Gideon Green - Das Leben ist nicht schwarz-weiß - Katie Henry - E-Book

Gideon Green - Das Leben ist nicht schwarz-weiß E-Book

Katie Henry

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Beschreibung

Eigentlich hat Gideon seine Karriere als Detektiv ja längst an den Nagel gehängt. Damals, nach den Vorkommnissen auf dem Schuldach. Doch dann steht plötzlich Lily vor der Tür, die mal sowas wie seine beste Freundin war. Sie ist da einer Sache auf der Spur und dafür braucht sie Gideons Hilfe. Und weil eben niemand so ein gutes Gespür hat für Verbrechen wie Gideon, kann er quasi nicht Nein sagen. Aber mit wem haben sie sich da angelegt? Als es schließlich um einen echten Mord geht und Gideon eine Verschwörung bis in die höchsten Kreise der Stadt wittert, muss er feststellen, dass das Leben so gar nichts mit einem Film noir zu tun hat. Spannende und vielschichtige Coming-of-Age Geschichte über einen jugendlichen Detektiv, die durch feinen Humor, Schlagfertigkeit und Film-noir-Referenzen besticht.

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Seitenzahl: 425

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Für Mom,

die mir unzählige Geschichten vorlas

und mir, als ich später selbst welche erzählte,

immer zuhörte

Inhalt

DISCLAIMER ZUM DISCLAIMER

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Danksagung

Geht los: Kapitel 1

DISCLAIMER ZUM DISCLAIMER

Die folgende Warnung ist eine Parodie auf den Disclaimer »Alle Figuren sind frei erfunden«, der als juristische Standardformulierung aufkam, nachdem Prinzessin Irina Alexandrowna von Russland die Produktionsfirma MGM wegen der Darstellung ihrer Person in dem Film Rasputin: Der Dämon Rußlands aus dem Jahr 1932 erfolgreich verklagt hatte.

Auf weitere pädagogisch wertvolle Inhalte wird in diesem Buch verzichtet.

DISCLAIMER

Diese Geschichte ist frei erfunden, wie du dir wahrscheinlich schon gedacht hast, als du dir das Buch in der Romanabteilung deiner Buchhandlung ausgesucht hast. Alle Figuren, Orte und Organisationen entspringen bis auf wenige der Fantasie der Autorin. Jede Ähnlichkeit mit wahren Ereignissen wäre reiner Zufall und wirklich ziemlich überraschend.

Die Ermittlungsmethoden der Teenager werden weder von der Autorin noch vom Journalistenverband noch von irgendeiner bekannten Rechtsordnung gutgeheißen und sollten deshalb nicht nachgeahmt werden. Ihr würdet dafür ins Gefängnis wandern.

Kapitel 1

Die drittgrößte Tragödie meines Lebens ist, dass ich nicht in einem Film noir lebe.

Die zweitgrößte Tragödie meines Lebens ist, dass es noch vierhundertachtundneunzig Tage bis zu meinem achtzehnten Geburtstag sind, dass es also vierhundertachtundneunzig Tage dauert, bis ich aus San Miguel, Kalifornien wegkomme oder, genauer gesagt, aus der Presidio Highschool oder, allgemeiner gesprochen, aus der Warteschleife, in der mein Leben kreist.

Welche die größte Tragödie ist, tut nichts zur Sache, denn die geschah vor langer Zeit und ist weder interessant noch außergewöhnlich. Sie trifft viele Leute, und ich bleibe lieber bei den Punkten, in denen ich mich von anderen unterscheide.

Zwei Beispiele:

Alle anderen, die ich in der Mittagspause sehe, haben Shorts und T-Shirt an, ich trage einen Trenchcoat.

Alle anderen essen in der Gruppe, ich esse allein.

Aber das ist schon okay. Es ist sogar gut so, weil ich so in aller Ruhe nachdenken kann.

Zum Beispiel darüber, warum im Film noir nie einer sein Mittagessen aus einer braunen Papiertüte holt. Mir fällt kein einziger Film noir ein, in dem der Privatdetektiv ein Hühner-Focaccia-Sandwich gegessen hätte, und ich habe so gut wie alle Kriminalfilme aus den Dreißiger- und Vierzigerjahren gesehen. In einem Film noir geht auch keiner auf die Highschool, aber egal, wie oft ich Dad darum bitte: Er lässt mich die Schule nicht abbrechen. Deshalb sitze ich hier.

Wer sich eine Schulcafeteria vorstellt, in der ich mich zur Essensausgabe anstelle und die Tische für rivalisierende Cliquen reserviert sind, liegt falsch. Das ist ein Klischee. Jedes Filmgenre hat seine Klischees, die garantiert auftauchen und die man auch erwartet – und gibt es im Teeniefilm ein verbreiteteres Klischee als Cliquen in der Cafeteria?

Vielleicht schon. Ich schaue mir nicht so viele Teeniefilme an.

Aber wir sind in Südkalifornien. Nichts findet hier in Innenräumen statt, wenn es nicht unbedingt sein muss, und deshalb sind die Bänke und Metalltische draußen über den ganzen Schulhof verteilt. Alles hat hier reichlich Platz, egal ob Schnellstraßen oder Mittagstische. Und der einzige Mensch, der an einem bestimmten Tisch hängt, bin ich.

Da räuspert sich jemand. Erst jetzt merke ich, dass sich eine ganze Horde um meinen Tisch versammelt hat.

Das mit den Highschool-Cliquen ist, wie gesagt, ein Klischee, aber wenn ich dieser speziellen Gruppe einen Namen verpassen sollte, würde ich sie als »Elite-Uni-Überflieger« bezeichnen. Das sind die klassischen Streber, die alle möglichen Zusatzkurse belegen. Die würden dich mit bloßen Händen erwürgen, wenn sie sich damit in der Notenrangfolge einen Platz nach vorn schieben könnten. Vielleicht ist das auch unfair, denke ich, als ich ganz hinten Lily stehen sehe, die sich sichtlich unwohl fühlt. Aber nach allem, was sie mir angetan hat, vielleicht doch nicht.

Ganz vorne, so nah vor mir, dass ihre Beine meinen Tisch berühren, steht die Chefin der Gruppe, die sich geräuspert hat: Mia. Ich weiß nicht genau, auf welchem Platz meiner Tragödienliste sie rangiert, aber dass es Mia McElroy gibt, ist definitiv eine Tragödie.

Wenn mein Leben ein Film noir wäre, würde ich die Figur der Mia so beschreiben:

MIA MCELROY (w, 16), knallharte Superfrau mit Beinen bis zum Hals und Lippenstift, der zwei Rottöne dunkler ist als ihre Haare.

Aber wir sind hier in der Highschool und Mia ist nur ein Mädchen mit dem Charakter eines Piranha.

»Hi«, sagt Mia und zieht das Wort über fünf Sekunden, damit die versteckte Botschaft Fick dich ins Knie besser bei mir ankommt. »Wir brauchen den Tisch.«

Wer sich Mia in Cheerleader-Uniform vorstellt, liegt wieder daneben. Das ist auch nur so ein Klischee.

Sie räuspert sich noch mal. »Hast du gehört?«

»Ja.«

»Und?«

»Und ich sehe das anders.« Ich beiße von meinem Sandwich ab. »Ihr braucht den Tisch nicht.«

»Doch, wir brauchen ihn.«

»Man braucht ein Dach über dem Kopf. Man braucht etwas zu essen. Wollt ihr den Tisch etwa essen?«

»Oh mein Gott«, murmelt Mia.

»Mia«, höre ich Lily sagen, aber ich würdige sie keines Blickes. »Vielleicht könnten wir …«

»Wir brauchen den Tisch, weil wir anders als du in der Mittagspause etwas zu erledigen haben«, sagt Mia. »Wir planen die Lebensmittelsammlung für die Tafel, aber dir ist die Tafel wahrscheinlich völlig egal, weil es dir gar nicht in den Schädel käme, für die Allgemeinheit oder für irgendjemandem außer dir auch nur einen Finger krumm zu machen.«

Ich deute auf den schwerfälligen Typ neben ihr – ihren Freund, sein Name fällt mir nicht mehr ein –, der gedankenverloren auf seinem Handy herumtippt. »Echt jetzt? Der engagiert sich für die Tafel?«

Mia sieht ihren Freund an. Als sie ihm auf den Arm klopft, erschrickt er sich zu Tode. »Wie wär’s, wenn du dein Handy mal vergisst und dich um den hier kümmerst?«

Mias Freund steckt das Handy weg, als hätte er sich die Pfoten verbrannt. Sein Blick wandert von mir zu ihr. »Aber … der sitzt doch nur da.«

»Ja genau«, sage ich. »Danke! Du bist wohl der Mann fürs Grobe?«

»Was?«, fragt er.

Lily beugt sich zu Mia vor. »Wir könnten uns doch auf den Rasen setzen. Wenn Gideon nicht wegwill …«

Zum ersten Mal seit fünf Jahren hat Lily meinen Namen gesagt. Das wäre nichts Besonderes, hätte sie ihn nicht damals, als wir noch beste Freunde waren, jeden Tag ausgesprochen.

»Nein.« Mia verschränkt die Arme. »Wir brauchen eine feste Unterlage und wir brauchen Platz. Er nicht. Es gibt jede Menge anderer Tische, an die er sich setzen kann …«

»Aber das ist mein Tisch«, sage ich.

»Kleinere Tische, Tische, die für eine Person genau richtig sind …«

»Ich sitze immer an diesem Tisch.«

»… und die für Gideon völlig ausreichen würden, wenn er nicht so egoistisch wäre.«

Ich weiß nicht, was ich sonst noch sagen könnte. Ich habe mir diesen Tisch in der zweiten Woche der neunten Klasse ausgesucht und seither jeden Tag hier gesessen. Deshalb muss ich auch heute hier sitzen. Mir leuchtet das vollkommen ein, aber an der Art, wie mich alle anstarren, erkenne ich, dass sie es nicht verstehen.

»Was stellst du dich so bescheuert an!«, schnauzt Mia. »Setz dich doch einfach an einen anderen Tisch.«

»Ich bin nicht bescheuert.«

»Was denn sonst?« Sie deutet mit großer Geste auf meine gesamte Erscheinung. »Wer zur Hölle rennt schon bei über sechsundzwanzig Grad mit Jacke herum?«

»Das ist ein Trenchcoat. Ich trage immer einen Trenchcoat.« Keine Reaktion. »Früher haben die Leute dauernd so was getragen. Und einen Fedora, das ist ein Filzhut mit breiter Krempe, falls du das nicht weißt. Und Schuhe, die nicht aus Plastik waren.« Damit mache ich es nicht besser, aber jetzt kann ich nicht mehr aufhören. »Wenn Leute aus den Dreißiger- oder Vierzigerjahren sehen könnten, was du anhast, würden sie dich für bescheuert halten, nicht mich.«

»Wow. Du bist also immer noch auf dem Trip.« Sie lächelt, ohne die Zähne zu zeigen. »Du spielst immer noch Detektiv.«

Ich habe nicht Detektiv gespielt. Ich war einer. Betonung auf war.

»Ich bin kein Detektiv.«

»Das ist ja fast schon rührend«, fährt sie fort, »wie begeistert du dabei bist. Aber nur fast.«

»Warum fragst du nicht einfach jemand anders, ob er dir seinen Tisch abtritt, Mia?«

»Weil du als Einziger allein hier sitzt.«

»Ich esse immer allein.«

»Stimmt.« Mia durchbohrt mich mit ihrem stechenden Blick. »Hast du dich schon mal gefragt, warum?«

Ohne diese Frage würde ich es vielleicht gut sein lassen. Oder wenn es jemand anders gesagt hätte. Aber nach allem, was sie mir angetan haben – einschließlich Mia, ja, Mia ganz besonders –, sprudeln die Worte aus meinem Mund, ehe ich es verhindern kann.

»Dein Freund geht fremd.«

Mias Augen treten fast aus ihren Höhlen. Dem besagten Freund klappt die Kinnlade runter.

»Wie bitte?«, sagt sie.

»Oh.« Ich blinzle sie an. »Er hat was mit einer anderen am Laufen.«

Sie stützt beide Hände auf meinen Tisch. »Was zum Teufel hast du eigentlich für ein Problem, Gideon?«

»Das ist nicht mein Problem«, sage ich. »Es ist dein Problem. Deins und …« Ich wende mich an ihren Freund, der den Mund noch nicht zugemacht hat. »Tut mir leid, mir fällt dein Name nicht ein. Colton, Ashton, Braxton …«

»Matt«, sagt er.

Na gut, das war ziemlich weit daneben.

»Matt«, wiederhole ich, »es tut mir leid, dass ich dir das antun muss – na ja, so leid auch wieder nicht, immerhin gehst du ja wirklich fremd.« Ich hole tief Luft. »Hast du gesehen«, frage ich Mia, »wie hektisch er wurde, als du ihn gerade angesprochen hast? Ich wette, das kommt in letzter Zeit öfter vor. Stimmt’s, Mia? Ist er öfter so schreckhaft?«

Matts Telefon klingelt in seiner Tasche. Nur einmal, ein hoher melodiöser Klingelton. Er ignoriert ihn. »Und siehst du, das ist doch auch interessant«, sage ich. »Das war nicht der Standard-Klingelton. Nimm es mir nicht übel, Matt, aber du siehst mir eigentlich mehr nach Standard aus.«

»Mann«, sagt er. »Mach das nicht.«

»Mach was nicht, Matt?«, blafft Mia ihn an.

»Ich wette, er hat für einen Kontakt einen speziellen Klingelton eingestellt«, sage ich. »Für einen ganz besonderen Kontakt.«

»Gib mir dein Handy«, sagt Mia. »Ich will dein Handy sehen.«

»Was? Nein!« Matt legt schützend die Hand auf seine Hosentasche.

»Ich will nur dein Handy sehen«, wiederholt sie in gefährlich ruhigem Ton. »Warum kann ich dein Handy nicht sehen?«

»Du brauchst sein Handy nicht«, versichere ich ihr. »Es gibt noch andere Indizien.«

Matt wirft entnervt die Hände in die Luft. »Indizien? Das ist doch alles Quatsch!«

Ich deute auf Matts Gesicht. »Er versucht, sich einen Bart wachsen zu lassen. Siehst du das? Ich meine, es klappt nicht so richtig, aber … Stehst du überhaupt auf Bärte, Mia? Ich wette, nicht. Für wen macht er das dann wohl, was meinst du?«

»Das Rasieren schadet meiner Haut!«, wendet Matt ein.

»Seine Klamotten sind auch neu, als wollte er bei jemandem Eindruck machen.« Ich deute auf Matts Hosen. »Er hat vergessen, das Größenschild zu entfernen.«

Matt schaut auf seine Jeans hinunter, flucht und reißt das Klebeetikett ab.

»Was soll das, verdammt noch mal?«, brüllt Mia ihn an, zeigt dabei aber auf mich. »Hat das kleine Arschloch etwa recht?«

Mit einem Meter siebenundsechzig habe ich genau die Durchschnittsgröße aller Sechzehnjährigen in den USA, aber das will Mia in ihrem mentalen Zustand wahrscheinlich nicht hören.

»Baby, natürlich nicht«, sagt Matt sanft.

»Es ist Ava Clark, stimmt’s?«

»Trägt Ava Clark rosa Lipgloss?« Die beiden starren mich sprachlos an. »So einen Pfirsichton, relativ neutral, mit etwas Glitter?«

»Warum?« Mia schnaubt vor Wut. »Warum, Gideon?«

»Ach, nur so.« Ich deute auf meinen Hemdkragen. »Der Fleck da auf seinem Kragen.«

Mia schaut nach. Findet ihn. Und dann explodiert sie und ihre flammende Empörung ergießt sich wie vulkanische Lava über den grünen Campus.

»Was ist das, Matt?«, schreit sie. »Von wem ist das?« Sie deutet auf ihre roten Lippen. »Von mir jedenfalls nicht!«

»Mia.« Sein Blick huscht über die Schülerschar, die sich um uns herum versammelt hat. »Ich kann das erklären.« Sie wartet. Er überlegt, dann sagt er: »Wusstest du, dass der Mensch von Natur aus gar nicht monogam ist?«

Der Mann fürs Grobe: hat direkt reingelangt.

»Ich glaub’s nicht!«, schreit sie ihn an. »Du … du gehst echt fremd!«

»Ja stimmt.« Ich beuge mich vor und lächle sie an. »Hast du dich schon mal gefragt, warum?«

Eine Sekunde lang sieht Mia aus, als wollte sie mir eine knallen.

Dann knallt sie mir eine.

Kapitel 3

Das Erste, was Lily sagt, ist: »Ich brauche deine Hilfe.«

Dann sagt sie: »Oh Gott, das war nicht der Plan.«

Ehe mein Gehirn meine Stimmbänder einholen kann, begräbt sie mich unter einer Wortlawine. »Ich habe einen Plan gemacht, weil ich ja immer alles plane. Als du die Tür aufgemacht hast, wollte ich ›Hi‹ sagen, und dann hättest du ›Hi‹ gesagt, und ich hätte gefragt, ob ich reinkommen kann, und die Sache mit der Hilfe wäre erst viel später gekommen.«

Sie holt Luft. Ich packe die Gelegenheit beim Schopf.

»Willst du?«, frage ich.

Sie blinzelt. »Will ich was?«

Ich trete zur Seite. »Reinkommen?«

»Oh. Ja.«

Im Flur dreht sie sich einmal im Kreis.

»Wow«, sagt sie, während ich die Tür hinter uns schließe. »Ich war schon ewig nicht mehr hier.«

Mein Nacken verspannt sich, und ich drehe mich zu ihr um, sodass wir uns direkt gegenüberstehen. »Und wer ist daran schuld?«

Ihr Blick wird weich und traurig. »Ich wollte nicht …«

»Schon gut.«

»Ich wollte nur sagen …«

»Möchtest du etwas trinken?«, unterbreche ich sie wieder. »Wasser oder …?«

Lily wirkt erleichtert. Wahrscheinlich hat sie vergessen, was sie sagen wollte. »Wasser wäre toll. Danke.«

Ich deute auf den Flur. »Du weißt noch, wo es ist, oder? Mein Zimmer?«

»Ja. Klar.« Sie macht sich auf den Weg.

Während ich ihr Glas am Wasserhahn fülle, spule ich immer wieder ihre Worte ab. Vier Worte. »Ich brauche deine Hilfe.«

In meinem Leben ist nichts wie in einem Film noir. Ich habe keine Privatdetektei mit Namensschild an der Tür. Ich gehe nicht in nebligen Nächten auf Spurensuche oder renne allein über nasse Gehwege. Wir haben im Jahr etwa vierzig Tage Regen. Noch so eine Tragödie. Der ständige Sonnenschein verhunzt echt die Ästhetik.

Nichts in meinem Leben ist wie in einem Film noir – bis auf das hier.

Denn so läuft das immer ab: Der Detektiv sitzt in seinem Büro. Es klopft an der Tür. Ein Mädchen bittet ihn um Hilfe.

Gut, okay, es sind Frauen, keine Mädchen. Femmes fatales, um den Fachbegriff zu bemühen. Mit allem, was dazugehört, dunkler Vergangenheit, verborgenen Motiven und Röcken, die so eng sind, dass ich nicht begreife, wie sie damit überhaupt laufen können.

Allerdings ist das nur mein Zimmer, denke ich, kein Büro, als ich hineingehe. Und es ist auch nicht irgendein Mädchen, sondern Lily.

»Dein Zimmer sieht genau so aus, wie ich es in Erinnerung habe«, sagt sie und nimmt mir das Glas ab. »Fast wie früher.«

Fast sage ich, sie soll doch mal suchen, was sich verändert hat, wie in diesen Kinderrätseln »Finde den Unterschied«.

»Deins nicht?«, frage ich.

»Was?«

»Sieht dein Zimmer nicht aus wie früher?«

Sie lacht. »Wie in der sechsten Klasse? Da hatte ich noch meine Puppensammlung.«

Ich runzle die Stirn. Sie runzelt die Stirn.

»Nein«, sagt sie, leiser. »Ich … es hat sich viel verändert. Seitdem.«

Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll, und Lily wahrscheinlich auch nicht, denn einen Moment lang herrscht Stille.

»Also«, sage ich schließlich. »Asta ist jedenfalls neu.« – Mit einem Nicken deute ich auf Astas Gehege.

Lily dreht sich um. Dann schnappt sie nach Luft, läuft hin und sinkt neben dem Gehege zu Boden. »Oh Gott. Die ist ja niedlich.«

»Das ist ein Junge.«

»Tut mir leid, das mit dem falschen Geschlecht, Asta«, sagt sie.

Er ist offenbar nicht beleidigt, sondern beschnuppert ihre Finger.

Lily blickt über die Schulter zu mir herauf. »Warum heißt er Asta?«

»Das ist ein Filmzitat.« Ich deute auf die Wand mit den DVDs; dort steht auch Der dünne Mann, in dem der Hund Mr Asta heißt. »Das ist so mein Ding.«

»Kein Scheiß.« Lily mustert mit zusammengekniffenen Augen das Regal. Sie hat ihre Brille nie gern getragen, ich vermute, daran hat sich nichts geändert. »Hast du nur Filme, die in der Vergangenheit gemacht wurden?«

»Alle Filme wurden in der Vergangenheit gemacht.«

»Du weißt, was ich meine.«

Ich denke, das Leben wäre deutlich einfacher, wenn die Leute sagen würden, was sie meinen, damit ich nicht dauernd raten muss.

Da ruft Lily unvermittelt: »Oh krass!« Zuerst denke ich, sie ist überwältigt von Astas weichem Fell (was verständlich wäre), doch dann merke ich, dass ihr Blick nicht auf ihm ruht, sondern auf der Pinnwand über meinem Schreibtisch.

Ich muss nicht fragen, welches Foto ihr aufgefallen ist. Es ist das ganz außen, mit den aufgerollten Ecken. Das, auf dem Lily und ich – oder zumindest unsere kindlichen Pendants – vor meiner Garage und dem Schild »Green-Privatdetektei« stehen, das wir aus Packpapier und Farbe gebastelt haben. Wir sind klein, wir lächeln und wir sind noch befreundet.

Lily steht auf, geht hin und zieht das Bild samt Reißzwecke heraus. »Wie alt waren wir da? Neun?«

»Zehn.« Aus diesem Winkel sehe ich beide Lilys auf einmal, die eine auf dem Foto und die andere, die in meinem Zimmer steht. Und ich sehe auch sämtliche Unterschiede. Die Haare kürzer und nicht zu Zöpfen, sondern zu einem Pferdeschwanz gebunden. Die Sommersprossen auf dem Nasenrücken verblasst. Die Gestalt größer und schlank statt dürr.

Auch ich bin natürlich größer, und meine Haare sind mittlerweile eher braun als rot, aber … Lily sieht fast schon ein bisschen erwachsen aus. Ich habe mich kaum verändert.

»Nicht zu glauben, dass du das noch hast«, sagt sie.

»Was, das Foto?«

»Das Foto von uns.«

Das ist kein Foto von uns. Es ist ein Foto von mir und meiner Detektei. In ihren Augen beweist es, dass ich sie vermisst habe, aber ich habe sie nicht vermisst. Ich vermisse sie nicht.

Ich räuspere mich. »Du hast gesagt, du brauchst Hilfe.«

Sie legt das Foto auf den Tisch und setzt sich aufs Bett. Ich bleibe an den Türrahmen gelehnt stehen.

»Also.« Sie klingt plötzlich nervös. »Wie du vielleicht weißt, oder auch nicht, bin ich Kulturredakteurin beim Herald.

Ich sehe sie verständnislos an.

»Die Zeitung.«

Mein Gesicht bleibt unbewegt.

»Die Schülerzeitung. Deiner Schule.«

»Oh.« Ich nicke. »Ja. Klar.«

Sie verzieht das Gesicht. »Du scheinst sie nicht regelmäßig zu lesen.«

»Da ist immer ein Kreuzworträtsel drin, stimmt’s? Ich glaube, ich habe …«

»Wie auch immer. Ich bin für den Kulturteil zuständig.«

Kino gehört auch zur Kultur. Vielleicht haben wir doch etwas gemeinsam. »Geht es da um Filme?«

»Nein, Filme gehören zur Unterhaltung. Im Kulturressort geht es mehr um Menschen. Porträts bekannter Leute oder Vereine. Interessante Ereignisse, die es nicht in die Schlagzeilen schaffen. Du weißt schon.« Ich weiß nicht, nicke aber trotzdem.

»Und mir macht das wirklich Spaß. Ich meine, im ersten Jahr bin ich nur zur Schülerzeitung gegangen, weil es sich gut in meinem Lebenslauf macht, aber mittlerweile ist es mein Lieblingshobby – und ich habe viele Hobbys, das hat also was zu sagen. Ich würde im nächsten Jahr den Kulturteil noch einmal übernehmen, aber am allerliebsten wäre ich …« Sie zögert, als fiele es ihr schwer, es auszusprechen. »… Chefredakteurin.«

»Oh.« Ihrem entrückten Blick entnehme ich, wie viel ihr das bedeutet. Ich kann das nicht nachvollziehen. Nichts, was an der Highschool abläuft, hat für mich irgendeine Bedeutung. »Ich hoffe, du schaffst es.«

»Ich auch, aber …« Sie schüttelt den Kopf. »Am Anfang des Schuljahrs dachte ich, ich wäre die Favoritin. Außer mir sind nur der Kommentar-Redakteur und eine aus der Nachrichtenredaktion an dem Job interessiert und ich schreibe bei Weitem die besten Texte. Außerdem hat die derzeitige Chefredakteurin immer so getan, als hätte ich den Job schon in der Tasche. Aber seit Kurzem …« Lily schnaubt frustriert. »Ich weiß auch nicht. Jetzt ist sie sich anscheinend nicht mehr so sicher. Vielleicht, weil meine Beiträge keine Schlagzeilen gemacht haben. Sie kommen so gut wie nie auf die Titelseite, und das eine Mal, als es geklappt hat, war es die totale Katastrophe, obwohl das nicht mal meine Schuld war …« Sie holt tief Luft. »Jedenfalls muss ich etwas unternehmen. Einen richtigen Knaller schreiben. Und ich glaube, diese Story könnte es sein.«

»Welche denn?«

Lily zögert einen Moment, ehe sie sagt: »Kennst du Luke Dobson?«

Ich schüttele den Kopf.

»Er ist in der zwölften Klasse, bei uns an der Schule. Na ja – er war auf der Presidio. Bis vor Kurzem.«

»Hat er die Schule geschmissen?«

»Nicht ganz«, sagt sie. »Er wurde verhaftet.«

Jetzt bin ich hellwach. In die Presidio gehen über tausend Kids, da gibt es immer welche, die von der Schule fliegen, weil sie in einen Spind gepinkelt haben oder so – aber eine Verhaftung? Das kommt eher selten vor.

»Weswegen?«, frage ich. »Drogen?«

»Vandalismus, soweit ich weiß. Er ist noch siebzehn, und solange man minderjährig ist, kommt das nicht an die Öffentlichkeit. Aber als ich davon hörte, habe ich ihn angerufen, und da hat er es mir erzählt. Ich konnte nur eine Minute mit ihm sprechen, aber das hat er jedenfalls gesagt. Dass er wegen Vandalismus angeklagt ist.« Sie zögert kurz. »Und dass er hereingelegt wurde.«

Ja logisch. Im Gefängnis sitzen ja auch nur lauter Unschuldige.

»Du kennst ihn«, sage ich, und es ist keine Frage. »Das ist nicht nur irgendein Presidio-Schüler. Er ist dein Freund.«

»Ein Freund der Familie«, erklärt sie. »Als wir noch klein waren, haben unsere Mütter mit ein paar anderen Familien eine Krabbelgruppe gegründet. Deshalb haben wir uns oft gesehen – das ist ein ziemlich kleiner Club, die Kinder von lesbischen Moms im East County. Aber in der Schule hatten wir nichts miteinander zu tun.«

»Also Freunde, aber nicht beste Freunde«, fasse ich zusammen. »Wie wir früher.«

Sie starrt die Bettdecke an. »Genau.«

»Aber du magst ihn, und deshalb … ja, was? Willst du ihn entlasten?«

»Ich würde gern einen Artikel für den Herald schreiben«, erklärt sie, »so eine vertiefte Langzeitreportage über Jugendliche, die in das Justizsystem geraten, mit all den Schwächen des Jugendstrafrechts. Und natürlich wollte ich Lukes Erfahrungen in den Mittelpunkt stellen: einen, der wie wir alle aus San Miguel kommt und dessen Leben wegen eines einzigen Vergehens – es war ja kein Gewaltverbrechen – kopfsteht. Jedenfalls habe ich es unserer Chefredakteurin vorgeschlagen. Aber die hat mich abblitzen lassen. Hat die Story total abgewürgt.«

Ich hätte sie wahrscheinlich auch nicht gelesen, aber das heißt ja nicht, dass sie nichts taugt. »Warum denn?«

»Tess meinte, die Schulleitung fände einen Artikel über einen Presidio-Schüler, der in die Kriminalität abgerutscht ist, bestimmt nicht gut. Aber ich kenne sie: Wenn sie von der Story überzeugt ist, macht sie sich auch dafür stark.« Lily starrt auf ihre Hände. »Sie hat einfach nicht geglaubt, dass ich das durchziehen kann.«

»Wie hast du sie dann überzeugt?«

Lily zögert. »Gar nicht. Noch nicht.«

Den Cop, der wie ein wandelndes Pulverfass jederzeit in die Luft gehen kann, kennen wir als Filmfigur, aber von einer gemeingefährlichen jugendlichen Chefredakteurin habe ich noch nie gehört.

»Ich wollte aber nicht gleich aufgeben«, fährt Lily fort und zieht ein ramponiertes blaues Notizbuch aus dem Rucksack. »Ich dachte, vielleicht kann ich ihr zeigen, dass es um mehr geht als um einen Freund meiner Familie. Ich wollte beweisen, dass die Sache wirklich einen Artikel wert ist. Deshalb habe ich mir die Kriminalstatistiken angesehen. Und die waren … echt schräg.«

»Wie, schräg?«

»San Miguel ist eine Stadt, in der sich nicht groß was verändert …«

»Das ist so ziemlich das einzig Gute, das man über sie sagen kann.«

»In Sachen Kriminalität, meine ich. Da tut sich nicht viel.« Lily blättert in ihrem Notizbuch. »Die Kriminalitätsrate ist von Jahr zu Jahr stabil. Sinkt nicht sonderlich, steigt aber auch nicht stark an – bis zu diesem Jahr.«

Sie zeigt mir die aufgeschlagene Seite. Und ohne wirklich zu verstehen, was ich da tue, setze ich mich neben sie aufs Bett. Es ist ein großes Schaubild, von Hand gezeichnet, mit Linien in allen möglichen Farben. Einige weisen steil nach oben, andere verlaufen flach.

Ich deute mit dem Finger darauf. »Da hat sich offenbar nichts geändert.«

»Und das ist das Seltsame! Gewaltverbrechen – Körperverletzung, Raub, häusliche Gewalt – sind unverändert ziemlich niedrig. Hochgegangen sind die anderen Verbrechen, die ohne Gewalt.« Sie zeigt es mir. »Einbrüche um siebzig Prozent, Vandalismus um fast hundert Prozent und mehr Autodiebstähle als in den drei Vorjahren zusammen …«

»So viel zur ruhigen Wohngegend.«

»Ja, und den Leuten fällt das natürlich auf. Das ist ein wichtiges Thema für den Bürgermeister und die Vorstadt-Moms, die ihm Petitionen überreichen, unter dem Motto ›Rettet unsere Straßen‹.«

»Na gut, also …« Ich zucke mit den Achseln. »Mit der Stadt geht es bergab. So was passiert eben, oder?«

»Aber nicht so plötzlich«, sagt sie kopfschüttelnd. »Nicht ohne erkennbare Gründe und nicht nur bei den minderschweren Verbrechen ohne Gewalt.«

»Für die es keine Zeugen gibt.«

»Wie?«

»Für die meisten dieser Verbrechen gibt es keine Zeugen«, erkläre ich. »Bei den Leuten wird ja nicht eingebrochen, wenn sie im Wohnzimmer sitzen und fernsehen.«

Darüber denkt Lily kurz nach. »Wir haben allerdings einen Zeugen.«

»Wir, was heißt das, wir …«

»Ich konnte Luke dazu bringen, mit mir über alles zu sprechen, und wenn er glaubt, er wurde hereingelegt, muss ihn doch irgendetwas mit dieser seltsamen Entwicklung in Verbindung bringen.«

»Mir ist nicht klar, was das alles mit mir zu tun hat.«

»Zuerst habe ich probiert, die offiziellen Wege zu gehen«, sagt sie. »Ich habe die Polizeiprotokolle für die Festnahmen angefordert, aber das kann Monate dauern. Und ich habe sogar direkt bei der Polizei von San Miguel angerufen, um zu fragen, ob man da eine Erklärung hat.«

Ich hätte Lily aus Erfahrung sagen können, wie herablassend man beim SMPD auf eine solche Anfrage reagieren würde. »Das war bestimmt eine Sackgasse.«

»Ich wollte die Pressestelle fragen, aber einer Pressesprecherin am nächsten kommt da die Assistentin des Polizeichefs, und die hat mir etwas vom ›Dienst an der Allgemeinheit‹ erzählt und aufgelegt, ehe ich nachhaken konnte.«

Wer kann es der Assistentin auch verübeln, wenn sie nicht sieht, was sich direkt vor ihrer Nase befindet? Ihr Chef hält es schließlich genauso.

»Yep, das sind Pfeifen und Idioten noch dazu, die sind einfach so gepolt.« Mir geht so langsam die Geduld aus. »Aber ich kann da nicht viel tun. Von Verbrechensstatistiken oder Journalismus habe ich keine Ahnung.«

»Kann sein.« Lily faltet die Hände im Schoß. »Aber du weißt, wie man Fälle löst.«

Als ich es endlich kapiert habe, ist mein erster Gedanke: Oh.

Mein zweiter Gedanke ist: Verflucht, nein!

»Lily …«

»Es sieht vielleicht erst mal nicht aus wie ein Fall, jedenfalls nicht, wie du das gewohnt bist, aber es ist einer. Ich bin mir sicher, ich habe irgendwas übersehen, es muss eine Erklärung geben. Aber ich heiße eben nicht Woodward oder Bernstein.«

»Ja klar, du heißt Krupitsky-Sharma.«

»Noch nie was von Watergate gehört?« Lily schließt die Augen. Schüttelt den Kopf. Öffnet sie wieder. »Ich meine: Ich kann gut schreiben, aber Ermitteln ist nicht meine Stärke.«

»Du hast doch mitbekommen, was ich zu Mia gesagt habe. Ich bin auch kein Detektiv mehr.«

»Du hast vielleicht das Schild an der Garage weggemacht. Aber ich war in der Mittagspause da, bei der Sache mit dir und Mia, und ich weiß Bescheid.«

»Was weißt du?«

»Dass du immer noch Fälle löst«, sagt Lily. »Du machst es halt nur im Kopf.«

Eine Weile ist nur Asta zu hören, der in seinen Holzspänen buddelt.

»Na ja, wir hatten … nicht viel miteinander zu tun.« Lily klopft mit dem Finger auf meine Bettdecke. »Ziemlich lange.«

Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts.

»Und klar, dass du mir nicht so richtig vertraust.«

Nein, das ist die Untertreibung des Jahrhunderts.

Andererseits … Lily ist gekommen, obwohl sie nicht wusste, ob ich sie überhaupt hereinlassen würde. Sie hat es riskiert und Lily war nie besonders risikofreudig. Sie musste immer erst überredet werden, meist von mir.

Was schon beweist, dass das alles keine spontane Aktion ist.

»Ich glaube, da steckt echt was dahinter. Und wir könnten das zusammen lösen.« Sie sieht mich an, halb hoffnungsvoll, halb ungeduldig. »Was sagst du?«

Was soll ich sagen? Du hast mich abserviert? Du bist nur gekommen, weil du glaubst, ich könnte dir nützlich sein? Du hast heute direkt hinter Mia gestanden und keinen Ton gesagt?

Nein, ich muss logischer an die Sache herangehen. Detektive scheitern immer dann, wenn sich die Geschichte als Tragödie entpuppt. Wenn sie sich von ihren Gefühlen hinreißen lassen und die Fakten nicht mehr sehen.

Fakt 1: Je öfter ich aus dem Haus gehe, desto weniger wird mich Dad mit seinem Gesülze vom »vergeudeten Potenzial« nerven.

Fakt 2: Wenn Lily sich täuscht und das alles ein großer Irrtum ist, und in Wahrheit nur ein jugendlicher Delinquent von seiner Unschuld faselt, habe ich außer Zeit nichts verloren.

Fakt 3: Wenn Lily recht hat und die Sache ein großes Ding ist, kann ich den Fall lösen. Und damit wäre alles anders.

Wenn ich ihn löse, wenn ich richtigliege und alle davon erfahren, würde das bedeuten, dass ich auch sonst richtiglag. Es würde bedeuten, dass ich mich schon mit zehn