Giants - Die letzte Schlacht - Sylvain Neuvel - E-Book

Giants - Die letzte Schlacht E-Book

Sylvain Neuvel

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Beschreibung

Zehn Jahre sind vergangen, seit gewaltige Alien-Roboter London zerstörten. Zehn Jahre, seit die beiden Wissenschaftler Dr. Rose Franklin und Vincent Couture von den Aliens mit in eine fremde Welt genommen wurden. Nun sind sie zur Erde zurückgekehrt – nur um festzustellen, dass dort nichts mehr ist, wie es war: Die USA und Russland nutzen die auf der Erde zurückgebliebenen Roboter, um sich einen erbitterten Krieg zu liefern, und der Rest der Welt bricht unter dem Konflikt der beiden Supermächte beinahe zusammen. Finden Vincent und Rose eine Lösung oder hat die letzte Stunde der Menschheit geschlagen?

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Seitenzahl: 444

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Das Buch

Zehn Jahre sind vergangen, seit gewaltige Alien-Roboter London zerstörten. Zehn Jahre, seit die beiden Wissenschaftler Dr. Rose Franklin und Vincent Couture gemeinsam mit Vincents Tochter Eva von den Aliens mit auf ihren Heimatplaneten Esat Ekt genommen wurden. Nun sind die drei zur Erde zurückgekehrt – nur um festzustellen, dass dort nichts mehr ist, wie es einmal war: Die Vereinten Nationen gibt es nicht mehr, und Russland und die USA nutzen die auf der Erde verbliebenen Roboter, um sich einen erbitterten Krieg zu liefern, während der Rest der Welt unter dem Konflikt der beiden Supermächte beinahe zusammenbricht. Als sich dann auch noch China in die Kampfhandlungen einmischt und die Situation auf der Erde endgültig zu eskalieren droht, ergreifen Rose Franklin und Vincent Couture eine drastische Maßnahme: Sie kontaktieren Esat Ekt und bitten die Aliens, in den Konflikt auf der Erde einzugreifen. Ein Schachzug, der entweder die Rettung der Menschheit bedeutet oder ihren Untergang …

Der Autor

Sylvain Neuvel wurde in Quebec City, Kanada, geboren und studierte Sprachwissenschaften in Montreal und Chicago. Er arbeitete unter anderem als Journalist und Übersetzer, bevor er das Schreiben für sich entdeckte. Seine lebenslange Faszination für Roboter inspirierte ihn zu seinem ersten Roman Giants, der in den USA bereits ein Riesenerfolg ist. Der Autor lebt mit seiner Familie in Montreal.

Mehr über Sylvain Neuvel und seine Romane erfahren Sie auf:

SYLVAIN NEUVEL

GIANTS

DIE LETZTE SCHLACHT

ROMAN

Aus dem Amerikanischen übersetzt

von Marcel Häußler

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Titel der amerikanischen Originalausgabe ONLY HUMAN – THE THEMIS FILES BOOK 3

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Deutsche Erstausgabe 12/2018

Redaktion: Elisabeth Bösl

Copyright © 2018 by Sylvain Neuvel

Copyright © 2018 der deutschsprachigen Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: DAS ILLUSTRAT, München, unter Verwendung von Motiven von Ociacia/ Shutterstock und Eric Jennings/ Shutterstock

Satz: Leingärtner, Nabburg

e-ISBN 978-3-641-23156-9V001

www.diezukunft.de

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Eyantsant eps.

PROLOG

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FILE 2101

EINSATZPROTOKOLL – CAPT. BODIE HOUGH UND

LT. BARBARA BALL, U.S. MARINE CORPS,

MECHA DIVISION

ORT: VOR DEM DARESSALAM-HOTEL, TOBRUK, LIBYEN

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— Zentrale, hier Lapetus. Ziel in Sicht.

— [Verstanden, Lapetus. Bereithalten.]

— Halten uns bereit … Genau, wo wir hinsollten. Nicht schlecht, was?

— Gib nicht so an, Bodie, du hast nur die Zahlen eingetippt, die sie dir gegeben haben. Wenn du mit dem Roboter einen Moonwalk hinkriegst, dann kannst du angeben.

— Moonwalk? Meinst du, wie in Zeitlupe?

— Ist das dein Ernst, Bodie? Wie alt bist du?

— Für dich immer noch Captain Hough, Lieutenant Baaalll. Wenn ich mich nicht täusche, bist du über ein Haus gestolpert, als du letztes Mal die Beine hattest. Voll auf die Nase gefallen, und Benson hat sich dabei die Handgelenke gebrochen. Stimmt’s?

[Lapetus, hier Zentrale.Können Sie mal einen Moment aufhören zu streiten? Wir müssen einen Auftrag ausführen. Sehen Sie das Hotel?]

— Bestätige. Ein sehr schönes Hotel. Hätte nichts dagegen, da ein paar Tage Urlaub zu machen.

[Haben sie freien Blick auf den Roboter?]

— Wenn Sie die Leute meinen, die uns aus der obersten Etage anstarren, ja, die können uns gut sehen. Wir sind höher als alles andere in der Stadt. Man kann uns nicht übersehen.

[Verstanden, Lapetus. Wir reden jetzt mit ihrem Vorsitzenden. Bereithalten für weitere Befehle.]

— Wir halten uns bereit. Warum sind wir eigentlich in Tobruk? Ich dachte, die Regierung wäre in Tripolis.

— Stimmt.

— Und was ist hier?

— Eine andere Regierung. Informierst du dich nicht vor dem Einsatz?

— Aber es ist dasselbe Land.

— Das kommt schon mal vor. Als ich klein war, gab es hier eine Zeit lang drei Regierungen.

— Welche ist die echte?

— Kommt drauf an, wen man fragt. Ich bin ziemlich sicher, dass alle von sich behaupten, sie wären die echte.

— Das ist doch Unsinn. Ist aber sowieso egal, oder? In zwanzig Minuten übernimmt hier ein amerikanischer General das Kommando.

— Du meinst, er berät die demokratisch gewählte Regierung Libyens.

— Ja, genau.

[Lapetus, hier Zentrale. Der Vorsitzende ist nicht so empfänglich für unsere Vorschläge, wie wir es wünschen. Entfernen Sie mit Ihrem Lichtstrahl die Nordhälfte des Gebäudes. Wiederhole, zerstören Sie die Nordhälfte des Hotels.]

— Verstanden, Zentrale. Wir …

— Captain, oberste Etage, zweites Fenster von rechts.

— Ich sehe es. Zentrale, offenbar sind Menschen in diesem Teil des Gebäudes. Wollen wir ihnen einen Augenblick Zeit lassen, es zu räumen? Wir könnten sämtliche Autos auf dem Parkplatz vernichten, dann verschwinden sie bestimmt.

[Lapetus, Sie haben Ihre Befehle.]

— Was machen wir jetzt?

— Wie, was machen wir jetzt? Du hast doch gehört, was er gesagt hat, Lieutenant. Fang in der Mitte des Gebäudes an und schwenk nach rechts. Ziel tief, vielleicht können wir die Häuser dahinter verschonen.

— Jawohl … In Position.

— Aktiviere den Strahl. Sag, wann.

— Äh … wann. Du siehst doch den Strahl, oder? Du weißt, wann ich fertig bin.

— Strahl ausschalten. Wow, das Ding ist fies. Es macht nicht mal ein Geräusch. Zentrale, hier Lapetus. Ziel zerstört. Zur Hälfte, jedenfalls.

[Verstanden, Lapetus. Wir sehen es über Satellit. Bereithalten.]

— Verdammt, ich liebe diesen Job!

— Das sieht man.

— Was soll das heißen?

— Es heißt das, was du denkst. Du hast gesagt, du liebst den Job. Und ich sage, dass man es sieht. Sonst nichts. Hast du ein Problem damit?

— …

— Gut! Themawechsel! Wir könnten noch eine Weile hier sein. Worüber willst du reden? Bücher? … Nein? Filme? Hast du irgendwelche Hobbys, von denen ich nichts weiß?

— …

— Gut, ich fang an. Ich sammle Cabbage Patch Kids.

— Ich weiß nicht, was …

— Schon okay. Ich war da auch noch nicht auf der Welt. Das waren Puppen, angeblich alle verschieden. Man hat sie nicht gekauft, sondern »adoptiert«. Man hat eine Geburtsurkunde dazu bekommen, Adoptionsunterlagen und eine kleine Karte, auf die man schreiben konnte, was ihre ersten Worte waren, wann sie die ersten Schritte gemacht haben und was ihre Leibgerichte waren.

— Sie konnten sprechen?

— Nein, Bodie. Sie konnten nicht sprechen. Sie konnten auch nicht essen. Es sollte nur so aussehen, als hätte man ein echtes Baby adoptiert, das im Kohlfeld geboren wurde.

— Wie kann man eine Puppe adoptieren?

— Man kauft sie natürlich. Es gibt sie im Geschäft. Man bezahlt dafür, nennt es aber Adoptionsgebühr. Jedenfalls gab es in den Achtzigern einen Riesenhype darum. Die Leute sind durchgedreht. Es gab Prügeleien in den Geschäften und so, lauter verrückte Sachen. Sie waren nur kurze Zeit so beliebt, wurden aber ungefähr vierzig Jahre lang von der einen oder anderen Firma hergestellt. Meine Mutter hatte sechs Stück. Sie hat sie mir geschenkt, als ich eine Jugendliche war, und jetzt sammle ich sie. Die alten sind schwer zu finden und kosten meistens ein Vermögen.

— Du sammelst Puppen. Das ist überhaupt nicht unheimlich.

— Letztes Jahr habe ich eine für fünftausend verkauft.

— Du hast eine Puppe für fünftausend Dollar verkauft.

— Brutis Kendall, am 1. November im Kohlfeld geboren. Fast wie neu. Mit Verpackung. Und allen Papieren.

— Wahnsinn. Aber ich finde das immer noch unheimlich. Du solltest nicht …

[Lapetus, hier Zentrale. Der Vorsitzende des Rats der Volksbeauftragten von Libyen hat die Vereinigten Staaten um technische Unterstützung und Beratung gebeten. Gut gemacht. Warten Sie einfach ab. Die Navy schickt Soldaten. Voraussichtliche Ankunftszeit in zwanzig Minuten. Kehren Sie zur Basis zurück, sobald sie eingetroffen sind. Die Navigationsabteilung schickt Ihnen gleich die Daten für den Heimweg.]

— Verstanden, Zentrale. Ende. Die Guten haben wieder gesiegt. Einer Stadt nach der anderen wird die Freiheit geschenkt.

— Ich bin ziemlich sicher, dass sie vorher schon frei waren.

— Tja, jetzt sind sie noch freier.

ERSTER TEIL

ANDERE LÄNDER, ANDERE SITTEN

FILE EE955

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AUFZEICHNUNG VON ESAT EKT

TAGEBUCHEINTRAG VON ROSE FRANKLIN, PH.D.

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Man sollte aufpassen, was man sich wünscht.

Vor ungefähr zehn Jahren – damals war ich siebenunddreißig – ist ein gewaltiger Roboter von einem anderen Planeten zur Erde gekommen und hat einen Teil Londons dem Erdboden gleichgemacht. Es gelang uns, ihn zu zerstören, aber dreizehn weitere tauchten auf und stießen in über zwanzig unserer bevölkerungsreichsten Städte ein gentechnisch verändertes Gas aus. Einhundert Millionen Menschen starben. Darunter befanden sich der geheimnisvolle Mann, dessen Namen ich nie erfuhr und der all unsere Handlungen steuerte, seit ich an der University of Chicago mit der Erforschung der Riesen-Hand betraut wurde, und Kara Resnik, die meine beste Freundin und Vincents Frau und Evas leibliche Mutter war.

Mit einiger Hilfe fand ich eine Möglichkeit, das Metall, aus dem die Roboter bestanden, auf molekularer Ebene zu verändern und einen von ihnen auszuschalten. Das genügte, um die Außerirdischen zur Abreise zu bewegen.

Ich kann nicht behaupten, ich hätte gewusst, dass Millionen sterben würden, weil ich Themis entdeckte und die Aufmerksamkeit auf unseren Planeten lenkte, aber befürchtet habe ich es schon. Ich habe es befürchtet, seit ich ins Leben zurückgeholt wurde. Ich fühlte mich … fehl am Platz und wünschte, diejenigen, die Themis gebaut hatten, würden zurückkommen, um sie uns wegzunehmen. Ich habe auch gesagt, ich würde hoffen, dass sie mich mitnehmen.

Und das haben sie getan. Nachdem die außerirdischen Roboter die Erde verlassen hatten, gingen General Eugene Govender, der Leiter der EVT, Vincent, Eva und ich an Bord von Themis, um unseren Sieg – nein, das stimmt nicht – um unser Überleben zu feiern. Während wir dort waren, ließ der Rat von Akitast – die Außerirdischen, die entscheiden, wie ihre Welt mit anderen umgeht – Themis zurückholen. Sie dematerialisierte sich auf der Erde und erschien mit uns an Bord auf ihrem Heimatplaneten.

Sie nennen ihn Esat Ekt – Heimat der Ekt, ihr Volk. Auf gewisse Weise sind sie auch unser Volk. Die Ekt kamen vor etwa fünftausend Jahren erstmals zur Erde – vierundzwanzig von ihnen oder so. Sie lebten mehrere Jahrtausende unter uns. Ihr Befehl lautete, sich niemals einzumischen und die Geschichte ihren Lauf nehmen zu lassen, aber irgendwann wurden einige von ihnen abtrünnig und mischten sich unter die Ureinwohner. Sie bekamen Kinder mit ihnen – halb Mensch, halb Alien –, die wiederum Kinder hatten – dreiviertel Mensch – und so weiter, bis ihre Nachfahren kaum noch außerirdische Gene hatten. Nach dreitausend Jahren waren sie von den Menschen nicht mehr zu unterscheiden. Wir alle, jeder einzelne Mensch auf der Erde, sind, wie entfernt auch immer, mit den paar Außerirdischen verwandt, die die Liebe über die Pflicht stellten, als die Titanen auf Erden wandelten.

Wir leben jetzt seit neun Jahren auf Esat Ekt, aber wir sind immer noch ziemliche Außenseiter. Die ganze Gesellschaft hier beruht auf der Idee, dass verschiedene Spezies sich nicht gegenseitig beeinflussen sollten, dass jede einzelne sich nach ihren eigenen Werten entwickeln sollte. Vor Jahrhunderten wären die Ekt von den Bewohnern eines Planeten, die ihr Kaiser aus politischen oder persönlichen Gründen vertrieben und ins Exil geschickt hatte, fast vernichtet worden. Danach ersetzten sie die Monarchie durch eine sehr komplexe Demokratie und hoben ihre Nichteinmischungspolitik auf eine ganz neue Ebene. Die Ekt sind der Ansicht, dass man einer Spezies die Zukunft raubt, die ihr zusteht, wenn man sie mit den eigenen Genen »verunreinigt«. Sie betrachten es als Genozid. Die Ereignisse auf der Erde waren für sie genauso eine Tragödie wie für uns. Sie kamen, um eine Handvoll Nachkommen der Ekt auszulöschen, bevor diese uns alle kontaminierten. Als sie begriffen, dass es zu spät war, hatten sie schon Millionen getötet. Wir sind für sie eine ständige Erinnerung an diesen Schandfleck in ihrer Geschichte, wie das Holocaust-Mahnmal oder eine Gedenkstätte für die Opfer der Sklaverei.

Sie werden nicht länger daran erinnert werden. Auf die eine oder andere Weise endet unsere Zeit hier heute Abend. Wir kehren nach Hause zurück.

FILE EE961

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AUFZEICHNUNG VON ESAT EKT

EINSATZPROTOKOLL – VINCENT COUTURE UND

ROSE FRANKLIN, PH. D.

ORT: IM INNEREN VON THEMIS

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[Dad, mach das nicht!]

— Dafür ist es zu spät. Komm nicht näher, Eva. Ich will ihm nicht wehtun. Rose, kannst du sie festhalten?

— Festhalten? Nein, ich kann sie nicht festhalten. Komm her, Eva. Lass es uns nicht schwerer machen, als es sowieso schon ist. Du willst doch nicht, dass jemand aus Versehen erschossen wird. Wir schicken ihn zurück, Eva. Das verspreche ich. Es müssen nicht noch mehr Leute verletzt werden.

[Was soll das heißen, nicht noch mehr? Was ist passiert? Was hast du getan, Dad?]

— Ekim, eyyots ant ipyosk insot. Ekim! Eyekant!

[Ekim, mach es nicht. Du weißt doch, dass er blufft. Er tut dir nichts. Eyekant ops!]

— Du hast Recht, Eva. Ich will ihm nichts tun, also zwing mich nicht dazu.

[Schon okay, Eva. Eyekant aktept eps.]

[Nein! Tu es nicht für mich! Ich bleibe! Ich bleibe hier bei dir.]

— Du kannst nicht bleiben, Eva. Jetzt nicht mehr. Du weißt nicht, was wir … egal. Wir haben keine Zeit dafür. Ekim, bist du angeschnallt? Hier. Halt mal die Pistole, Rose. Ich brauch einen Moment, um in meine Gurte zu kommen, dann sind wir weg.

— Sie kommen. Vincent, wir müssen los.

— Verdammt! Ich krieg meine Arme nicht rein.

— Du schaffst das. Ganz ruhig.

— Ich weiß nicht, ob ich es schaffe. Den Oberkörper habe ich noch nie gesteuert. Letztes Mal, als ich gesehen habe, wie jemand das angelegt hat, war Eva ungefähr zehn, ich …

— Kannst du nicht mit Ekim die Plätze tauschen? Er kann dir helfen, die richtigen Befehle auf der Konsole einzugeben.

— Er hat gesagt, es wäre kompliziert. Bei »Planetenverteidigungssystem« konnte ich nicht mehr folgen. Ich glaub nicht, dass ich … Geschafft! Aber ich krieg es vorne nicht zu. Lass mich den Helm aufsetzen und probieren, ob es geht, ohne die Schnallen zu schließen.

— Schnell … Wir müssen hier WEG!

— Ja! Sie hat sich eingeschaltet. Los! Los! Ekim, gib es ein. Eyyots!

— Wie lange noch, bis …

— Wow.

— Was? Vincent, wo sind wir?

— Weiß ich nicht. Ich glaub, wir sind … Es ist Nacht. Überall Bäume um uns rum. Ekim, ist das die Erde? Akt eyet Eteyat?

[Ops eyoktiptet.]

— Was hat er gesagt?

— Das war eine Redewendung. Ich hab keinen Schimmer oder so was in der Art.

— Sieh dir die Sterne an.

— Was?

— Sieh dir die Sterne an. Erkennst du was wieder?

— Mir kommt nichts bekannt … Doch! Das ist … la grand ourse. Ich weiß nicht, wie die Sternbilder heißen. Der große Bär?

— Der Große Bär. Ursa Major.

— Ja, genau. Wir sind zurück, Rose! Es ist die Erde!

— Wow. Ich kann kaum glauben, dass wir es geschafft haben. Eva, sag doch was!

[Dad, was hast du getan?]

— Nicht jetzt, Eva.

[Sag mir, was du getan hast!]

— Ich habe gesagt, nicht jetzt. Es kann nicht mehr lange dauern, bis uns jemand entdeckt. Lasst uns Themis hinlegen, damit wir aussteigen können.

[Sag’s mir einfach.]

— Eva, was glaubst du, was sie mit Ekim machen, wenn sie ihn hier finden? Er muss zurück. Ekim, eyost yeskust ak eyyots esat.

[Eyekant ets ops. Ethemis eyet onsoks.]

— Was hat er gesagt? Leert Themis?

— Er hat gesagt, Themis ist leer. Sie hat ihre ganze Energie verbraucht, um herzukommen. Es ist noch genug übrig, um unsere Helme zu speisen, aber ich kann die Arme nicht mehr bewegen.

— Wie lange müssen wir warten, Vincent?

[Dad, ich bring dich um, wenn ihm was passiert!]

— Ganz ruhig, Eva. Als wir beide sie in New York entladen haben, hat es nur ein paar Minuten gedauert, bis sie sich wieder bewegen konnte. Sieht aus, als wären wir irgendwo mitten in der Pampa. Wenn wir Glück haben, hat uns niemand gesehen und wir können aussteigen, bevor die Sonne aufgeht. Verdammt, es könnte Tage dauern, bis wir gefunden werden. Genau wie beim letzten Mal.

[Letztes Mal wären wir beinahe gestorben.]

— Dann eben nicht wie beim letzten Mal. Hör zu, ich kann nichts daran ändern. Wenn ich wüsste, wie ich es beschleunigen kann, würde ich es machen, das kannst du mir glauben.

— Rede mit Ekim, Eva. Du hast ein bisschen Zeit. Du solltest mit ihm reden. Vielleicht siehst du ihn nicht wieder, nachdem er abgereist ist.

[Ich hasse dich, Dad. Ich hasse dich wirklich.]

— Ich weiß.

— Sie wird drüber hinwegkommen, Vincent. Lass ihr einfach Zeit.

— Ich weiß nicht, Rose. Was wir getan haben, ist … Egal, sie ist zu Hause, das ist das Einzige, was zählt. Jetzt müssen wir nur noch Ekim sicher zurückbringen.

— Er könnte auch hierbleiben.

— Nein. Man würde ihn in einen Käfig sperren und den ganzen Tag lang Nadeln in ihn stecken. Als sein Volk das letzte Mal auf der Erde war, sind hundert Millionen von uns gestorben. Es ist eine Weile her, aber ich glaube kaum, dass es hier in Vergessenheit geraten ist.

— Was passiert mit ihm, wenn er zurück nach Hause kommt?

— Er wird sagen, dass wir ihn entführt haben – was ja auch stimmt. Hoffentlich ist die Sache damit erledigt.

— Meinst du, man wird ihm glauben?

— Ich weiß es nicht, Rose. Was soll ich denn machen? Ihm eine Entschuldigung schreiben?

— Er sieht verängstigt aus.

— Er ist ein Kind! Er ist Millionen Kilometer von zu Hause weg und könnte als Verräter verurteilt werden. Da hätte ich auch Angst.

— Du hast ihm eine Waffe an den Kopf gehalten.

— Wie gesagt, ich hätte auch Angst.

— Wir sind selbst gerade Millionen Kilometer gereist.

— Seltsam, oder? Wir haben so lange gewartet, und dann, zack, sind wir hier.

— Unser … Freund hat mir einmal erzählt, es würde zehn Tage dauern, von dort nach hier zu kommen. Es hat sich angefühlt wie ein Wimpernschlag. Ich kann mir nicht erklären, woher sie das wissen.

— Was wissen, Rose?

— Wie lange es dauert, von dort nach hier zu kommen.

— Vielleicht haben sie das Datum überprüft?

— Wie denn? Wir können herausfinden, welches Datum hier ist, aber wir müssten auch das Datum dort wissen. Wie erfährt man es? Reist man zurück und teilt die Zeit durch zwei?

— Ich habe keine Ahnung. Ich …

— Du hast getan, was du tun musstest, Vincent.

— Ja? Musste ich das wirklich tun?

— Fang nicht damit an, Vincent. Bitte.

— Das Schlimmste ist, dass ich mich nicht annähernd so schlecht fühle, wie ich mich fühlen sollte. Scheiße.

— Was?

— Das kann nicht sein! Nicht so schnell.

— Was ist passiert?

— Scheinwerfer. Da kommen jede Menge Fahrzeuge auf uns zu. Geländewagen, vielleicht. Ekim, eket eyyots apt aks.

[Wer kommt da, Dad?]

— Ich weiß es nicht, aber sie scheinen es eilig zu haben.

[Yokits! Was jetzt? Wir können nichts machen!]

— Also, wenn es nur Geländewagen sind, können sie auch nichts machen. Wir sind fünfzehn Stockwerke über dem Boden.

[Sie können einen Kran holen.]

— Es dauert Tage, einen so hohen Kran aufzustellen. Kräne machen mir keine Sorgen.

[Was dann?]

— Vielleicht sind es nur Einheimische in Pick-ups. Dann ist alles in Ordnung. Wir können mit Themis weiterreisen, sobald sie geladen ist, und woanders aussteigen.

[Und wenn nicht?]

— Tja, wenn es Soldaten sind, kommen sie nicht nur mit Geländewagen. Sie kommen mit …

[Womit?]

Damit.

[Was denn? Wir können nichts sehen, schon vergessen?]

— Ein Hubschrauber.

— Ist er vom Militär?

— Er ist groß, Rose. Es ist kein Fernsehhubschrauber. Und auch nichts, womit man Touristen durch die Gegend fliegt.

— Was macht er?

— Er kommt näher … Jetzt schwebt er über uns. Die Seitentür geht auf. Scheiße. Scheiße. Scheiße!

— Kommen sie rein?

— Zwei Männer an Seilen.

— Vincent, wer sind die?

— Weiß ich nicht, aber sie haben Gewehre. Einer ist an der Luke.

— Vielleicht freuen sie sich, uns zu sehen.

— Vielleicht sind sie sogar begeistert. Eva, du solltest dich besser vor Ekim stellen, falls es nicht so ist. Was auch immer das für Leute sind, sie sind in dem Schacht zwischen den Luken.

— Die innere Luke geht auf.

[Derschite ruki na widu!]

— Vincent, was hat er gesagt?

— Keine Ahnung, aber ich bin ziemlich sicher, dass es Russisch war.

FILE 2106

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GESPRÄCH ZWISCHEN ROSE FRANKLIN, PH.D., UND

MAJOR KATHERINE LEBEDEW,

RUSSISCHER MILITÄRNACHRICHTENDIENST (GRU)

ORT: GRU-GEBÄUDE, SANKT PETERSBURG, RUSSLAND

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— Guten Morgen, Dr. Franklin. Ich nehme an, Sie haben heute Nacht gut geschlafen. Ganz bestimmt sogar. Wir haben richtig gute Drogen … Verraten Sie es niemandem, aber ich genehmige mir manchmal ein bisschen was davon, wenn ich zur Ruhe kommen muss. Ich hätte nie gedacht, dass ich die Gelegenheit dazu haben würde, aber im Namen der Russischen Föderation und wahrscheinlich des gesamten Planeten: Willkommen zurück! Und willkommen in Russland!

— Wir sind in Russland?

— Ja! Genau! Setzen Sie sich doch, Dr. Franklin. Sie machen mich nervös.

— Entschuldigung. Ich bin ein bisschen nervös. Ich weiß nicht, was ich hier mache.

— Ach, Sie haben jedes Recht, nervös zu sein, Dr. Franklin. Aber ich sollte Selbstsicherheit ausstrahlen. Das ist schwierig, wenn ich auf meinem Stuhl rumrutsche. Aber es ist so aufregend! Bitte, nehmen Sie Platz!

— Ich vermute, Sie wollen mir nicht sagen, wer Sie sind oder wo ich bin.

— Wer ich bin? Steht das nicht … Wo ist es? Es gibt ein kleines Schild mit meinem Namen … Ah, da ist es. Ich bin Katherine Lebedew.

— Sie klingen nicht wie eine Russin.

— Ich hoffe nicht. Den Großteil meines Lebens habe ich in New Hampshire verbracht. Ich habe an der Brown University studiert. Jura.

— Sie waren eine Spionin.

— Ich wa… Nein! Ich war ein Kind. Ich bin da geboren. Ich habe mit Puppen gespielt. Meine Eltern waren Spione. Ich wusste nichts davon, bis es Zeit wurde auszureisen. Vor elf Jahren bin ich hierhergezogen, und jetzt sind wir hier! Was wollte ich gerade sagen? Ach ja. Ich bin Katherine Lebedew. Ich bin Majorin bei der GRU.

— …

— Sie wissen nicht, was das ist, oder? Die Hauptverwaltung für Aufklärung beim Generalstab der Streitkräfte der Russischen Föderation. Sperrig, ich weiß.

— Das klingt wie KGB.

— Der KGB – der mittlerweile übrigens SWR heißt – ist Kinderkram. Verraten Sie niemandem, dass ich das gesagt habe. Wir sind zehnmal so groß wie der SWR. Okay, das ist vielleicht ein bisschen übertrieben. Aber bei uns ist richtig was los. Wir haben sechsmal so viele Agenten, Spionagesatelliten und James-Bond-Kram. Was wollten Sie noch wissen? Ach ja, Sie sind – wir sind – in Sankt Petersburg. Regierungsgebäude. Großes graues Haus.

— Sind Sie die Chefin dieser … GRU?

— Ich? Schön wär’s. Nein, ich bin nur eine kleine Majorin. Ich leite eine winzige Abteilung, die sich mit außerirdischer Technologie beschäftigt. Und weil wir keine haben, sind wir, wie gesagt, klein. Jetzt können Sie sich bestimmt vorstellen, wie sehr ich mich, wie sehr wir alle uns gefreut haben, als Sie in Estland gelandet sind. Nur ein paar Stunden entfernt. Wie wahrscheinlich ist das denn?

— Estland? Haben Sie nicht gesagt, wir wären in Russland?

— Klar. Sie wissen es nicht! Tut mir leid. Wo sind meine Manieren geblieben? Sie haben vieles verpasst. Was wollen Sie wissen? Fragen Sie einfach.

— Wie lang waren wir weg?

— Neun Jahre, drei Monate und sechs Tage – neun Jahre und siebenundneunzig Tage. Entschuldigung, ich weiß nicht, wie man das wissenschaftlich …

— Neun Jahre? Wir dachten, es wäre kürzer gewesen.

— Ah! Unsere Wissenschaftler haben darüber gesprochen. Irgendwas mit Zeitdilatation, wenn man annähernd mit Lichtgeschwindigkeit reist. Ich habe keine Ahnung davon, aber sie haben gesagt, Sie wären vielleicht tausend Jahre alt, wenn Sie zurückkommen. Nein, das kann nicht sein. Hier wären tausend Jahre vergangen. Merken Sie, dass ich keine Wissenschaftlerin bin? Was dachten Sie denn, wie lang Sie weg waren? Ein paar Sekunden?

— Acht Jahre und sieben oder acht Monate.

— Ach … Moment. Sie wissen es nicht genau?

— Wir … Wissen Sie, wo wir waren?

— Ich warte darauf, dass Sie es mir erzählen, aber alle gehen davon aus, dass Sie zu dem Planeten geflogen sind, von dem die Roboter kamen.

— Genau. Er heißt …

— Ja? Wie heißt er? Ah, Sie wissen nicht, ob Sie es mir verraten sollen … Das bleibt ganz Ihnen überlassen. Nein, nicht ganz, aber Sie wissen, was ich meine. Wir werden Sie nicht gleich am ersten Tag foltern. Das war ein Scherz! GRU-Humor … ich weiß. Was halten Sie davon? Glauben Sie, wenn Sie mir den Namen sagen, wird das für immer das Kräfteverhältnis verändern? Außerdem haben Sie für die Vereinten Nationen gearbeitet, bevor Sie verschwunden sind. Wir sind Mitglied. It’s your world!

— Was?

— It’s your world. Das Motto der Vereinten Nationen.

— Ich wusste nicht, dass sie ein Motto haben.

— Schrecklich, oder? Also, was sagen Sie? Bitte! Ich sterbe vor Neugier!

— Der Planet heißt Esat Ekt. Das bedeutet »Heimat der Ekt«. So nennen sie sich. Wir konnten die Erdzeit nicht verfolgen, aber da wird eine Zeiteinheit verwendet, die ungefähr einer Minute entspricht, deshalb …

— Hatten Sie keine Uhr? Oder ein Handy?

— Doch, aber irgendwann waren die Akkus leer. Wir haben die Herzschläge während dieser Zeiteinheit gezählt – Vincent und ich kennen unseren Ruhepuls – und konnten es ausrechnen. Offenbar lagen wir knapp daneben. Möglicherweise war die Luft anders. Mehr Sauerstoff, vielleicht.

— Ach so, als wäre man auf einem Berg.

— Da ist das Gegenteil der Fall. Aber ja, Sie verstehen, was ich meine.

— Tut mir leid. Jurastudium, Sie erinnern sich? Ach, bevor ich es vergesse: Als Sie abgereist sind, war General Govender bei Ihnen. Jetzt nicht mehr, es sei denn, er hat sich in einen außerirdischen Jugendlichen verwandelt. Was ist aus ihm geworden?

— Er ist gestorben.

— Tut mir leid … Wie denn? Haben die ihn getötet?

— An einer natürlichen Todesursache.

— Wie traurig … Die Bewohner des Planeten nennen sich also Ekt. Ist das einer, Ihr Freund, der mit Ihnen gekommen ist? Ist er ein … Ekt?

— Ich dachte, Sie wollten meine Fragen beantworten.

— Jetzt habe ich es schon wieder getan. Es tut mir wirklich leid. Ich bin so aufgeregt! So begeistert! Manchmal passiert mir so was. Ich reiße das Gespräch an mich und merke es nicht mal, bis ich jemanden gekränkt habe. Können Sie mir vergeben? Ich schwöre … Nein, lieber nicht, sonst fühlen Sie sich noch schlechter, wenn ich es in fünf Minuten wieder mache. Sei still, Katherine. Bitte! Dr. Franklin, was möchten Sie wissen?

— Es tut mir leid, Ms. Lebedew, ich …

— Haben Sie mich gerade Ms. Lebedew genannt? Das muss an diesem Büro liegen. Ich weiß nicht mal, wie man so was nennt. Neugotik? Ms. Lebedew ist meine Mutter. Ich bin Katherine. Nennen Sie mich Katherine.

— Okay. Katherine. Ich weiß nicht, ob es an der Reise liegt oder ob die Drogen, die sie mir gegeben haben, noch wirken, aber ich bin erschöpft. Könnten wir uns morgen weiterunterhalten?

— Natürlich! Sie sind, ich weiß nicht, Millionen Kilometer gereist, und ich stelle Ihnen diese ganzen Fragen. Ruhen Sie sich ein bisschen aus. Wir reden weiter, wenn Sie sich bereit fühlen.

— Danke.

— Nicht der Rede wert. Sie sollen wissen, dass wir alles tun, um Ihrem Freund zu helfen, selbst wenn Sie nicht besonders entgegenkommend sind, mit Ihrer Erschöpfung und allem.

— Meinem Freund?

— Ja, Ihrem Freund. Dem jungen Ekt – ich mag das Wort –, der mit Ihnen gekommen ist. Er ist leider ein bisschen krank. Aber machen Sie sich keine Sorgen, Sie müssen sich ja ausruhen. Ihm geht’s bestimmt bald besser. Die besten Ärzte kümmern sich um ihn.

— Was haben Sie mit ihm gemacht?

— Was ich mit ihm …? Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich ihm etwas antun würde?

— Es gab da diese Wissenschaftlerin, die für Russland gearbeitet hat, und bevor wir weg waren, hat sie …

— Sie meinen bestimmt Dr. Papantoniou. Was ist mit ihr?

— Sie hatte kein Problem damit, sehr invasive Methoden anzuwenden, um zu bekommen, was sie will.

— Das war vor meiner Zeit. Ich habe einige ziemlich üble Geschichten über sie gehört, aber sie arbeitet jetzt für die Amerikaner.

— Wirklich? Was macht sie denn?

— Ach, darüber können wir morgen reden. Sie müssen sich ausruhen, schon vergessen?

— Bitte.

— Sie sucht Piloten für sie. Mit einer Art Bluttest.

— Piloten wofür?

— Für ihren Roboter. Ein riesiger, wie Themis. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie eine Menge verpasst haben.

— Was für ein Roboter? Wo haben sie ihn gefunden?

— Sie haben ihnen den Roboter gegeben.

— Ich?

— Ja, Sie. Vor neun Jahren haben Sie in New York einen von ihnen außer Gefecht gesetzt. Er ist auseinandergefallen, erinnern Sie sich? Was glauben Sie, wie lange das US-Militär gebraucht hat, um ihn sich unter den Nagel zu reißen?

— Aber er hat nicht funktioniert.

— Tja, jetzt funktioniert er!

— Wie steuern sie ihn denn? Haben sie jemanden, der Beine hat wie Vincent?

— Ich habe keine Ahnung. Aber diese Genetikerin findet Piloten für sie. Ich hoffe, Sie glauben nicht, ich wäre wie sie! Das hoffe ich wirklich, denn … wow … verrückt. Ich meine, klar! Ich kriege gern, was ich will, und meistens klappt es auch, aber ich möchte nicht, dass Ihrem Freund etwas passiert. Wirklich nicht.

— Was wollen Sie denn?

— Von ihm? Ich will, dass es ihm besser geht. Ich möchte wirklich, dass er den Roboter für uns steuert, aber das kann er nicht, wenn er krank ist, oder? Deshalb möchte ich, dass er gesund wird. Er scheint nett zu sein. Ein netter Ekt.

— …

— Das ist eine Menge auf einmal für Sie, ich weiß. Ruhen Sie sich ein bisschen aus. Wir reden später weiter.

— Bin ich eine Gefangene?

— Was? Natürlich nicht! Sie können gehen, wann Sie wollen und wohin Sie wollen.

— Ich könnte das Gebäude verlassen, und niemand würde mich aufhalten?

— Ihre Eskorte wird Sie hinbringen, wo Sie möchten. Sehen Sie sich die Stadt an! Sie ist wunderschön. Viel besser als Moskau, falls Sie meine Meinung interessiert. Sehen Sie sich die Kathedralen an. Spazieren Sie über den Newski Prospekt. Wenn Sie in die Eremitage gehen möchten, würde ich Sie gern begleiten. Ich war seit Jahren nicht da.

— Kann ich meine Freunde sehen?

— Das ist eine großartige Idee! Warum gehen wir nicht heute Abend alle zusammen essen? Nachdem Sie sich ausgeruht haben, natürlich.

FILE 2108

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GESPRÄCH ZWISCHEN VINCENT COUTURE UND

MAJOR KATHERINE LEBEDEW,

RUSSISCHER MILITÄRNACHRICHTENDIENST (GRU)

ORT: GRU-GEBÄUDE, SANKT PETERSBURG, RUSSLAND

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— Wie geht es Ihnen, Vincent? Ich darf Sie doch Vincent nennen, oder? Sie haben gestern eine Menge Wein getrunken. Ich wünschte, ich hätte mittrinken können. Öffentliche Auftritte. Sie wissen ja, wie das ist.

— Mir geht’s gut. Danke.

— Aber das Essen haben Sie kaum angerührt. Rose und Eva haben auch nichts gegessen. Soll ich dafür sorgen, dass der Koch entlassen wird?

— Es lag nicht an ihm. Auf … Da, wo wir waren, haben die Leute empfindlichere Geschmacksknospen. Das Essen ist bei Weitem nicht so würzig dort.

— Fad.

— Ja, so fühlt es sich am Anfang an. Ich vermute, wir haben uns daran gewöhnt. Das Essen war bestimmt toll. Danke für die Einladung.

— Gern geschehen! Ich wusste, dass wir beide gut miteinander zurechtkommen würden. Das freut mich wirklich, besonders nach der Begegnung mit Ihrer Tochter. Sie ist so streitlustig. Wow! Ich glaube nicht, dass wir beide beste Freundinnen werden.

— Sie haben ihre Mutter nicht gekannt.

— Ich wünschte, ich hätte sie kennengelernt. Ich weiß, ich bin ein paar Jahre zu spät dran, aber ich möchte Ihnen mein Beileid aussprechen. Was ich über Ihre Tochter gesagt habe, war positiv gemeint. Sie hat Charakter. Das gefällt mir. Wie alt ist sie jetzt? Neunzehn?

— Ja. Wie geht es unserem Freund?

— Sie meinen Ekim? Eva hat mir seinen Namen verraten. Ach, ziehen Sie nicht so ein Gesicht. Was ändert es schon, wenn ich seinen Namen weiß? Es geht ihm nicht gut.

— Wissen Sie, was er hat?

— Vieles. Zunächst einmal hat er eine Grippe. Sein Immunsystem ist völlig aus dem Gleichgewicht geraten, und er ist mit Toxoplasmose infiziert.

— Was?

— Ich weiß. Der Marine – ja, man nennt sie hier auch so –, der Sie aus dem Roboter geholt hat, hat Katzen. Man hat mir gesagt, die Hälfte der Weltbevölkerung sei mit Toxoplasmose infiziert, an manchen Orten fast jeder. Wussten Sie das? Bei den meisten Menschen treten keine Symptome auf, aber bei Ihrem Freund schon, viele sogar. Und er reagiert nicht auf Antibiotika, Malariamedikamente oder irgendwas. Ehrlich gesagt, befürchten wir, dass die Medikamente ihn töten, wenn er nicht an der Krankheit stirbt.

— Bitte helfen Sie ihm. Ich flehe Sie an, finden Sie einen Weg, ihn zu retten!

— Er bedeutet Ihnen wirklich viel.

— Er ist mein Freund.

— Sind Sie sicher, dass das alles ist? Ich dachte vielleicht …

— Ja?

— Nein. Sie finden das bestimmt albern. Ach, was soll’s! Ich belausche gerne Leute, in Restaurants, überall. Sie wissen ja, meine Eltern waren Spione. Oder vielleicht wussten Sie das auch nicht. Egal, jetzt wissen Sie es. Jedenfalls ist das Lauschen vielleicht genetisch bedingt. Es ist wie ein Spiel. Ich versuche, Dinge über die Menschen zu erraten. Manchmal glaube ich sogar, ich bin gut darin. Gestern beim Abendessen habe ich Spannungen zwischen Ihnen und Ihrer Tochter gespürt. Erst habe ich mir nicht viel dabei gedacht, aber beim Dessert kam ich auf die Idee, dass Eva aus irgendeinem Grund sauer auf ihren Papa ist. Was, wenn sie sauer ist, weil Ekim krank ist? Was, wenn Ekim ihr Freund ist? Vielleicht gibt sie Papa die Schuld an dem, was passiert ist. Und Papa liebt seine Tochter und will auf keinen Fall, dass ihrem Freund etwas zustößt, weil er sich verantwortlich fühlt und Angst hat, dass sie es ihm nicht verzeihen wird … Das war’s. Das ist alles. Liege ich richtig?

— Leider nicht.

— Ich habe doch gleich gesagt, dass Sie es albern finden werden. Sind Sie sicher, dass Sie kein Ibuprofen wollen? Sie sehen ziemlich blass aus.

— Kaffee wäre gut.

— Wie unaufmerksam von mir. Ich bin schon seit Stunden auf, deshalb habe ich vergessen, dass es noch früh ist. Kommt sofort. Schwarz, oder?

— Funktioniert das?

— Was?

— Das freundliche Geplapper.

— Das war unhöflich, Vincent. Ich weiß. Das große böse Russland, stimmt’s? Wir sind die Bösen. Vielleicht sollten Sie noch mal drüber nachdenken. Sie werden es nicht glauben, aber wir beide wollen dasselbe.

— Woher wollen Sie wissen, was ich will?

— Tja, im Moment weiß ich, dass Sie unbedingt hier wegwollen, aber das wird vergehen, sobald Sie ein bisschen mehr darüber erfahren haben, wie die Welt jetzt ist. Wo würden Sie hingehen, wenn Sie könnten? Zurück in die USA? Nach Hause nach Montreal?

— Klingt nicht schlecht.

— Welches von beidem? Sagen Sie nichts, es spielt keine Rolle. Es ist beides ungefähr dasselbe.

— …

— Ach, kommen Sie! Sie wollen nicht mal fragen? Ich verstehe, dass niemand von Ihnen etwas sagen will, aber ich begreife nicht, warum Sie keine Fragen stellen. Sie waren neun Jahre weg. Neun Jahre! Sind Sie überhaupt nicht neugierig, was Sie verpasst haben? Im Ernst, selbst wenn ich Ihnen nur die halbe Wahrheit erzählen würde, wüssten Sie viel mehr als jetzt.

— Sie wollen sagen, die USA wären in Kanada einmarschiert.

— Nein, das war nicht nötig. Aber es sind vierzigtausend amerikanische Soldaten dort. In Montreal ist ein Marine-Stützpunkt.

— Also sind wir Verbündete.

— Ein bisschen mehr als das. Das kanadische Parlament ist seit über zwei Jahren nicht mehr zusammengekommen, und der Premierminister steht unter Hausarrest. General Scott regiert das Land. Und Kanada ist nicht das einzige. Venezuela. Der halbe Mittlere Osten. Nordafrika. Gerade wurde Libyen eingenommen. Der mexikanische Präsident war viel renitenter als Ihr Premierminister – schön für ihn –, aber es hat auch nichts geholfen. Die Vereinigten Staaten erstrecken sich mittlerweile bis nach Panama.

— Wie haben sie das geschafft?

— Mit dem Roboter natürlich. Lapetus. Mitten in Mexiko-Stadt ist ein großer Krater, um alle daran zu erinnern, dass es in ihrem Interesse ist, den Vereinigten Staaten »beizutreten«.

— Was ist mit Ihnen?

— Mit mir?

— Russland. Ich stelle vielleicht nicht viele Fragen, aber ich habe zugehört, als Sie uns gestern Abend gesagt haben, wir wären in Estland gelandet.

— Und?

— Und jetzt sind wir hier. Ich vermute, Estland ist nicht mehr so souverän, wie es einmal war.

— Ach so. Ja, Estland ist jetzt stolzes Mitglied der Russischen Föderation. Genau wie Georgien und fast alle Soundso-stans. Gerechterweise muss man sagen, dass die Hälfte von ihnen darum gebeten hat.

— Und die andere Hälfte?

— Trinken Sie Softdrinks?

— Was?

— Softdrinks! Cola!

— Ich …

— Stellen Sie sich vor, Coca-Cola übernimmt alles, kauft jede Marke, die es in die Finger kriegt, nur Pepsi kann es sich nicht leisten. Vielleicht mögen Sie gern Dr. Pepper und möchten es weiter trinken, aber Sie können nicht. Es gibt nur noch Cola und Pepsi. Manche Menschen finden sich damit ab, aber andere brauchen ein bisschen länger. Georgien zum Beispiel konnte sich nicht von seiner Fanta trennen.

— Deshalb schicken Sie Panzer und hunderttausend Mann und zwingen sie mit einer AK-47 am Kopf, die Pepsi-Challenge zu machen. Ich verstehe nicht, inwiefern sich das von der anderen Seite unterscheidet.

— Wir schützen unsere Grenzen. Sie erobern die Welt.

— Was ist mit der EVT?

— Sie sind witzig. Die hat ungefähr noch eine Woche überstanden, nachdem Themis verschwunden ist.

— Es gibt keine Vereinten Nationen mehr?

— Doch, es gibt die UNO noch. Zumindest auf dem Papier. Aber der Roboter ist durch und durch amerikanisch. Rot, weiß und blau. Und seine Aufgabe ist nicht, Witwen und Waisen zu beschützen.

— Und Sie wollen das Gleiche mit Themis tun.

— Ich würde gern für ein bisschen Ausgleich sorgen, ja. Ich wüsste nicht, was daran falsch sein soll. Das Einzige, was sie davon abhält, sich auf den Platz auf der anderen Straßenseite zu beamen, ist die Drohung mit einem Atomschlag. Das Gleichgewicht des Schreckens. Dum, dum, dum … Ohne den Roboter ist die MAD-Doktrin unsere einzige Option. Sie verstehen doch, wie schlecht das ist, oder? Die Amerikaner wissen, dass wir nicht auf den Knopf drücken wollen – weil sie dann zurückschlagen und wir alle gut durchgebraten werden –, also drängen sie uns in die Ecke, bis wir keinen Ausweg mehr sehen, und dann Bumm. Weder Coca noch Pepsi, nur trübes radioaktives Wasser.

— Ihnen ist schon klar, dass ich Themis niemals für Sie steuern werde, oder?

— Ach, Vincent, Vincent … Warum tun Sie sich das an? … Sie haben doch gesehen, wie die Wachen Ihre Tochter angestarrt haben. Wissen Sie, wie lang sie die Luft anhalten kann? Ganz genau.

— Leck mich.

— Tja, Sie haben fast darum gebettelt, finden Sie nicht?

— Ich …

— Ich weiß, ich weiß. Sie bringen mich um, wenn ich ihr wehtue. Ich zweifle nicht daran, dass Sie das ernst meinen. Keine Sorge. Ich habe Sie nur aufgezogen. Ich würde Ihrer Tochter niemals etwas tun.

— Woher soll ich wissen, dass das stimmt?

— Weil Sie wissen, dass ich es nicht nötig habe. Ich bräuchte ihr bloß die Haare zu schneiden, und Sie säßen schon im Roboter und würden nach Befehlen fragen, bevor ich bei ihrem Pony angelangt wäre. Lassen Sie uns über etwas anderes reden, okay? Das ist bloß deprimierend. Tun wir etwas Konstruktives, zum Beispiel ihren Freund retten. Ehrlich gesagt, wäre mir lieber, wenn er Themis für uns steuern würde.

— Was erwarten Sie von mir?

— Das ist die richtige Einstellung! Danke, dass Sie fragen. Unsere Ärzte sagen es nicht, weil sie Angst vor den Konsequenzen haben, aber sie haben keine Ahnung, wie sie Ihrem Freund helfen können – absolut null –, und ich denke: Vielleicht weiß er es. Vielleicht könnte er sich selbst retten. Aber er spricht nicht mit uns. Entweder versteht er uns nicht oder er will es nicht, aber ich bin sicher, er würde mit einem Freund reden.

— Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich mit ihm sprechen kann?

— Im Ernst? Mal überlegen. Hm, er war bei Ihnen, an Bord von Themis. Es wäre eine langweilige Reise gewesen, wenn er mit niemandem hätte sprechen können … Und, ach so, ja, Sie haben NEUN JAHRE auf seinem Planeten verbracht. Außerdem sind Sie Linguist. Es ist das Einzige, wofür Sie wirklich ausgebildet sind. Was noch? Hm. Nein. Das war’s. Sonst nichts.

— Ich meinte, wieso glauben Sie, dass es überhaupt möglich ist? Die Ekt müssten nicht unbedingt mit Tönen kommunizieren. Sie könnten chemische Reaktionen nutzen, Pheromone, Berührungen, Telepathie oder Zeichensprache. Selbst wenn sie über Töne kommunizieren, müsste man in der Lage sein, sie zu erzeugen und wahrzunehmen. Sie könnten über einen völlig anderen Artikulationsapparat verfügen. Sie könnten keinen Kehlkopf haben oder zwei oder was ganz anderes. Selbst mit der gleichen Physiologie könnten sie Laute produzieren, die wir nicht nachahmen oder hören können. Manche Töne könnten Ultraschall sein, manche könnten für uns ununterscheidbar sein. Sie könnten tausend verschiedene Laute haben, die wir nur als einen einzigen wahrnehmen. Sie könnten ein Dutzend Töne gleichzeitig erzeugen. Es gibt so viele Möglichkeiten, warum es nicht funktionieren könnte. Schon auf Mandarin höre ich die Laute nicht richtig, geschweige denn, dass ich sie reproduzieren könnte. Selbst unter Menschen ist es schwierig. Wie stehen da die Chancen auf einem anderen Planeten, dessen Bewohner wie Strauße laufen? Und selbst wenn man die Laute außer Acht lässt, könnte der Inhalt für uns unbegreiflich sein. Vielleicht hat ihre Logik keine Ähnlichkeit mit unserer, oder sie konzeptualisieren nicht wie wir.

— Moment, Moment … Wie dumm von mir! Natürlich! Ich habe völlig vergessen, dass ich, kurz bevor Sie reingekommen sind, Eva gefragt hatte, ob sie mit ihm sprechen möchte. Sie ist gerade bei ihm. Ich bin so ein Schussel. Anscheinend ist es gar nicht nötig, dass Sie mit ihm reden. Aber vielen Dank für die kleine Abhandlung. Das war wahnsinnig interessant. Nein, ziehen Sie doch nicht wieder so ein Gesicht! Es stimmt. Sie scheinen sich nahezustehen, Eva und Ekim. Wie lange kennen die beiden sich schon? Die ganzen neun Jahre? Kürzer?

— Was spielt das für eine Rolle?

— Genau! Warum sollten Sie es mir nicht verraten? Ich kann einfach Eva fragen. Allerdings wäre mir lieber, Sie würden es mir erzählen, denn die Sicherheitsvorschriften sind bei ihr viel strenger, und ich hasse den Papierkram. Aber gut, Sie müssen nicht. Wissen Sie, wie viele Formulare ich ausfüllen muss, nur um mit ihr durch eine Glasscheibe zu sprechen?

— Das verstehe ich nicht. Warum sollte es bei ihr anders sein? Wir waren gleich lang auf dem Planeten.

— Ich weiß! Die Frage habe ich auch gestellt, als sie in den isolierten Raum gebracht wurde. Also, zunächst einmal hat sie mehr außerirdische DNS als fast jeder, der uns begegnet ist.

— Trotzdem ist es nur ein winziger Bruchteil ihrer Gene.

— Tja, winzige Bruchteile haben jetzt eine Bedeutung. Sie ist eine A5.

— Was bedeutet das?

— Es bedeutet, dass es schwierig für sie wird, eine Arbeit zu finden. Ich bin eine A1, und ich kann es nur bis zum Colonel bringen. Die meisten Länder sperren schon ihre A3er in Lager. Das ist nur der erste Grund. Ihre Tochter, die mehr mit den Außerirdischen gemein hat als die meisten, hat außerdem fast ihr halbes Leben auf einem anderen Planeten verbracht. Die meiste Zeit, als sie hier war, war sie noch ein kleines Kind. Ein Großteil ihres Lebens hat sich dort abgespielt. Vielleicht mache ich mich wieder lächerlich, aber ich würde darauf wetten, dass sie … nicht weggehen wollte. Ja? Nein? Jedenfalls ist das der zweite Grund. Und dann ist da natürlich noch die Liebesgeschichte mit dem Alien. Sie wissen schon, dieselbe Spezies, die hundert Millionen Menschen auf der Erde getötet hat. Dieselbe, die Moskau zerstört hat.

— Ich dachte, Sie hätten Moskau selbst bombardiert.

— Jacke wie Hose. Das Entscheidende ist, dass sie im Moment nicht gerade vertrauenserweckend ist. Ich war froh, als ich gemerkt habe, dass sie an einigen Gebräuchen der Erde festgehalten hat – sie hat mir den Finger gezeigt, als ich sie zum ersten Mal gesehen habe –, aber trotzdem, sie spricht eine beschissene Aliensprache.

— Sie ist genauso menschlich wie Sie. Wir sind unter uns geblieben. Ich habe sie erzogen. Und Rose. Sie war bei uns.

— Sehen Sie! Das ist die richtige Einstellung. Jetzt habe ich etwas Besseres für meinen Chef als die Sache mit dem Finger. Was können Sie mir noch erzählen? Kommen Sie! Irgendwas. Okay, sagen Sie mir, was passiert ist, als Sie auf Esat Ekt gelandet sind – ja, Rose hat es mir verraten. Es ist ein guter Name. Was haben Sie getan? War jemand da, um Sie in Empfang zu nehmen? Sind Sie einfach ziellos durch die Gegend gelaufen, bis Sie jemandem begegnet sind? Bitte.

— Wir haben gar nichts getan … Wir haben darauf gewartet, dass wir sterben.

FILE 1641 EE001

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PARTY-PROTOKOLL –

EVA REYES

ORT: IM INNEREN VON THEMIS,

EVT-HAUPTQUARTIER, NEW YORK, NY

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— Hier spricht Eva Reyes. Wir sind an Bord von Themis und feiern. Bei mir sind mein Dad, Dr. Franklin und General Govender. Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll. Hey, Vincent?

[Ja, Eva?]

— Warum muss ich das Headset tragen?

[Weil wir das aufnehmen. Rose nimmt gern alles auf.]

— Das weiß ich, aber warum ich? Warum kann es nicht jemand anderes aufsetzen?

[Mal überlegen. Ich habe eine gebrochene Schulter und ein verbogenes Bein. Rose hat ein gebrochenes Schienbein.]

— Es ist ein Headset. Das setzt man sich auf den Kopf.

[Du kannst dich besser bewegen als wir. Hör auf zu meckern, ja?]

— Der General könnte es tragen.

[Der General ist ein wenig angeheitert.]

[Das habe ich gehört, Couture!]

[Entschuldigung, Sir. Ich wollte eigentlich sagen, Sie sind stinkbesoffen.]

[Das liegt an dem verdammten Sekt. Warum kriege ich keinen richtigen Drink? Und warum ist es so dunkel hier drin? Ich kann kaum mein Glas sehen.]

— Das wollte ich auch noch fragen. Warum muss ich als Einzige Saft trinken?

[Damit du die Aufnahme machen kannst. Ach so, und weil du erst zehn bist.]

— Bitte, Vincent! Ich habe gerade einem riesigen Roboter in den Hintern getreten. Ich will nur ein Glas Sekt.

[Genau genommen hat Rose ihm in den Hintern getreten …]

[Komm her, Eva. Ich gebe dir ein Glas. Ein kleines.]

— Danke, Dr. Franklin.

[Ich habe dir doch gesagt, du sollst mich Rose nennen.}

— Ich weiß nicht, ob ich …

[Vincent nennt mich auch so. Wenn du es nicht machst, nenne ich dich Ms. Reyes.]

— Okay, also Rose. Was ist das für ein Gefühl?

[Sekt zu trinken? Es …]

— Nein, ich meinte, Recht zu haben. Ihr Plan hat funktioniert.

[Vermutlich. Warum ziehen Sie so ein Gesicht, General?]

[Den Außerirdischen zu zeigen, dass wir auch ohne ihren Einfluss auf unsere DNS stark sein können, indem man sie mit einer grünen Bakterienbrühe aus einem Fass besprüht …]

— Was wollen Sie damit sagen, General?

[Ich will sagen … Was wollte ich sagen?]

[Der General wollte sagen, dass er meinem Plan nicht die geringsten Erfolgschancen eingeräumt hat.]

— Stimmt das, General?

[Keine verdammte Chance.]

— Haha! Und du, Vincent? Hast du geglaubt, dass es klappt?

[Ich? Ich …]

[Sie dachten, es wäre dumm. Kommen Sie schon, Vincent. Sie können es ruhig zugeben.]

[Nein, Rose. Ich verstehe die Logik dahinter. Ich war nur nicht sicher, ob die Außerirdischen, wenn die Bakterien wirken, die Botschaft richtig verstehen.]

[Wir wissen nicht, ob sie es verstanden haben.]

— Warum sagen Sie das, Dr. Franklin? Sie sind doch abgereist, oder?

[Ich heiße Rose, schon vergessen? Wir wissen nicht, warum sie abgereist sind. Wir wissen nicht, ob sie wirklich das von uns erwartet haben. Das hat bloß Mr. Burns gesagt. Er weiß zwar mehr über sie als wir, aber er hat nicht mit ihnen gesprochen. Wahrscheinlich hat er genauso spekuliert wie wir.]

— Warum sollten sie sonst abgereist sein?

[Weil Dr. Franklin sie mit widerlichem Schleim besprüht hat.]

[General, vielleicht sollten Sie mal Evas Saft probieren.]

— Es ist Apfelsaft.

[Halten Sie den Rand, Couture! Das ist ein Befehl.]

— Im Ernst, Rose. Warum sollten sie sonst abgereist sein?

[Frag doch deinen Vater.]

— Vincent?

[Ich weiß es nicht. Vielleicht hatten sie Angst vor den Bakterien. Was, wenn ihre ganzen Roboter, Raumschiffe und vielleicht sogar Behausungen auf der gleichen Technik aufgebaut sind? Stell dir vor, was passieren würde, wenn die Bakterien auf ihren Planeten gelangen.]

— …

— Was war das?

[Ich kann mich nicht mehr erinnern, was ich sagen wollte. Wurde das Licht gerade heller?]

— Könnte sein.

[Ich glaube, Themis hat sich gerade eingeschaltet.]

[Ohne dass jemand einen der Helme aufgesetzt hat?]

— Kann sie das?

[Weiß ich nicht! Ich war noch nie in eurem verdammten Roboter.]

— Vincent?

[Das Pult leuchtet. Eva, geh hoch und setz deinen Helm auf.]

— Klar. Aber wir sind in einem Hangar. Was soll ich da schon sehen?

[Ich weiß nicht, Eva. Ist nur so eine Ahnung.]

— Ich setze ihn auf. Ich … ich glaub nicht …

[Eva?]

[Verdammt, Kleine! Was siehst du?]

— Ich glaub nicht, dass wir noch auf der Erde sind …

[Was?]

[Was soll das heißen, nicht auf der Erde? Vincent, setzen Sie den Helm auf.]

— Riesige Roboter. Überall um uns herum.

[Die, die uns angegriffen haben?]

— Ich weiß nicht, General. Sie sind …

[Verdammt, Kleine! Das ist eine einfache Frage. Sind es dieselben, die uns angegriffen haben?]

— Weiß ich nicht! Ich weiß nicht, ob sie hier sind.

[Couture, was zum Teufel redet sie da?]

[Scheiße! Sie meint, sie kann es nicht sagen. Es sind hunderte.]

— Tausende. Sie stehen alle ordentlich aufgereiht. Hinter uns auch.

[Sie hat Recht. Es sieht aus wie die Terrakotta-Armee. Und wir stehen genau in der Mitte.]

— Ich habe Angst, Dad.

[Ja. Ich auch.]

FILE EE002

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AUFZEICHNUNG VON ESAT EKT

TAGEBUCHEINTRAG VON EVA REYES

ORT: IM INNEREN VON THEMIS,

AUF UNBEKANNTEM PLANETEN

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— Ich heiße Eva Reyes und bin zehn Jahre alt. Mein Vater will, dass ich Tagebuch führe, falls wir es nicht mehr zurück auf die Erde schaffen. Wir sind jetzt seit drei Tagen in Themis. Zumindest nach der Uhr auf dem Handy, bevor der Akku leer war. Ich bin nicht sicher, ob es stimmt. Die Sonne ist nicht ein einziges Mal untergegangen. Wir haben kein Essen und kein Wasser. Wir hatten nur einen Liter Apfelsaft, aber der ist uns ausgegangen. Ich … ich weiß nicht, was ich sonst noch sagen soll. Dr. Franklin? Was soll ich sagen?

[Rede über dich selbst. Wo du herkommst. Wie du hier gelandet bist. Und nenn mich Rose.]

— Ähh … Ich bin in Puerto Rico geboren. Meine Eltern, also die Leute, die sich um mich gekümmert haben, haben für die Regierung gearbeitet. Wir hatten ein schönes Haus in San Juan. Ich bin auf eine englische Schule gegangen, Saint John’s. Ich hatte gute Noten, aber niemand konnte mich leiden. Die Lehrer fanden mich nervig. Ich wäre rausgeworfen worden, wenn mein Vater nicht bei der Schulbehörde gewesen wäre. Ich hatte nicht viele Freunde. Die Leute dachten, ich wäre verrückt, weil ich Dinge gesehen habe, Sachen, die irgendwann passieren würden. Sie haben sich über mich lustig gemacht und mich beschimpft. Meine Freundinnen, die, die mich nicht beschimpft haben, haben sich Sorgen um mich gemacht, auch wenn sie nie was gesagt haben. Meine Eltern auch. Sie haben sich die ganze Zeit Sorgen gemacht.

[Deine Eltern haben dich bestimmt sehr lieb gehabt.]

— Das weiß ich, aber sie dachten, ich wäre krank. Zum Schluss haben sie mir geglaubt, aber sie sind wegen mir gestorben.

[Eva!]

— Das stimmt!

[Es war nicht deine Schuld!]

— Ich habe nichts gemacht, aber sie sind trotzdem gestorben! Wenn ich nicht da gewesen wäre, wären diese Söldner nie gekommen. In Wirklichkeit war ich nicht mal ihre Tochter. Ich wurde in einem Labor gemacht. Meine Mutter hatte mich in ihrem Bauch, aber ich wurde im Reagenzglas gemacht. Es hat sich rausgestellt, dass meine leiblichen Eltern Kara Resnik und Vincent Couture sind, die EVT-Piloten, die Themis steuern. Deshalb wurde ich gemacht, damit ich eines Tages Themis steuern kann. Was noch? Ich wurde entführt. Kara hat mich gerettet, aber dann ist sie auch gestorben. Die Erde wurde von riesigen Robotern von einem anderen Planeten angegriffen, und sie ist gestorben, als sie versucht hat, mich zu retten.

[Eva, ich …]

— Was ist?

[Ich weiß nicht. Ich … Es ist doch auch was Schönes passiert, oder? Kannst du nicht über die schönen Dinge reden?]

— Ich … Ja. Ich habe meinen Vater kennengelernt, Vincent. Er ist cool.

[Haben Sie das gehört, General? Ich bin cool!]

— Er hat mir beigebracht, wie man Themis steuert. Wir sind nach Ägypten gereist. Ich habe die Pyramiden gesehen. Dann haben wir gegen einen der außerirdischen Roboter gekämpft. Ich dachte, wir würden sterben, aber Sie …

[