Gespenster-Krimi 13 - Earl Warren - E-Book

Gespenster-Krimi 13 E-Book

Earl Warren

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Beschreibung

Die Marionetten des Satans
von Earl Warren

Es war finstere Nacht, als Pablo Costa an die Tür des Hauses des alten Ignatio pochte. Es stürmte und regnete.
Erst nach einer ganzen Weile öffnete Ignatio. "Du hast dich in der letzten Zeit sehr rargemacht, Neffe", sagte er. "Ich sehe, dass du verstört bist. Was führt dich her?"
"Du musst mir das Geheimnis verraten, Onkel Ignatio", entgegnete der schmächtige junge Mann. "Ich will den Schwarzen Jezabel beschwören."
Es war, als hätte Ignatio Mesillo einen schweren Schlag erhalten. Er bekreuzigte sich mehrmals. Sein Gesicht war eine entsetzte Grimasse. "Nenne nicht diesen Namen, Neffe. Versündige dich nicht. Der Schwarze Jezabel, der Marionettenteufel, ist ein fürchterlicher Dämon. Wer sich mit ihm einlässt, beschwört das größte Unheil herauf und setzt sein Seelenheil aufs Spiel. Nichts auf dieser Welt kann schlimm genug sein, um die Beschwörung des Schwarzen Jezabel zu rechtfertigen."

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Marionetten des Satans

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati/BLITZ-Verlag

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7966-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Marionetten des Satans

von Earl Warren

Es war finstere Nacht, als Pablo Costa an die Tür des Hauses des alten Ignatio pochte. Er musste ein paar Mal rufen und seinen Namen nennen, ehe ihm aufgetan wurde. Ignatio hatte das Licht im Rücken und warf einen langen, bizarren Schatten.

Es stürmte und regnete.

»Du hast dich in der letzten Zeit sehr rar bei mir gemacht, Neffe«, sagte der alte Mann. »Ich sehe, dass du verstört bist. Was führt dich her?«

»Du musst mir das Geheimnis verraten, Onkel Ignatio«, sagte der schmächtige, junge Mann mit dem dunklen, regennassen Umhang. »Ich will den Schwarzen Jezabel beschwören.«

Es war, als hätte Ignatio Mesillo einen schweren Schlag erhalten. Er bekreuzigte sich mehrmals. Sein Gesicht war eine entsetzte Grimasse.

»Nenn nicht diesen Namen. Versündige dich nicht. Der Schwarze Jezabel, der Marionettenteufel, ist ein fürchterlicher Dämon. Wer sich mit ihm einlässt, beschwört das größte Unheil herauf und setzt sein Seelenheil aufs Spiel. Nichts auf dieser Welt kann schlimm genug sein, um die Beschwörung des Schwarzen Jezabel zu rechtfertigen.«

»So, meinst du?« Pablo Costa lachte bitter. »Ich will dir meine Geschichte erzählen, Onkel Ignatio. Außerdem, das Gerede über den Schwarzen Jezabel ist doch alles nur Geschwätz. Wenn die Sache mit den magischen Marionetten wahr ist und man die Vorsichtsmaßregeln beachtet, dann kann einem auch der Schwarze Jezabel nichts anhaben.«

»Sag nicht immer wieder diesen Namen. Komm herein, Neffe. Erzähl mir deine Geschichte und trink ein Glas Wein, damit du dich beruhigst. Wenn du aus Cadereyta kommst, hast du einen weiten Weg hinter dir. Bei Nacht ist er nicht ungefährlich.«

Pablo Costa winkte ab. An seinem Leben lag ihm nicht mehr viel. Er folgte dem größeren alten Mann in den Wohnraum des kleinen Hauses am Berghang. Es war eigentlich mehr eine Hütte, aus Fertigbausteinen zusammengemauert und weiß gekalkt.

Ignatio Mesillo lebte primitiv ohne fließendes Wasser und elektrisches Licht, wie es auch in den ländlichen Gegenden Mexikos schon längst zum Standard gehörte. Aber der Zweiundsechzigjährige wollte es nicht anders.

Der Regen prasselte an die Fensterläden, und der Wind heulte um das einsame Haus. Es war kurz vor elf Uhr abends. Ignatio Mesillo entzündete die Petroleumlampe im einfach eingerichteten Wohnzimmer.

Ein dunkel gebeizter Schrank, ein Bord an der Wand, zwei Stühle, ein Sessel, ein Tisch und ein handgeknüpfter Wollteppich, mehr gab es nicht in dem Zimmer. Ein paar Fotografien standen im Schrank und auf dem Bord. Sie zeigten Ignatios zwei Frauen, die gestorben waren, seinen Sohn, der weit weg in den Vereinigten Staaten wohnte, und seine lebte, die die Geburt ihres zweiten Kindes nicht überlebt hatte.

Die beiden Hochzeitsfotos Ignatios standen da. Auf einem war er ganz jung, auf dem zweiten älter. Auf einem weiteren Foto war er mit einer Marionette in der Hand zu sehen. Auf einem anderen sah man nur eine Marionette.

Der alte Ignatio holte eine Weinflasche und zwei Gläser. Er schenkte den roten Wein ein. Pablo leerte das Glas in einem Zug und hielt es Ignatio zum Nachschenken hin.

Seine Augen funkelten. Der Alte sah ihn forschend an und schenkte nach. Er setzte sich in den Rohrgeflochtenen Sessel, nahm seine Pfeife aus der Tasche und fing an, sie zu stopfen. »Erzähle«, murmelte er.

»Ich habe ein Recht darauf, über die Beschwörung des Schwarzen Jezabel Bescheid zu wissen«, sagte Pablo Costa trotzig. »Deine ganze Kunst des Marionettenspiels hast du mir beigebracht, Onkel. Weshalb soll ich dieses letzte Geheimnis nicht wissen?«

»Überhaupt kein Mensch sollte es wissen«, brummte Ignatio und entzündete mit einem Streichholz die Pfeife. »Auf keinen Fall werde ich es dir sagen, solange ich nicht über alles Bescheid weiß. Also, Neffe, was ist los?«

Pablo Costa seufzte tief.

»Es ist wegen Carmen Gutierrez«, sagte er. »Sie hat mich verlassen. Ich bin nur … nur ein Puppenspieler. Ein Mann, der auf einer Bühne Marionettenstücke vorführt, ein Träumer, ein Narr. Sie will nichts mehr von mir wissen. Sie hat sich Ramon Ortiz zugewandt, dem reichen Ramon Ortiz, dem die Hazienda und die Kupfermine gehören, der Supermarkt und die Bank.«

»Hat sie dir das gesagt, dass du ein Träumer wärst und ein Narr?«, fragte der alte Ignatio.

»Nein, aber sie meinte es. Ich habe es aus ihren Worten genau erkannt. Oh, Ignatio, mein Herz ist gebrochen. Wenn ich Carmen nicht zurückgewinne, will ich nicht mehr leben. Dann werde ich sterben.«

»Du bist verrückt. Du bist ein junger Mann, du wirst ein anderes Mädchen finden.«

»Keins wie Carmen. Hör zu, Onkel Ignatio. Ich bin davon überzeugt, dass Carmen im Moment nur verblendet ist. Ihr Verstand, nicht ihr Herz ist es, der ihr die Entscheidung für Ramon Ortiz diktiert. Sie liebt mich. Wäre ich kein Puppenspieler, würde sie mich heiraten. Sie hat mir ein Ultimatum gestellt: Entweder ich suche mir einen anderen Beruf, oder es ist vorbei mit uns. Ich habe es nicht ernst genommen, aber sie hat sich tatsächlich von mir abgewandt. Durch die Marionetten habe ich sie verloren. Sie müssen mir jetzt auch helfen, sie wiederzugewinnen.«

Ignatio Mesillo sog an seiner Pfeife.

»Die Marionettenbühne ist eine Welt für sich, Pablo«, sagte er. »Nicht jeder versteht sie. Manche halten das Marionettentheater für dumm und kindisch. Man kann sie nicht vom Gegenteil überzeugen, man muss ihnen ihre Meinung lassen. Wenn Carmen Gutierrez keinen Puppenspieler heiraten will, kannst du sie nicht zwingen. Unsere Kunst entschädigt für vieles, wenn man sie richtig ausübt.«

»Nicht für eine Frau. Carmen würde sich daran gewöhnen, die Frau eines Marionettenspielers zu sein. Mit der Zeit würde es ihr nichts mehr ausmachen. Ihre Eltern haben sie aufgehetzt, der geldgierige Sancho und die eingebildete Serafina. Carmen macht einen großen Fehler, wenn sie Ramon Ortiz heiratet. Sie wird nur unglücklich mit ihm. Und ich werde sterben.«

»Das wirst du nicht. Du liebst Carmen sehr, Pablo. Vielleicht wird dir ein paar Tage sterbenselend sein, du wirst nichts essen und fast nichts trinken. Aber du wirst nicht sterben. Irgendwann ist die Krise vorbei. Dir selbst etwas antun würdest du nicht, dazu kenne ich dich gut genug.«

Pablo Costa senkte den Blick. Ignatio Mesillo erkannte daran, dass er recht hatte. Sein Neffe war einundzwanzig Jahre alt, ein Weißer wie Ignatio selbst. Beide waren Mexikaner, und sie lebten seit ihrer Geburt in dem Bundesstaat Nuevo Leon.

In dem Ort Cadereyta, einige Kilometer von Monterrey entfernt im Monterrey-Tal. Pablo, der von Ignatio ausgebildet worden war, hatte eine gute Schulbildung, die Mittlere Reife, und er hatte auf Wunsch seines vor zwei Jahren verstorbenen Vaters eine Banklehre abgeschlossen.

Seine große Liebe aber gehörte dem Marionettentheater. Nach dem Tod seines Vaters hatte er sich ihm völlig zugewandt. Zuvor schon hatte er mehr Interesse an dem Puppenspiel gezeigt als an Schule und Lehre.

Jetzt war Pablo bei einem Marionettentheater in Monterrey fest angestellt, und an Sonn- und Feiertagen pflegte er in Cadereyta manchmal mit zwei Freunden Marionettenvorführungen in eigener Regie zu geben. Sein Traum war es immer gewesen, ein eigenes Marionettentheater zu besitzen und den Menschen Freude zu bringen.

Das Marionettentheater, bei dem Pablo arbeitete, führte dreimal in der Woche nachmittags ein Stück im Regionalprogramm des Fernsehsenders von Monterrey auf. Pablo war schon wiederholt positiv aufgefallen.

Er schrieb auch selbst Stücke und hatte eigene Ideen. Aber jetzt war er durch die Geschichte mit Carmen völlig aus der Bahn geworfen.

»Lass es, Pablo«, sagte Ignatio. »Vergiss die Sache mit der Beschwörung. Es ist ein Wahnsinn.«

Hart setzte Pablo sein Glas ab und stand auf. Er war mittelgroß und eher schmächtig, ein netter, introvertiert wirkender junger Mann. Ignatio Mesillo wusste aber, dass dieses eher unbedeutende Äußere trog.

Pablo war ein stilles, tiefes Wasser, zu starken Emotionen fähig, in der Liebe wie im Hass. Und er hatte einen starken Willen. Wenn man diesen jungen Mann zu sehr reizte, brachte er Dinge fertig, die ihm keiner zutraute.

»Ich werde mich nicht töten, Onkel Ignatio«, sagte Pablo, »und vielleicht werde ich auch nicht an meinem Liebeskummer sterben, obwohl ich es mir mit meinem gebrochenen Herzen im Moment nicht anders vorstellen kann. Aber wir sind geschiedene Leute, wenn du mir nicht die Möglichkeit gibst, meine geliebte Carmen zurückzugewinnen. Dann habe ich keinen Onkel mehr. Ich werde mein Lebtag kein Wort mehr mit dir sprechen, du wirst Luft für mich sein. Überlege es dir, und entscheide dich, ob du mir helfen willst oder nicht. Hier und jetzt.«

Ignatio erschrak. Er wusste, dass Pablo es ernst meinte. Der Junge würde wortwörtlich tun, was er sagte, der Alte kannte seinen Starrkopf. Er dachte an das, was Pablo von ihm verlangte. Er sollte ihn in das letzte und furchtbare Geheimnis der Marionettenspielerkunst einweihen.

Nur wenige wussten davon. War es wirklich so gefährlich, den Schwarzen Jezabel zu beschwören? Ignatio kannte keinen, der es versucht hätte. Es gab nur dunkle, schreckliche Gerüchte von schlimmen Ereignissen in vergangenen Zeiten.

»Ich kenne die Geschichten darüber, was denen widerfuhr, die den Marionettenteufel anriefen«, sagte Pablo, als hätte er die Gedanken des alten Mannes gelesen. »Aber das sind nur Ammenmärchen. Wenn an der Sache etwas dran ist und wenn man sich in Acht nimmt und die Macht nicht missbraucht, kann auch der Schwarze Jezabel nicht viel ausrichten.«

Ignatio rauchte. Er schwieg fast fünf Minuten.

»Ist es dein letztes Wort, dass du für immer mit mir brechen willst, wenn ich dir das Geheimnis nicht verrate, Pablo? Mit mir, deinem Onkel, der dich in die Kunst des Puppenspiels eingeweiht und dich alle Kniffe gelehrt hat?«

»Ja, Ignatio.«

»Also gut, dann werde ich dir sagen, wie du die Beschwörung vornehmen und die magischen Puppen anfertigen sollst. Aber ich warne dich. Der Schwarze Jezabel ist ein Teufel, und der Teufel betrügt immer, wenn man einen Pakt mit ihm schließt.«

»Es gibt auch Geschichten, bei denen der Teufel übertölpelt wurde. Ich glaube, du redest dir da etwas ein und übertreibst die Gefahr gewaltig, Onkel Ignatio.«

»Die Jugend weiß immer alles besser. Verfluche mich nicht, wenn du schlimme Folgen zu tragen hast, Pablo. Ich überlege, ob es nicht doch besser wäre, dir nichts zu sagen und deine Feindschaft und Ablehnung in Kauf zu nehmen.«

»Gerade hast du mir versprochen, dass du mir helfen willst, Onkel. Rede jetzt! Ich werde vorsichtig sein, und es wird nichts passieren.«

»Nun gut. Höre mir genau zu, Pablo.«

Cadereyta war ein Ort von rund viertausend Einwohnern im Monterrey-Tal. Der Boden war fruchtbar, und er wurde landwirtschaftlich genutzt. Von der Landwirtschaft abgesehen, gab es in Cadereyta nur ein paar kleinere Handwerksbetriebe, die Kupfermine und eine Fabrik, die Maschinenteile herstellte.

Sie war nicht groß. Die Mehrzahl der männlichen Einwohner fuhr morgens mit dem Bus in die Landeshauptstadt Monterrey zur Arbeit und kam abends wieder.

Pablo Costa suchte drei Tage nach seiner Unterredung mit Ignatio Mesillo Carmen Gutierrez auf. Er wollte einen letzten Versuch machen, sie umzustimmen. Ganz wohl war ihm nicht bei dem Gedanken, den Schwarzen Jezabel zu beschwören.

Aber wenn er bei Carmen anders nichts erreichen konnte, würde er es tun. Der Puppenspieler stellte seinen Motorroller vor dem Textilgeschäft der Gutierrez ab. Zwei Kinder, kleine Jungen, die auf der Straße spielten, kamen angerannt.

»El Muñecadero! El Muñecadero!«, schrien sie. »Spielst du am Sonntag wieder?«

El Muñecadero hieß Puppenmann, Marionettenspieler. Pablo beugte sich zu den Kindern hinab und strich ihnen über die schwarzen, struppigen Haarschöpfe. Der eine Junge war ein kleiner Indio, der andere ein Mestize.

»Diesen Sonntag nicht, aber den nächsten.«

»Was spielst du denn?«

»Die Geschichte von einem armen Mann, der eine Prinzessin liebt und viele Abenteuer bestehen muss. Ihr werdet dann sehen, ob er sie bekommt oder nicht.«

»Schön, El Muñecadero.«

Pablo nickte den Jungen noch einmal zu und ging in den Laden. Die Kinder mochten ihn. Pablo hatte an der Puppenspielerei nie etwas Ehrenrühriges gefunden, und er hielt es auch nicht für unmännlich, als Marionettenspieler sein Geld zu verdienen. Es war ein Broterwerb wie jeder andere und eine alte und schwierige Kunst.

Begabung und Hingabe gehörten dazu. Das Publikum merkte, ob ein Marionettenspieler mit dem Herzen bei der Sache war und sein Bestes gab oder ob er mechanisch und ohne Interesse spielte. Davon war Pablo überzeugt.

Er liebte seinen Beruf und fand ihn schön, denn er konnte die Menschen unterhalten, ihnen Freude bereiten oder sie nachdenklich stimmen. Er hatte sogar schon Leute zum Weinen gebracht mit seinem Spiel, worauf er sehr stolz war.

Andere dachten anders über das Marionettenspiel. Das merkte Pablo, als er in den Laden trat. Der dicke Sancho bediente zwei wählerische Kundinnen. Serafine saß an der Kasse. Sanchos Frau und Carmens Mutter war schön, aber man sah ihren Gesichtszügen den Hochmut und den dünkelhaften Stolz an.

»Sieh mal, wer da ist«, sagte sie zu ihrem Mann.

»Der Hanswurst vom Marionettentheater«, entgegnete der dicke Sancho. »Der Tändler, der hart arbeitenden Leuten mit seinem Unsinn die Zeit stiehlt. Na, Pablo Costa, was führt dich denn noch hierher zu uns?«

Der Zorn loderte in Pablo Costa auf wie eine heiße Flamme. Aber er beherrschte sich und verzog keine Miene.

»Ich will mit Carmen reden«, sagte er. »Nur eine kurze Aussprache.«

»Da gibt es nichts mehr zu bereden«, sagte Serafina schrill. »Geh zurück zu deinen Spielpuppen, mit denen kannst du reden.«

»Ja, scher dich aus dem Laden, Costa«, sagte Sancho barsch. »Wir wollen mit dir nichts mehr zu tun haben. Du hast uns lange genug zum Gespött gemacht, weil du unserer Carmen den Kopf verdreht hattest, dem dummen, unerfahrenen Ding. Nun, zum Glück ist sie noch rechtzeitig zur Besinnung gekommen. Ramon Ortiz hat ihr schon einen Verlobungsring gekauft.«

Sancho sagte das voller Behagen. Die beiden Kundinnen, ältere Frauen aus Cadereyta, musterten Pablo. In ihren Augen funkelten die Sensationsgier und die Schadenfreude, dass sie seine Niederlage miterleben durften.

»Ich will mit Carmen reden«, beharrte Pablo. »Ich gehe nicht fort, bevor ich mit ihr gesprochen habe.«

»Was, du willst auch noch frech werden, du Marionettenkasper? Hinaus mit dir, aber auf der Stelle, sonst werfe ich dich eigenhändig vor die Tür!«

»Vater, beruhige dich!«, sagte da eine Mädchenstimme. »Ich will mit Pablo reden, das bin ich ihm schuldig. Sei nicht immer gleich so ausfallend, wenn etwas nicht nach deinem Kopf geht.«

Carmen war durch die Tür im Hintergrund in den kleinen Laden getreten. Sie hatte Pablos Motorroller gehört. Einen Moment sah es so aus, als wolle der dicke Sancho auch gegen seine Tochter ein Donnerwetter loslassen. Aber ein herrischer Blick seiner Frau brachte ihn zum Schweigen.

»Meinetwegen«, brummte er. »Wenn du unbedingt mit ihm sprechen willst … Aber bleib nicht so lange, es gibt noch eine Menge zu tun im Laden. Wir müssen Inventur machen und notieren, was nachbestellt werden muss.«

»Ja, Vater.«

Carmen ging mit Pablo hinaus. Die Ladenglocke bimmelte. Es war später Nachmittag, die Sonne stand schon tief. Pablo und Carmen bummelten die Hauptstraße von Cadereyta entlang. Carmen hatte eine schlanke, biegsame Gestalt mit Kurven an den richtigen Stellen, schwarzes Haar, dunkle, feurige Augen und weiße Zähne. Ihre Lippen leuchteten rot.

Sie war das schönste Mädchen in Cadereyta, ein herrliches Geschöpf, das Pablo anbetete. Die Kehle wurde ihm trocken, wenn er Carmen ansah. Ihre Liebe war ein Traum gewesen, die Nächte der Leidenschaft, ihr schöner Körper …

Pablo glaubte, sterben zu müssen, wenn er Carmen nicht bekam. Sie sollte seine Frau werden, um jeden Preis.

Carmen trug einen leichten, bunt bedruckten Rock, eine helle Bluse und modische Pumps. Mit den hohen Absätzen war sie so groß wie Pablo.

»Was hast du mir zu sagen?«, fragte sie.

»Hast du … hast du es dir nicht noch einmal überlegt? Carmen, du bedeutest mir so viel. Unsere Liebe und alles …«

Pablo brach ab. Seine Leidenschaft und seine Verzweiflung ließen sich nicht in Worte lassen. Er sah zu den fernen Bergen, die das Monterrey-Tal umrahmten. Sie gehörten zur Sierra de Flores und waren ein Teil der Sierra Madre Occidental.

Hochragende, nackte Felsenberge. Nur an ihren unteren Hängen wuchs ein wenig Grün.

»Was gibt es noch zu überlegen?«, fragte Carmen spröde. »Du willst deinen Beruf nicht aufgeben, und ich will nicht die Frau eines Puppenspielers werden. Du bist intelligent, Pablo, warum machst du nichts Vernünftiges? Du könntest überall Karriere machen.«

»Wer sagt denn, dass das Marionettenspiel nichts Vernünftiges ist? Es ist eine Kunst, ich kann meine Fantasie bei dem Spiel schweifen lassen und meine Seele hineinlegen. Ich liebe meinen Beruf.«

»Pah, Beruf! Dieses alberne Herumgekaspere ist etwas für Kinder und Kindsköpfe. Nein, die Frau eines Puppenspielers werde ich nicht. Du kennst meine Einstellung, wir haben oft genug miteinander geredet. Wenn du deine Meinung nicht geändert hast, brauchen wir uns nicht weiter zu unterhalten.«

Es hatte keinen Zweck. Pablo konnte sich vorstellen, wie der dicke Sancho und Serafina gebohrt und gestichelt hatten. Sie waren tief vorgedrungen, sie hatten das Denken der achtzehnjährigen Carmen vergiftet. So sah es Pablo.

Carmen war jung und noch zu leicht zu beeinflussen, als dass Pablo eine Chance gehabt hätte. Die Wut stieg in ihm auf, schnürte seine Brust wie mit einem eisernen Ring zusammen.

»Sag mir nichts über meine Puppenspielerei!«, rief er und blieb stehen. Er sah Carmen in die Augen. »Wegen seines Geldes hast du dich Ramon Ortiz zugewandt. Du hast dich an ihn verkauft wie eine Hure.«

Klatsch!

Die Ohrfeige brannte auf Pablos Wange.

Carmen drehte sich um und ging davon. Einen Moment wollte Pablo ihr nachlaufen. Aber dann überlegte er sich, dass es keinen Zweck hatte. Sein Puppenspiel würde und konnte er nicht lassen. Für ihn war es die Erfüllung seines Lebens, ein Marionettenspieler zu sein.

Es gab nur noch ein Mittel, Carmen zurückzugewinnen. Pablo Costa wollte den Schwarzen Jezabel beschwören und die magischen Marionetten anfertigen. Die Menschen, die er beeinflussen wollte, würden ihm gehorchen wie die magischen Marionetten, die er dirigieren konnte, wie es ihm beliebte.

»Jezabel! Ich rufe dich, Schwarzer Jezabel! Ein Jünger deiner Kunst bedarf deiner Hilfe, Marionettenteufel!«

Pablo stand um Mitternacht am Kreuzweg bei der alten Kapelle aus der Spanierzeit, nordwestlich von Cadereyta in den Bergen. In der Nähe gab es eine alte, stillgelegte Silbermine. Blutgierige Yaquis hatten dort um 1800 ein Massaker unter den Minenarbeitern verübt.

Das Feuer aus dem Holz einer Friedhofseiche brannte, der magische Kreis war um das Feuer gezogen. Pablo hatte den Kreisbogen mit Blut abgesprengt. Mit dem Blut eines schwarzen Hahnes, dem er den Kopf nach Westen gedreht hatte.

Bei dem Feuer lagen ein Spiegel und ein halbes Dutzend noch unfertiger Marionettenpuppen. Man konnte nicht erkennen, ob sie Männer oder Frauen darstellen sollten.

Pablo ließ seine Mistelgerte um den Kopf kreisen, dass es zischte. Er zeigte mit der Gerte in alle vier Himmelsrichtungen.