Gespenster-Krimi 21 - Earl Warren - E-Book

Gespenster-Krimi 21 E-Book

Earl Warren

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Beschreibung

Im Tempel der Dämonen
von Earl Warren

Herman van Buyten lief der Schweiß in Strömen über die Stirn, als er die Spitzhacke schwang und die morsche Mauer endlich nachgab. Ein finsterer Gang tat sich vor ihm auf. Feuchtkalte Moderluft wehte heraus.
Die hübsche Chris Anderson schauderte. "Wollen wir da wirklich hinein?"
"Natürlich." Frankie Dassoon nahm die Öllampe auf. "Alles ist genauso, wie der Brahmane es uns sagte. Wir folgen dem Gang, gehen in die Kammer und sprechen die Worte. Dann tut sich die Geheimtür auf, und wir gelangen zu dem Schatz."
Er ging vorneweg. Die beiden anderen folgten ihm, bis sie an eine Tür aus massiven Holzbohlen kamen, die Dassoon öffnete. In dem großen, saalartigen Raum, den die drei nun betraten, roch es noch intensiver nach Moder und Fäulnis. An den Wänden standen Statuen bizarrer Götterfiguren mit dämonischen Fratzen ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Im Tempel der Dämonen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati/BLITZ-Verlag

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8402-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Im Tempel der Dämonen

von Earl Warren

Herman van Buyten lief der Schweiß in Strömen über die Stirn. Unverdrossen schwang er die Spitzhacke, bis die morsche Steinmauer endlich nachgab. Ein finsterer Gang gähnte. Feuchtkalte Moderluft wehte heraus.

Die hübsche Chris Anderson schauderte. »Wollen wir da wirklich hinein?«, fragte sie mit zaghafter Stimme.

»Natürlich«, erwiderte Frankie Dassoon und nahm die Öllampe auf. »Alles ist genauso, wie der Brahmane es uns sagte. Wir folgen dem Gang, gehen in die Kammer und sprechen die Worte. Dann tut sich die Geheimtür auf, und wir gelangen zu dem Schatz.«

Dassoon ging vorneweg. Die beiden anderen folgten ihm, bis sie an eine Tür aus massiven Holzbohlen kamen, die Dassoon öffnete. In dem großen, saalartigen Raum, den die beiden Männer und das Mädchen nun betraten, roch es noch intensiver nach Moder und Fäulnis. An den Wänden standen Statuen bizarrer Götterfiguren mit dämonischen Fratzen. Fresken waren in Wände und Decke eingehauen …

»Versuchen wir es«, sagte der kräftige Holländer van Buyten. »Sprechen wir die Formel, die der Brahmane uns gelehrt hat. Wenn er uns auf den Arm genommen hat, gehen wir eben wieder nach oben.«

Die drei riefen die magischen Worte in der uralten fremden Sprache. Sie wiederholten sie dreimal.

»Seht ihr«, sagte Dassoon und zuckte mit den Schultern. »Nichts pas…«

Ein Donnerschlag krachte. Frankie Dassoon wurde das Wort von den Lippen gerissen. Aus dem Nichts erschien plötzlich mitten in der Luft ein Totenschädel. Er glühte im Halbdunkel, als sei er mit Leuchtfarbe bestrichen. Die leeren Augenhöhlen des Totenschädels starrten die drei jungen Leute an. Die weißen Zahnreihen grinsten.

Chris Anderson stieß einen erstickten Schrei aus. Das blonde Mädchen, das ohne das seltsam geformte Feuermal auf der linken Gesichtshälfte bildhübsch gewesen wäre, wich bebend zurück.

Herman van Buyten, nicht eben der Schnellste im Denken, sperrte den Mund auf. Frankie Dassoons Hand zitterte so sehr, dass die Öllampe wackelte und die Schatten an den Wänden im schwankenden Lichtschein zu tanzen anfingen.

»Was ist das?«, fragte Chris Anderson mit vor Schreck tonloser Stimme.

»Pst«, zischte Dassoon, »nicht bewegen.«

Der Rat war unsinnig, aber die anderen befolgten ihn.

»Um Gottes willen«, sagte die blonde Chris.

Das Feuermal leuchtete noch intensiver in ihrem bleichen Gesicht. Ein geisterhaftes, hohles Seufzen scholl durch den Höhlensaal. Aus den leeren Augenhöhlen des Totenschädels quoll Blut. Rot rann es über die ausgebleichten Knochen und tropfte hinab auf den Boden.

»Nein«, stöhnte Chris Anderson. »Nein. Das darf es nicht geben.«

Irgendwo ertönte ein Gong. Der Klang hallte durch den Höhlensaal, und selbst die Steine schienen zu vibrieren. Den beiden jungen Männern und dem Mädchen fuhr der Gongschlag in die Knochen. Wie gebannt starrten sie den phosphoreszierenden Totenschädel mit den blutenden Augen an.

Wieder dröhnte der Gong.

In einer dunklen Nische, die den dreien bisher noch nicht aufgefallen war, glühte ein grünliches Licht auf.

»Ob das die Geheimtür ist?«, fragte van Buyten.

»Ruhig, verdammt!«

In der Nische stieg etwas vom Boden empor, bildete einen flimmernden, silbrig schimmernden Nebel, der allmählich Konturen gewann. Menschliche Konturen. Der Nebel verdichtete sich, wurde fest und stofflich.

Bald waren Farben und Umrisse zu erkennen. Vor ihnen stand ein kleiner alter Mann mit kahlgeschorenem Schädel und faltigem Gesicht, das Kinn herrisch erhoben. Er trug eine gelbe Kutte und stützte sich auf einen langen Stab. Seine Augen waren wie tiefe, dunkle Schächte.

Schweigend sah er Herman van Buyten, Chris Anderson und Frankie Dassoon an. Auf der linken Gesichtshälfte hatte der alte Mann ein Feuermal, das fast genauso aussah wie das von Chris Anderson.

Der unheimliche alte Mann starrte das Mädchen an. Er nickte.

»Ja«, sagte er, und merkwürdigerweise verstand jeder der drei jungen Leute die Worte in seiner Muttersprache. Herman van Buyten auf Holländisch, Chris Anderson in Oxford-Englisch und Frankie Dassoon in echtem Brooklyndialekt. »Du bist das Opfer. Du wirst meine Stelle einnehmen.«

Der alte Mann mit der gelben Kutte und dem Faltengesicht deutete mit seinem Stab auf Chris Anderson.

»Du hast das Dämonenzeichen«, sagte er. »Komm her zu mir, Mädchen.«

Eine übernatürliche Kraft ging von den dunklen bezwingenden Augen aus. Wider ihren Willen trat das blonde Mädchen mit dem Feuermal langsam an den alten Mann und die Nische heran.

Aus den Augenhöhlen des in der Luft schwebenden Totenkopfs tropfte kein Blut mehr. Die Augen begannen zu glühen wie Kohlen. Chris Anderson trat wie in Trance den von dem giftigen Leuchten eingehüllten Mann in der gelben Kutte gegenüber. Jetzt aus der Nähe sah sie, dass sein vom Feuermal entstelltes Gesicht von Bosheit, Grausamkeit und Fanatismus geprägt war.

Frankie Dassoon hatte Angst wie noch nie zuvor in seinem Leben. Seine Knie schlotterten, und sein Herz schlug hart wie ein Hammer gegen seine Rippen. Er schluckte krampfhaft. Der kalte Angstschweiß brach ihm aus.

Etwas Schreckliches stand bevor, das spürte Frankie Dassoon mit allen Fasern seines Herzens. Ihm war, als hätten seine Knochen sich in flüssiges Blei verwandelt. Er konnte sich nicht bewegen und stand vor Entsetzen an die Stelle gebannt.

Herman van Buyten stammelte unverständliche Worte. Er bekreuzigte sich mehrmals mit zitternder Hand.

Chris Anderson trat in die von grünlichem Licht erfüllte Nische, und der Alte ging heraus. Er holte mit dem Stab aus und stieß mit der Spitze wie mit einem Speer zu.

Das Holz drang dem blonden Mädchen in die Brust. Chris Anderson schrie auf, dass es in der Höhle widerhallte. Ihre Hände verkrampften sich um das harte Holz des Stabes. Das Gesicht mit dem Feuermal verzerrte sich.

Chris Andersons Schrei wurde zu einem Röcheln. Das blonde Mädchen brach in die Knie, und mit unbewegtem Gesicht zog der alte Mann den Stab aus ihrem Körper.

Blut spritzte. Chris Anderson sank in der Nische vornüber, fiel mit einer langsamen müden Bewegung auf das Gesicht und regte sich nicht mehr.

Jetzt brach der Bann, der auf Frankie Dassoon gelegen hatte.

»Sie haben Chris getötet!«, schrie der junge Mann. »Sie Ungeheuer!«

Der unheimliche Alte rief mit donnernder, widerhallender Stimme ein paar Worte in einer unbekannten Sprache. Im Dunkel im Hintergrund des gewaltigen Höhlensaals begann es sich zu regen. Schatten bewegten sich lautlos und schnell auf Herman van Buyten und Frankie Dassoon zu.

Van Buyten sah zuerst, was da in den Lichtkreis der Öllampe gelangte. Der abgebrühte Holländer, sicher nicht leicht zu beeindrucken und zu erschrecken, schrie auf.

Grässliche Ungeheuer waren es. Große Spinnen, wie noch kein Mensch im zwanzigsten Jahrhundert sie je in natura gesehen hatte. Die haarigen dicken Beine waren zwei Meter lang. Vier Augen, paarweise übereinander angeordnet, glotzten die beiden jungen Männer an, nichts Gutes verheißend.

Die vier Mundwerkzeuge zuckten.

An zweien glitzerten große Gifttropfen. Die haarigen Leiber der Spinnen waren dick wie große Fässer. Die vorderen der acht Gangbeine waren stark verkürzt und zu einer Art Grabschaufeln umgebildet.

Sechs dieser Ungeheuer rückten gegen van Buyten und Frankie Dassoon vor. Der Totenkopf mit den glühenden Augen und der unheimliche Alte beobachteten die Szene.

Bald schon befanden sich die Riesenspinnen dicht vor den beiden Männern. Während Herman van Buyten wie am Spieß schrie und wie angewurzelt dastand, sprang Dassoon mit einem wilden Satz über die vorderen Beine der Spinne rechts von ihm hinweg und raste zum Ausgang. Sofort wurde er von drei Spinnen verfolgt.

Dassoon hatte die Öllampe fallen lassen. Sie war zerbrochen. Das auslaufende Öl erstickte die Flamme des Dochts. Nur das grünliche Leuchten aus der Nische, in der Chris Anderson lag, erhellte noch etwas den unterirdischen Saal.

Dassoon packte die schwere Bohlentür. Ehe er sie zuschmetterte, warf er einen raschen Blick zurück. Herman van Buytens Schreien schwoll noch mehr an. Es erfüllte den ganzen Saal.

Frankie Dassoon warf die schwere Bohlentür zu und rannte den stockdunklen Gang entlang, den er wenige Minuten zuvor mit Herman van Buyten und Chris Anderson gekommen war. Selbst durch die dicke Tür waren die Schreie des Holländers noch zu hören.

Drei Spinnen waren über Herman van Buyten hergefallen. Lange haarige und harte Beinpaare hielten ihn fest. Eine der Grabschaufeln zuckte nieder und trennte van Buytens linken Arm kurz unter dem Ellbogengelenk ab.

Der Holländer, zu Boden gezwungen, sah drei Paar Giftzangen sich seinem Körper nähern. Er wurde fast wahnsinnig vor Grauen. Glühend drangen die Bisse in sein Fleisch. Wie Feuer brannte es, und das Brennen breitete sich rasch aus, erfüllte van Buytens ganzen Körper.

Ein Paar Giftzangen drang in seinen Hals, und die grässlichen Schreie des Holländers erstickten zu einem Gurgeln. Der gemarterte Körper bäumte sich noch einmal auf. Ein Blutschwall quoll aus van Buytens Armstumpf.

Dann endlich brachen seine Augen.

Der Tod war nach all dem Grauen eine Erlösung für den Holländer.

Die Fresswerkzeuge der Spinnen begannen zu arbeiten, aber Herman van Buyten spürte es nicht mehr.

Frankie Dassoon rannte währenddessen durch den finsteren Gang. Er stieß sich an den Wänden, stolperte und stürzte, raffte sich aber immer blitzschnell wieder auf und hetzte weiter. Sein Atem ging keuchend. Entsetzen presste sein Herz zusammen wie eine eisige Faust.

Jeden Moment glaubte Dassoon, die Riesenspinnen würden über ihn herfallen. Endlich erreichte er die Treppenstufen, die nach oben führten. Dassoon stürzte hart auf eine Kante. Er schlug sich die Kniescheibe so an, dass er glaubte, sie sei gebrochen.

Mit Tränen des Schmerzes in den Augen, die rechte Hand auf die schmerzende Kniescheibe gepresst, humpelte Frankie Dassoon die feuchten, schlüpfrigen Treppenstufen hinauf. Die Falltür zu der nach unten führenden Treppe stand offen.

Dassoon gelangte in die Ruine des alten Hindutempels, dessen Dach längst zerstört war. Über ihm leuchteten die Sterne. Es roch nach Moschus aus dem Dschungel, und Zikaden zirpten. Dassoon hockte sich auf einen Steinblock nieder und massierte seine schmerzende Kniescheibe.

Da sah er ein Funkeln über sich. Er zuckte entsetzt zusammen und blickte nach oben.

Über ihm schwebte der Totenkopf mit den glühenden Augen. Höhnisch bleckten seine Zähne Frankie Dassoon an.

Mit einem irren Schrei sprang der junge Mann auf, rannte aus dem Tempel, in kalten Angstschweiß gebadet, und verschwand im wuchernden Dschungel.

Harry Bannister trat voll auf die Bremse, als der Mann plötzlich von links aus dem Dschungel herauswankte und mitten auf die Fahrbahn lief, genau vor den Jeep. Sue Clayton wurde nach vorn geschleudert und konnte sich gerade noch abfangen, bevor sie mit dem Schädel gegen die Windschutzscheibe knallte.

Helm Trigger hatte weniger Glück. Er schlug sich ein paar Rippen am Vordersitz an. Er dachte sofort an seine teure Teleobjektivkamera.

»Verdammt, wenn die Kamera hin ist, erschlage ich den Kerl.«

Der bullige Fotoreporter hievte seine hundertneunzig Pfund aus dem Jeep und stampfte auf den Mann zu, der genau vor den Scheinwerfern zusammengebrochen war. Auf allen vieren hockte er da.

Trigger stieß ihn mit dem Fuß an. »He, Bursche, besoffen, was?«

Der am Boden kauernde Mann sah auf. Nackte Angst stand in seinem Gesicht und in dem gehetzten Blick. Er schnaufte wie ein Blasebalg.

»Sie … sie sind hinter mir her«, keuchte er. »Retten Sie mich!«

Harry Bannister war inzwischen auch ausgestiegen.

»Nanu«, wunderte sich der drahtige einsneunundsechzig große Reporter. »Wenn das kein Amerikaner ist! Hallo, Landsmann, wo kommst du her, und was ist passiert?«

»Die … die Spinnen. Sie haben van Buyten umgebracht. Und Chris Anderson ist auch tot. Schnell weg von hier, sie können jeden Augenblick kommen.« Mit angstverzerrtem Gesicht sah der junge, am Boden kauernde Mann auf die dunkle Wand des Dschungels außerhalb des Scheinwerferlichts.

Bannister blickte Trigger an und tippte sich an die Stirn. »Der spinnt. Komm, Trigger, hilf mir, ihn in den Jeep zu schaffen. Wir nehmen ihn mit in die Stadt, denn hier lassen können wir ihn schlecht.«

Die beiden ungleichen Männer packten den Erschöpften unter den Armen.

»Der zittert ja wie Espenlaub«, sagte Trigger halb mitleidig. »Der Kleidung, den langen Haaren und dem Bart nach scheint es ein Gammler zu sein. Die Kerle kommen heutzutage aber auch überallhin.«

»Red nicht so viel, und sieh zu, dass wir ihn in den Jeep kriegen«, sagte sein kleiner Kollege, der mit seinen hundertfünfundzwanzig Pfund neben dem bulligen Fotoreporter wie ein Konfirmand aussah. »Ich habe elenden Hunger und einen Durst wie eine Bande Kamele in der Wüste nach all dem Herumgekrauche in der Tempelruine. Los, auf den Rücksitz mit ihm.«

Frankie Dassoon hing apathisch im Griff der beiden Reporter. Sue Clayton betrachtete ihn vom Beifahrersitz aus. Da raschelte es im Dschungel, gerade als Bannister und Trigger Dassoon in den Jeep heben wollten.

»Sie kommen!«, schrie Dassoon und sprang mit einem Satz in den Jeep.

Er kauerte sich auf dem Rücksitz zusammen.

»Wirf doch mal den Colt rüber, Sue«, sagte Bannister, nun irritiert, »und die Taschenlampe.«

Sue Clayton nahm die .45er Colt-Government-Pistole aus der Ablage und die Stabtaschenlampe. Sie reichte beides Bannister. Der knipste die Taschenlampe an und richtete den Lichtkegel auf den Dschungel. Er entsicherte die wuchtige .45er, die für seine schmale Hand zu groß und zu klobig schien.

Trigger hatte die groben Fäuste geballt.

»Siehst du was?«, fragte er.

»Nur Bäume und Büsche. Weiß der Teufel, was da geraschelt hat. Komm, fahren wir weiter!«

Die beiden Männer stiegen ein. Bannister schaltete in den ersten Gang und fuhr los. Die Straße durch den Dschungel war nicht gerade ein Highway. Bannister konnte nicht schneller als fünfundzwanzig Meilen fahren.

Nach zwanzig Minuten Fahrt endlich sah er vor sich die Lichter der Kleinstadt in der Nähe von Khajuraho.

Die drei Amerikaner hatten in einem Gasthaus in der indischen Kleinstadt an der Ken Quartier bezogen. Bannister fuhr durch die stillen Straßen und hielt vor dem Gasthof, einem weißen kastenförmigen Gebäude, das von innen weit sauberer wirkte als von außen.

Mitten in der Einfahrt zum Gasthof hatte sich eine wiederkäuende Kuh niedergelassen. Das Hupen Bannisters irritierte sie nicht.

»Stures Biest«, schimpfte der drahtige Reporter. »Und so etwas soll nun heilig sein.« Er wandte sich zu den anderen um. »Ich lasse den Jeep auf der Straße stehen. Nehmt alle Wertsachen mit.«

Trigger musste Frankie Dassoon mehrmals an der Schulter rütteln, bis der langhaarige junge Mann ausstieg. Bannister stand unterdessen schon vor dem Hauptportal des Gasthofs und klopfte.

»Komisch, dass die Straßen schon leer sind und die Häuser alle verriegelt und verrammelt«, sagte Bannister. »Es ist noch nicht einmal elf Uhr.«

Die schwere Tür wurde von innen geöffnet. Das gelbbraune ängstliche Gesicht eines Inders streckte sich Bannister entgegen. Es war der Wirt. Er trug eine hellfarbene Kutte und Holzsandalen.

»He, Wirt«, begann Bannister, »ist das eine Art, seine Gäste auszusperren? Wir sind …«

Der Wirt legte den Finger auf die Lippen. »Pst! Los, schnell, kommt herein! Schnell, schnell, schnell!«

Er sprach ein Gemisch aus Englisch, Hindi und dem Regionaldialekt. Nach zweihundert Jahren britischer Kolonialherrschaft, die erst 1947 geendet hatte, war die englische Sprache nach wie vor die Handelssprache und wurde auch oft als Amtssprache gebraucht.

Bannister, Trigger, Sue Clayton und Frankie Dassoon traten ein. Der Wirt musterte Dassoon misstrauisch. Dornenranken und Äste im Dschungel hatten die Kleidung Dassoons zerzaust und zerrissen. Er wies ein paar blutige Schrammen im Gesicht auf.

Sein Blick irrte durch den Raum, blieb an Türen und Fenstern haften. Die Angst war in seinem Gesicht und an seiner Haltung deutlich zu erkennen.

»Wer ist das?«, fragte der Wirt und deutete auf Dassoon.

»Man deutet nicht mit nacktem Finger auf angezogene Leute«, antwortete Trigger. »Wir haben Hunger und Durst. Wir sind den ganzen Tag in den alten Tempeln herumgekrochen, und abends hatten wir auch noch eine Panne. Etwas am Vergaser war defekt. Wenn ich nicht ein wenig von Autos verstünde, wären wir jetzt noch dort.«

»Ihr wart bei den Tempeln von Khajuraho?«, flüsterte der Wirt. »Was habt ihr gesehen?«

»Wir standen auf der verdammten Dschungelstraße, als der Motor streikte. Finster war’s wie in einem …«, Trigger hatte sagen wollen: Kuhhintern. Er besann sich aber, dass die Kuh als heiliges Tier galt, und entschied sich für ein anderes Wort, »Kohlensack. Bei Taschenlampenlicht fummelte ich über drei Stunden am Motor herum.«

Er hielt seine ölverdreckten Hände hoch.

»Und was habt ihr vorher gesehen?«

»Na, Tempel natürlich. Es sind genug davon da. Tempel, Ruinen, Statuen. Ich habe über hundert Aufnahmen gemacht.«

»Habt ihr das Zeichen am Himmel gesehen?«

»Welches Zeichen?«, fragte jetzt der kraushaarige Harry Bannister, dem die Fragerei zu dumm wurde. »Gab’s ’ne Coca-Cola-Reklame oder was?«

»Spotten Sie nicht, Sahib. Statt des Vollmonds stand ein Totenkopf am Himmel. Er grinste auf die Erde nieder wie ein böser Teufel, aus seinen Augenhöhlen tropfte rotes Blut. Wehe uns allen. Bhaktivad Carradesch kommt zurück, der große Guru der verfluchten Veden. Er wird furchtbare Rache nehmen.«

Als Dassoon von dem Totenkopf mit den blutenden Augenhöhlen hörte, begann er wieder an allen Gliedern zu zittern. Er hielt sich nahe bei Helm Trigger, als suche er Schutz und Hilfe bei dem großen, schwergewichtigen Mann.

»Spinnen, Totenköpfe am Himmel … Ich muss schon sagen, eine schöne Gegend ist das hier«, sagte Sue Clayton.

»Spinne hin, Totenkopf her«, entschied Bannister. »Ich habe Hunger. Wirt, wie ist es mit dem Essen?«

»Gleich, Sahib. Meine Gemahlin wird es aufwärmen. Darf ich den Tee schon servieren?«

»Ja, und vergiss nicht, einen ordentlichen Schuss Rum reinzutun.«

Der Wirt entschwand nach hinten in die Küche. Die Gaststube, an diesem Abend völlig leer, war einfach und nicht allzu sauber. Eine Zwischenwand aus Bambus teilte sie in zwei Hälften. An den Wänden hingen Schilfmatten mit geknüpften Wandteppichen.

Die beiden Reporter der »Chicago Sun« und Sue Clayton, die Tochter des Verlegers, setzten sich an einen Tisch in der Mitte des Raums. Es war viel zu still. Frankie Dassoon drückte sich neben Trigger, der eine seiner Teleobjektivkameras untersuchte.

»Da hast du Glück gehabt«, sagte er zu Dassoon. »Ich dachte schon, sie sei kaputt. Erzähl jetzt mal in Ruhe, Junge. Weshalb bist du durch den Dschungel geprescht wie ein Irrer?«

Dassoon sah sich nach allen Seiten um, ehe er flüsterte: »Der böse Guru ist wiederauferstanden. Meine Kameraden sind seine Opfer geworden. Wehe uns allen!«

»Na, na, na«, sagte Bannister, »noch ist nicht aller Tage Abend. Lass dir nicht jeden Wurm einzeln aus der Nase ziehen, Junge. Also, wer bist du, was machst du hier, und was ist passiert?«