Gilbys Versprechen Band 2 - Gisa Seeliger - E-Book

Gilbys Versprechen Band 2 E-Book

Gisa Seeliger

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Beschreibung

Ich bin Gilby... ihr wisst schon - der Nordjunge mit dem feuerroten Schopf aus Midgard. Inzwischen bin ich 13 Winter alt. Meine Erschafferin hat meine Wünsche erfüllt und mich auf eine abenteuerliche Reise geschickt. Ich durfte auch einige der Götter kennen lernen. Aber jetzt ist nichts mehr wie es war. Die Götter sind böse auf mich, weil ich den Fenriswolf befreite. Und ich bin mit ihnen böse, besonders auf Odin. Immer wieder belügt er mich und ist nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Richtig hinterhältig. Jetzt soll ich den Fenriswolf zurück bringen, weil sonst die Prophezeiung nicht erfüllt werden kann, sagt er. In Wahrheit hat er die Hosen voll. Bestimmt will er Fenris wieder fesseln. Zwar schwatzt er, dem Wolf nichts tun zu wollen, doch das glaube ich ihm nicht. Jetzt schickt er mich mit Thor los, Fenris zu holen. Die Reise werde ich antreten, aber einfach werde ich es dem Allvater nicht machen. Das braucht er sich gar nicht einbilden. Er muss mal kapieren, dass die Prophezeiungen geändert werden müssen, damit Ragnarök nicht kommt. Ich befürchte nur, dass auch ich es nicht einfach haben werde...

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Seitenzahl: 126

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Die neue Reise

Thialfi und Röskva

Der Meeresgott Njörd

Auf dem Nordmeer

Lichtalbenheim

Auf dem Weg zum Gjöll

Die Riesin Modgud

Drachenritt

Am Gjöll

Der Höllenhund Garm

Röskva und Smurfel

Gilbys Helfer

Die Norne Skuld

Hel

Zurück in Midgard

Bei den Nornen

Gladsheim

Am Thing

Die neue Reise

Ein weiterer Winter war vergangen. Erste Kräuter brachen den Boden auf und streckten ihre Köpfe gierig der Sonne entgegen. Sorgsam wählte Gilby die kräftigsten Pflanzen aus und legte sie in seinen Korb.

„Dein Korb ist schon wohl gefüllt“, vernahm er eine altbekannte Stimme.

Gilby schaute auf und erblickte erstaunt den Wanderer.

„Odin! Was machst du hier?“

„Ich erwarte dich nach zwei Monden am Thingplatz“, bestimmte der Allvater.

„Weshalb?“, fragte Gilby.

„Sei einfach dort und du wirst es erfahren.“ Mit diesen Worten wendete sich der Gott ab.

Gilby raufte sich den roten Schopf. Was hatte das zu bedeuten? Eine leise Ahnung keimte in ihm auf.

„Odin will bestimmt wissen, wo der Fenriswolf ist“, überlegte er. Seit er den Wolf befreit hatte, war dieser im Eisenwald bei seiner Mutter, der Riesin Angurboda. Aber danach hätte Odin doch gleich fragen können. Doch der Gott ahnte wohl, keine Antwort zu erhalten. Dachte er etwa, Gilby würde den Wolf verraten, nachdem er ihn befreite? Es musste noch etwas anderes dahinter stecken.

Gilby kehrte mit seinem Korb in die Siedlung zurück. Seine Mutter Sirid nahm die Kräuter erfreut entgegen, sah aber zugleich das bedrückte Gesicht ihres Sohnes.

„Was ist los, Gilby?“, fragte sie.

„Odin hat mich aufgesucht. Er erwartet mich nach zwei Monden am Thingplatz. Weshalb, weiß ich nicht.“

Sirid schlug sich die Hände vor ihr Gesicht. „Oh nein, Gilby. Du wirst mich schon wieder verlassen.“ Sirid wusste, dass sie ihren Sohn nicht aufhalten konnte.

„Wann wirst du aufbrechen?“

„Morgen früh.“

„Dann koche ich jetzt eine kräftige Suppe und backe ein Brot“, beschloss Sirid.

Gilby bedankte sich bei seiner Mutter und ging eine Ziege melken.

Am nächsten Morgen machte er sich mit seinem Bündel auf den Weg. Zwei Raben kreisten krächzend über ihn.

„Hallo Hugin, hallo Munin“, begrüßte Gilby die Vögel. „Ihr könnt Odin sagen, dass ich unterwegs bin.“

Eilig flogen die Raben davon und Gilby wanderte weiter zu dem Weltenbaum Yggdrasil, an dem sich der Thingplatz befand. Er kannte den Weg bereits. Am Thing warteten Odin mit seinen Raben, Tyr und Uller. Alle schauten finster drein, was nichts Gutes verheißen ließ.

Uller ergriff das Wort: „Du hast eigenmächtig entgegen dem Eid gehandelt, indem du den Fenriswolf befreitest. Ich fordere den Eidring von dir zurück.“

Gilby sah dem Gott seinen Zorn an.

„Ich habe nicht gegen den Eid gehandelt. Ich tat alles, um mein Versprechen zu halten. Du hast es mir bestätigt.“

„Zu dem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass du den Fenriswolf befreit hast. Das gehörte nicht zu der Aufgabe, den Eid mit Ansinnen und Taten zu erfüllen“, rügte Uller den Jungen. „Mit deinem eigenmächtigen Handeln gefährdest du uns alle. Du bist nicht würdig, den Eidring zu tragen. Gib ihn mir zurück.“

Uller streckte die Hand aus, um den Eidring in Empfang zu nehmen. Doch Gilby dachte nicht im Traum daran und legte seine andere Hand schützend darüber.

„Gefährdet habt ihr euch selbst mit euren falschen Versprechen an Fenris“, entglitt es Gilby aus dem Mund. „Und jetzt fürchtet ihr seine Rache und ich soll für eure Schandtaten büßen. Ich habe nichts getan, was den Eid gefährdete.“

Odin mischte sich ein: „Du richtetest mutige Worte an mich und auch nun scheust du dich nicht, deine Meinung zu sagen. Beweise uns, dass wir keine Furcht vor Fenris haben müssen.“

„Das kann ich nicht“, gab Gilby kopfschüttelnd von sich. „Ihr habt dem Wolf jahrelange Pein zugefügt und könnt nicht ernsthaft erwarten, dass er euch wie ein dummes Lamm gegenüber tritt.“

„Sicher nicht. Wir warten aber auch nicht darauf, dass Fenris mit Hilfe seines listigen Vaters Loki aufkreuzt und uns zerfleischt.“

„Da spricht das schlechte Gewissen des Allvaters“, platzte Gilby es heraus und schlug sich sofort die Hand vor den Mund.

„Vorsichtig, Nordjunge“, ermahnte Odin mit finsterem Blick. „Du weißt, wo Fenris ist?“

„Ja“, gab Gilby zu.

„Dann bringe ihn her.“

„Niemals.“

„Wir versprechen dir, ihm nichts zu tun.“

„So wie ihr dem Wolf versprochen habt, Gleipnir zu lösen, sollte er es selbst nicht schaffen?“ Gilby wunderte sich selbst über seinen Mut, der sogleich von Odin bestätigt wurde.

„Du bist mutig, Nordjunge. Das habe ich schon erkannt, als du dich selbst Ägir geopfert hast. Dennoch… wir können nicht dulden, dass Fenris frei ist. Bringe ihn her.“

„Das wird Fenris nicht wollen.“

„Nun, du konntest ihn befreien, ohne von ihm gefressen zu werden. Das lässt mich vermuten, dass der Wolf auf dich hört.“

Gilby raufte sich den roten Schopf und überlegte fieberhaft, wie er aus der Sache herauskommen sollte.

„Wenn du den Eidring behalten willst, musst du tun, was wir sagen“, forderte Uller. „Sonst gebe ihn her und dann weißt du, dass mein Zorn dich treffen wird.“

Das war wieder typisch. Da läuft was nicht nach dem Geschmack der Götter und schon werden die Regeln geändert. Doch Gilby wollte lieber nicht wissen, wie sich Ullers Zorn zeigen würde und den Eidring wollte er erst recht nicht abgeben.

„Na gut“, willigte er zerknirscht ein.

„Dann verspreche, dass du Fenris her schaffst“, forderte Uller.

„Ich verspreche es“, bestätigte Gilby, obwohl er nicht die geringste Ahnung hatte, wie er dies bewerkstelligen sollte. Und ihm war schon jetzt bewusst, dass er Fenris nicht der Willkür der Götter aussetzen würde.

„Eine gute Entscheidung, Nordjunge.“ Odin strich zufrieden an seinem Bart. „Ich vermute, Fenris ist nicht gerade um die Ecke versteckt. Du bekommst ein Reisegefährt.

„Skidbladnir?“, fragte Gilby hoffnungsvoll.

„Nein, das Schiff ist wieder bei Frey und der dümpelt bei den Feen herum. Du wirst mit Thor reisen. Dann hast du auch gute Verstärkung dabei.“

„Oh nein“, rief Gilby. „Nicht dieser Holperwagen!“

Odin ging nicht darauf ein und sandte Hugin und Munin aus. „Gebt meinem Erstgeborenen Bescheid, dass er erscheinen möge.“

Während die Raben eilig Kurs auf Asgard nahmen, wartete die Gruppe schweigend. Gilbys Gedanken rotierten. Wie sollte er den Wolf überzeugen, mit ihm zu kommen? Wie nur sollte er dieses Versprechen halten, ohne Fenris zu gefährden? Was würden die Götter mit dem Wolf machen? Er traute ihnen nicht und befürchtete, das Versprechen voreilig gegeben zu haben. Er bezweifelte auch, ob der Donnergott die richtige Begleitung war. Fenris würde auch Thor hassen oder Thor könnte Fenris mit Mjölnir erschlagen. Deprimiert sackten seine Schultern nach vorne und er ließ den Kopf hängen.

Auch die Götter waren nicht froh gestimmt. Zwar hatten sie erreicht, dass Gilby sein Versprechen gab, doch auch sie wussten nicht, ob er es umsetzen würde. Und solange Fenris frei war, fühlten sie sich nicht sicher.

Das rollende Geräusch von heran nahenden Rädern ließ Gilby aufblicken. Ein Wagen kam die Regenbogenbrücke Bifröst herunter. Gilby wischte sich die Augen, als könne er nicht richtig sehen.

„Was ist das denn?“, rief er aus.

Der Wagen war dreimal größer als das Donnergefährt, welches er kannte. Thor stand vorne und peitschte die Zügel, die nicht den Ziegenböcken umgelegt waren, sondern zwei Wölfen. Die Böcke Tanngnjostr und Tanngrisnir standen hinten auf dem Wagen, zwischen sich ein großes Bündel Heu, an dem sie begeistert zupften. Zwischen Thor und Ziegen erblickte Gilby einen Jungen und ein Mädchen. Der Junge mochte ebenso viele Winter durchlebt haben wie Gilby. Das Mädchen war etwas kleiner.

Gilby wuschelte sich seinen roten Schopf. Was hatte das zu bedeuten?

„Da staunst du, was Gilby?“, feixte Odin. „Ich habe einen neuen Wagen zimmern lassen und überlasse dir und Thor meine Wölfe Geri und Freki als Zugtiere. Sie sind schneller als die Böcke, sie ermüden nicht, sind sehr stark und kampflustig.“

Gilbys Finger durchwühlten immer noch sein Haar, als würde er darin die Antwort auf seine Fragen finden.

„Ähm… ja“, brachte er nur heraus.

Thor sprang mit seinem Gefolge vom Wagen. Die Ziegenböcke liefen blökend auf Gilby zu und stupsten ihn freudig mit ihren Hörnern an. Abwesend klopfte Gilby ihnen den Hals.

„Das sind Thialfi und Röskva“, stellte Thor die beiden Kinder vor. „Es sind meine Ziehkinder, die mich neuerdings ständig begleiten.“

Gilby begrüßte die beiden höflich, aber verwirrt.

„Sie kommen auch mit?“, fragte er.

„Ja. Ich sagte doch, sie begleiten mich ständig.“

„Das geht nicht“, wandte Gilby ein. Wusste er nur zu gut um die Gefahren, die unterwegs lauerten.

„Doch, das geht sehr gut“, meldete sich Röskva zu Wort, zwirbelte dabei an ihren geflochtenen Zöpfen und zwinkerte Gilby zu. Der schaute fragend zu Thor auf.

„Na also. Da hörst du’s“, stellte der Donnergott zufrieden fest.

„Und die Ziegenböcke?“, wollte Gilby wissen.

„Kommen auch mit.“

„Damit wir zu essen haben“, fügte Thialfi hinzu und senkte beschämt den Kopf.

„Ihr wollt Tanngnjostr und Tanngrisnir schlachten?“, entrüstete Gilby sich.

„Das können sie ab. Solange ihnen niemand das Knochenmark auslutscht“, sagte Thor mit strafendem Blick auf Thialfi.

Gilby verstand das alles nicht. Aber er würde schon dahinter kommen. Die Wölfe bereiteten ihm Sorgen. Wie würde Fenris auf sie reagieren? Oder die Wölfe auf Fenris, wenn sie kampflustig sind? Sie hatten auch eine stattliche Größe, zwar nicht so wie Fenris, aber dafür waren sie zu zweit.

„Fliegen die Wölfe?“, fragte Gilby.

„Nein, ausnahmsweise nicht. Und doch sind sie fliegend schnell“, kommentierte Odin.

Gilby wusste nicht, ob ihn das beruhigen sollte. Er dachte an den Fluss, der den Eisenwald von Midgard trennt. Wie sollten sie dort hinüber kommen ohne zu fliegen und ohne Skidbladnir?

„Also gut. Wo müssen wir hin?“, fragte Thor, den die Ungeduld plagte.

Gilby schüttelte den Kopf und zeigte auf Odin, Uller und Tyr.

„Er misstraut uns“, grummelte Odin.

„Soll er. Reicht ja, wenn ich es gleich weiß“, stellte Thor trocken fest. „So, alle aufsteigen!“

„Ist es nicht zu gefährlich für Thialfi und Röskva?“, sicherte Gilby sich ab.

„Schau her, Gilby. Ich habe Mjölnir, der mich unbesiegbar macht. Ich habe meinen Eisenhandschuh, um Mjölnir zu führen und ich habe meinen Zaubergürtel, der mir ungeahnte Kräfte verleiht. Ich bin wohl imstande, euch alle zu schützen.“

„Klingt gut“, gab Gilby sich geschlagen, doch voller Zweifel begab er sich mit den anderen auf den Wagen.

Odin tätschelte noch einmal seine Wölfe, bevor Thor die Zügel gab. Schon nach wenigen Ellen erreichten sie ein Tempo, welches den Wagen vom Boden abheben ließ. Gilby war erleichtert, so nichts von den holprigen Wegen zu spüren.

„So, raus damit, Nordjunge. Wohin müssen wir?“, drängelte Thor.

„In den Eisenwald.“

„Mir bleibt auch nichts erspart“, stöhnte Thor. „Sag nicht, Fenris ist bei der Riesin Angurboda.“

„Doch, genau dort ist er. Bei seiner Mutter.“

„Und du bist dir wirklich sicher?“

„Ja, Fenris war schon dort, als du mit Tyr dort aufkreuztest und Loki erschlagen wolltest“, antwortete Gilby.

Thors Gesicht färbte sich ebenso rot wie sein Haar. Er war geneigt, Gilby am Wams zu packen und den Jungen durchzuschütteln.

„Du bist genauso eine falsche Natter wie Loki“, schimpfte er. „Steht mir da beide scheinheilig gegenüber, als ob ihr von nichts eine Ahnung hättet.“

„Da wusste ich noch nicht, dass Fenris dort ist“, rechtfertigte Gilby sich.

„Aha. Also hat ihn dann doch der Listige dorthin geschafft. Wusste ich’s doch, dass dieser zertretene Misthaufen dahinter steckt“, wütete Thor.

„Ich hab Fenris nur befreit, mehr nicht. Dass Loki seinen Sohn vor euch Göttern in Sicherheit bringen wollte, ist ja wohl verständlich.“

„Pah, das ich nicht lache. Wenn ich diesem Möchte-gern-Asen den Kopf einschlage… das ist verständlich.“

„Er ist Odins Blutsbruder“, erinnerte Gilby den Donnergott.

„Weil auch Odin auf seine List herein fiel. Eingeschlichen hat er sich bei uns. Ich hab gewusst, dass er Unglück über Asgard bringen wird.“ Wütend peitschte Thor die Zügel und die Wölfe beschleunigten das Tempo.

„Wie kann es sein, dass Odin zu seinen Wölfen gut ist, den Fenriswolf aber fesseln ließ?“, philosophierte Gilby. „Schließlich hatte er Fenris schon als Welpen und ich habe nichts davon gehört, dass er bösartig war. Hatte Odin Geri und Freki auch von klein auf?“

„Nein, Geri und Freki waren ausgewachsen, als sie zu Odin kamen.“

„Dann kannte Odin die Wölfe gar nicht und nahm sie trotzdem auf?“, hinterfragte Gilby.

„Hmmm… naja… es war etwas merkwürdig. Wir Götter waren im Eisenwald auf der Suche nach einem Riesenweib, welches es zu töten galt. Wir fanden die Riesin an einer Feuerstelle. Zwei Wölfe waren bei ihr. Als sie uns witterten, rannten sie zähnefletschend auf uns zu. Ich schwang schon Mjölnir. Doch plötzlich legten sich die Wölfe demütig zu Odins Füßen. Seitdem sind sie bei ihm.“

„Ach so… Fenris war also nicht demütig genug“, gab Gilby trocken von sich. „Was geschah mit der Riesin?“

„Sie verfluchte die Wölfe. Flammen ihrer Feuerstelle griffen nach ihr und sie verbrannte.“

„Und wie kommst du zu Thialfi und Röskva?“, forschte Gilby weiter.

„Sie wurden mir von einem armen Bauernpaar übergeben.“

„Wie? Einfach so? Nur weil sie arm waren, gaben sie ihre Kinder weg?“

Thor zuckte nur mit den Achseln. Offensichtlich hatte er keine Lust, darüber zu sprechen.

Also wandte Gilby sich an Thialfi und Röskva.

„Vermisst ihr eure Eltern nicht?“

„Doch schon“, antwortete Röskva. „Aber sie sind sehr arm. Bei Thor haben wir es besser und immer zu essen.“

„Eure Eltern sind doch bestimmt traurig ohne euch?“ Gilby dachte an seine Mutter, als er so lange fort war und es jetzt vielleicht wieder sein würde.

„Natürlich. Aber sie wissen auch, dass wir es bei Thor besser haben und gut versorgt werden“, erklärte Thialfi. „Unsere Eltern sind nur arme Bauern. Ich war auch so hungrig, dass ich den Knochen gebrochen habe, um das Mark heraus zu schlürfen, obwohl Thor es verboten hat. Und nun humpelt einer der Böcke.“

„Was soll das hei…“

„Schluss jetzt mit dem Geschwätz“, fuhr Thor dazwischen.

Alle schwiegen betreten. Gilby überlegte, was es mit der Geschichte auf sich haben könnte. Etwas war faul daran. Warum wollte Thor nicht darüber sprechen? Und auch die Sache mit den Wölfen ging Gilby nicht aus dem Kopf.

„Wie weit fahren wir?“ fragte Gilby.

„Direkt zur Angurboda“, erwiderte Thor. „Ich sagte doch, die Wölfe ermüden nicht.“

„Das wird wohl nichts“, warf Gilby ein. „Ein Fluss trennt Midgard und den Eisenwald. Wie sollen wir darüber kommen? Ich konnte ihn nur mit Skidbladnir überqueren.“

„Wir brauchen Skidbladnir nicht“, antwortete Thor. „Aber du hast recht. Vor dem Fluss werden wir eine kurze Pause einlegen. Ich muss auch mal was futtern.“

„Du hast nur essen und trinken im Hirn“, sagte Gilby kopfschüttelnd. „Bis wir im Eisenwald sind, wird es dunkel sein.“

„Das ist doch egal, Nordjunge. Im Eisenwald ist es sowieso dunkel.“

Gilby war erstaunt, wie schnell sie das Ende von Midgard erreicht hatten. Thor brachte die Wölfe zum Stehen und der Wagen schlug ein paarmal hart auf. Gilby sprang herunter und ging zu dem nahen Fluss, der wie damals wild gurgelte. Erinnerungen an seine erste Reise wurden wach. Er dachte an Naira, die ihn durch den Eisenwald begleitete. Er vermisste sie und ihr bissiges Nordjunge.

Thor hatte inzwischen seinen Vorratssack ausgeschüttet und schmatzte vor sich hin. Thialfi und Röskva waren auch am Essen. Abgenagte Knochen warfen sie den Wölfen zu. Die Ziegenböcke zupften sich das Gras vom Boden. Gilby begnügte sich mit Brot und Ziegenkäse. Seine Hühnerbeine spendierte er den Wölfen.