Ghule Die Verschwörung - Karl Lindberg - E-Book

Ghule Die Verschwörung E-Book

Karl Lindberg

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Beschreibung

Hunderte von Jahren ist es her, als der letzte der Alte Wesen gesichtet worden war. Als er verschwand, verschwand auch die Magie mit ihm. Unter einem nie dagewesenen technologischen Fortschritts strömen die Menschen in jeden Winkel der Welt, auf der Suche nach neuem Land und den Alten Wesen. Das Leben des Straßenmädchens Mary Ann Graves ist hart und Welt in Arrenville ist zwielichtig. Um der Rache von Gaunern zu entkommen, stiehlt sie sich auf eines der gewaltigen Passagierschiffe. Doch als eine Krankheit auf dem Schiff ausbricht, und immer mehr Passagiere Symptome zeigen, beginnt Mary Ann die Anwesenheit der Ghulgeister zu bemerken. Mysteriöse Briefe deuten auf eine düstere Verschwörung und das Passagierschiff bietet keine Möglichkeit zu entkommen. Mary Ann und ihre neuen Freunde nehmen den Kampf gegen die Verschwörer und den Ghulen auf, denn nur so, kann die neue Welt vor der Zerstörung gerettet werden.

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Seitenzahl: 362

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Zum ertrunkenen Maat
Mary Anns Mantel
Der Hafen
In der Gasse
Brüder der Suche
Die Victoria
Schiffsbeladung
Das Dinner
Aasfresser
Mary und Pavel
Das Braufass
Nur eine Frau
Das Unterdeck
Weitere Hinweise
Das Protokoll
Die Sichelinseln
Epidemie
Des Kapitäns letzte Worte
Erste Hilfe
Das Verlangen
Der Talisman von Quetzli
Hinweise in der Kapitänskammer
Beim Kapitän
Die Falle
Endgültige Verkündung
Im Gefängnis
Freundschaft
Die geheime Krankenstation
Massaker
Aufeinandertreffen
Gefressene Leidenschaft
Eine Spur zum Frachtraum
Barrikaden
Gefangen zwischen Gütern und Ghulen
Der Vorhang fällt
Zebs Rituale
Das Verhör
Sturmfahrt
Der Exorzismus
Meuterei
Kaperfahrt
Das Stück endet
Die Gefahren unter Deck
Der Untergang
Ein letzter Brief

Ghule

Die Verschwörung

Von Karl Lindberg

Buchbeschreibung:

Hunderte von Jahren ist es her, als der letzte der Alte Wesen gesichtet worden war. Als er verschwand, verschwand auch die Magie mit ihm.

Unter einem nie dagewesenen technologischen Fortschritts strömen die Menschen in jeden Winkel der Welt, auf der Suche nach neuem Land und den Alten Wesen.

Mary Ann Graves schleicht sich an Bord eines der gewaltigen Passagierschiffe und gerät mitten in eine Verschwörung. Mysteriöse Briefe und düstere Ghulgeister lassen dem Waisenkind keine andere Wahl, als sich den Verschwörern entgegenzustellen. Denn nur so kann die neue Welt vor der zerstörerischen Bedrohung bewahrt werden.

Über den Autor:

Karl Lindberg schrieb "Ghule Die Verschwörung" als Debütroman, der den Auftakt eines Zweiteilers darstellt. Die Leidenschaft für Fantasy und düstere Monster entwickelte er bereits in seiner Kindheit und finden sich ebenso in seinen Werken wieder.

Erfahre mehr über den Autor auf Instagram: https://www.instagram.com/karl_lindberg_autor

Ghule

Die Verschwörung

Von Karl Lindberg

1. Auflage, 2024

© 2024 Alle Rechte vorbehalten.

Umschlaggestaltung: Jaqueline Kropmanns – Design, https://jaqueline-kropmanns.de unter Verwendung von Bildmaterial von shutterstock und depositphotos.

Korrektorat: Merle Weigelt

Impressum: Karl Lindberg

c/o AutorenService.de

Birkenallee 24

36037 Fulda

Druck und Vertrieb: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Mary Ann, Arrenville 16. April

Zum ertrunkenen Maat

Die Würfel klackerten im Lederbecher. Mit einem lauten Knall schlugen sie auf der Tischoberfläche auf. Die Würfel waren gefallen. Mary Ann Graves hob den Becher auf einer Seite an und lugte darunter. Drei Fünfen. Es gab einfach Tage, da lief alles glatt, dachte sie.

»Was ist jetzt, kleines Mädchen?«, sprach ein tätowierter Mann ihr gegenüber.

Mary Ann saß an einem runden Tisch mit drei Gestalten, die düsterer kaum aussehen konnten.

»Fünf Fünfen«, sagte sie und blitzte mit siegessicherem Blick in die Runde.

Auch die anderen Spieler hatten ihre Würfelbecher vor sich auf den Tisch geschlagen und zwei der drei Kerle schauten nochmal darunter. Der Tätowierte spannte sich an, was Mary Ann an einer Ader erkannte, die bedrohlich aus seiner Schläfe hervortrat. Nach ihr war ein weiterer Mitspieler an der Reihe zu sagen, von welcher Augenzahl insgesamt die meisten auf dem Tisch lagen.

Der Mann hieß Calvin, war schlaksig und hatte blasse eingefallene Wangen. Bevor er seinen Tipp abgab, genehmigte er sich einen kräftigen Zug aus seinem Glas. Dem Geruch zu Folge war es irgendein harter Alkohol.

»Ach was soll´s«, rief er in die Runde. »Sollen mich doch die Hunde beißen, wenn ich nichts wagen möchte. Acht Fünfen!« Dann wandte er sich vom Tisch und rief in die Schenke hinein: »Noch was zu saufen! Hier wird gerade gewürfelt!«

Die übrigen Gäste der Hafenspelunke Zum ertrunkenen Maat zeigten auf diesen Ausruf keine Regung. Einige waren selbst ins Glücksspiel vertieft oder betranken sich, andere warfen mit Messern auf eine bereits durchstochene Holzvertäfelung an der Wand.

Auf einer kleinen Bühne räkelte sich eine leicht bekleidete Dame mit auffallend rotem Haar. Sie bewegte sich sanft und bog sich zu verschiedenen Figuren, wodurch ihr Rock, der ohnehin schon knapp geschnitten war, immer wieder bis über ihr Knie rutschte. Sobald sie eine Pose gefunden hatte, in der ihr Rock besonders viel nacktes Bein zeigte, bückte sie sich und gewährte noch tiefere Einblicke.

Mary Ann Graves, schien hier die einzige Person zu ein, die nicht in diese zwielichtige Spelunke passte.

Sie strich ihr dunkles Haar hinters Ohr, wodurch ihr Gesicht noch jünger wirkte, als sie es mit ihren sechzehn Jahren war.

Trotz ihres jungen Alters saß sie nun an einem runden Holztisch und würfelte um ihr Geld.

Während die Frau auf der Bühne sich weiter verrenkte, gab der nächste Mann am Tisch seinen Tipp ab: »Acht Sechsen.«

Nun war der Tätowierte an der Reihe. Als hoffte er, dass sich sein Ergebnis geändert hätte, schielte er noch einmal hinter vorgehaltener Hand auf seine Würfel. Er kannte die Augenzahl seiner drei Würfel und er hatte die Tipps der anderen gehört. Jetzt musste er das Ergebnis überschlagen und die anderen damit überbieten. Mehr als acht Sechsen müssten unter den Bechern zu finden sein. Kaum möglich, wie Mary Ann wusste.

Er stirrte auf die Tischmitte und schien das Geld zu fixieren, welches er drohte zu verlieren. Dann schrie er: »Du lügst doch! Zeig deine Würfel her!«

Er schlug mit seiner Faust auf die Brust des Dicken, der vor ihm an der Reihe gewesen war. Eigentlich konnte er es kaum gespürt haben, dachte Mary Ann, so fett wie er war. Doch der Mann begann wüst zu schimpfen.

»Wir sind doch alle nur zum Vergnügen hier«, warf Calvin ein und trank den Krug in einem Zug leer, der ihm erst wenige Augenblicke zuvor serviert worden war. Er schlug ihn auf den Tisch. »Und morgen bin ich eh nicht mehr hier. Also jucken mich eure Streitigkeiten nicht. Zeigt eure Würfel.«

Er hob seinen Becher und die anderen taten es ihm gleich. Alle Würfel lagen offen, sodass für alle klar erkennbar war, dass es lediglich zwei Sechsen gab, jedoch sechs Fünfen. Mit flinken Bewegungen zog Mary Ann das Geld aus der Tischmitte zu sich heran. Sie behielt zehn Taler vor sich liegen und ließ den Rest in eine der Taschen ihres übergroßen Mantels verschwinden.

»Ich danke euch allen vielmals«, sagte sie mit einem unschuldigen Lächeln. »Wie wäre es mit einer neuen Runde? Ich erhöhe auch den Einsatz. Zehn Kupferkronen.«

Mit beiden Händen schob sie die zehn Münzen wieder in die Tischmitte.

Der Dickbäuchige knurrte entmutigt und dem Tätowierten, zuckte die Unterlippe. Nur Calvin läutete entspannt eine neue Runde ein, indem er seinen Würfelbecher schüttelnd auf den Tisch knallte. Schließlich zogen auch die beiden anderen nach und warfen grimmig ihre Kronen in die Tischmitte.

»Was führt so ein Mädchen wie dich in die bunte Nachtwelt von Arrenville?«, fragte sie der schlaksige Calvin.

»Wo mich der Zufall hintreibt, da bin ich zuhause«, antwortete sie.

»Hast du denn kein richtiges Zuhause, kleines Mädchen?«, fragte der tätowierte Mann. »Du solltest lieber bei deinen Eltern bleiben, wer weiß, was dir sonst so alles zustößt.« In seiner Stimme klang eine Spur Bedrohlichkeit mit.

»Gerade jetzt, bin ich genau hier zuhause. Also wollen wir nun schwatzen oder spielen?«

Sie schüttelte ihren Würfelbecher und deckte ihn dabei mit ihrer rechten Hand ab.

Mit raschen Bewegungen drehte sie ihren Becher auf den Kopf, sodass die Würfel ungesehen auf ihrer Handfläche lagen. Dann ballte sie eine Faust und ließ die sechsseitigen Spielsteine in ihrem weiten Jackenärmel verschwinden. Mit einer nächsten fließenden Bewegung wechselte sie die Hand und schob unbemerkt drei neue Würfel ins Gefäß. Laut klackerten diese in ihrem Becher und sie stellte ihn umgekehrt auf den Tisch. Als alle Würfel gefallen waren, schaute Mary Ann unter den ihrigen. Drei Sechsen, wie sie bereits wusste.

Die sich räkelnde Dame, hatte aufgehört sich zu verbiegen und nahm auf einem Hocker auf der Bühne Platz. Spärliches Licht offenbarte kleine Falten um ihre Augen herum. Dann stimmte sie mit einer lieblichen und sanften Stimme ein Lied an. Augenblicklich wurde es in der Schenke still. Die Sängerin schaffte es, die Aufmerksamkeit der gesamten Spelunke auf sich zu lenken. Selbst der schlaksige Calvin bestellte sich ein weiteres Getränk im Flüsterton und sogar das Vibrieren der Messerklingen in der Holzvertäfelung schien zu verstummen.

Es war ein altes Volkslied und Mary Ann sehr wohl bekannt. Es handelte von der Magie, die einst das gesamte Land erfüllt hatte. Von dem Glück der Menschen in jener Zeit und schließlich vom Verschwinden dieses Glückes sowie der Magie.

Gerade als Mary Ann sich von der Sängerin abwenden und dem Würfeln zuwenden wollte, fügte die rothaarige Sängerin den geläufigen drei Strophen eine vierte hinzu. Aufmerksam lauschte Mary Ann den sachten Klängen. Die Melodie blieb dieselbe, die sie liebte. In jüngeren Jahren hatte sie zu eben dieser Melodie gemeinsam mit ihrer Mutter Geige gespielt. Diese unbekannte Strophe handelte von der Rückkehr der Magie und dem damit verbundenen Aufblühen der Gesellschaft. Alles wird wieder gut, so wie vorher. Die Sängerin beendete ihr Lied und Mary Ann blieben die letzten Worte noch im Kopf hängen. »Oh du magische Welt der Wesen, Flucht hat uns klein gemacht, doch Veränderung kehret wieder ein.«

»Pah«, stieß der Tätowierte aus. »Lasst uns weiter machen.«

Angewidert drehte er sich zum Spiel zurück. Auch schien es Mary Ann, dass die Strophe mehreren in der Spelunke missfallen hatte. Finstere Gesichter drehte sich ihren Unterhaltungen und Treibereien zu. Ein Raunen bedrohlicher Stimmen zog durch den Raum und einer der Messerwerfer schmiss seine Waffe so energisch an die Wand, dass er Schwierigkeiten hatte, sie wieder herauszuziehen.

»Die Magie soll lieber dableiben, wo auch immer sie ist. Ich habe sie nie gebraucht und werde sie auch ganz sicher nie brauchen«, zischte der Tätowierte.

»Magie ist doch wundervoll«, erwiderte Mary Ann. »Unglaubliches ist damit vollbracht worden. Den Menschen kann damit geholfen werden.«

»Ich kann mir selbst helfen«, sagte er.

»Unglaubliches. Das stimmt«, murmelte Calvin verträumt. Er schien mit seinen Gedanken weit weg zu sein.

»Drei Dreien«, sagte der Dickleibige und lenke Mary Anns Aufmerksamkeit wieder auf ihre Würfel.

»Gerade dadurch, dass die Magie verschwunden ist, konnten sich dieses Land doch erst entfalten«, sagte der tätowierte Mann, dem das Thema keine Ruhe ließ. »Wo wären wir denn heute, wenn es die Magie noch gäbe? Das da draußen ist nur möglich durch die rasante wirtschaftliche Entwicklung.«

»Die Entwicklung kannst du dir sonst wohin stecken«, meldete sich der Dicke mit tiefer Stimme zu Wort. »Diese ganzen Schiffe treiben mich noch in den Ruin. Jegliche Gastarbeiter sind in den Redereien und am Hafen beschäftigt. Ich stehe mit meiner Steinmetzerei ganz allein da. Jetzt brauch ich auch was zu Trinken. Schnaps!«

»Jawohl. Schnaps!«, stimmte der Schlaksige mit ein und hob das vor ihm stehende Gefäß an seinen Schlund, bevor er fortfuhr: »Ich sage übrigens drei Sechsen.«

Schlecht gelaunt nannte der Tätowierte seine Vorhersehung und zum Schluss war Mary Ann an der Reihe. »Ich muss mich entschuldigen, dass ich den Herren das Geld aus den Taschen ziehe, aber das Glück scheint mit oder ohne Magie auf meiner Seite zu sein. Vier Sechsen.«

Dann hob sie ihren Becher und offenbarte ihren Wurf. Auch die anderen hoben ihren Becher. Wieder hatte Mary Ann die meisten Übereinstimmungen mit dem höchsten Wert und sackte zügig ihren Gewinn ein.

»Ich wünsche noch einen angenehmen Abend, meine Herren, ich werde mich jetzt empfehlen«, sagte sie mit einem Grinsen, das nicht breiter hätte sein können und erhob sich aus der Runde.

»Ach trink doch noch ein oder zwei mit uns«, bot der Schlaksige gut gelaunt an, doch der Ausdruck auf den übrigen Gesichtern, veranlasste Mary Ann dazu, das Angebot abzulehnen. Sie verbeugte sich knapp und achtetet dabei darauf, ihren linken Arm nicht zu tief zu senken. Sie drehte sich um und wollte soeben den ersten Schritt machen, als ihr plötzlich eine Gestalt gegenüber stand. Kaum eine Handfläche entfernt von ihrem Gesicht, war eine bleiche Fratze, die unverständlich murmelte: »Mein Körper ... ich ... was ist nur ... aber ...«

Mary Ann erschrak und hastete einen Satz zurück, um Abstand zwischen sich und dem aus dem Nichts erschienenen Geschöpf zu schaffen. Hinter ihr stand jedoch ihr Stuhl sowie der Tisch und sie stürzte über die Lehne des Möbels. Der Stuhl kippte zur Seite und Mary Ann landete rücklings auf dem Tisch. Die Gestalt reagierte nicht, sondern stammelte unverwandt: »Diese Leichen überall. Warum mein Körper ... Ist es ...«

Alle starrten Mary Ann an - die Messerwerfer und die Sängerin, die wieder angefangen hatte zu tanzen und nicht zuletzt die drei Männer, mit denen sie eben noch gewürfelt hatte. Rasch begriff Mary Ann und schaute sich die Gestalt genauer an. Blass und fast bläulich schimmernd, stand sie vor ihr, doch berührten ihre Füße nicht den Boden. Sie schwebte einen Hauch darüber. Auch war ihre Erscheinung nicht nur blass, sondern nahezu durchscheinend. Ein kleiner gedrungener Mann starrte sie durch den Geist hindurch an.

Es war nicht das erste Mal, dass Mary Ann ein Gespenst sah, und es war ihr auch nicht neu, dass nur sie ihn sehen konnte. Trotzdem jagte das plötzliche Auftauchen der Geister Mary Ann immer wieder aufs Neue einen Riesenschrecken ein.

Etwas gefasster erhob sie sich aus ihrer unbequemen Position. Sie strich ihren übergroßen Mantel glatt und drehte sich mit klopfendem Herzen zum Tisch um.

»Entschuldigt, ich bin wohl ausgerutscht«, ihr fiel nichts Besseres ein.

Während Calvin etwas verwundert einen Schluck nahm, hatten die anderen Beiden nur Augen für die Würfel auf dem Tisch. Es waren fünfzehn an der Zahl. Drei zu viel, wie Mary Ann begriff. Sie mussten ihr aus dem Ärmel gerutscht sein. Ohne weiter zu zögern, spurtete sie los. Die Holzstühle knallten auf den Boden, als der tätowierte und der beleibte Mann gleichzeitig aufsprangen. Wutentbrannt brüllte der Dicke etwas Unverständliches. Auf dem Weg zum Mädchen stieß er einen Unbeteiligten grob beiseite. Mary Ann stürmte jedoch bereits zum Ausgang. Sie drückte die Tür auf und lief auf die nachtfinsteren Straßen von Arrenville hinaus.

Mary Ann, Arrenville 16. April

Mary Anns Mantel

Durch die finstere Nacht rennend, brachte Mary Ann Graves mehrere Straßenbiegungen hinter sich. Schwer atmend schnappte sie in einer schmalen Gasse nach Luft. Sie lehnte sich an die harte Hauswand und schaute gen Himmel. Wolken verbargen die Sterne.

Wie konnte das nur passieren? Von einem Geist hatte sie sich erschrecken lassen, als wäre es ihre erste Begegnung dieser Art gewesen. Diesmal kam er einfach überraschend, sagte sie sich. Mary Ann hatte schon viele Geister gesehen. Oft schwebten sie an einem Fenster vorbei oder waren schon von weitem zu sehen.

Sie griff sich in die Manteltasche. Ihre Würfel waren weg. Dafür ertastete sie mehrere der Münzen, die sie sich erarbeitet hatte. Andere mochten meinen, dass sie sich diese erschummelt hatte. Aber so war es nicht. Schließlich hatte sie viel Arbeit damit gehabt die Würfel so zu präparieren, dass sie immer sechs Augen zeigten. Das allein war schon den Preis der Kupfermünzen wert, die in ihrem Mantel klimperten. Sie holte den Gewinn heraus und zählte ihn. Dann überschlug sie, wie viel Brot sie sich kaufen konnte. Vielleicht reichte es sogar für etwas heiße Suppe.

Dicke Regentropfen fielen vom düsteren Himmel herab und beschwerten Kleidung und ihr langes dunkles Haar. »Eine Schüssel heiße Suppe.« Das war eine gute Idee. Im Anschluss würde sie sich noch einen trockenen Schlafplatz suchen und morgen - morgen würde sie zusehen, wie sie sich neues Geld beschaffen konnte.

Sie streifte ihre Kapuze über und trat aus der Gasse. Der übergroße Stoff fiel ihr bis über die Augen und schränkte ihre Sicht ein. Wo sie die nächste Suppenküche finden würde, wusste Mary Ann auch blind und steuerte zielgerichtet darauf zu.

Die schweren Tropfen prasselten laut auf die Pflastersteine der Straßen und die Ziegel der Dächer von Arrenville. Durchnässt bog sie um eine Ecke und stieß plötzlich mit einem Mann zusammen. Erschrocken schaute sie auf. Die Gestalt war schlank und mindestens genauso nass wie sie selbst. Sein dünnes Haar lag platt an seinem Kopf. Schwarze Tattoofarbe zog wie Linien durch sein Gesicht. Dann breite sich ein Lächeln auf seinem Antlitz aus.

»Ah kleines Mädchen«, sagte der Tätowierte, »du schuldest mir noch Geld.«

Er fasste sie am Arm und drückte entschlossen zu. Mary Ann überlegte nicht lange, sondern stemmte sich augenblicklich gegen den Mann, der sie um zwei Köpfe überragte und als er einen kleinen Ausfallschritt nach hinten setzte, riss sie sich los. Rasch machte sie kehrt und rannte los. Die Kapuze rutschte ihr vom Kopf und Regen fiel ihr ins Gesicht. Vor ihr zweigten zwei schmale Gassen von der Straße ab. Dort musste sie hingelangen und zügig die nächste Abbiegung nehmen, um ihren Verfolger abzuschütteln. Der Tätowierte hatte jedoch die Jagd aufgenommen und holte mit langbeinigen Schritten auf. Nur noch wenige Sekunden, bis zur ersten Gasse.

»Es war nett mit euch zu Würfeln, jetzt muss ich aber leider dringend weg«, rief sie dem Mann zu und wollte soeben um die Biegung springen. Doch in diesem Moment tauchte eine zweite Gestalt wie aus dem Nichts heraus auf.

Es war der dicke Mann. Ungebremst prallte Mary Ann gegen seinen Bauch und fiel rücklings auf die nassen Pflastersteine.

Hagere Finger gruben sich von hinten in ihr Haar. Fest zog der Tätowierte sie am Schopf auf die Füße. Mary Ann entfuhr ein Schrei. Strampelnd suchten ihre Füße halt auf dem Boden, um sich hochzustemmen und dem Schmerzimpuls nachzugeben. Als sie auf beiden Beinen stand, fest im Griff des Tätowierten und dem dicken Mann ins Gesicht blickte, schlug dieser ihr ohne Vorwarnung direkt auf die Nase. Sofort schossen ihr Tränen in die Augen. Sie sackte halb in sich zusammen, wodurch sich der Zug auf ihre Kopfhaut noch verstärkte.

»Wo ist das Geld?«, dröhnte die tiefe Stimme des Dicken.

Regen und Tränen vermischen sich auf Mary Anns Gesicht mit einer warmen Flüssigkeit. Als sie ihr über die Lippen rann, schmeckte sie Blut. Sie wischte sich mit der Hand unter der Nase entlang und spuckte. Der dickflüssige Auswurf traf den Mann vor ihr. Dies brachte ihr sofort einen weiteren Schlag ein. Dieses Mal platzte ihre Lippe auf und sie fiel aus dem Griff des Tätowierten erneut auf die Pflastersteine. Mary Ann zitterte am gesamten Körper. Kein Muskel schien auf ihren Willen zu hören und sie bekam keinen Ton heraus.

»Wir finden das Geld schon«, drohte der tätowierte Schläger, »und sonst bezahlst du halt auf eine andere Art und Weise.«

Ruckartig fasste er den Kragen ihres Mantels und zerrte daran. Die Jacke rutschte ihr von ihrem linken Arm. Sofort griff sie nach dem Mantel und versuchte ihn unter ihre Kontrolle zu bringen. Der Dicke packte sie grob am rechten Arm und zog sie auf den Bauch. Dann entfernte einer der beiden den Mantel komplett.

»Das ist mein Mantel«, schrie Mary Ann in die Nacht hinein. Der metallische Geschmack von Blut breitete sich in ihrem Mund aus.

»Sieh her. Hier haben wir was«, sagte der Tätowierte und zog klingelnd die Kupfermünzen aus der Manteltasche. »Mehr wollten wir doch nicht«, fügte er hinzu.

Der dicke Schläger beugte sich zu ihr herab und flüsterte ihr ins Ohr: »Das soll dir eine Lehre sein, Kleine. Damit haben wir dir nur einen Gefallen getan.«

Mary Ann schaute sich um. Ihr Mantel lag eine Armeslänge von ihr entfernt. Dann suchte sie nach einem Ausweg, einer Möglichkeit zu fliehen.

»Und was sagt man da, wenn so nette Männer wie wir, einem Mädchen helfen?«, fuhr er fort.

»Danke«, stieß Mary Ann gequält aus.

Ein heftiger Tritt traf sie in ihrer Seite und sie rollte sich gekrümmt in einer Pfütze zusammen.

Lachend entfernten sich die beiden wieder und ließen sie dort liegen.

Zusammengekrümmt lag Mary Ann da. Zitternd streckte sie eine Hand vor und tastete nach ihrem Mantel. Vorsichtig zog sie sich ihn heran und drückte ihn fest an sich. Blut und Tränen mischten sich, mit dem Regen in der Pfütze, in der sie lag.

»Mama? Papa? Wo seid ihr nur?«, wimmerte sie und versteckte ihr Gesicht in dem Mantel. Er roch nach modrigem Stoff und frisch umgegrabener Erde.

Samantha, Arrenville 17. April

Der Hafen

Die Sonne warf ihre Strahlen über die Hafenstadt als eine kleine Kutsche mit edlen Verzierungen an einem der Kaie hielt.

»Euch gebührt mein Dank, werter Herr Kutscher«, verabschiedete sich Samantha und stieg aus der Kutsche. Sie strich sich die Hose glatt, richtete ihren Blusenkragen und schulterte ihre Tragetasche. Dann nahm sie die schwere Reisetasche von der Rückbank, woraufhin ihr der Riemen der Tragetasche von der Schulter rutschte.

Der Kutscher nickte ihr zu und schnellte mit den Zügeln, woraufhin die zwei eingespannten Pferde sich in Bewegung setzten.

Samantha richtete ihr Gepäck und sah sich um. Der Anblick, der sich ihr bot, überwältigte sie. Eine Hafenpromenade erstreckte sich kilometerweit. Überall waren Menschen. Menschen, die als Hafenarbeiter ihr Tagwerk vollbrachten und riesige Fässer transportierten. Ochsenkarren, die sich ihren Weg durch die Massen bahnten und Personen, die wie sie gekommen waren, um nach einem Abenteuer zu suchen. Das Abenteuer ihres Lebens. Reiche Edelmänner und Damen in teuren Gewändern und Menschen aus den Arbeiterklassen, die grobe Hemden und Westen trugen. Junge Familien suchten ihren Platz im Gedränge, Kinder rannten flink durch die Masse und Bettler versuchten mit ausgestreckten Händen den ein oder anderen Taler zu ergattern.

Und dann waren da die Schiffe. Segel reihten sich an Segel und verhinderten den Blick auf das Wasser in der Arrenbucht. Die Stoffe zierten die Masten in unglaublicher Höhe und leuchteten in den unterschiedlichsten Farben und Größen. Manche der Holzrümpfe besaßen zwei Masten und zählten dabei zu den kleineren Briggs. Die meisten Schiffe, die Samantha sehen konnte, hatten jedoch bis zu fünf Masten. Die Anzahl der Querstreben wiesen auf imposante Rahsegel hin, die, sobald sie zum Einsatz kamen, die Mastbäume mit Segeltuch verhüllen würden. Jetzt im Hafen hatten viele der Briggs, Barken, Fregatten und Schonern eingezogenen Segel.

Welche jedoch aus der überwältigenden Masse an Segelschiffen herausstachen, waren die gewaltigen Passagierschiffe. Diese waren extra für die Überfahrt konstruiert worden und zeichneten sich schon allein in der Höhe des Rumpfes aus, der über dem Wasserspiegel in die Luft ragte. Das komplette Holzgerüst besaß bis zu sechs Decks, vom Frachtraum über die Unterdecks bis hin zum Oberdeck. Auf dem Letzteren prangten Masten, die dicker und höher als Bäume waren. Eines dieser Passagierschiffe legte in Sichtweite von Samantha an und sie zählte acht Masten. Auf ihnen kletterten Arbeiter ohne Unterlass in schwindelerregender Höhe und montierten Taue und Segeltücher. Eine seitliche Luke hatte sich, wie eine Zugbrücke geöffnet und fiel auf den Anlegesteg, welches den Passagieren ein Betreten direkt auf die für sie vorgesehenen Unterdecks ermöglichte.

Samantha richtete ihre Tragetasche, welche sie zusätzlich zu ihrer Reisetasche mit einem Riemen über ihre Schulter trug. Dann tat sie den ersten Schritt in ihr Abenteuer.

Sie schlenderte über die gefüllte Promenade und drängte sich das ein ums andere Mal durch eine Traube Menschen, um zu ihrem Ziel zu gelangen. Immer wieder schaute sich die junge Frau um. Sie spähte in Lagerräume, die zur Hafenseite offenstanden, damit die Arbeiter ein- und ausgehen konnten sowie große Ladungen liefern konnten. In einem besonders weiträumigen Lagerhaus stapelten sich Fässer, die Samantha bereits aufgrund ihrer enormen Größe aufgefallen waren. Die Holzgefäße waren so mächtig, dass es mehrere Menschen bräuchte, um ein einzelnes Fass zu umarmen. Außerdem waren sie so hoch, dass Samantha selbst bequem darin stehen könnte. In anderen Lagerhäusern lagerten Säcke oder Kisten, deren Inhalt Samantha nur erraten konnte und wieder andere Depots waren mit Baumaterial wie Holzpaneelen und besonders großen Nägeln gefüllt. Nägel und Eisenbeschläge in Hülle und Fülle. Wieder andere waren komplett ausgeräumt und nur die Abdrücke im Staub verrieten, dass hier lange Zeit etwas gelagert hatte.

Im Vorbeigehen las sie die Namen der Schiffe durch. Diese reichten von modernen Beschriftungen wie die Nightwave oder Goldnymphe, bis hin zu den Namen der Acht Wesen. Samantha sah die Tepeclani, die Nurgala und gleich zwei Schiffe mit der Bezeichnung Cuatzolotl.

Schließlich kam sie an einem kleinen Hafengebäude an. Über der zweiflügeligen Eingangstür prangte ein Wappen. Eine Waage auf einer Welle. Das Zeichen der Schifffahrtsgesellschaft. Dort sollte sie einen Mann treffen mit dem Namen Wade Jackle. Dem Klatsch zu Folge war er dick und hatte nicht nur einen krummen Rücken, sondern auch einen Buckel. Er sollte schon in die Jahre gekommen sein. Äußerlichkeiten waren Samantha egal, aber sie halfen dabei, einen Fremden in der dichten Menschenmenge ausfindig zu machen. Doch dort unter dem Wappen wartete ein Mann, der diesen in keiner Weise entsprach.

Er war schlank und stand steif und kerzengerade dort. Sein Alter schätzte Samantha auf ungefähr dreißig oder vielleicht etwas darüber. Aber auf keinen Fall »in die Jahre gekommen«.

»Mr. Jackle?«, fragte sie vorsichtig.

»Samantha Averroy?«, kam die Gegenfrage des Mannes.

»Ja, das bin ich.«

»Mein Name ist Ethan Donovan. Ich bin Kapitän der Bluesilver.« Als er sich vorstellte, begutachtete er Samantha von oben bis unten und sein Blick blieb erst an der Hose, dann an den Taschen hängen.

»Was ist mit Mr. Jackle?«, fragte Samantha.

»Kapitän Wade Jackle lässt sich entschuldigen. Die Vorbereitungen der Überfahrt verlangen seine komplette Aufmerksamkeit. Somit hat er mich gebeten mich ...«, er stockte etwas, bis er streng fortfuhr, »um sie zu kümmern.«

Der Riemen ihrer Tragetasche drohte erneut von ihrer Schulter zu rutschen. Mit einer energischen Bewegung schob sie ihn zurück.

»Nun. Dann danke ich ihnen, dass sie sich meiner annehmen.«

»Wenn sie sich nicht selbst darum kümmern können«, erwiderte Ethan. »Auch ich habe Vorbereitungen zu treffen, die wichtiger sind, als mich um eine Frau zu kümmern.«

»Was soll das denn heißen?«, fragte Samantha. Sie verkrampfte sich in ihrer Körperhaltung und musste abermals ihre Tasche richten.

»Das soll heißen«, antwortete Ethan, »dass sie eine Frau sind. Auch wenn sie das vielleicht anders sehen.« Wobei er auf ihre Hose deutete.

»Mr. Donovan ...«, begann sie.

»Kapitän Donovan«, unterbrach Ethan.

»Kapitän Donovan, sicher wissen sie, dass ich als moderne Frau selbst entscheiden kann, welche Art Kleider ich für angemessen halte. Des Weiteren genieße ich größte Anerkennung in Theologie, Biologie, Entomologie und nicht zuletzt in der Archäologie.«

»Miss Averroy«, begann Ethan.

»Dr. Averroy«, unterbrach Samantha.

»Mir wäre es durchaus lieber, wenn sie weiter in einer Wüste nach Knochen buddeln würden, aber auf einem Schiff haben Frauen wie sie, oder diese ganzen Bettler und Tagediebe, wie ich sie verstauen muss, nichts verloren. Auf der rauen See herrscht ein anderer Wind als im Studier- oder Kinderzimmer.«

Samantha wollte bereits zum nächsten Argument ausholen, doch Ethan war schneller.

»Zu meiner Zufriedenheit kann ich Ihnen mitteilen, dass Sie auf der Victoria einquartiert sind, Doktor. Und nicht auf meinem Schiff. Sie dürfen mir gerne folgen«.

Ohne eine Reaktion abzuwarten, ging er schnellen Schrittes fort. Samantha musste sich bemühen mitzuhalten. Zornig lief sie ihm nach und hatte das ein oder andere Mal, die Sorgen, dass sie ihn aus den Augen verlieren würde. Dann jedoch führte er sie zu einem der gewaltigen Passagierschiffe. In goldenen Lettern prangte der Name Victoria auf dem kolossalen Rumpf. Als sie direkt am Anlegesteg vor dem Schiff stand und an dem Holzkonstrukt hinaufschaute, erschauderte sie. Sie richtete ihre Tasche und fasste an die Holzbretter der Victoria. Aus der Nähe war so ein Passagierschiff noch weitaus eindrucksvoller. Die Fassade reichte wie ein Gebäude über dem Wasserspiegel empor. Die Reling bog sich um den Rumpf und deutete das dahinter liegende Oberdeck an. Für Samantha war es weder möglich auf das Deck zu schauen noch die Mastbäume zu sehen. Lediglich die Querstreben samt der eingerollten Segel ragten über ihren Kopf und den Steg herüber. Samanthas Abenteuerlust ließ ihr Herz höher schlagen. Endlich war es so weit und sie konnte die rein sachliche Fachwelt für ein weiteres Mal verlassen und in die unerforschte Natur eintauchen.

Ihr Begleiter nahm keine Notiz vom imposanten Bild des Schiffs und schien auch nicht in ähnlich euphorischer Stimmung zu sein. Er stakste direkt auf zwei Matrosen zu, die einen Einlass bewachten.

»Das ist Samantha Averroy«, ertönte Ethans Stimme und er zeigte dabei auf die junge Frau, die bepackt mit schweren Taschen und das Schiff betastend einen sonderbaren Eindruck erweckte.

»Sie ist jetzt euer Problem«, fügte Ethan hinzu und machte kehrt.

Mary Ann, Arrenville 17. April

In der Gasse

»Da liegt jemand«, ertönte eine fremde Männerstimme. Langsam und monoton fragte die Stimme: »Tot?«

Eine zweite schrille Stimme, die einer Frau, antwortete: »Nein, sie lebt noch.«

Mary Ann lag zusammengekauert im kalten Regen. Die ersten Sonnenstrahlen tauchten die Dachziegel von Arrenville in einen goldenen Schimmer, doch reichten nicht weit genug in die Gasse hinein, um auch Mary Ann zu erwärmen.

Mary Ann hörte wie sich eine der Personen wieder entfernte. Es war ein schwerer Gang. Dann kamen kurz gesetzte, fast trippelnde Schritte auf sie zu.

Die schrille Stimme der Frau sprach: »Hallo, mein armes Ding. Was haben sie dir bloß angetan? Oje.«

Sie strich Mary Ann das klatschnasse Haar aus dem Gesicht. Warm fuhren ihre Finger vorsichtig über Mary Anns Stirn. Mary Anns Nase pochte, als drohten ihre geschwollenen Blutgefäße zu platzen und ihre Seite schmerzte so stark, dass ihr die Tränen kamen.

»Mein Name ist Stella«, sagte die Frau in ihrer quirligen und zugleich sanften Stimmlage.

Mary Ann öffnete ihre Augen und sah rötliches, volles Haar, das um ein geschminktes Gesicht herum fiel. Mary Ann schätzte die Frau auf etwa vierzig Jahren. Dunkler Lippenstift zeichnete ihre vollen Lippen nach und betonten ein hübsches Lächeln.

Der Mann stand mehrere Schritte hinter Stella, so dass Mary Ann ihn nicht erkennen konnte.

»Ich bin Mary«, röchelte Mary Ann. Bei jeder Silbe spannte sich die Haut in ihrem Gesicht und sie spürte das verkrustete Blut an ihren Lippen. Ihre eigene Stimme klang ihr fremd.

»Dein Gesicht«, bemerkte Stella. Mit einem bestickten Taschentuch wischte sie Mary Anns Mund und Nasenpartie ab.

»Du hast dich ja bekleckert«, lachte sie plötzlich los. »Dein Mantel ist ja ganz schmutzig.« Stella nahm den Mantel. Lackierte Finger umschlossen den Stoff der Jacke. Sie richtete sich auf und schlug das Kleidungsstück aus.

»Das ist mein Mantel«, protestierte Mary Ann.

»Und das soll auch so bleiben«, lachte Stella. »Steh jetzt auf mein Kind.«

Als Mary Ann aufgestanden war und klamm und zitternd vor der Frau stand, legte Stella den Mantel um Mary Anns Schultern.

Abermals streifte die Rothaarige eine Haarsträhne aus Mary Anns Gesicht. Mary Ann zuckte kurz. Sie wusste nicht, ob sie diese Berührung zulassen durfte. Obwohl Stella ihr völlig fremd war und mit ihrer schrillend lachenden Stimme etwas schräg wirkte, fühlten sich diese Berührungen nach Geborgenheit an. Lange hatte sie so etwas vermisst.

»Du musst in einer Stadt wie Arrenville aufpassen«, erklärte Stella und fasste Mary Ann sachte an den Arm. Mit einer fließenden Bewegung glitt ihre Hand in Mary Anns Manteltasche. Die Bewegung war geschickt, und trotzdem blieb sie Mary Ann nicht unbemerkt. Doch kaum war sie darin verschwunden, zog sie diese auch wieder heraus.

»Jetzt muss ich aber los«, lachte Stella, »Aber vielleicht ist das ja kein Abschied auf Lebenszeit.«

Sie drehte sich um und warf dabei ihre vollen Haare nach hinten. Nun, da sich die Frau entfernte, tastete Mary Ann die Innenseite ihrer Manteltasche ab. Ihre Finger stießen auf etwas Hartes. Sie holte es hervor und erkannte eine Silberkrone. Verblüfft starte sie die Münze an.

»Warum machst du das?«, rief sie.

Stella lachte: »Wir Straßenkinder müssen doch zusammenhalten.«

Die Hüfte schwingend und mit klackenden Schritten stolzierte sie an der Seite des Mannes aus der Gasse. Mary Ann starrte ihr nach. Was für eine seltsame Frau, dachte sie.

Trevor, Arrenville 17. April

Brüder der Suche

»Ich danke Ihnen«, sprach einer der beiden Besucher der Gaststätte Brot und Bett. Das Essen, welches ihnen zubereitet wurde, war karg und die Räumlichkeiten heruntergekommen. Die Dielenbretter waren an einigen Stellen aufgequollen, da es von der Decke tropfte. Die Wände waren einst vielleicht ordentlich tapeziert gewesen, doch die Zeit hatte ihren Tribut gezollt und so hingen sie nun verblichen und schimmelig da. Hinter dem splittrigen Tresen stand ein alter Mann, dessen Äußeres seine Gaststätte widerspiegelte. »Immer wieder gerne meine Herren«, gab er mit heiserer Stimme zurück.

Die beiden Gäste nickten ihm zu und stiegen eine steile Treppe ein Stockwerk höher.

»Wenn wir noch länger bleiben, stürze ich hier noch ein.«, sagte Trevor.

In seiner langen Ordensrobe aus braunem Stoff betrat er zuerst die Treppe. Doch bei Benjamin knarrten die Stufen unheilverkündend lauter. Dies lag an seinem Körpergewicht, welches, gemessen an Trevor, trotz ähnlicher Körpergröße, doppelt so schwer war.

Dadurch, dass das Gasthaus mitten in Arrenville stand, war es schmal und dafür in die Höhe gebaut. Oben angekommen, gingen sie den Flur entlang und öffneten die Tür zu ihrem angemieteten Zimmer.

»Wir können froh sein, dass wir eine Herberge im Stadtzentrum gefunden haben«, sagte Benjamin. »Das erspart uns viel Lauferei.«

»Wir müssen packen«, ergänzte Benjamin. In dem Zimmer standen zwei schmale Betten und ein flacher Schrank. Dort holte er eine schwere Tasche raus und kippte sie auf eines der Betten. »Wir nehmen nur das mit, was wir auch brauchen«, stellte er klar.

»Was meinst du, wie lange wir unterwegs sein werden?«, fragte Trevor und steckte den ersten Gegenstand in die Tasche.

»Nicht das Beil«, korrigierte ihn Benjamin.

Trevor legte die Axt beiseite und nahm sich den nächsten Gegenstand. Auch Benjamin packte unterdessen eine weitere Tasche, blickte jedoch ständig zu Trevor.

»Ich hoffe, dass ich nicht seekrank werde. Ich hörte, dass es mehrere Fischkutter an die Riffe geschlagen hat, als der Sturm wütete«, sagte Trevor.

»Selbst schuld sind sie, wenn sie das Wetter nicht im Blick haben, sage ich dir« ,meinte Benjamin. Dann fügte er hinzu: »Nicht die Machete.«

Trevor legte die zwei Fuß lange Klinge beiseite und griff sich ein Messer. Benjamin schüttelte den Kopf.

»Jetzt überleg doch mal. Die Taschen werden kontrolliert und alle Waffen werden uns abgenommen«, klärte Benjamin ihn auf.

»Ganz ohne Waffen?«, fragte Trevor.

Das war ungewöhnlich und dem jungen Ordensbruder behagte dies ganz und gar nicht.

»Keine Waffen«, bestätigte der Dicke. »Nicht einmal eine Pistole.«

Trevor räumte mehrere Messer und Dolche, sowie zwei Schusswaffen beiseite.

»Dann haben wir ja nur Zutaten mit«, stellte Trevor fest und steckte diese nacheinander ein. »Jagdwurz, Drosseleischale, geriebener Schneckenpanzer.«

»Vergiss das Hexenefeusekret nicht«, ergänzte Benjamin. »Und häng dir ja den Quetzli Talisman um.«

Die Ordensbrüder räumten ihre Zutaten in die Tasche und legten noch ein Buch mit dem Titel Die Suche hinzu. Anschließend verließen sie die Gaststätte. Es dämmerte und die Sonne versteckte sich bereits hinter den Häuserreihen von Arrenville. Sie bogen von der Burrowstreet auf die Gravejardlane ein und folgten dieser, bis sie an einem alten Friedhof ankamen.

Ein hoher Torbogen beugte sich über sie hinweg. Verschnörkeltes Gusseisen und Rankengewächse umzäunten das Gelände. Die Ordensbrüder der Suche betraten den Friedhof. Ein gerader Weg führte sie durch ein Spalier an Gräbern. Dann wechselten diese Grabsteine zu mannshohen Steinstatuen. Auf einem Sockel thronte eine echsenartige Kreatur. Die Beine wuchsen aus einem Schlangenkörper und endeten in Klauen. Der Kopf setzte sich aus einer Mischung aus Reptil und Vogel zusammen. Schuppen zogen sich darüber bis in den Nacken. Das Gesicht lief spitz zu und schloss in einem gekrümmten Schnabel.

»Das sind die Acht Wesen«, erklärte Benjamin.

»Das müsste ... äh.«

»Das ist Itzocuatl«, staunte Trevor.

»Genau.«

»Glaubst du, dass wir einen finden? Also im Neuen Land meine ich?«, fragte Trevor. Er fuhr mit seiner Hand über den kalten Stein der Skulptur. Er schritt zur nächsten und fasste auch diese an. Es war ein unförmiger Klumpen. Zumindest der Leib der Statue. Der Kopf hingegen war klar akzentuiert. Im Maul prangten mehrere Hauer.

»Zwar besteht der Orden der Sucher erst knapp hundert Jahre, jedoch suchen wir Menschen bereits seit Anbeginn der Schrift nach den uralten Wesen. Sie kamen und gingen. Mal waren sie da und mal waren sie fort. Gefunden wurden sie nie. Vielmehr erschienen sie einfach ohne äußeres Zutun«, sagte Benjamin. »Es sind Wanderer, die jede Zeit überdauern.«

»Ja, aber sie waren nie so lange verschollen«, meinte Trevor.

Benjamin schaute sich die anderen Abbilder an. Im Halbdunkeln wirkten sie monströs und unheimlich. »Es ist nun ein halbes Jahrtausend vergangen, seit der Letzte der Acht gesichtet wurde. Damals hat keiner ahnen können, dass sie so lange abwesend sind und was das für Folgen für uns haben würde. Wir können nur beten und hoffen, dass sie eines Tages wiederkommen werden.«

»Ich hoffe, dass ich eines Tages einen sehe. Also einen Echten. Nicht diese nachgestellten Miniaturen«, schwärmte Trevor.

Verträumt berührte er die flossenartigen Beine des Wesens vor ihm. Es war das letzte in der Reihe und hatte einen schuppigen Rumpf und spitze Stacheln im Gesicht. Sie schritten weiter und bogen vom Hauptweg ab, bis sie zu einem der neueren Teile des Friedhofs kamen.

»Hier liegen die frisch Verstorbenen«, erklärte Benjamin. »Schau, ob du etwas findest.«

Trevor wusste was zu tun war und folgte der Anweisung. Er schlenderte zwischen den Gräbern entlang und schaute auf die Inschriften der Steine. Joseph Banks, Familie Stoneward und Josephine Rusmond. Beim nächsten Grab war die Erde frisch aufgehäuft, wie er schon mit mehreren Fuß Abstand feststellte. In diesem Teil des Friedhofes war das nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich war jedoch das große Loch im Grab.

»Dieses Grab ist frisch«, sagte Trevor. Obwohl er leise sprach, konnte Benjamin ihn in der Stille gut vernehmen und umrundete derweil ein weiteres Grab.

»Kannst du schon was hören?«, fragte Benjamin. »Ein Kratzen oder Wühlen?«

»Das Grab ist leer«, sagte Trevor.

Benjamin machte ein fragendes Geräusch. Er überlegte und streifte in einer anderen Richtung über das Friedhofsgelände. »Womöglich ist noch niemand beigesetzt worden«, meinte er über mehrere Gräber hinweg.

»Die Inschrift des Grabsteines gibt an, dass hier ein Mr. Tayler liegen sollte. Verstorben vor einer Woche«, antwortete Trevor. »Die Erde scheint von außen ausgehoben worden zu sein, seltsam.«

»Hier ist es ebenso«, meinte Benjamin. »Das Grab ist leer. Diese arme Seele ist vor wenigen Tagen erst verstorben. Sieht aus, als wären hier Leute mit Schaufeln am Werk gewesen.«

Er ging weiter durch die Reihen an Gräbern und Grabsteinen. Die meisten waren unversehrt und es wuchsen bereits kurze Gräser über der Erde. Sie fanden jedoch noch mehrere ausgehobene Gruben vor.

»Warum glaubst du, sind die Gräber leer?«, fragte Trevor.

»Die Frage ist ja wohl eher, was sie dort herausgeholt haben. Auf jeden Fall haben wir hier heute Abend keine Arbeit mehr.«

Trevor, Arrenville 18. April

Die Victoria

Die Sonne stand jetzt hoch am wolkenlosen Himmel und hatte auch die letzten Regentropfen in den hintersten Winkel Arrenvilles getrocknet.

Benjamin drängte sich an einer Familie vorbei, die sich am Kai der Victoria einen Weg bahnten. Trevor hatte Schwierigkeiten mitzuhalten. Der Kai war gefüllt von Menschen aller Art. Aus jeglichen Gesellschaftsschichten und mit den unterschiedlichsten Beweggründen sind alle gekommen, um auf der Victoria Platz zu finden.

Das große Passagierschiff ragte an der gesamten Länge des Kais in die Höhe. An drei Stellen lagen die hölzernen Zugbrücken heruntergelassen zu Füßen der wartenden Masse. Nur langsam kamen die Passagiere durch die Kontrollen. Bewaffnete Matrosen kontrollierten Gepäck und Identitäten der Menschen. Als Klerus konnten die beiden Sucher den zweiten der drei Eingänge nehmen. Etwas außer Atem kämpften sie sich durch die Menschenmenge bis zur Schlange, die sich vor der zweiten Zugbrücke gebildet hatte.

»Es sind so viele Leute hier«, staunte Trevor. »Und das ist nur eines der Passagierschiffe.«

»Es ist die einzige Möglichkeit zum Neuen Land überzusetzen«, antwortete Benjamin. »Das weiß er auch.«

»Er könnte überall sein«, sagte Trevor und warf einen hastigen Blick um sich. »Auf jedem der Passagierschiffe. Er könnte sich soeben in dem Rumpf der Viktoria verstecken.«

Die Schlange bewegte sich vorwärts und die Ordensbrüder rückten weiter auf.

»Schlag dir die anderen Schiffe aus dem Kopf«, herrschte Benjamin ihn an. »Die werden von unseren Ordensbrüdern überwacht. Wir sind lediglich der Viktoria zugeteilt.«

Es war nur noch eine weitere Person vor ihnen in der Schlange und sie hörten die Stimme der Wachmänner.

»Name?«, fragte ein backenbärtiger Matrose tonlos.

»Derrik Harris«, kam die Antwort von einem kleinen Mann vor ihnen. Außer einem eleganten Gehstock schien er kein Hab und Gut bei sich zu haben.

»Wo ist Ihr Reisegepäck?«, fragte der Matrose.

»Das ist bereits auf der Victoria. Hier ist das Schreiben von Kapitän Jackle.«

»So so«, murrte der Matrose und las sich den Brief durch. »Gut Dr. Harris. Eine gute Fahrt.«

Ein Matrose mit einer Muskete in den Händen trat beiseite, und besann sich dann eines Besseren.

»Den Stock müssen sie hierlassen«, meinte er.

Dr. Harris sah an seinem Gehstock herab. »Dieser hier?«

»Er kann als Waffe missbraucht werden«, erklärte der Matrose. »Clark.«

Ein weiterer Matrose eilte herbei, der den Gehstock nahm und damit in einem Seitenraum verschwand. Erst als der Gehstock verstaut war, und deutlich war, dass der Doktor keine Einwände erhob, gab der Matrose den Weg frei und Derrik Harris betrat das Innere des Schiffes.

Die Sucher rückten nach.

»Namen?«, fragte der Backenbärtige mit einem Blick zu den beiden.

»Benjamin Butcher und Trevor Pepper«, sagte Benjamin mit einem Wink zu Trevor.

»Das Gepäck geben sie bitte bei meinem Kollegen ab, Mr. Butcher und Mr. Pepper«, sagte der backenbärtige Matrose und zeigte zu seiner Rechten.

Sein Kollege nahm sich der Reisetaschen an, während der Bärtige auf einem Klemmbrett die Namen suchte.

»Baker, Brook, Butcher«, murmelte er erst, als seine Augen über die Liste fuhren und anschließend: »Lock, Paperson, Pepper. Pepper Phil, Pepper Trevor.«

Unterdessen hatte der andere Matrose die Taschen geöffnet und wühlte darin herum. »Was ist das hier für Zeug?«, fragte er mit kratziger Stimme.

Er holte ein Glas heraus, in dem eine dickflüssige Masse vor sich hin sickerte. Beobachtend drehte er das Behältnis in den Händen.

»Das ist Teil meiner Studien über Pflanzenkunde«, erläuterte Benjamin. »Dies ist der Extrakt eines Gewächses, das nur in der tiefsten Sluventundra wächst.«

Der Matrose steckte das Glas zurück in die Tasche. »Mir sind diese Sachen nicht geheuer«, sagte er.

»Nur weil ihnen etwas suspekt ist, heißt es ja nicht, dass es gefährlich ist«, erwiderte Benjamin.

Der Matrose runzelte die Stirn. Alle Gleichgültigkeit, mit der er die Passagiere vor den Suchern abhandelt, verschwand und schlug in Misstrauen um.

»Clark«, rief er über seine Schulter, »dieses Zeug auch.«

Trevor bemerkte den Umbruch und versuchte die Situation zu bereinigen. »Wir brauchen diese Sachen. Es ist sehr wichtig.«

»Wozu sollen diese Pflanzen denn nützen?«, fragte der Matrose kratzig, »Ich sage ihnen, die Taschen bleiben bei mir. Gerne können sie ihr Eigentum nach Ankunft in Kollonia zurückerhalten. Ihre Studien können dann wieder aufgenommen werden.«

Trevor wollte protestieren, doch Benjamin gab ihm einen Stups.

»Gehen sie ohne ihr Gepäck an Bord, oder bleiben sie mit ihrem Gepäck hier«, sagte der backenbärtige Matrose. »Namen?«, stellte er den nächsten Passagieren die immer gleiche Frage und zwang die Sucher damit zu einer schnellen Entscheidung.

»Wir gehen an Bord«, stellte Benjamin klar und drückte Trevor ins Innere.

»Eine gute Fahrt, die Herren«, verabschiedete der Matrose sie.

Trevor überschritt die Schwelle und warf zum ersten Mal einen Blick ins Innere eines Passagierschiffs.

Das Schiff war schlicht gehalten. Vor Trevor erstreckte sich ein langer Flur. Holz verkleidete sowohl den Boden als auch die Wände. Dieser Korridor führte zu einer offenstehenden, doppelflügeligen Tür. Dahinter lag ein großräumiger Platz. Dies war das Unterdeck Eins, welches sich fast vom Bug, bis zum Heck zog. Balken bildeten Alleen und stützen das gesamte Werk. Menschen drängten sich bereits an einigen Stellen in Trauben zusammen. Besonders am dritten Eingang, jener für die Arbeiterklasse, wurde es zunehmend voller.

»Welch ein Wunder der Technik«, staunte Trevor.

Das Deck war so lang, dass es kaum zu erkennen war, wer am anderen Ende stand.

»Unter uns befinden sich mit dem Frachtraum, noch zwei weitere Decks ähnlicher Dimension und über uns gibt es auch noch das Mittel und Oberdeck«, meinte Benjamin.

Sie gingen tiefer ins Innere hinein. Schlafverschläge reihten sich wie Schuhkartons rechts und links entlang des Rumpfes aneinander. Die Zellen waren für mehrere Menschen gedacht. An die Balken zwischen den Verschlägen hatte man Hängematten gebunden, die noch weiteren tausenden Menschen einen Schlafplatz boten. An Backbord und Steuerbord, waren zwar winzige Luken eingebaut, damit die Sonne ihre Strahlen ein Stück weit hereinwerfen konnte, doch das Unterdeck lag weiterhin im Halbdunkel.

»Meinst du, das wird ihn vertreiben?«, fragte Trevor und deute dabei auf das Fenster, welches ihnen am nächsten war.

»Da bin ich mir auch nicht sicher. Gehen wir mal schauen, wie das Unterdeck Zwei unter uns aussieht«, sagte Benjamin.