Gespenster-Krimi 97 - Ian Rolf Hill - E-Book

Gespenster-Krimi 97 E-Book

Ian Rolf Hill

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Von Vampiren, Werwölfen und Bärenmenschen.
Auch das wäre ein angemessener Titel für das Gespenster-Krimi-Heft gewesen, denn von diesen Kreaturen handeln die drei Geschichten in Band 97.
Gemein haben sie lediglich, dass sich das Böse stets hinter einer harmlosen Larve verbirgt. Es offenbart sich erst, wenn es schon zu spät ist. Meistens jedenfalls.
Lassen Sie sich also entführen in die Welt der Untoten und Tiermenschen.
Erleben Sie mit, wie Beas Freund Lucius dem "Jagdfieber" erliegt, begleiten Sie die Gebrüder O'Leary auf die "Bärenjagd", und lernen Sie Antonias Beschützer "Lepidoptera Krsnik" kennen.
Aber seien Sie gewarnt. Sie werden Dinge erleben, die Ihnen den Schlaf rauben werden, denn es wird unheimlich, schockierend und sehr, sehr blutig.


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 134

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Metamorphosen

Jagdfieber

Bärenjagd

Lepidoptera Krsnik

Vorschau

Impressum

Metamorphosen

von Ian Rolf Hill

Von Werwölfen, Bärenmenschen und Vampiren.

Auch das wäre ein angemessener Titel für dieses Heft gewesen, denn von diesen Kreaturen handeln die drei folgenden Geschichten.

Gemein haben sie lediglich, dass sich das Böse stets hinter einer harmlosen Larve verbirgt. Es offenbart sich erst, wenn es schon zu spät ist. Meistens jedenfalls.

Lassen Sie sich also entführen in die Welt der Untoten und Tiermenschen.

Erleben Sie mit, wie Beas Freund Lucius dem »Jagdfieber« erliegt, begleiten Sie die Gebrüder O'Leary auf die »Bärenjagd«, und lernen Sie Antonias Beschützer »Lepidoptera Krsnik« kennen.

Aber seien Sie gewarnt. Auf den nächsten Seiten werden Sie Dinge erleben, die Ihnen den Schlaf rauben werden, denn es wird unheimlich, schockierend und sehr, sehr blutig ...

Herzlichst Ihr

Ian Rolf Hill

Jagdfieber

Der Jäger hatte die Spur aufgenommen.

Seine Sinne waren aufs Äußerste gespannt und in absoluter Alarmbereitschaft. Bei dem kleinsten Geräusch in seiner Umgebung war er sofort bereit, zu reagieren.

Er hob den Kopf und atmete tief ein, nahm die vielfältigen Gerüche des kleinen Waldstücks intensiv wahr, das im silbernen Licht des Vollmonds badete. Feuchtes Laub, altes Holz, Mutterboden.

Der Jäger stieß den angehaltenen Atem in großen, weißen Wolken aus. Dieses Mal würde ihm die Beute nicht entkommen. Er war vorbereitet und voller Begierde auf die ruhmreiche Trophäe.

Angestrengt lauschte er in die Nacht hinaus und erkannte die Laute einiger Nachtvögel, die sich wie er auf der Pirsch befanden. Ein Käuzchen rief. Äste knackten im Unterholz.

Der Kopf des Jägers fuhr herum, sein Körper erstarrte zu völliger Bewegungslosigkeit, um bei Bedarf blitzschnell zu reagieren. Ein Wildschwein trat auf die Lichtung, die Schnauze dicht über den Boden haltend. Grunzend suchte es nach Futter.

Der Jäger entspannte sich. Schweine gehörten diese Nacht nicht zu seiner Beute. Heute jagte er ein ganz besonderes Wild. Urplötzlich senkte sich absolute Stille über die Bäume des Waldes.

Das Käuzchen verstummte, das Wildschwein gefror in der Bewegung. Der Jäger hielt den Atem an.

Ein tiefes, kehliges Heulen durchbrach die vollkommene Lautlosigkeit mit erschreckender Intensität und verhallte schließlich in der Weite der menschenleeren Umgebung. Der Jäger richtete seinen Oberkörper auf, brachte die Repetierbüchse in Anschlag. Langsam schob er den Kammerstengel nach vorne, beförderte die Silberkugel, Kaliber 30.06, in die Kammer und hob das Gewehr an die Schulter ...

Beatrix war sauer.

Nicht nur wegen der achtlos herumliegenden Müllsäcke, die einen fast unerträglichen Gestank absonderten, sondern auch, weil Lucius wieder mal nicht zu Hause war. Er wusste, dass sie heute später nach Hause kommen würde und als Überraschung, oder besser gesagt als Entschädigung für das lange Warten, hatte sie nicht nur ein gewagtes Outfit gewählt, sondern darüber hinaus auch auf den hinderlichen Slip unter dem schwarzen Minirock verzichtet.

Beatrix rümpfte die Nase und ging an den schwarzen Plastiksäcken vorbei zur Tür der Wohnung, die sie sich seit einem Jahr mit Lucius teilte.

Fragte man die junge Frau, ob sie glücklich war, so konnte sie dies nicht mit abschließender Sicherheit sagen. Es ging ihr zweifelsohne gut, es mangelte an nichts.

Außer vielleicht an – Liebe?

Zu Beginn ihrer Beziehung mit Lucius war es wie ein Traum gewesen. Der Himmel hatte sprichwörtlich voller Geigen gehangen, und sie war sich absolut sicher gewesen, den Mann ihrer Träume gefunden zu haben, so kitschig das auch klingen mochte.

Und so war die Entscheidung, zusammenzuziehen, schnell gefallen. Doch kaum hatte sich der lähmende Alltagstrott eingestellt, da hatte sich die Kommunikation auf ein Mindestmaß reduziert.

Erste Meinungsverschiedenheiten waren aufgetreten und im handfesten Krach geendet. Und als Beatrix dann noch eine anerkennende Bemerkung über den neuen Nachbarn Daniel hatte fallen lassen, da hatte der Haussegen endgültig schiefgehangen.

Sobald Beatrix von der Arbeit nach Hause gekommen war, war Lucius – freischaffender Künstler und Autor – immer öfter außer Haus unterwegs gewesen. Vor allen Dingen in den späten Abend- und frühen Nachtstunden.

Wann er heimkehrte, wusste Beatrix nicht, da schlief sie meistens. Der unregelmäßige Schichtdienst im Krankenhaus forderte nun mal seinen Tribut. So wie gestern Nacht.

Heute Morgen hatte Lucius wie selbstverständlich neben ihr gelegen, und tief und fest geschlafen. Wie der sprichwörtliche Stein.

Er musste wie eine Katze ins Schlafzimmer geschlichen sein, obwohl sie alles andere als einen leichten Schlaf hatte. Betrog er sie etwa? Merkwürdig, aber daran wollte und konnte sie nicht glauben. In dieser Hinsicht vertrat Lucius tatsächlich herrlich altmodische Ansichten.

Abgesehen davon hatte sie nicht den Hauch eines fremden Parfüms gerochen, vielmehr den herben, modrigen Duft frischer Walderde. Seltsam, und irgendwie beängstigend.

Lucius hatte ein Geheimnis vor ihr, was an und für sich noch nichts Schlimmes war. Kleine Geheimnisse hatte jeder, selbst langjährig Verheiratete wussten häufig nicht alles von ihrem Lebenspartner. Was er allerdings hier abzog, ging auf keine Kuhhaut. Doch sie wollte Lucius nicht aufgeben und hatte daher beschlossen ihre Beziehung mit etwas ausgefallenen erotischen Spielchen aufzupeppen.

Ein Gebiet, auf dem Beatrix sich auskannte, und ihren Bemühungen gab Lucius nur allzu gern und bereitwillig nach. Umso mehr ärgerte sie sich über seine Abwesenheit. Sie hatte ihm extra eine SMS von der Arbeit geschickt und ihm eine Überraschung versprochen. Das nicht vorhandene Höschen wäre dabei nur die Spitze des Eisbergs gewesen.

Jetzt stand sie im sorgfältig aufgeräumten Wohnzimmer, den Wohnungsschlüssel immer noch in der Hand. Eine steile Falte erschien zwischen ihren schmalen Augenbrauen und kündete von ihrem Unmut. Für einen kurzen Augenblick zog sie sogar in Erwägung, nach nebenan zu gehen, um Daniel zu bitten, ihr statt Lucius ein wenig zur Hand zu gehen, verwarf den Gedanken aber genauso schnell wieder, wie er gekommen war.

Nein, auch wenn sich Lucius wie der letzte Arsch verhielt, würde sie ihn nicht betrügen.

Jedenfalls jetzt noch nicht, fügte sie gedanklich, nicht ohne ein leichtes Schmunzeln, hinzu. Man konnte Beatrix alles Mögliche vorwerfen, ein Kind von Traurigkeit war sie jedenfalls nicht.

Es war drei Uhr am Nachmittag, und draußen schien die Sonne mit unverminderter Kraft. Für April war es bereits sommerlich warm, und Beatrix empfand es als Schande, den Tag mit Trübsinn zu vergeuden. Man musste die Feste feiern, wie sie fielen, in diesem Fall ohne Lucius. Kurz entschlossen griff sie nach dem Smartphone.

»Hi, Lena.«

»Bea, mein Schatz. Was kann ich für dich tun? Ich dachte du wälzt dich mit Lucius schon durch die Laken?« Lena, Beatrix' beste Freundin, kicherte anzüglich.

»Dazu ist es leider nicht gekommen. Der Herr Lebenskünstler hat mal wieder andere Verpflichtungen, die ihm offenbar wichtiger sind.«

Kurzes Schweigen am anderen Ende der Leitung.

Dann: »Mist. Oh, Bea, mach dir nicht zu viele Gedanken. Lucius würde dich nie betrügen.«

»Das weiß ich. Aber trotzdem komme ich mir verarscht vor. Gott, du weißt gar nicht was für eine Stinkwut ich auf ihn habe.«

Beatrix' Stimme bebte vor unterdrücktem Zorn, sie wollte ihre Freundin nicht für die Verfehlungen eines anderen anschreien, obwohl Lena Verständnis dafür gehabt hätte.

Das bewiesen auch ihre nächsten Worte: »Ja, kann ich verstehen. Die sollst und darfst du auch haben. Er kann sich nicht alles erlauben. Sag, willst du jetzt auf ihn warten und ihm die Hölle heißmachen oder wollen wir das schöne Wetter ausnutzen und uns mal die anderen Fische im Meer angucken?«

»Genau deshalb ruf ich an.« Beatrix klang schon sehr viel entspannter. »Wenn er jetzt noch kommt, hat er Pech gehabt. Wenn er Glück hat, ziehe ich mein Programm heute Abend durch, aber nur bis er nicht mehr weiß, wann er geboren wurde, dann kann er den Rest selbst erledigen oder sich unter die kalte Dusche stellen.«

Wieder kicherte Lena. »Dann komme ich gleich mal zu dir. Ich werfe mich schnell noch in Schale. Kannst ja schon mal nebenan klingeln damit ich vorher noch ein wenig mit Daniel flirten kann. Er hat doch keine Freundin, oder?«

»Hab zumindest nie eine gesehen. Komisch. So ein gut aussehender Knabe und trotzdem solo.«

»Na ja, er ist eben schüchtern. Ist mir tausendmal lieber als so ein selbstverliebter Macho. Schüchtern, bescheiden und unheimlich süß.«

»Oh Mann, dich hat's ja echt erwischt. Dass du ein Auge auf ihn geworfen hast, war mir klar, aber dass du ihn gleich auffressen willst, ist mir neu.«

»Bea, hast du mal in seine Augen gesehen? So unglaublich sanft und braun und ...«

Beas Lachen unterbrach ihre Freundin, ehe sie aus dem Schwärmen nicht mehr herauskam. »Okay, okay. Hab schon verstanden. Weißt du, am besten, du kommst hier vorbei, klingelst bei ihm und ihr macht euch einen schönen Nachmittag. Ich geh derweil bei Giovanni Eis essen und guck mir die knackigen Hintern der Italiener an.«

»So war das ja nicht gemeint. Aber wenn er uns zufällig über den Weg läuft, darf ich doch wohl ein wenig flirten.«

»Sicher. Aber jetzt beeil dich, sonst wird es zu kalt.«

»Dann ziehe ich ein dünneres Top an, damit Daniel was zu gucken hat.«

»Ich hüpf noch schnell unter die Dusche. Komm einfach rein, die Tür ist offen.«

»Mach ich, bis gleich.«

Leichtfüßig ging Lena über den mit unregelmäßigen Betonplatten ausgelegten Hinterhof, wo die Eingangstür der kleinen Parterre-Wohnung von Bea und Lucius lag. Obwohl sie den Grund für ihren spontanen Ausflug bedauerte, freute sie sich auf den unbeschwerten Nachmittag mit ihrer besten Freundin.

Und ja, sie hatte tatsächlich ein Auge auf den hübschen Daniel geworfen, der erst seit knapp einem Monat nebenan wohnte. Daniel war auch mit ein Grund für Lenas Outfit. Ihre nackten Füße steckten in schwarzen, atmungsaktiven Laufschuhen, die makellosen, gebräunten Beine wurden erst sehr spät von dem gleichen schwarzen Minirock bedeckt, den auch Beatrix heute angezogen hatte, um ihren Lucius zu überraschen. Die Freundinnen hatten das modische Accessoire gemeinsam beim Shoppen entdeckt und sofort zugeschlagen.

Heute sollte es gewissermaßen eingeweiht werden. Über dem Gürtel, der den Minirock an Ort und Stelle hielt, ließ Lenas flacher Bauch die Männerherzen höherschlagen. Ein schwarzes Träger-Top mit V-Ausschnitt komplettierte ihr Erscheinungsbild. Den Ausschnitt füllte ein Stück weißen Stoffes mit schwarzem Karomuster. Auf ein zu offenherziges Dekolletee hatte Lena bewusst verzichtet.

Zum einen wollte sie nicht zu billig wirken, und zum anderen fand sie ihre Brüste etwas zu klein. Lenas Empfinden nach waren ihr Po und ihre Beine sehr viel wirkungsvoller, um die Fantasie der Männer anzuregen. Im Gegensatz zu ihrer besten Freundin hatte sie aber sehr wohl ein Höschen unter dem Minirock angezogen. Beschwingt durch die wärmenden Strahlen der Frühlingssonne begann sie, vor sich hinzupfeifen, als sie abrupt innehielt.

Rechts von ihr lagen einige Müllbeutel, die einen fauligen, unerträglichen Gestank absonderten. Das Summen dicker, grünlich schillernder Schmeißfliegen erfüllte die Luft.

Und das im April!

Letzten Sommer hatte Lena beim Grillen eine Plastiktüte mit Steaks im Garten vergessen, und wenige Tage später war ihr das Fleisch buchstäblich entgegen gekrochen.

Das hatte ähnlich entsetzlich gestunken, wenn auch weniger penetrant. Da musste jemand ein ganzes Schwein entsorgt haben. Lena wurde übel, und unwillkürlich schlug sie die Hand vor Mund und Nase.

Egal, dachte sie, Augen zu und durch. Bea müsste eigentlich gleich fertig sein, dann würde sie ihr schonend beibringen, dass sie den Müll besser in den entsprechenden Tonnen entsorgte, wenn sie nicht bald unter sozialer Isolation leiden wolle.

Beherzt machte Lena einen Schritt vorwärts, als ein lautes Scheppern sie erneut innehalten ließ. Jemand rüttelte wie wild an der grün gestrichenen Tür zum Keller. Offensichtlich hatte er oder sie sich dort eingesperrt und kam nun nicht mehr allein raus.

Hilfsbereit, wie Lena nun einmal veranlagt war, schritt sie um das Geländer herum und wollte die Betonstufen der Treppe heruntergehen, um den von außen steckenden Schlüssel zu drehen, als ein Knurren hinter der Tür erklang. Lena zuckte zusammen und blieb mitten auf der Treppe stehen.

Die junge Frau fluchte. Das war kein leichtsinniger Mieter!

Da hatte jemand seinen beißwütigen Köter untergebracht. Lena machte auf dem Absatz kehrt, rannte die Treppe wieder hoch und lief direkt zu Beas Eingangstür. Sie hatte schon genug Zeit vertrödelt. Scheiß auf stinkenden Müll und frustrierte Kampfhunde, sie wollte Spaß haben und Kerle anbaggern.

Die schwarze Katze war da jedoch anderer Ansicht. Ihr gefiel der stinkende Müll offenbar ziemlich gut, weshalb sie einen der Säcke gerade mit den Krallen traktierte, um den Kopf hineinzustecken. Möglich, dass dort ein besonderer Leckerbissen auf sie wartete.

Als Lena fluchend auf sie zu rannte, erschrak der schwarzbepelzte Stubentiger, fauchte und rannte dann in einem Affenzahn zwischen Lenas Beinen hindurch quer über den Innenhof, was zur Folge hatte, dass die junge Frau ins Straucheln geriet und schnell zwei, drei Schritte Richtung Wohnungstür machte, um das Gleichgewicht zu behalten. Dabei stieß sie gegen den schwarzen Plastikbeutel, den die Katze gerade am Wickel gehabt hatte, und schleuderte ihn zur Seite.

Der Riss klaffte auf, und eine schmutzige, bleiche Hand rutschte heraus.

Kein Schrei entfuhr Lenas Kehle. Stumm und mit weit aufgerissenen Augen stand sie vor ihrem grausigen Fund. Da hatte sich jemand einen Scherz erlaubt, war ihr erster Gedanke.

Der entsetzliche Gestank, die Fliegen und die Zufälligkeit, mit der sie über ihre Entdeckung buchstäblich gestolpert war, belehrten sie jedoch eines Besseren. Jetzt hätte sie zu ihrem Handy greifen und die Polizei verständigen müssen. Oder zumindest Bea Bescheid geben, dachte sie.

Stattdessen beugte sie sich langsam zu dem Müllsack hinunter und zupfte mit spitzen Fingern an dem schwarzen Plastik. Neugier war schon immer eine ihrer hervorstechendsten Eigenschaften gewesen. Vielleicht hatte hier doch jemand seine letzte Halloween-Deko entsorgt.

Lena war derart in Gedanken versunken, dass sie ihre Umgebung vollkommen aus dem Blick verlor. Selbst als der Himmel sich verdunkelte, war sie noch immer mit dem Müllsack beschäftigt. Die bleiche, mit Dreck und Blut verkrustete Hand rutschte unvermittelt ein Stück nach vorne. Lena erkannte einen Unterarm, der unmittelbar unter dem Ellbogengelenk – abgebissen war?

Die junge Frau beugte sich ein Stück weiter vor und blickte direkt in die starren, glanzlosen Augen eines zur Unkenntlichkeit verstümmelten Männerkopfes. Nun war es mit der Beherrschung endgültig vorbei. Ein spitzer Schrei entfuhr Lena, während sie sich ruckartig aufrichtete und einen Schritt nach hinten taumelte. Im selben Augenblick registrierte sie den herben Moschusgeruch, vernahm das leise, kehlige Knurren und spürte die Pranke in ihrem Genick.

»Neu...gie...rige Schlam...pe!« Die Worte wurden mehr geknurrt als wirklich gesprochen.

Der Druck der Klaue verhinderte, dass sie sich umdrehte, doch sie wusste, dass etwas Großes, Monströses hinter ihr stand, das die Sonne verdunkelte. Lena war vor Schreck wie erstarrt. Sie verdrehte die Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen war, und erkannte die zweite Pranke, die aus ihrem Blickfeld verschwand. Das Monster hatte ausgeholt.

Endlich löste sich der Schock, und Lena begann gellend zu schreien. Nur kurz, dann riss ihr die Pranke den Schrei von den Lippen – und den Unterkiefer aus dem Schädel. Lenas Bewusstsein versank in brüllendem Schmerz.

Niemand hatte ihren Schrei vernommen, niemand ihr Sterben beobachtet. Niemand außer der schwarzen Katze, die verängstigt unter einem Rhododendronbusch hockte und in deren gelbgrünen Augen sich das Ungeheuer spiegelte, das Lena in Stücke riss ...

Beatrix hatte lange und ausgiebig geduscht, dabei die Gedanken schweifen lassen und sich schließlich wieder in Schale geworfen. In Anbetracht der Tatsache, mit Lena einen entspannten Nachmittag zu verbringen, aber diesmal einen schmalen Slip unter dem Minirock angezogen. Um sich von ihrer besten Freundin ein wenig abzuheben, hatte sie außerdem ein rotes Top mit tieferem Ausschnitt und rote Sneakers gewählt. Das lange blonde Haar hatte sie zum Pferdeschwanz gebunden, der ihre ohnehin schon sportliche Erscheinung, noch fescher wirken ließ.

Es sollte nicht mehr lange dauern, bis Lena erschien. Beatrix warf einen enttäuschten Blick auf ihr Handy-Display. Lucius hatte sich noch immer nicht gemeldet und auch keine ihrer SMS beantwortet.

Wo steckte der Kerl? Beatrix musste schlucken. Tränen traten ihr in die Augen. War das schon das Ende? Um sich abzulenken, schaltete sie die Stereoanlage ein, setzte die Kopfhörer auf, um sich die trüben Gedanken von Nightwish aus dem Kopf blasen zu lassen.

Und während »I want my tears back« durch die Membranen in ihre Gehörgänge donnerte, starb Lena keine zehn Meter entfernt einen grauenhaften Tod.

Die Bestie hielt sich nur kurz mit ihrem Opfer auf, fraß etwas von den Eingeweiden, verschlang das Herz, und schleuderte den Rest des Kadavers zwischen die Müllsäcke. Sie wusste, dass von den restlichen Bewohnern dieses Hauses nicht genug übrig geblieben war, um ihr gefährlich zu werden.