Gespenster-Krimi 11 - Earl Warren - E-Book

Gespenster-Krimi 11 E-Book

Earl Warren

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Beschreibung

Die Voodoo-Königin
von Earl Warren

Das Telefon klingelte. Nick Blake erwachte, gähnte ausgiebig und warf einen Blick auf die Leuchtziffern der Armbanduhr auf dem Nachttisch. Es war genau Mitternacht.
Ärgerlich stand er auf, ging in sein Arbeitszimmer und nahm den Hörer ab. "Blake."
"Bist du es, Nick? Hier spricht Oren, Doktor Oren Marshall."
"Hallo, Oren, altes Haus, ewig nichts von dir gehört. Weißt du, wie spät es hier ist?"
"Klar, Nick. Hör mir bitte zu und unterbrich mich nicht. Ich rufe von New York aus an, vom Kennedy-Airport. Meine Maschine geht in wenigen Minuten. Ich bin auf dem Weg nach Port-au-Prince. Eine wichtige Sache, Regierungsangelegenheiten. Doch darum geht es jetzt nicht. Du erinnerst dich an die Studien, die wir in Harvard betrieben? Unser Hobby?"
Nick Blake lachte. "Deshalb rufst du mich um Mitternacht an? Wegen der parapsychologischen Verrücktheiten während unserer Studentenzeit?"

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Voodoo-Königin

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati/BLITZ-Verlag

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7772-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Voodoo-Königin

von Earl Warren

Das Telefon klingelte hartnäckig. Nick Blake erwachte, gähnte ausgiebig und warf einen Blick auf die Leuchtziffern der Armbanduhr auf dem Nachttisch. Es war genau Mitternacht.

Ärgerlich stand er auf und ging in sein Arbeitszimmer. Die Tür stand offen. Er trat an den Schreibtisch und nahm den Hörer ab. »Blake.«

»Nick? Hier spricht Oren, Doktor Oren Marshall.«

»Hallo, Oren, altes Haus, ewig nicht mehr gesehen. Wie geht es dir denn? Weißt du, wie spät es hier ist?«

»Klar, Nick. Hör mir bitte zu. Ich bin in New York, auf dem Kennedy-Airport. Meine Maschine geht in wenigen Minuten. Ich fliege nach Port-au-Prince. Eine wichtige Sache, Regierungsangelegenheiten. Doch darum geht es jetzt nicht. Du erinnerst dich an die Studien, die wir in Harvard betrieben? Unser Hobby?«

Nick Blake lachte. »Deshalb rufst du mich um Mitternacht an? Wegen der parapsychologischen Verrücktheiten während unserer Studentenzeit?«

Er hörte das hastige, stoßweise Atmen des Mannes, von den ihn viele Meilen und der Ozean trennten. Trotz der Entfernung und des leisen Rauschens in der Leitung spürte er plötzlich die echte Angst und Sorge in der Stimme seines Gesprächspartners. Dr. Oren Marshall, Spezialist für Kernphysik und Kybernetik, Anwärter auf den Nobelpreis, einer der hervorragendsten Wissenschaftler im Dienste des Pentagons, war alles andere als ein Fantast. Wenn er ein nächtliches Telefongespräch über Parapsychologie für nötig hielt, hatte das einen realen Hintergrund.

»Ich werde verfolgt. Nick, ich weiß um ein furchtbares Geheimnis, und man will mich beseitigen. Der Mann, der es tun soll, ist an Bord meines Flugzeugs. Er wird mich in den nächsten Stunden erledigen wollen.«

»Dann nimm doch ein anderes Flugzeug. Oder lass ihn unter einem Vorwand verhaften.«

»Ich muss diesen Flug nehmen. Ich muss noch vor zwölf Uhr Ortszeit in Port-au-Prince sein. Sollte mir etwas zustoßen, Nick, dann musst du zur Caribic Commission gehen. Lass dich nicht abweisen, egal was geschieht. Sag ihnen … sag ihnen …«, die Stimme des Mannes klang fast wie ein Schluchzen, »… dass das Unternehmen Death die gesamte Menschheit gefährdet. New York fällt in Schutt und Asche. Der dritte Weltkrieg bricht aus. Und aus den Trümmern der Zivilisation entsteht ein Ungeheuer, wie es die menschliche Geschichte nicht kennt seit der dunkelsten Vorzeit!«

»Oren, du bist krank. Du musst krank sein. Du musst in ärztliche Behandlung, hörst du? Geh sofort zu einem Arzt. Deine Nerven sind …«

Wieder dieser seltsame schluchzende Ton.

»Meine Nerven sind okay, Nick. Wollte Gott, ich wäre verrückt! Oh, wie wünsche ich mir, dich in ein paar Stunden in Port-au-Prince zu sehen. Doch ich habe keine Hoffnung mehr für mich. Dieser Mann an Bord der Maschine … Er wird mich umbringen!«

»Dann lass ihn doch verhaften, zum Teufel. Du als Spitzenwissenschaftler mit deinen Verbindungen zum Pentagon …«

»Wie soll ich ihn denn verhaften lassen, wenn er tot ist? Er liegt in einem Zinksarg im Frachtraum. Doch er wird mich umbringen. Ich werde schon beobachtet. Keinem Menschen wage ich mich anzuvertrauen. Die Toten sind …«

Ein Knacken in der Leitung. Stille. Nick Blake schrie in den Hörer: »Oren! Oren! Oren!« doch es antwortete ihm niemand.

Er rief den Flughafen an und fragte, wann die New Yorker Maschine landen solle. Eine kühle Mädchenstimme antwortete ihm, dass die Ankunft der Maschine für drei Uhr zehn angekündigt sei. Eine Verspätung sei nicht zu erwarten.

Nick Blake bedankte sich. Er legte den Hörer auf, nahm eine Zigarette aus dem Kästchen auf dem Schreibtisch und zündete sie an. Er rauchte mit tiefen Zügen.

Ein unheimliches Gefühl beschlich ihn. Er knipste die Schreibtischlampe an. Die vertraute Unordnung auf seinem Schreibtisch, die nüchternen Unterlagen über Erzvorkommen in den unzugänglichen Gebieten des Landesinnern und ihre Ausbeutungsmöglichkeiten brachten ihn in die Wirklichkeit zurück.

Nick Blake war ein vielseitiger Mann. Er hatte zwei Doktortitel und war unter anderem auch Geologe. Für eine Gesellschaft in den Staaten stellte er zurzeit Unterlagen zusammen. Fiel sein Urteil positiv aus, dann würde sich die Gesellschaft um die Schürf- und Exportrechte bemühen.

Mehr und mehr kam Nick Blake zu der Überzeugung, dass sein alter Freund Oren Marshall psychisch krank sei. Er fasste den Entschluss, trotz der frühen Morgenstunde zum Airport zu fahren und Dr. Marshall sofort nach seiner Ankunft unter seine Obhut zu nehmen. Ein paar Wochen in psychiatrischer Behandlung, dann würde der Freund wieder hergestellt sein.

Nick Blake drückte die Zigarette aus. Er ging ins Schlafzimmer zurück. Als er den Lichtschalter drückte, schlug Sandra, seine Frau, die Augen auf.

»Oh Nick, mein Liebling«, stammelte sie, »ich habe so schrecklich geträumt. Von einem Flugzeug, das auf dem Meer zerschellt, und von vielen toten Menschen. Es war grauenhaft!«

Der Schrecken stand noch in ihren Augen. Nick Blake setzte sich neben sie auf das Bett. Er küsste Sandra. Sie war mehr als hübsch, eine Blondine mit zartem Teint und einer Figur, nach der sich alle Männer umdrehten. Das dünne Spitzennegligé verbarg nichts von ihrem Körper.

»Es war ein Traum, Liebling«, sagte Nick Blake und küsste sie wieder. »Schlaf weiter. Ich muss später zum Flughafen, einen wichtigen Mann abholen.«

Sandra Blake wusste, dass sie einen Mann geheiratet hatte, der in keinen Rahmen der Konvention passte. Daher stellte sie auch keine Fragen über die nächtliche Fahrt zum Airport. Das Grauen des schrecklichen Traumes saß noch zu tief in ihr. Sie wusste, dass es einige Zeit dauern würde, bis sie wieder schlafen konnte.

Sie nahm eine Modezeitschrift, die aufgeschlagen neben ihr auf dem Bett lag.

Nick Blake fluchte still in sich hinein. Der mitternächtliche Anruf, Dr. Oren Marshalls wirres Gerede, der Albtraum seiner Frau, das alles zusammen beunruhigte selbst seinen nüchternen und skeptischen Verstand.

Der unhandliche Zinksarg hatte im Laderaum keinen Platz mehr gefunden. Er stand im hinteren Teil der PAA-Maschine, wo die Passagiere ihn nicht sehen konnten. Die beiden Stewardessen, die auf dem Weg von und zu der Bordküche immer wieder an der Kabine vorbeikamen, in der der Sarg stand, konnten sich eines unangenehmen Gefühls nicht erwehren.

Der Raum, in dem der Sarg stand, diente verschiedenen Zwecken. Unter anderem gab es dort eine Liege, auf der Passagiere ruhen konnten, die krank waren oder denen schlecht geworden war. Dem Gerücht nach sollte der flotte Kopilot die Liege auch schon für andere Zwecke benutzt haben. Eine Bordapotheke befand sich ebenfalls in dem kleinen schmalen Raum.

Dr. Oren Marshall hatte seinen Platz am Mittelgang. Die Plätze waren nur zur Hälfte besetzt. Dr. Marshall hatte drei doppelte Whisky zur Stärkung getrunken. Er rauchte hastig und nervös. Ein Teil der Passagiere schlief, doch Dr. Marshall fand keine Ruhe. Seine Nerven waren in einem Zustand, der jeden Gedanken an Schlaf ausschloss.

Die hübschere der beiden Stewardessen, eine kleine Schwarzhaarige, die die Mütze keck auf den dunklen Locken trug, kam schnell den Mittelgang entlang. Im gedämpften Schein der Leuchtröhren war ihr Gesicht geisterhaft bleich.

Dr. Marshall hatte mit ihr gescherzt, als er seinen dritten Whisky bekam. Er fasste sie am Arm. »Was ist? Was haben Sie, hübsches Kind?«

Schroff machte sie sich frei. Dr. Marshall sah, wie sie die Tür zum Cockpit öffnete. Drei Minuten vergingen, dann kam sie wieder heraus. Ihr folgte der große, breitschultrige Kopilot, den Dr. Marshall bereits kannte. Er lachte sein jungenhaftes Lachen und schien sehr belustigt.

»Sie haben also ein Geräusch gehört, Jaqueline«, sagte der Kopilot. »Wenn Ihnen hier an Bord der Maschine überhaupt eine Gefahr droht, dann von mir. Vor einem Sarg in der Notarztkammer brauchen Sie sich wirklich nicht zu fürchten.«

Der Kopilot hatte so leise gesprochen, dass keiner der Passagiere auch nur ein Wort verstehen konnte. Er blinzelte Dr. Marshall zu, der bleich und mit sorgenvollem Gesicht dasaß, und folgte der Stewardess durch den Mittelgang. Der Kopilot betrachtete das appetitliche Hinterteil des schwarzhaarigen Mädchens. Er pfiff vergnügt vor sich hin.

Dr. Marshall wandte kurz den Kopf und sah dem Kopiloten und der Stewardess nach. Er wähnte den Sarg im Laderaum der Boeing und machte sich keine Gedanken über die beiden. Es konnte tausend Gründe geben, weshalb der Kopilot ins Heck der Maschine ging.

Dr. Marshall versuchte, seine Sorgen und seine Ängste zu verbannen. Er redete sich ein, dass niemand, tot oder lebendig, aus dem verschlossenen Laderaum herauskommen könne.

Der Kopilot und die bildhübsche Stewardess standen inzwischen vor der Tür der kleinen Kabine, in der der Sarg untergebracht war.

»Dann wollen wir doch mal reinschauen zu Mister Dracula«, sagte der Kopilot und zeigte lachend seine ebenmäßigen Zähne.

Er öffnete die Tür, betrat den kleinen Raum. Er verzog das Gesicht.

»Puh, das riecht hier!«

Eine Neonröhre an der kahlen Decke tauchte den Raum in grelles Licht. Unter der weißbezogenen Liege stand der Sarg, schwarz, klotzig, unförmig. Es gab einen Schrank, der an der Wand verschraubt war, und einen hellblauen Plastikvorhang, der einen Teil der schmalen Kabine abtrennte.

Die Stewardess warf einen Blick in die Kabine. Der Kopilot nahm ihren Arm, zog sie an sich und schloss die schwere Metalltür.

»Ich sagte doch, ich habe …«

»Ja, ja, mein Schätzchen«, sagte der braun gebrannte Kopilot, »ich weiß schon, weshalb du mich hierher gelotst hast. Du brauchst nicht so viel zu reden.«

Er versuchte, die junge Frau zu küssen, doch sie machte sich mit überraschender Kraft frei.

»Ich habe hier ein Geräusch gehört«, sagte sie, »und ich bleibe keinen Augenblick länger. Mach sofort die Tür auf!«

»Du bist wohl verrückt, Schätzchen«, sagte der Kopilot und griff wieder nach ihr. »Wer sollte hier wohl Lärm machen? Der da drin doch nicht mehr.«

Die Stewardess wich zurück bis zu dem hellblauen Vorhang, hinter dem sich unter anderem auch der Kasten der Sicherungsanlage befand. Von hier aus konnte im Heck des Flugzeugs das Licht ausgeschaltet werden.

Der Kopilot war jetzt wirklich ärgerlich.

»Immer dieses Getue!«, schimpfte er.

Zum ersten Mal sah er sich den Sarg genauer an. Merkwürdig, die Siegelplomben sahen aus, als sei er geöffnet worden. Der Kopilot bückte sich, nahm den Griff des Sargdeckels. Er hob den Deckel des schweren Zinksargs an – und starrte fassungslos hinein.

Der Sarg war leer!

Während er noch versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen, hörte er das schwarzhaarige Mädchen einen schrillen Schrei ausstoßen. Er fuhr hoch. Es war ihm, als sehe er eine Bewegung hinter dem hellblauen Plastikvorhang. Dann erlosch das Licht. Es war stockdunkel in der Kabine. Die Schreie der Stewardess gellten.

Plötzlich, mit einem erstickten Seufzer, verstummte sie. Er hörte, wie ihr Körper auf den Boden aufschlug. Es war still, ganz still und dunkel. Dieses Schweigen zerrte an den Nerven des Kopiloten. Da – etwas tappte durch die Kabine.

»Jaqueline?«, flüsterte der Kopilot. »Jaqueline?«

Keine Antwort. Die tappenden Schritte kamen näher.

Mit einem irren Schrei sprang der Kopilot zur Tür. Er streifte im Dunkeln einen Körper. Er packte die schwere Stahltür, wollte sie öffnen, da legte sich eine Hand schwer auf seine Schulter. Der Schreck durchraste ihn, und er spürte, wie sich ihm buchstäblich die Haare sträubten. Sein Nacken war taub und steif. Seine Glieder zitterten wie Espenlaub.

Er fiel nicht in Ohnmacht wie die Stewardess. Doch das Grauen lähmte ihn. Er stand da, starrte auf etwas, das schwärzer noch war als die Dunkelheit. Er brachte keinen Laut heraus und war zu keiner Gegenwehr fähig, als zwei große kalte Hände sich um seinen Hals legten.

Urplötzlich erlosch im Flugzeug das Licht. Dr. Oren Marshall rutschte hinüber auf den Fensterplatz. Während die übrigen Passagiere erregt durcheinanderredeten, war er still. Jetzt, wo das eingetreten war, was er schon so lange befürchtete, blieb er ganz ruhig. Der kalte Schweiß brach ihm aus, tränkte sein Hemd und drang durch das teure Jackett.

Dr. Oren Marshall zwang sich, den kleinen Diplomatenkoffer zu öffnen, der neben ihm gelegen hatte. Er entnahm ihm eine Taschenlampe und eine Pistole. Der kalte Metallgriff der 38er gab ihm etwas Zuversicht.

»Eine kleine Panne«, sagte die Stimme der Stewardess in die Dunkelheit, »bitte bleiben Sie alle ruhig sitzen. Wir werden die Ursache gleich gefunden haben.«

Jemand ging den Mittelgang entlang zum Cockpit. Dr. Marshall hörte die tappenden, gleichmäßigen Schritte. Jetzt war der Unbekannte an der Tür zum Cockpit.

»He, Sie dort«, sagte die Stewardess, »was wollen Sie an der Tür da? Setzen Sie sich auf Ihren Platz!«

Der Unbekannte antwortete nicht. Dr. Marshall hörte, wie die Tür geöffnet wurde. Er knipste die Taschenlampe an. Die Lichtbahn schnitt durch die Dunkelheit. Dr. Marshall sah gerade noch den Rücken eines Mannes, der ins Cockpit trat.

Dr. Marshall schoss. Die Detonationen der Schüsse dröhnten durch die Kabine. In dem weißen Stoff, der den Rücken des Mannes verhüllte, erschienen zwei Löcher wie hineingestanzt.

Die Tür wurde geschlossen. Eine Frau begann zu schreien. Vom Heck der Maschine leuchtete eine zweite Taschenlampe auf.

»Was ist hier los? Wer hat geschossen?«

Dr. Marshall rannte zur Tür, die zum Cockpit führte. Sie war von innen verschlossen. Er hämmerte wie von Sinnen mit den Fäusten gegen das kalte Metall. Er wurde zurückgerissen. Jemand nahm ihm die Pistole aus der Jackentasche. Eine Taschenlampe leuchtete ihm ins Gesicht.

»Sind Sie denn total verrückt, Mann?«, fragte ein Besatzungsmitglied. »Wegen des Kurzschlusses in der Lichtleitung brauchen Sie doch nicht gleich durchzudrehen. So geben Sie doch Ruhe!«

»Das war kein Kurzschluss«, stieß Dr. Marshall hervor. »Sie haben doch gesehen, wie er ins Cockpit gegangen ist. Er ist da drin beim Piloten. Er hat die Tür hinter sich verriegelt.«

»Der arme Teufel, dem Sie in den Rücken geschossen haben, wohl kaum«, sagte der Mann von PAA ernst. »Dafür werden Sie sich zu verantworten haben. Jack, der Pilot, wird die Tür schon wieder öffnen, wenn wir ihm sagen, dass hier alles okay ist.«

Da bäumte Dr. Marshall sich gegen den Griff der Hände auf, die ihn gepackt hielten, und er schrie ins grelle Licht der Stablampe: »Versteht ihr denn nicht? Er ist drinnen beim Piloten. Der Tote ist da drin im Cockpit!«

Die blonde Stewardess tippte sich an die Stirn.

Dr. Marshall begann zu brüllen: »Brecht die Tür auf! Brecht die Tür auf! So brecht doch endlich die Tür auf!«

Mehrere Männer hielten ihn fest, klammerten sich an seine Arme und Beine, pressten ihn auf den Boden.

Der Mann von der Besatzung klopfte an die Tür zum Cockpit. Er klopfte mehrmals, hämmerte mit der Faust dagegen.

»Jack«, rief er. »Jack!«

Nichts regte sich.

»Merkwürdig«, murmelte er. »Er müsste sich doch über Lautsprecher melden. Na, versuchen wir’s über die Sprechanlage.«

Er ging zum Heck der Maschine, und als er mitten im Gang stand, neigte sich das Flugzeug plötzlich. Im Sturzflug raste die Boeing auf den Ozean zu. Die Menschen an Bord des Flugzeugs purzelten durcheinander, fielen schreiend nach vorn.

Dr. Oren Marshall klammerte sich an einem Sitz fest. Er hatte die Augen geschlossen, die Zähne zusammengebissen. Er erwartete den furchtbaren Aufprall auf dem Wasser, das bei einem Sturz aus so großer Höhe hart sein würde wie Beton, und sein Ende.

Es war drei Uhr dreißig. Nick Blake saß in der Halle des Airports von Port-au-Prince. Er war todmüde. Gerade war eine Maschine nach Mangula gestartet. Von der planmäßigen Maschine aus New York hatte er noch nichts gehört.

Die hübsche Schwarze an der Information erklärte ihm auf Französisch, der Amtssprache des Landes, dass ihr nichts bekannt sei. Sie bat ihn, sich zu gedulden.

Nick Blake war übernächtigt. Er döste auf der harten Bank, musste sich zwingen, die Augen offen zu halten. Zu dieser frühen Stunde war die Halle leer bis auf die Leute an den Schaltern und den alten Mann, der die Halle ausfegte.

Nick Blake war in Port-au-Prince nie recht heimisch geworden. Er merkte jeden Tag, dass er zu einer verschwindend kleinen Minderheit gehörte.

»Würden Sie mitkommen in mein Büro, Monsieur?«

Nick schreckte auf. Ein großgewachsener Schwarzer mit ergrauendem Haar stand vor ihm. Er hatte ihn nicht kommen hören.

»Ich bin der Direktor des Airports, und ich habe Ihnen etwas mitzuteilen.«

Das Büro des Flughafenleiters war zweckmäßig und geschmackvoll eingerichtet. Der Mann stellte sich vor. Sein Name war Duchatel. Er bot Nick Blake einen Whisky an. Der lehnte ab.

»So früh am Morgen nicht.«

»Trinken Sie einen Schluck. Sie werden eine Stärkung brauchen, wenn Sie hören, was geschehen ist.«

»Handelt es sich um Doktor Marshall?«

Duchatel sah ehrlich bekümmert aus.

»Um ihn und alle anderen Passagiere, Monsieur Blake. Die Boeing ist aus bisher ungeklärten Gründen abgestürzt. Über den Bahamas nahe dem Wendekreis des Krebses. Eine Suchaktion wurde sofort eingeleitet, aber es besteht keine Hoffnung. Ein Sportfischer, der den Absturz beobachtete, sagte, die Maschine sei senkrecht im Sturzflug wie ein Stein aufs Wasser gekracht. Das kann keiner überlebt haben.«

»Mein Gott!«, sagte Nick Blake. Er war erschüttert. In seinem Kopf drehte sich alles. Der mitternächtliche Telefonanruf, Dr. Marshalls wirre Reden, seine Todesfurcht. Sandras Albtraum. »Ich muss ein Mitglied der Untersuchungskommission sprechen. Dr. Marshall war ein wichtiger Mann in den Staaten. Er hat mir kurz vor dem Start der Maschine eine Mitteilung gemacht.«

Interesse leuchtete in Duchatels Augen auf. Er nahm eine Zigarette aus der Packung auf dem Schreibtisch, entzündete sie und sah Nick Blake durch den aufsteigenden Rauch an.

»Welcher Art war diese Mitteilung?«

Blake weigerte sich, dem Flughafendirektor davon auch nur ein Wort zu berichten. Duchatel führte mehrere Telefongespräche, und eine Stunde später kamen zwei verschlafen aussehende Polizeibeamte zum Airport.

Der Ranghöhere, ein Capitaine des Sonderdezernats, war ein hochgewachsener und schlanker Kreole. Seine Finger waren lang und dünn wie die eines Pianisten. Ihn begleitete ein Leutnant. Er war sehr groß und wog sicher zwei Zentner.

Der Capitaine hieß Diaz, der Leutnant Ortegro.

»Was wissen Sie von dem Flugzeugunglück?«, fragte Capitaine Diaz, nachdem der Flughafenleiter das Büro verlassen hatte.

Langsam und bedächtig erzählte Nick Blake Wort für Wort, was Dr. Marshall ihm am Telefon gesagt hatte.

Die Gesichter der beiden Männer wurden immer ungläubiger, und als Blake geendet hatte, sagte Leutnant Ortegro: »Sie meinen also, dieser Tote hat Doktor Marshall umgebracht und den Absturz des Flugzeugs verursacht? Wird ja leicht sein, ihn zu finden. Wir brauchen nur die Friedhöfe umzugraben.« Er lachte lauter, als der Witz es verdiente.

Capitaine Diaz trommelte mit seinen langen, schlanken Fingern auf dem Schreibtisch.

»Haiti ist eine fortschrittliche Republik«, sagte er. »Hier glaubt niemand mehr an schwarze Magie und Zauber. Ich gebe zu, dass solche Sachen sich in den Magazinen in den Staaten gut verkaufen lassen, doch wir hier haben reale Probleme. Haben Sie uns sonst noch etwas zu berichten, Monsieur Blake?«

»Wer sind die Mitglieder der Caribic Commission?«

»Das ist ein Gremium von Finanzmagnaten, Wissenschaftlern und Politikern, die sich mit der wirtschaftlichen und politischen Struktur des Karibischen Raumes befassen. Sehr mächtige, angesehene und einflussreiche Männer. Sie befassen sich mit sehr realen Problemen und nicht mit makabren Projekten.«

»Eines würde mich interessieren, Capitaine: War ein Sarg mit einem Toten an Bord der Boeing?«

Der Leutnant nickte.