobiten44Zusammentritt des neuen Parlaments44Feststellung des Staatseinkommens45Jahrgeld der Prinzessin von Dänemark47Bill, welche die Acte des vorhergehenden Parlaments für gültig erklärte52Debatten über die Veränderungen bei den Milizen53Abschwörungsbill53Begnadigungsacte57Das Parlament prorogirt59Rüstungen für den ersten Krieg60Jakob’s Verwaltung in Dublin60Ein Hülfscorps von Frankreich nach Irland gesandt62Plan der englischen Jakobiten; Clarendon, Aylesbury, Dartmouth64Penn64Preston65Die Jakobiten von Fuller verrathen66Crone verhaftet67Schwierigkeiten Wilhelm’s69Benehmen Shrewsbury’s69Der Neunerrath71Clarendon’s Verhalten72Penn muß Caution erlegen73Unterredung zwischen Wilhelm und Burnet73Wilhelm reist nach Irland ab74Crone’s Prozeß74Gefahr einer Invasion und Insurrection. Tourville’s Flotte im Kanal76Verhaftung verdächtiger Personen76Torrington erhält Befehl, Tourville eine Schlacht zu liefern77Schlacht bei Beachy Head79Aufregung in London80Schlacht bei Fleurus80Geist der Nation80Verhalten Shrewsbury’s82

Zusammenkunft des Parlaments. — Rücktritt Halifax’.

Während die Convention auf der einen Seite von Old Palace Yard debattirte, debattirte das Parlament auf der andren Seite noch heftiger. Die beiden Häuser hatten sich, nachdem sie am 20. August auseinandergegangen, am 19. October wieder versammelt. Am Tage des Zusammentritts fiel Jedermann eine wichtige Veränderung auf: Halifax saß nicht mehr auf dem Wollsack. Er hatte Grund zu erwarten, daß die Verfolgung, der er während der vorigen Session mit genauer Noth entgangen war, jetzt erneuert werden würde. Die während der Ferien eingetretenen Ereignisse und ganz besonders der unglückliche Verlauf des Feldzugs in Irland hatte seinen Verfolgern neue Mittel in die Hand gegeben, ihm zu schaden. Seine Verwaltung war nicht glücklich gewesen, und wenn dies auch zum Theil Ursachen zugeschrieben werden mußte, gegen welche keine menschliche Einsicht hätte ankämpfen können, so war es doch theilweis auch den Eigenthümlichkeiten seines Characters und seines Geistes zuzuschreiben. Daß eine zahlreiche Partei im Hause der Gemeinen versuchen würde, ihn zu beseitigen, war ausgemacht, und auf den Schutz seines Gebieters konnte er sich nicht mehr verlassen. Es war sehr natürlich, daß ein Prinz, der durch und durch ein Mann der That war, eines Ministers überdrüssig wurde, der ein Mann der Spekulation war. Karl, der in den Staatsrath ging, wie er ins Theater ging, lediglich zu seiner Unterhaltung, war ganz entzückt über einen Rathgeber, der über jede Frage nach beiden Seiten hin hundert angenehme und geistreiche Dinge zu sagen wußte. Wilhelm aber war kein Freund von philosophischen Untersuchungen und Disputationen, mochten sie auch noch so lebhaft und scharfsinnig geführt werden, weil sie viel Zeit kosteten und zu nichts führten. Man erzählte sich und es klingt nicht unwahrscheinlich, daß er einmal sich nicht habe enthalten können, am Rathstische seinen Unwillen über das was er eine krankhafte, gewohnheitsmäßige Unentschiedenheit nannte, in scharfen Worten zu äußern.[1] Aergerlich über sein Mißgeschick im öffentlichen Leben, durch häusliche Schicksalsschläge gebeugt, durch die Furcht vor einer Anklage beunruhigt und nicht mehr durch die königliche Gunst gehalten, wurde Halifax des öffentlichen Lebens müde und begann sich nach der Stille und Einsamkeit seines Landsitzes in Nottinghamshire zu sehnen, einer alten, in Wäldern tiefvergrabenen Cistercienserabtei. Anfangs October wurde es bekannt, daß er nicht länger im Oberhause präsidiren wolle; zu gleicher Seit raunte man sich als ein großes Geheimniß zu, daß er sich gänzlich von den Geschäften zurückzuziehen gedenke und daß er das Geheimsiegel nur bis zur erfolgten Ernennung eines Nachfolgers noch behalte. Der erste Baron Atkyns ward zum Sprecher der Lords erwählt.[2]

Geldbewilligungen.

Ueber einige wichtige Punkte schien in der gesetzgebenden Versammlung keine Meinungsverschiedenheit zu herrschen. Die Gemeinen beschlossen einstimmig, den König in dem Werke der Wiedereroberung Irland’s kräftig zu unterstützen und ihn in den Stand zu setzen, den Krieg gegen Frankreich mit Energie fortzuführen.[3] Mit der nämlichen Einhelligkeit votirten sie eine außerordentliche Verwilligung von zwei Millionen.[4] Es wurde beschlossen, daß der größere Theil dieser Summe durch eine Besteuerung des Grundeigenthums aufgebracht werden solle. Der Rest sollte theils durch eine Kopfsteuer, theils durch neue Abgaben auf Thee, Kaffee und Chokolade gedeckt werden. Es wurde auch vorgeschlagen, hunderttausend Pfund von den Juden zu erheben, und das Haus nahm diesen Vorschlag anfangs günstig auf; dann aber tauchten Schwierigkeiten auf. Die Juden reichten eine Petition ein, worin sie erklärten, daß sie außer Stande seien eine solche Summe zu bezahlen und daß sie lieber das Königreich verlassen als darin zu Grunde gehen würden. Einsichtsvollen Politikern konnte es nicht entgehen, daß eine specielle Besteuerung einer nicht zahlreichen Klasse, welche zufällig reich, unpopulär und wehrlos ist, in Wirklichkeit Confiscation genannt werden und schließlich den Staat eher ärmer als reicher machen muß. Nach einiger Discussion wurde die Judensteuer aufgegeben.[5]

Die Rechtsbill angenommen.

Die Rechtsbill, die man in der vorigen Session, nachdem sie viel Streit zwischen den beiden Häusern verursacht, hatte fallen lassen, wurde aufs neue eingebracht und rasch angenommen. Die Peers bestanden jetzt nicht mehr darauf, daß ein Nachfolger auf dem Throne mit Namen bezeichnet werden müsse, wenn Marie, Anna und Wilhelm alle Drei ohne Nachkommenschaft sterben sollten. Elf Jahre lang hörte man nichts mehr von den Ansprüchen des Hauses Braunschweig.

Die Rechtsbill enthielt einige Bestimmungen, welche besondere Erwähnung verdienen. Die Convocation hatte erklärt, daß es dem Interesse des Königreichs zuwider sei, von einem Papisten regiert zu werden, hatte aber keine Maßregel vorgeschrieben, durch welche ermittelt werden konnte, ob ein Fürst ein Papist war oder nicht. Diese Lücke wurde jetzt ausgefüllt durch die Verordnung, daß jeder englische Souverain in vollem Parlament und bei der Krönung die Erklärung gegen die Transsubstantiation wiederholen und unterschreiben solle.

Außerdem wurde verordnet, daß Niemand, der einen Papisten oder eine Papistin heirathete, fähig sein sollte, in England zu regieren und daß, wenn der Souverain oder die Souverainin eine Papistin oder einen Papisten heirathete, der Unterthan seines Treuschwures entbunden sein sollte. Burnet rühmte sich, daß dieser Theil der Rechtsbill sein Werk sei. Doch hatte er wenig Ursache, stolz darauf zu sein, denn ein erbärmlicheres Stück legislativer Arbeit wird es so leicht nicht geben. Erstens ist keine Prüfungsmaßregel vorgeschrieben. Ob der Gemahl einer Souverainin oder die Gemahlin eines Souverains den Suprematseid geleistet, die Erklärung gegen die Transsubstantiation unterschrieben, nach dem Ritual der englischen Kirche communicirt hat, sind sehr einfache factische Fragepunkte. Ob aber der Gemahl einer Souverainin oder die Gemahlin eines Souverains Papist ist oder nicht, ist eine Frage, über welche die Leute ewig streiten können. Was ist ein Papist. Das Wort hat weder juristisch noch theologisch eine definitive Bedeutung. Es ist nichts weiter als ein gebräuchlicher Spottname und hat im Munde verschiedener Leute einen ganz verschiedenen Sinn. Ist jeder ein Papist, der dem Bischof von Rom unter den christlichen Prälaten ein Primat zugesteht? Wenn das ist, so waren Jakob I., Karl I., Laud und Heylyn Papisten.[6] Oder beschränkt sich die Benennung nur auf Personen, welche den ultramontanen Doctrinen bezüglich der Autorität des heiligen Stuhles huldigen? Wenn das ist, so war weder Bossuet noch Pascal ein Papist.

Was ist ferner der legale Sinn der Worte, welche den Unterthan eines Unterthaneneides entbinden? Ist damit gemeint, daß ein des Hochverraths Angeklagter als Zeuge auftreten könne, um zu beweisen, daß der Souverain eine papistische Person geheirathet habe? Würde zum Beispiel Whistlewood ein Recht auf Freisprechung gehabt haben, wenn er hätte beweisen können, daß König Georg IV. mit Mrs. Fitzherbert vermählt und daß Mrs. Fitzherbert eine Papistin war? Es ist schwer zu glauben, daß irgend ein Gerichtshof sich auf eine solche Frage eingelassen haben würde. Wozu aber dann verordnen, daß der Unterthan in einem gewissen Falle seines Unterthaneneides entbunden sein solle, wenn das Tribunal, vor das er wegen Verletzung seines Unterthaneneides gestellt wird, gar nicht auf die Frage eingeht, ob jener Fall stattgefunden hat?

Die Angelegenheit des Dispensationsrechts wurde ganz anders behandelt, reiflich erwogen und schließlich auf die einzige Art erledigt, auf die sie erledigt werden konnte. Die Rechtserklärung war nicht weiter gegangen, als daß sie das Dispensationsrecht so wie es unlängst ausgeübt worden, für ungesetzlich erklärte. Daß der Krone eine gewisse Dispensationsbefugniß zustand, war eine Behauptung, welche durch Autoritäten und Präcedenzfälle sanctionirt war, von denen selbst whiggistische Juristen nicht ohne Achtung sprechen konnten; über die Ausdehnung dieser Befugniß aber waren nicht zwei Juristen gleicher Meinung, und jeder Versuch eine bestimmte Definition festzustellen, war gescheitert. Durch die Rechtsbill endlich wurde die anomale Prärogative, welche so viel heftigen Streit verursacht hatte, unbedingt und für immer aufgehoben.[7]

Untersuchung der Uebelstände bei der Marineverwaltung.

Im Hause der Gemeinen fand, wie dies kaum anders zu erwarten war, eine Reihe scharfer Debatten über das Mißgeschick des Herbstes statt. Die Nachlässigkeit oder Bestechlichkeit der Marinebeamten, die Betrügereien der Lieferanten, die Habgier der königlichen Schiffskapitains, die Verluste der londoner Kaufleute, waren Themata für viele heftige Reden. Grund zu Unwillen war in der That vorhanden. Eine strenge Untersuchung, von Wilhelm persönlich im Schatzamte geleitet, hatte so eben die Thatsache constatirt, daß ein großer Theil des Salzes, mit welchem das der Flotte gelieferte Fleisch eingepökelt worden, zufällig mit Gallus, wie er zur Tintenfabrikation gebraucht wird, vermischt gewesen war. Die Lieferanten schoben die Schuld auf die Ratten und behaupteten, daß die so gewürzten Speisen allerdings unangenehm schmeckten, der Gesundheit aber nicht nachtheilig seien.[8] Die Gemeinen waren jedoch nicht in der Stimmung, um solche Entschuldigungen gelten zu lassen. Mehrere Personen, welche an dem gegen die Regierung verübten Betruge und an dem Vergiften der Seeleute Theil genommen, wurden durch den Sergeanten ins Gefängniß abgeführt.[9] Dem Hauptsünder Torrington aber wurde ein Tadelsvotum zuerkannt, und es scheint nicht, daß nur eine einzige Stimme sich gegen ihn erhob. Er hatte unter beiden Parteien Freunde, besaß viele populäre Eigenschaften, und selbst seine Fehler waren keine solchen, welche öffentlichen Haß erwecken. Das Volk verzieh es einem tapferen und treuherzigen Seemanne gern, daß er seine Flasche, seine Zechgenossen und seine Maitressen zu sehr liebte, und bedachte nicht hinreichend, wie groß die Gefahren eines Landes sein mußten, dessen Wohl und Wehe von einem in sorglose Trägheit versunkenen, durch den Wein abgestumpften, durch Ausschweifungen entnervten, durch Verschwendung ruinirten und durch Schmarotzer und Buhlerinnen beherrschten Manne abhing.

Untersuchung wegen der Führung des irländischen Kriegs.

Die Leiden der Armee in Irland riefen laute Aeußerungen der Theilnahme und des Unwillens hervor. Die Gemeinen ließen der Energie und Umsicht, womit Schomberg den schwierigsten aller Feldzüge geleitet hatte, Gerechtigkeit widerfahren. Daß er nicht mehr erreicht, wurde hauptsächlich den Schurkereien des Kriegscommissariats Schuld gegeben. Die Epidemie, sagte man, würde kein großes Unglück gewesen sein, wenn sie nicht durch die Schlechtigkeit der Menschen verschlimmert worden wäre. Die Krankheit habe in der Regel Diejenigen verschont, welche mit warmer Kleidung und Betten versehen gewesen, habe aber Die, welche leicht gekleidet gewesen und auf dem feuchten Erdboden geschlafen, zu Tausenden hingerafft. Ungeheure Summen seien aus dem Schatze gezogen worden und doch sei der Sold der Truppen in Rückstand. Der Staat habe Hunderte von Pferden, viele Tausend Paar Schuhe angeschafft, und doch sei die Bagage wegen Mangel an Zugvieh zurückgelassen worden und die Soldaten seien barfuß durch den Schlamm gewatet. Siebzehnhundert Pfund Sterling seien der Regierung für Arzeneien angerechnet, und doch habe es in dem mit Kranken angefüllten Lager an den einfachsten Medicamenten gefehlt, die jede Apotheke in dem kleinsten Marktflecken führe. Drohende Stimmen erhoben sich gegen Shale. Es wurde dem Throne eine Adresse überreicht, welche verlangte, daß er nach England geschickt und seine Rechnungen und Papiere mit Beschlag belegt werden sollten. Der König sagte dies bereitwilligst zu, die whiggistische Majorität aber war nicht zufriedengestellt. Von wem war Shales für einen so wichtigen Posten wie der des Generalcommissars empfohlen worden? Er war in den schlimmsten Zeiten ein Günstling des Hofes und ein eifriger Vertheidiger der Indulgenzerklärung gewesen. Warum hatte man dieser Creatur Jakob’s die Verproviantirung der Armee Wilhelm’s anvertraut? Einige von Denen, welche gern alle Tories und Trimmers aus dem Staatsdienste vertreiben wollten, schlugen vor, Se. Majestät zu fragen, auf wessen Rath ein das Vertrauen des Königs so wenig verdienender Mann angestellt worden sei. Die gemäßigteren und einsichtsvolleren Whigs wiesen darauf hin, wie taktlos und unhöflich es sein würde, den König zu befragen und ihn in die Nothwendigkeit zu versetzen, entweder seine Minister anzuklagen oder sich mit den Vertretern seines Volks zu veruneinigen. „Rathen Sie Se. Majestät, wenn Sie wollen,” sagte Somers, „daß er Denen, welche ihm diese unglückliche Wahl empfohlen, sein Vertrauen entziehe. Wird dieser Rath so gegeben, wie wir ihn wahrscheinlich geben würden, das heißt einstimmig, so muß derselbe großes Gewicht bei ihm haben. Aber legen Sie ihm nicht eine Frage vor, die kein Privatmann gern beantworten würde, zwingen Sie ihn nicht, zur Wahrung seines persönlichen Ansehens die Männer in Schutz zu nehmen, die Sie beseitigt zu sehen wünschen.” Nach einem zweitägigen harten Kampfe und mehreren Abstimmungen wurde die Adresse mit hundertfünfundneunzig Stimmen gegen hundertsechsundvierzig angenommen.[10] Wie vorauszusehen war, weigerte sich der König, zum Angeber zu werden und das Haus drang nicht weiter in ihn.[11] Auf eine andre Adresse, welche darum ansuchte, daß eine Commission abgesandt werden möchte, um die Lage der Dinge in Irland zu untersuchen, gab Wilhelm hingegen eine sehr gnädige Antwort und bat die Gemeinen, selbst die Mitglieder der Commission zu ernennen. Um dem Könige an Artigkeit nicht nachzustehen, lehnten die Gemeinen dies ab und stellten es der Weisheit Sr. Majestät anheim, die geeignetsten Personen auszuwählen.[12]

Walker’s Empfang in England.

Inmitten der heftigen Debatten über den irländischen Krieg erregte ein erfreulicher Zwischenfall auf einen Augenblick gute Laune und Einmüthigkeit. Walker war in London angekommen und daselbst mit grenzenloser Begeisterung empfangen worden. Sein Portrait prangte in jedem Bilderladen, Neuigkeitsbriefe, in denen seine Persönlichkeit und seine Haltung beschrieben waren, wurden in jeden Winkel des Reichs gesandt, Flugblätter, die ihn in Prosa und in Versen priesen, wurden in jeder Straße ausgeboten. Die Gilden London’s veranstalteten ihm zu Ehren glänzende Festmähler in ihren Hallen, das Volk drängte sich danach ihn zu sehen wo er sich blicken ließ, und erdrückte ihn fast mit unsanften Liebkosungen. Beide Universitäten verliehen ihm den Grad eines Doctors der Theologie. Einige von seinen Bewunderern riethen ihm, sich in der Uniform im Palaste vorzustellen, in welcher er die mehrmaligen Ausfälle seiner Mitbürger commandirt hatte. Doch mit richtigerem Takt als er zuweilen an den Tag gelegt, erschien er in Hampton Court in dem friedlichen Kleide seines Standes, wurde sehr gut aufgenommen und mit einer Anweisung auf fünftausend Pfund beschenkt. „Und glauben Sie nicht, Herr Doctor,” sagte Wilhelm mit liebenswürdiger Freundlichkeit zu ihm, „daß diese Summe eine Bezahlung für Ihre Dienste sein soll. Ich versichere Ihnen, daß ich Ihre Ansprüche an mich keineswegs als im geringsten vermindert betrachte.”[13]

Doch inmitten des allgemeinen Beifalls ließ sich auch die Stimme der Verleumdung hören. Die Vertheidiger Londonderry’s waren Leute von zwei verschiedenen Nationen und Religionen gewesen. Während der Belagerung hatte der Haß gegen die Irländer alle Sachsen und der Haß gegen den Papismus alle Protestanten zusammengehalten. Als aber die Gefahr vorüber war, begannen Engländer und Schotten, Episkopalen und Presbyterianer über die Vertheilung des Lobes und der Belohnungen zu mäkeln. Die Dissentergeistlichen, welche Walker in der Stunde der Gefahr kräftig unterstützt hatten, beklagten sich darüber, daß er in den von ihm veröffentlichten Bericht über die Belagerung zwar anerkannt, daß sie gute Dienste geleistet, aber unterlassen habe, ihre Namen zu nennen. Die Klage war begründet und würde auch wahrscheinlich einen merklichen Eindruck auf die öffentliche Meinung gemacht haben, wäre sie in einer Sprache erhoben worden, wie sie sich für Christen und Gentlemen ziemte. Aber Walker’s Ankläger setzten in ihrem Grolle Wahrheitsliebe und Schicklichkeit aus den Augen, bedienten sich unanständiger Ausdrücke, brachten verleumderische Beschuldigungen vor, welche siegreich widerlegt wurden, und verscherzten sich so den Vortheil wieder, den sie gehabt hatten. Walker vertheidigte sich mit Mäßigung und Freimüthigkeit. Seine Freunde stritten tapfer für ihn und übten nachdrückliche Wiedervergeltung gegen seine Angreifer. In Edinburg mag die öffentliche Meinung gegen ihn gewesen sein; in London aber scheint der Streit seinen Ruf nur gehoben zu haben. Er wurde als ein anglikanischer Geistlicher von großen Verdiensten betrachtet, der, nachdem er seine Religion gegen ein Heer papistischer Rapparees heldenmüthig vertheidigt, von einem Haufen schottischer Covenanters gemißhandelt wurde.[14]

Er überreichte den Gemeinen eine Petition, welche die traurige Lage schilderte, in der sich die Wittwen und Waisen einiger während der Belagerung gefallenen tapferen Männer jetzt befanden. Die Gemeinen erkannten ihm auf der Stelle ein Dankvotum zu und beschlossen eine Adresse an den König, worin er ersucht wurde, zehntausend Pfund unter die Familien vertheilen zu lassen, deren Leiden so ergreifend geschildert waren. Am folgenden Tage verbreitete sich unter der Versammlung das Gerücht, Walker sei im Vorzimmer. Er ward hereingerufen und der Sprecher theilte ihm mit großer Würde und Freundlichkeit mit, daß das Haus sich beeilt habe, seinem Gesuche zu willfahren, belobte ihn in den schmeichelhaftesten Ausdrücken, daß er es auf sich genommen habe, eine von ihren eigenen Behörden und Vertheidigern verlassene Stadt zu verwalten und zu vertheidigen, und trug ihm auf, Denen, welche unter ihm gefochten, zu sagen, daß ihre Treue und Tapferkeit den Gemeinen England’s stets in dankbarer Erinnerung bleiben werde.[15]

Edmund Ludlow.

Um die nämliche Zeit brachte eine andre merkwürdige und interessante Episode, welche, wie die erstere, aus den Ereignissen des irischen Kriegs entsprang, eine kleine Diversion in den parlamentarischen Geschäftsgang. Im vergangenen Frühjahr, als jeder Bote aus Irland schlimme Nachrichten brachte und als Jakob’s Autorität in allen Theilen des Königreichs anerkannt war, ausgenommen hinter den Wällen von Londonderry und an den Ufern des Ernesee’s, war es natürlich, daß die Engländer sich erinnerten, mit welcher furchtbaren Energie die großen puritanischen Krieger der vorigen Generation den Aufstand des celtischen Stammes niedergeworfen hatten. Die Namen Cromwell’s, Ireton’s und der anderen Heerführer der siegreichen Armee waren in aller Munde. Einer von diesen Heerführern, Edmund Ludlow, war noch am Leben. Mit zweiundzwanzig Jahren war er als Freiwilliger in die Parlamentsarmee eingetreten und in seinem dreißigsten Lebensjahre war er zum Generalleutnant befördert worden. Jetzt war er alt, seine geistige Kraft aber war noch ungeschwächt. Sein Muth war vom besten Schlage, sein Verstand scharf, aber beschränkt. Was er sah, das sah er klar, aber er sah nicht viel auf einen Blick. Zu einer Zeit der Treulosigkeit und Unbeständigkeit hatte er trotz mannichfacher Versuchungen und Gefahren fest an den Grundsätzen seiner Jugend gehalten. Selbst seine Feinde konnten nicht in Abrede stellen, daß sein Leben consequent gewesen und daß er mit dem nämlichen Muthe, mit dem er gegen die Stuarts aufgetreten, auch gegen die Cromwells aufgetreten war. Nur ein Flecken haftete auf seinem Ruhme, und dieser Flecken war in den Augen der großen Mehrheit seiner Landsleute einer von denen, welche kein Verdienst aufwiegen und keine Zeit verwischen konnte. Sein Name und sein Siegel standen unter dem Todesurtheile Karl’s I.

Nach der Restauration fand Ludlow ein Asyl an den Ufern des Genfer Sees, wohin ihn ein andres Mitglied des hohen Gerichtshofes, Johann Lisle, der Gatte jener Alice Lisle, deren Tod einen unauslöschlichen Schandfleck auf das Gedächtniß Jakob’s II. geworfen, begleitete. Doch selbst in der Schweiz waren die beiden Königsmörder nicht sicher. Es wurde ein hoher Preis auf ihre Köpfe gesetzt, und eine Reihe irischer Abenteurer, durch nationalen und religiösen Haß entflammt, versuchte es, den Blutpreis zu verdienen. Lisle fiel von der Hand eines dieser Mörder, Ludlow aber entrann glücklich allen Machinationen seiner Feinde. Ein kleines Häuflein heftiger und entschlossener Whigs zollte ihm eine Verehrung, die sich mit den Jahren steigerte, und ließ ihn als den fast einzigen, sicherlich als den berühmtesten Ueberlebenden eines mächtigen Stammes von Männern, den Siegern in einem furchtbaren Bürgerkriege, den Richtern eines Königs und Gründern einer Republik, zurück. Mehr als einmal war er von den Feinden des Hauses Stuart eingeladen worden, sein Asyl zu verlassen, ihr Feldherr zu werden und das Signal zum Aufstande zu geben, er aber hatte es weislich abgelehnt, sich an den verzweifelten Unternehmungen zu betheiligen, über welche die Wildman und Ferguson unablässig brüteten.[16]

Die Revolution eröffnete ihm eine neue Aussicht. Das Recht des Volks, sich der Tyrannei zu widersetzen, ein Recht, das viele Jahre hindurch Niemand geltend machen konnte, ohne sich kirchlichen Anathemen und bürgerlichen Strafen auszusetzen, war von den Ständen des Reichs feierlich anerkannt und durch Herolde auf der nämlichen Stelle proklamirt worden, wo man vierzig Jahre früher das denkwürdige Schaffot errichtet. Jakob war zwar nicht, wie Karl, den Tod des Verräthers gestorben, doch schien die Strafe des Sohnes sich mehr dem Grade als dem Prinzipe nach von der des Vaters zu unterscheiden. Die, welche kürzlich Krieg gegen einen Tyrannen geführt, ihn aus seinem Palaste vertrieben, ihn aus seinem Lande verstoßen, ihn seiner Krone beraubt hatten, meinten wahrscheinlich, daß das Verbrechen, noch einen Schritt weiter gegangen zu sein, durch eine dreißigjährige Verbannung hinlänglich gesühnt sei. Ludlow’s Verehrer, von denen einige sehr hohe öffentliche Stellungen bekleideten, versicherten ihm, daß er es getrost wagen könne, über den Kanal zu kommen, daß er sogar erwarten dürfe, mit einem hohen Commando nach Irland geschickt zu werden, wo sein Name bei seinen Soldaten und deren Kindern noch immer in liebevollem Andenken stehe.[17] Er kam, und zu Anfang Septembers erfuhr man, daß er in London war.[18] Allein es zeigte sich bald, daß er und seine Freunde sich in der Stimmung des englischen Volks geirrt hatten. Alle, mit Ausnahme einer kleinen extremen Section der Whigpartei, betrachteten den Act, in welchem er eine unvergeßliche Rolle gespielt hatte, nicht nur mit der einer groben Verletzung des Gesetzes und der Gerechtigkeit gebührenden Mißbilligung, sondern mit einem Abscheu, wie ihn selbst die Pulververschwörung nicht erregt hatte. Das alberne und fast gottlose Gebet, das noch heute am 30. Januar in unseren Kirchen verlesen wird, hatte in den Gemüthern des großen Haufens eine wunderliche Ideenverbindung hervorgerufen. Die Leiden Karl’s wurden den Leiden des Erlösers der Menschheit gleichgestellt, und jeder Königsmörder war ein Judas, ein Kaiphas oder ein Herodes. Allerdings war Ludlow, als er in dem Tribunal zu Westminster Hall saß, ein heißblütiger Enthusiast von achtundzwanzig Jahren, und jetzt kehrte er als ein siebzigjähriger Greis aus dem Exil zurück. Hätte er sich demnach damit begnügt, in strenger Zurückgezogenheit zu leben und die Oeffentlichkeit zu meiden, so würden vielleicht selbst eifrige Royalisten dem alten Republikaner ein Grab in seinem heimathlichen Boden nicht mißgönnt haben. Allein er dachte gar nicht daran, sich zu verbergen. Man erzählte sich bald, daß einer von den Mördern, welche auf England eine Schuld gebracht hätten, wegen der es alljährlich im Bußgewande Gott bitte, daß er darüber nicht mit ihm richten möge, in den Straßen seiner Hauptstadt einherstolzire und sich rühme, daß er über kurz oder lang seine Armee commandiren werde, seine Wohnung sollte angeblich das Hauptquartier der angesehensten Feinde der Monarchie und des Episkopats sein.[19] Die Sache kam vor das Haus der Gemeinen. Die toryistischen Mitglieder forderten laut, daß an dem Verräther Gerechtigkeit geübt werde, und keiner der Whigs wagte es, ein Wort zu seiner Vertheidigung zu sagen. Einige wenige äußerten zwar schüchtern Zweifel, ob die Thatsache seiner Zurückkunft durch solche Zeugen bewiesen sei, die ein parlamentarisches Verfahren rechtfertigen; aber der Einwand wurde nicht beachtet und ohne Abstimmung beschlossen, daß der König ersucht werden solle, einen Fahndungsbefehl gegen Ludlow zu erlassen. Seymour überreichte die Adresse und der König versprach, dem Verlangen zu willfahren. Es vergingen jedoch einige Tage, ehe die Bekanntmachung erschien.[20] Ludlow hatte Zeit, zu entkommen und er verbarg sich wieder in seinem Alpenschlupfwinkel, um nie wieder hervorzukommen. Englische Reisende besuchen noch heute sein dicht am See gelegenes Haus und sein Grab in einer Kirche zwischen den Weingärten, welche die kleine Stadt Vevay umgeben. An dem Hause war früher eine Inschrift zu lesen, welche besagte, daß Demjenigen, der Gott zum Vater habe, jedes Land ein Vaterland sei,[21] und das Epitaph auf dem Grabe bezeugt noch die Gefühle, mit denen der strenge alte Puritaner das irische Volk und das Haus Stuart betrachtete.

Heftigkeit der Whigs.

Tories und Whigs hatten dazu beigetragen, Walker zu ehren und Ludlow ein Brandmal aufzudrücken, oder sie hatten wenigstens so gethan. Aber die Fehde zwischen den beiden Parteien war heftiger als je. Der König hatte die Hoffnung genährt, daß die Animositäten, welche in der vorhergehenden Session die Annahme einer Indemnitätsacte verhindert hatten, während der Ferien sich einigermaßen gelegt haben würden. An dem Tage, an welchem die beiden Häuser wieder zusammentraten, hatte er sie dringend aufgefordert, der Angst und Uneinigkeit ein Ende zu machen, welche nothwendig fortbestehen mußten, so lange eine große Anzahl Leute ihres Eigenthums und ihrer Freiheit, nicht wenige selbst ihres Lebens nicht sicher seien. Seine Ermahnung blieb jedoch fruchtlos. October, November und December vergingen, und noch war nichts gethan. Es war zwar eine Indemnitätsbill eingebracht und einmal verlesen worden; seitdem aber hatte sie beständig vernachlässigt auf dem Tische des Hauses gelegen.[22] So erbittert die Stimmung gewesen war, in der die Whigs Westminster verlassen hatten, die Stimmung, in der sie zurückkehrten, war noch erbitterter. Den Schmerz früherer Leiden noch fühlend, von neuerem Glücke berauscht, von unversöhnlichem Rachedurst erfüllt und auf ihre unwiderstehliche Kraft bauend, waren sie nicht weniger heftig und starrsinnig als in den Tagen der Ausschließungsbill. Das Jahr 1680 war noch einmal wiedergekehrt. Abermals wurde jede Verständigung zurückgewiesen. Abermals wurden die Stimmen der einsichtsvolleren und rechtschaffeneren Freunde der Freiheit durch das Geschrei der hitzköpfigen und hinterlistigen Agitatoren übertäubt. Abermals wurde Mäßigung als Feigheit verachtet oder als Verrath verabscheut. Alle Lehren, die eine schmerzliche Erfahrung gegeben, waren vergessen. Die nämlichen Männer, welche durch Jahre der Demüthigung, der Einsperrung, der Entbehrung und der Verbannung die Thorheit gebüßt hatten, mit der sie der ihnen durch die papistische Verschwörung in die Hand gegebenen Vortheil gemißbraucht hatten, mißbrauchten jetzt mit gleicher Thorheit den ihnen durch die Revolution gegebenen Vortheil. Die zweite Thorheit würde aller Wahrscheinlichkeit nach, wie die erste, mit ihrer Proscription, Vertreibung und Decimirung geendet haben, hätte nicht die Weisheit und Hochherzigkeit des großen Fürsten, der nur auf die Erfüllung seiner Mission bedacht und gegen Schmeicheleien wie gegen Beleidigungen gleich unempfindlich war, sie kalt und unbeugsam wider ihren Willen gerettet.

Anklagen.

Es schien als ob nur Blut sie zufriedenstellen könnte. Das Aussehen und die Stimmung des Hauses der Gemeinen erinnerte an die Zeit des Einflusses Oates’, und um die Aehnlichkeit vollkommen zu machen, war Oates selbst anwesend. Als Zeuge konnte er zwar jetzt nicht dienen, aber er hatte Blut gerochen und war gekommen, um das Gemetzel, an dem er nicht mehr thätigen Antheil nehmen konnte, wenigstens mit anzusehen. Man sah wieder täglich sein widerliches Gesicht, und täglich hörte man in den Vorzimmern und auf der Galerie sein wohlbekanntes „Ah Laard, ah Laard!” (O Herr, o Herr!)[23] Das Haus fiel zuerst über die Renegaten der vorigen Regierung her. Unter diesen Renegaten standen die Earls von Peterborough und Salisbury im Range am höchsten, hinsichtlich des Verstandes aber am tiefsten, denn Salisbury war von jeher ein Schwachkopf gewesen und Peterborough war schon längst ein kindischer Greis. Gleichwohl erklärten die Gemeinen, daß Beide durch ihren Anschluß an die römische Kirche sich des Hochverraths schuldig gemacht hätten und daß sie deshalb in Anklagestand versetzt werden sollten.[24] Zu dem Ende wurde den Lords eine Benachrichtigung zugesandt. Der alte Peterborough ward alsbald verhaftet und an einer Krücke wankend und in wollene Kleider eingehüllt in den Tower geschickt. Am folgenden Tage wurde Salisbury vor die Schranken seiner Peers gestellt. Er stammelte einige Worte von seiner Jugend und seiner ausländischen Erziehung hervor und wurde dann abgeführt, um Peterborough Gesellschaft zu leisten.[25] Die Gemeinen waren mittlerweile zu Verbrechern bescheideneren Standes und höherer Geistesbildung übergegangen. Sir Eduard Hales wurde vor sie gebracht. Er hatte allerdings, indem er der Testacte zum Trotz ein Amt bekleidete, schwere Geldstrafe verwirkt. Aber diese Geldstrafen genügten dem rachsüchtigen Character der siegreichen Partei bei weitem nicht und er wurde daher als Verräther eingezogen.[26] Nach ihm wurde Obadja Walker eingeführt. Er benahm sich mit einer Kleinmüthigkeit und Falschheit, die ihm jeden Anspruch auf Achtung oder Mitleid entzogen. Er betheuerte, daß er nie seine Religion gewechselt habe, daß seine Glaubensansichten stets die einiger hochachtbaren Geistlichen der Kirche von England gewesen seien und daß er in mehreren Punkten von den Papisten abweiche. Trotz dieses Wortschwalls wurde er des Hochverraths schuldig erklärt und ins Gefängniß geschickt.[27] Nach ihm wurde Castlemaine vor die Schranke gefordert, verhört und kraft eines Verhaftsbefehls, der ihn des Kapitalverbrechens beschuldigte, eine Aussöhnung des Königreichs mit der römischen Kirche versucht zu haben, in Gewahrsam gebracht.[28]

Inzwischen hatten die Lords einen Ausschuß ernannt, welcher untersuchen sollte, wer für den Tod Russell’s, Sidney’s und einiger anderer angesehener Whigs verantwortlich sei. Präsident dieses Ausschusses, der allgemein der Mordausschuß genannt wurde, war der Earl von Stamford, ein Whig, der in die von seiner Partei gegen die Stuarts geschmiedeten Complots tief verwickelt gewesen war.[29] Die Bücher des Geheimraths wurden untersucht, die Schriftführer befragt und einige Thatsachen ermittelt, welche den Richtern, den Prokuratoren des Schatzes, den Kronzeugen und den Kerkermeistern der Staatsgefängnisse keine Ehre machten; für die Bestechung der Geschwornen aber fand man keine Beweise. Die Sheriffs bewahrten ihr Geheimniß. Sir Dudley North insbesondere bestand ein strenges Verhör mit characteristischer Besonnenheit und Festigkeit und behauptete standhaft, daß er sich niemals um die politischen Ansichten der Leute gekümmert, die er auf eine Geschwornenliste gesetzt, sondern sich nur danach erkundigt habe, ob sie wohlhabende Bürger seien. Er sprach allerdings nicht die Wahrheit und einige von den Whigpeers sagten ihm das in sehr verständlichen Worten und mit sehr lauter Stimme; aber obgleich sie moralisch von seiner Schuld überzeugt waren, konnten sie doch keine Beweise entdecken, auf die sie eine Criminalklage gegen ihn hätten basiren können. Der unauslöschliche Schandfleck bleibt jedoch auf einem Gedächtniß haften und wird immer noch schmerzlich beklagt von Denen, welche bei allem Abscheu vor seiner Ehrlosigkeit und Grausamkeit nicht vergessen können, daß er einer der originellsten, gründlichsten und accuratesten Denker seiner Zeit war.[30]

Halifax war glücklicher als Dudley North, denn er reinigte sich vollkommen von jeder nicht blos legalen, sondern auch moralischen Schuld. Er war die Hauptzielscheibe des Angriffs, und doch brachte die strenge Untersuchung nichts zu Tage, was ihm nicht zur Ehre gereicht hätte. Tillotson wurde als Zeuge aufgerufen. Er schwor, daß er das Verbindungsglied zwischen Halifax und Russell gewesen sei, als Russell Gefangener im Tower war. „Mylord Halifax,” sagte der Doctor, „zeigte ein sehr theilnehmendes Interesse für Mylord Russell, und Mylord Russell beauftragte mich, Mylord Halifax für seine Menschenfreundlichkeit und Güte zu danken.” Es wurde ferner bewiesen, daß der unglückliche Herzog von Monmouth ein ähnliches Zeugniß für Halifax’ Gutherzigkeit abgegeben habe.

Johann Hampden’s Böswilligkeit.

Doch auch ein feindlicher Zeuge trat auf: Johann Hampden, der durch kriechende Bitten und enorme Bestechungen seinen Hals vom Strange gerettet hatte. Er war jetzt ein mächtiger und angesehener Mann, gehörte zu den Häuptern der dominirenden Partei im Hause der Gemeinen und war bei alledem einer der unglücklichsten Menschen auf Gottes Erde. Die Erinnerung an die jämmerliche Figur, die er vor den Schranken der Old Bailey gespielt, verbitterte sein Gemüth und trieb ihn an, sich ohne Gnade an Denen zu rächen, welche direct oder indirect etwas zu seiner Demüthigung beigetragen hatten. Er war von allen Whigs der intoleranteste und allen Amnestieplänen am hartnäckigsten opponirende. Das Bewußtsein, sich eine Blöße gegeben zu haben, machte ihn eifersüchtig auf seine Würde und ungemein empfindlich. Er paradirte beständig mit seinen Diensten und seinen Leiden, als ob er durch diese prahlerische Darlegung den Schandfleck, den nichts vor seinen eigenen Augen verbergen konnte, wenigstens vor Andern zu verbergen gehofft hätte. Nachdem er schon seit mehreren Monaten im Hause der Gemeinen heftig gegen Halifax haranguirt hatte, trat er jetzt auf, um vor den Lords gegen ihn den Zeugeneid zu leisten. Die Scene war interessant. Der Zeuge sagte von sich selbst, er habe sein Vaterland gerettet, habe die erste Idee der Revolution gehabt und habe Ihre Majestäten auf den Thron gesetzt. Dann versuchte er zu beweisen, daß durch die Machinationen des Lord Geheimsiegelbewahrers sein Leben gefährdet worden sei, ein Versuch, der sein Ziel gänzlich verfehlte und auf Den zurückfiel, von dem er ausgegangen. Hampden mußte eingestehen, daß er seine Gattin zu dem Manne, gegen den er jetzt auftrat, geschickt hatte, um seine Fürsprache zu erbitten. „Ist es nicht sonderbar,” sagte Halifax, „daß Sie die Verwendung eines Mannes nachsuchten, dessen Machinationen Ihren Kopf in Gefahr gebracht hatten?” — „Keineswegs,” erwiederte Hampden, „denn an wen anders hätte ich mich wenden sollen als an die Männer, welche am Ruder waren? Ich wendete mich an Lord Jeffreys, ich wendete mich an Pater Petre und zahlte ihnen sechstausend Pfund für ihre Dienste.” — „Nahm Lord Halifax ebenfalls Geld?” — „Nein, das kann ich nicht sagen.” — „Und sandten Sie nicht Ihre Gemahlin zu ihm, Mr. Hampden, um ihm für seine Güte zu danken?” — „Ja, ich glaube, dies that ich,” antwortete Hampden; „aber ich wüßte nicht daß diese Güte einen reellen Nutzen für mich gehabt hätte. Wäre dem nicht so, so würde ich Mylord verbunden sein, wenn er mir sagen wollte, worin dieser Nutzen bestanden hätte.” So schmählich das Auftreten dieses entarteten Erben eines berühmten Namens vor den Schranken der Old Bailey gewesen war, vor dem Mordausschusse spielte er eine noch schmählichere Figur.[31] Es ist eine erfreuliche Erscheinung, daß eine Person, die viel schwerere Unbill erfahren hatte, deren Character aber von dem seinigen weit verschieden war, die hochherzige Lady Russell, gegen die Ungerechtigkeit remonstrirte, mit der die extremen Whigs Halifax behandelten.[32]

Johann Hampden’s Bosheit war indessen weder ermüdet noch beschämt. Wenige Tage später hielt er in einem Ausschusse des gesammten Hauses der Gemeinen zur Inbetrachtnahme der Lage der Nation eine hämische Rede, in der er alles Mißgeschick des Jahres dem Einflusse der Männer zuschrieb, welche in den Tagen der Ausschließungsbill vom Parlamente getadelt worden seien, der Männer, die zwischen Jakob und Wilhelm die Vermittler hätten spielen wollen. Der König, sagte er, müsse sämmtliche drei Cavaliere, welche nach Hungerford gesandt worden seien, um mit ihm zu unterhandeln, aus seinem Staatsrathe und aus seiner Nähe entfernen. Hierauf sprach er von der Gefahr, Männer von republikanischen Grundsätzen anzustellen. Dies sollte ohne Zweifel eine Anspielung auf den Hauptgegenstand seiner unversöhnlichen Bosheit sein, denn es war wohlbekannt, daß Halifax, obwohl von Natur gewaltsamen Veränderungen abgeneigt, in seinen politischen Ansichten ein Republikaner war und oft sehr geistreich und humoristisch gegen die erbliche Monarchie sprach. Die einzige Wirkung des gegen ihn gerichteten Ausfalls bestand jedoch darin, daß er ein höhnisches Gelächter hervorrief. Wie konnte ein Hampden, der Enkel des großen Führers des Langen Parlaments, ein Mann, der sich rühmte, mit Algernon Sidney gegen das königliche Haus conspirirt zu haben, das Wort Republikaner als einen Ausdruck des Vorwurfs gebrauchen! Als der Sturm des Gelächters sich gelegt hatte, standen mehrere Mitglieder auf, um den angeklagten Staatsmann zu rechtfertigen. Seymour erklärte, daß, so sehr er auch die Art und Weise, wie die Verwaltung in der letzten Zeit geführt worden sei, mißbillige, er dem vom Johann Hampden vorgeschlagenen Beschlusse doch nicht beitreten könne. „Blicken Sie wohin Sie wollen,” sagte er, „auf Irland, auf Schottland, auf die Flotte, auf die Armee, überall werden Sie reichliche Beweise von schlechter Verwaltung finden. Wenn der Krieg von den nämlichen Händen fortgeführt wird, so haben wir nichts Besseres als eine Wiederholung der nämlichen Unfälle zu erwarten. Aber ich bin nicht geneigt, Männer wegen der besten Handlung, die sie in ihrem Leben gethan, zu verdammen, Männer deshalb zu verdammen, weil sie versuchten, durch rechtzeitiges Vermitteln einer Revolution vorzubeugen.” Ein andrer Sprecher sagte ganz richtig, daß Halifax und Nottingham ins holländische Lager gesandt worden seien, weil sie das Vertrauen der Nation besessen und weil sie allgemein als Feinde der Dispensationsgewalt, der papistischen Religion und des französischen Einflusses bekannt gewesen seien. Es wurde endlich beschlossen, daß der König in allgemeinen Ausdrücken ersucht werden solle, die Urheber der neuerlichen Mißgriffe ausfindig zu machen und zu entfernen.[33] Es wurde ein Ausschuß zur Entwerfung der Adresse ernannt, und Johann Hampden, als Präsident desselben, setzte eine Vorstellung in so hämischen Ausdrücken auf, daß bei Verlesung derselben im Hause der Gemeinen sein eigner Vater sich mißbilligend darüber äußerte und ein Mitglied ausrief: „Das soll eine Adresse sein? Ein Libell ist es!” Nach einer heißen Debatte wurde die Adresse wieder an den Ausschuß verwiesen und nicht wieder erwähnt.[34]

Die Erbitterung, welche ein großer Teil des Hauses gegen Halifax empfunden, begann in der That nachzulassen. Es war bekannt, daß er bereits aufgehört hatte, ein vertrauter Rathgeber der Krone zu sein, obgleich er das Geheimsiegel noch nicht förmlich abgegeben. Die Macht, die er während der ersten Monate der Regierung Wilhelm’s und Mariens besessen, war auf den kühneren, minder skrupulösen und praktischeren Caermarthen übergegangen, gegen dessen Einfluß Shrewsbury vergebens ankämpfte. Persönlich stand Shrewsbury sehr hoch in der königlichen Gunst; aber er war ein Oberhaupt der Whigs und wurde, wie alle Parteiführer, oft wider seinen Willen von Denen vorwärts getrieben, die ihm folgen zu wollen schienen. Er selbst war zu einer milden und gemäßigten Politik geneigt, aber er besaß nicht die nöthige Festigkeit, um der geräuschvollen Zudringlichkeit, mit der Politiker wie Johann Howe und Johann Hampden Rache an ihren Feinden verlangten, Widerstand zu leisten. Sein Rath hatte daher zu dieser Zeit wenig Gewicht bei seinem Gebieter, der die Tories zwar weder liebte noch ihnen traute, aber fest entschlossen war, sie nicht zu proscribiren.

Unterdessen beschlossen die Whigs, die sich bewußt waren, neuerdings in der Meinung des Königs sowohl wie der Nation gesunken zu sein, einen kühnen und schlauen Versuch zu machen, von Beiden unabhängig zu werden. Ein genauer Bericht über diesen Versuch kann aus dem spärlichen und weit verstreuten Material, das auf uns gekommen ist, nicht zusammengestellt werden. Doch ist die Geschichte auch so wie sie auf uns gekommen, immerhin interessant und lehrreich.

Die Corporationsbill.

Eine Bill zur Wiederherstellung der Rechte derjenigen Corporationen, welche unter den beiden letzten Regierungen ihre Gemeindeverfassungen der Krone zurückgegeben hatten, war im Hause der Gemeinen eingebracht, von Männern aller Parteien mit allgemeinem Beifall begrüßt, zweimal verlesen und einem gewählten Ausschuß überwiesen worden, dessen Präsident Somers war. Am 2. Januar erstattete Somers seinen Bericht. Die Tories waren nur in geringer Zahl anwesend, denn da keine wichtige Discussion in Aussicht stand, hatten viele Landgentlemen die Stadt verlassen, um am Kamin ihrer Schlösser das Weihnachtsfest heiter zu feiern. Die eifrigen Whigs dagegen waren stark vertreten. Sobald der Bericht über die Bill erstattet war, erhob sich Sacheverell, der in den stürmischen Parlamenten Karl’s II. als einer der Talentvollsten und Heftigsten unter den Exclusionisten berühmt gewesen war, und beantragte die Hinzufügung einer Klausel, welche bestimmte, daß jeder Municipalbeamte, der in irgend einer Weise an der Abtretung der Gerechtsame eines Burgfleckens Theil gehabt, sieben Jahre lang unfähig sein sollte, ein Amt in diesem Burgflecken zu bekleiden. Die Verfassung fast jeder incorporirten Stadt in England war während des glühenden Anfalls von Loyalität, der auf die Entdeckung des Ryehousecomplots gefolgt war, umgestaltet worden, und in fast jeder solchen Stadt hatten die Tories dafür gestimmt, den Freibrief zurückzugeben und Alles der väterlichen Fürsorge des Souverains zu überlassen. Die Wirkung von Sacheverells Klausel war daher die, daß einige Tausend der reichsten und angesehensten Männer des Königreichs sieben Jahre hindurch unfähig waren, an der Verwaltung ihrer Wohnorte irgend welchen Antheil zu nehmen, und daß der Whigpartei auf sieben Jahre ein überwiegender Einfluß bei den Burgfleckenwahlen gesichert wurde.

Die Minorität protestirte laut gegen die grobe Ungerechtigkeit, zu einer Zeit wo London verödet war, mit hastiger Eil und wie durch Ueberrumpelung ein Gesetz von höchster Wichtigkeit zu erlassen, ein Gesetz, das rückwirkend eine harte Strafe über viele hundert achtbare Gentlemen verhängte, ein Gesetz, als in jeder Stadt, von Berwick bis St. Ives die heftigsten Leidenschaften aufregen und das einen sehr ernsten Einfluß auf die Zusammensetzung des Hauses selbst haben mußte. Die einfachsten Schicklichkeitsrücksichten verlangten wenigstens einen Aufschub. Dieser wurde beantragt, der Antrag aber mit hundertsiebenundzwanzig gegen neunundachtzig Stimmen verworfen. Hierauf wurde die Frage gestellt, ob Sacheverell’s Klausel einen Bestandtheil der Bill bilden solle, und mit hundertdreiunddreißig gegen sechsundsechzig Stimmen bejaht. Sir Robert Howard stellte nun sofort den Antrag, daß Jeder, der, nachdem er nach der Sacheverell’schen Klausel zur Bekleidung eines städtischen Amtes unfähig geworden, sich dennoch erkühne, ein solches Amt zu übernehmen, eine Geldbuße von fünfhundert Pfund verwirken und für seine ganze Lebenszeit unfähig sein sollte, irgend ein öffentliches Amt, welcher Art es auch sei, zu bekleiden. Die Tories wagten es nicht, darüber abstimmen zu lassen.[35] Nach den Regeln des Hauses stand es in der Macht einer Minorität, den Gang einer Bill zu hemmen, und dies war gewiß eine von den sehr seltenen Gelegenheiten, wo die Ausübung dieser Befugniß ganz am rechten Orte gewesen wäre. Die parlamentarischen Taktiker der damaligen Zeit scheinen jedoch nicht gewußt zu haben, in wie weit eine kleine Anzahl Mitglieder den Gang eines Geschäfts aufhalten kann, ohne irgend eine Form zu verletzen.

Es wurde auf der Stelle beschlossen, daß die durch Sacheverell’s und Howard’s Klauseln erweiterte Bill mundirt werden solle. Die heftigsten Whigs hätten sie am liebsten binnen achtundvierzig Stunden definitiv angenommen. Es stand allerdings nicht zu erwarten, daß die Lords sie mit günstigen Augen ansehen würden; aber einige desperate Männer schienen sich vorgenommen zu haben, die Geldbewilligungen vorzuenthalten, bis sie angenommen war, ja sogar sie der Bewilligungsbill einzuverleiben und so das Oberhaus in die Nothwendigkeit zu versetzen, entweder in eine umfassende Proscription der Tories zu willigen, oder der Regierung die Mittel zur Fortsetzung des Kriegs zu verweigern.[36] Viele Whigs waren jedoch so rechtschaffen, daß sie der Gegenpartei offenes Spiel gönnen wollten, und klug genug, um zu wissen, daß ein durch Gewalt und List erlangter Vortheil nicht von Dauer sein konnte. Diese Männer bestanden darauf, daß man bis zur dritten Lesung mindestens acht Tage verstreichen lassen solle, und sie setzten dies auch durch. Ihre minder skrupulösen Verbündeten beklagten sich bitter, daß die gute Sache verrathen werde. Was seien dies für neue Kriegsgesetze? Warum wolle man gegen Feinde, die keine Kriegslist für unmoralisch hielten und welche nie Pardon gegeben hätten, eine chevalereske Courtoisie beobachten? Und sei etwas geschehen, was nicht in genauester Uebereinstimmung mit der Parlamentsordnung stehe? Diese Ordnung wisse nichts von kurzen und langen Notificationen, von schwach besetzten und vollen Häusern. Es sei Pflicht des Volksvertreters an seinem Platze zu sein. Wenn es ihm beliebe, auf seinem Landsitze zu jagen und zu zechen, während zu Westminster wichtige Dinge berathen würden, mit welchem Rechte könne er dann darüber murren, daß redlichere und fleißigere Diener der Oeffentlichkeit in seiner Abwesenheit eine Bill annahmen, die ihnen für das Gemeinwohl nothwendig erschienen war? Da sich indessen ein Aufschub von einigen Tagen als unvermeidlich herausstellte, so leugneten Diejenigen, welche beabsichtigt hatten, den Sieg durch eine List zu erringen, jetzt diese Absicht. Sie versicherten dem Könige, der nicht umhin konnte, einiges Mißfallen an ihrer Handlungsweise zu äußern und dessen Unwillen viel stärker war als er ihn blicken ließ, auf das Feierlichste, daß sie der Ueberraschung nichts verdankten und daß sie auch in dem gefülltesten Hause einer Majorität ganz gewiß seien. Sacheverell soll mit großer Lebhaftigkeit erklärt haben, daß er seinen Sitz verwetten und nie wieder sein Gesicht im Parlamente zeigen wolle, wenn er sich geirrt habe. Anfangs war man in der That allgemein der Ansicht, daß die Whigs den Sieg davon tragen würden. Bald aber zeigte es sich klar, daß ein harter Kampf bevorstehe. Die Briefposten hatten nach allen Richtungen hin die Nachricht mitgenommen, daß die Gemeinen am 2. Januar ein rückwirkendes Strafgesetz gegen die ganze Torypartei bewilligt hätten und daß dieses Gesetz am 10. zum letzten Male in Erwägung genommen werden solle. Das ganze Königreich von Northumberland bis Cornwall gerieth in Aufruhr. Hundert Ritter und Squires verließen ihre mit Mistel- und Stechpalmenzweigen geschmückten Hallen und ihre unter der Last der Bratenteller und Suppenschüsseln zusammenbrechenden Tafeln und eilten, die kurzen Tage, das kalte Wetter, die schlechten Wege und die schurkischen Whigs verwünschend, nach der Hauptstadt. Auch die Whigs zogen Verstärkung an sich, doch nicht in gleichem Umfange, denn die Klauseln waren im allgemeinen unpopulär, und das nicht ohne guten Grund. Kein Billigdenkender, welcher Partei er auch angehören möge, wird leugnen, daß die Tories einen großen Fehler begingen, indem sie alle Municipalgerechtsame des Landes und damit zugleich die Befugniß, die Verfassung des Hauses der Gemeinen zu ändern, der Krone zurückgaben. Doch hatte die Nation an diesem Fehler selbst mit Schuld. Wenn die Mayors und Aldermen, deren Bestrafung jetzt beantragt wurde, sich zu der Zeit, als die Loyalitätsfluth am höchsten stand, trotzig geweigert hätten, dem Willen ihres Souverains nachzukommen, so würde man sie auf offener Straße als schurkische Rundköpfe bezeichnet haben, der Rector würde auf der Kanzel vor ihnen gewarnt haben, sie würden in Spottliedern verhöhnt und wahrscheinlich vor ihren eigenen Thüren in effigie verbrannt worden sein. Es ist allerdings ein großer Uebelstand, daß eine Gesellschaft abwechselnd durch die Furcht vor Tyrannei und durch die Furcht vor Anarchie zu Verirrungen getrieben werden kann. Aber diesem Uebelstande ist nicht dadurch abzuhelfen, daß man wegen solcher Verirrungen einige Personen bestraft, welche mit den Uebrigen fehlten und später ihren Fehler mit den Uebrigen bereueten. Auch hätte man nicht vergessen sollen, daß die Uebelthäter, gegen welche Sacheverell’s Klausel gerichtet war, die Sünden, die sie 1683 begangen, im Jahre 1688 reichlich wieder gut gemacht hatten. Sie hatten sich, als Gesammtheit, energisch gegen das Dispensationsrecht erhoben, und die meisten von ihnen waren wirklich von Jakob ihrer städtischen Aemter entsetzt worden, weil sie sich geweigert hatten, seine Politik zu unterstützen. Es ist daher kein Wunder, daß der Versuch, über alle diese Männer ohne Ausnahme eine schimpfliche Strafe zu verhängen, einen Sturm des öffentlichen Unwillens heraufbeschwor, dem viele whiggistische Mitglieder des Parlaments nicht geneigt waren zu trotzen.

Mit dem Herannahen des entscheidenden Kampfes und dem Anwachsen der zurückkehrenden Tories vermehrte sich die Besorgniß Sacheverell’s und seiner Verbündeten. Sie sahen ein, daß sie kaum auf einen vollständigen Sieg hoffen durften, daß sie ein Zugeständniß machen, die Zurückweisung der Bill an den Ausschuß vorschlagen und sich bereit erklären mußten zu erwägen, ob zwischen den Hauptsündern und den Vielen, welche durch böses Beispiel verleitet worden waren, ein Unterschied zu machen sei. Aber in dem Maße wie der Muth der einen Partei sank, stieg der Muth der andren. Die von nur zu gerechtem Unwillen erfüllten Tories beschlossen, auf keine Vergleichsvorschläge zu hören.

Der 10. Januar erschien und noch vor dem späten Tagesanbruch dieser Jahreszeit war das Haus gedrängt voll. Mehr als hundertsechzig Mitglieder waren binnen einer Woche nach der Hauptstadt gekommen. Von der Morgendämmerung an bis die Lichter tief herabgebrannt waren, blieben die Reihen dicht geschlossen, und nur wenige Mitglieder verließen ihre Plätze, außer auf einige Augenblicke, um ein Stück Brod oder ein Glas Wein zu sich nehmen. Boten standen bereit, um das Resultat nach Kensington zu bringen, wo Wilhelm trotz eines heftigen Hustens in gespannter Erwartung bis Mitternacht aufsaß und an Portland schrieb, den er in einer wichtigen Angelegenheit nach dem Haag geschickt hatte.

Der einzige noch vorhandene Bericht über die Debatte ist unvollständig und verworren. Doch läßt sich soviel daraus erkennen, daß die Aufregung groß war und daß sehr starke Aeußerungen fielen. Ein junges whiggistisches Mitglied führte eine so heftige Sprache, daß er in Gefahr war, vor die Schranke gefordert zu werden. Der Sprecher wurde mehrmals getadelt, daß er seinen Freunden zuviel Freiheit gestatte. Es kam jedoch eigentlich nicht viel darauf an, ob er die Uebertreter zur Ordnung rief oder nicht. Das Haus war schon längst völlig unlenksam, und alte Mitglieder vermißten schmerzlich den würdevollen Anstand der Debatte und die Autorität des Präsidentenstuhls vergangener Zeiten.[37]