Glanz der Dämmerung - Jennifer L. Armentrout - E-Book

Glanz der Dämmerung E-Book

Jennifer L. Armentrout

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Beschreibung

Mitreißend und voller Spannung – der dritte Teil der Götterleuchten-Serie

Der Krieg gegen die Titanen geht in die nächste Runde. Aber die entfesselten Mächte der Unterwelt sind das geringste Problem für Halbgöttin Josie. Ihr geliebter Seth hat sich zum allmächtigen »Göttermörder« gewandelt, stärker und gefährlicher als selbst die Olympier. Nur Josie glaubt noch daran, dass er der Finsternis widerstehen kann und auf der Seite des Lichts kämpft. Doch wenn sie falschliegt, könnte Seth das Ende für die Ära der Götter bedeuten …

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Copyright © 2021 by MIRA Taschenbuch in der HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

Die Originalausgabe erschien 2017 unter dem TitelThe Struggle Copyright © 2017 by Jennifer L. Armentrout Ungekürzte Ausgabe im MIRA Taschenbuch © 2021 für die deutschsprachige Ausgabe by MIRA Taschenbuch in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Covergestaltung Zero Werbeagentur, München Coverabbildung von Dmitriy Rybin, tomertu, Carlos Amarillo, janniwet / Shutterstock E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN E-Book 9783745752168

www.harpercollins.de

WIDMUNG

Für meine Schwägerin Jerry …

1.

Seth

Noch nie hatte es sich verkehrter angefühlt, das Richtige zu tun.

Vielleicht fühlte es sich immer so an.

Woher sollte ich das wissen?

Dass ich wirklich das Richtige tat, passierte so selten.

Meine Knöchel schmerzten, so fest umklammerte ich das Lenkrad. Jede Zelle meines Körpers schrie danach, den Wagen zu wenden und zurückzufahren – zurück zu Josie, weil sie mir gehörte, weil ich zu ihr gehörte und an ihre Seite.

Doch ich konnte nicht.

Alles hatte sich verändert.

Tief in meinem Inneren brodelte eine berauschende, tödlich gefährliche Macht, und das unterschied sich absolut davon, wie ich mich früher als Apollyon gefühlt hatte. Nein, dies war wie der Apollyon auf Steroiden. Ich ahnte, dass mein unerwartetes Erwachen und die daraus resultierende, weitaus verblüffendere Entdeckung, dass ich Atlas hatte töten können, nur der Anfang war und noch weitere Kräfte entwickelte. Die ganze Welt erschien mir in einem neuen Licht.

Der Himmel hatte eine Farbe, die ich bisher nie gesehen hatte. Das Meer vor dem Pacific Coast Highway wirkte wie ein schwindelerregendes Kaleidoskop in Blautönen. Auf meiner mit einem Mal empfindsameren Haut merkte ich die Feuchtigkeit in der Luft. Ich atmete tief ein und schmeckte den salzigen Ozean. Mit diesem Geländewagen fuhr ich fast hundertsechzig und hatte das Gefühl, noch schneller fahren zu können – zu sollen.

Und ich war hungrig.

Nicht nach Nahrung.

Sondern nach dem, was im Inneren von Rein- und Halbblütern lebte und atmete, in Halbgöttern und Göttern, in Josie.

Ich durfte nicht in ihrer Nähe sein.

Das war zu gefährlich.

Meilen befanden sich zwischen ihr und mir, bald würden es Tausende sein, und dabei musste es auch bleiben. Doch ich … ich spürte immer noch ihren Körper unter meinem, ihre weiche Haut an meiner. Ihre leisen Lustschreie hallten in meinen Ohren nach.

Ich liebe sie.

Ich wusste, wohin ich mich zurückziehen würde, und trat aufs Gaspedal. An einen Ort, der weit von hier entfernt lag, weit weg von allem. Ein Ort, an dem ich nachdenken und planen konnte, denn ich würde jeden verdammten …

»Du begehst einen Fehler.«

»Mist!« Ich verriss das Steuer nach rechts. Die Reifen quietschten, Erde spritzte vom Seitenstreifen hoch. Ich warf einen Blick auf den Beifahrersitz.

Neben mir hockte der götterverdammte Nymph.

Wie üblich war sein Oberkörper nackt. Er trug seine Rehlederhose und glitzerte wie eine verfluchte Diskokugel.

»Was zur Hölle …?«, brüllte ich und lenkte wieder geradeaus, damit wir nicht vom Highway flogen. Ein Zusammenstoß würde mich zwar nicht umbringen, allerdings hatte ich keine Lust zu testen, wie unzerstörbar meine Haut war. »Deinetwegen habe ich fast einen Unfall gebaut.«

»Ist dein Leben nicht längst ruiniert?«, erwiderte er lächelnd. »Die Antwort lautet nämlich ja – ja, dein Leben ist ruiniert.«

Ich umklammerte das Lenkrad. »Was, beim Hades verflucht, willst du?«

»Wir müssen uns unterhalten.«

Ich stand kurz vor einem Wutanfall. »Es gibt nichts, über das wir zu reden hätten.«

»Oh doch.« Der Nymph wedelte mit der Hand, und der Motor ging ohne Vorwarnung aus.

Ich fluchte in jeder Sprache, die ich kannte, fuhr den Geländewagen auf den Seitenstreifen und parkte zwischen zwei dicken Felsbrocken. Ich ließ die Hände sinken und wandte mich dem Nymph zu. »Du weißt schon, dass ich dich mit einem Fingerschnippen töten könnte.«

»Könntest du. Und vielleicht passiert das sogar auch eines Tages.« Seine leicht violetten Augen blitzten. »Aber nicht heute.«

»Also, ich weiß nicht.« Akasha knisterte über meine Haut, sodass das Wageninnere von einem hell bernsteingelben Schein erleuchtet wurde. Es fiel mir so leicht. Ich brauchte kaum darüber nachzudenken. »Ich bin echt nicht in der Stimmung.«

»Weil du Josie verlassen hast?«

Stockend atmete ich aus und massierte eine verspannte Stelle an meinem Nacken. »Vorsicht, Nymph.«

»Du hast dich zum Fortgehen entschieden, richtig? Obwohl sie schutzlos ist?«

»Sie ist nicht schutzlos.« Ein ungutes Gefühl machte sich tief in meinem Bauch breit, denn die Titanen waren eine Gefahr für sie, auch wenn sie mit Alex und Aiden, dem unglaublich glücklichen Paar, zusammen war und dazu noch eine Halbgöttin. Allerdings wusste ich aus Erfahrung, dass die Titanen sich nun eine Zeit lang zurückziehen würden. Nachdem sie Atlas verloren hatten, würden sie Josie eine Weile nicht jagen, sodass ich Zeit hatte, sie aufzuspüren und sie zu erledigen.

Außerdem stellte ich die größere Gefahr für Josie dar.

Ich trug etwas Kaltes, Grausames in mir. Ich schmeckte es, ich fühlte es, es wollte Josie verschlingen.

»Hast du deine Entscheidung getroffen, Göttermörder?«

Ich wollte ihn schon auffordern, mit dem Kopf voran aus dem Fenster zu springen, als mir was einfiel – ich erinnerte mich daran, dass er wie durch Magie im Covenant aufgetaucht war und mich vor dem, was in mir war, gewarnt hatte. »Du hast es gewusst.«

»Was gewusst?«

»Dass ich der Göttermörder bin.«

»Dass du der Göttermörder werden könntest«, verbesserte er mich. »Uns allen war klar, dass die Möglichkeit bestand. Schließlich war das nach dem Tod des anderen deine Bestimmung.«

Ich warf ihm einen kurzen Blick zu. »Von was für einem Mist von Bestimmung redest du?«

Er verzog die Mundwinkel zu einem geheimnisvollen Lächeln. »Es gibt so vieles, von dem du keine Ahnung hast.«

Keinen Schimmer, wieso ich den glitzernden Bastard nicht schon längst durch die Fensterscheibe gestoßen hatte.

»Sie liebt dich«, sagte er leise. »Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, was das bedeutet?«

Meine Kehle schnürte sich zu. Einen verräterischen Herzschlag später sah ich Josie vor meinem inneren Auge – ihr verletzter Ausdruck, während ich ihr gestand, dass ich mich von ihr genährt hatte. Ich sah sie, nachdem ich Atlas erledigt hatte und kurz davor war, Aiden zu einem Smoothie zu verarbeiten. Sah sie mit ihrem wilden Haar, all dieses blonde und braune Haar, das um ihr wunderschönes Gesicht floss, als sie mich mit der Klinge, die in das Blut eines Pegasus getaucht worden war, ritzte.

Ich sah, wie sie mich anstarrte, als wüsste sie nicht, was ich war.

Und dann sah ich den dunklen Teil von mir, dem klar war, was ich ihr antun konnte. Ich schloss die Augen und fluchte verhalten. Ich wollte sie nicht sehen.

»Nein«, murmelte er. »Nein, du weißt es nicht.« Eine Pause. »Doch du wirst es erleben.«

Ich rieb mir das Kinn und starrte aufs Meer hinaus. Auf dem Highway rasten Autos an uns vorbei. »Ich frage dich nur noch ein einziges Mal. Was willst du?«

»Begreifst du, was es bedeutet, ein Göttermörder zu sein?«

»Dass ich so ziemlich alles und jeden umbringen kann?«

»Das war keine sehr intelligente Antwort. Und das soll jetzt keine Beleidigung sein. Das Wissen darum, wozu du in der Lage bist, liegt tief in deinem Inneren verborgen. Es hat dich veranlasst, dein Erwachen zu erzwingen.«

Es war dieses Ding in mir.

»Du hast deine Wahl getroffen«, erklärte er noch einmal.

»Ja«, antwortete ich. »Ich darf … ich darf nicht in der Nähe der anderen sein.«

Der Ledersitz knirschte, sowie sich der Nymph zu mir beugte. Ich brauchte ihn nicht anzuschauen, um zu wissen, dass er mir viel zu nahe kam.

»Und hast du eine Ahnung, wohin du willst?«

Ich gab keine Antwort.

»Warum solltest du es nötig haben, mit dem Auto zu fahren?«, fragte er.

Ich warf ihm einen Blick zu und zog die Augenbrauen hoch. »Weil ich mir dachte, ich würde fahren und dann einen Flieger nehmen.«

Der Nymph verzog die knallroten Lippen zu einem Lächeln.

»Du bist der Göttermörder. Du brauchst dir dein Ziel nur vorzustellen, und schon bist du da.«

Ich starrte ihn an. »Du willst mich wohl veralbern.«

»Probier es aus.« Er lehnte sich zurück, seine Augen glitzerten wie Edelsteine. »Und du wirst lernen, dass du nicht nur in der Lage bist, den Tod zu bringen. Du vermagst so viel mehr.«

Mein erster Impuls war, ihm einen so kräftigen Schlag zu verpassen, dass er durch die Autotür flog, doch ich beschloss, ihm den Spaß zu gönnen. »Was zum Beispiel?«

»Zum Beispiel Leben erschaffen.«

Heiser lachte ich auf. »Klar, und du befindest dich eine Sekunde vor dem Ende deiner Existenz.«

»Versuch’s«, drängte er ohne jedes Anzeichen von Furcht. »Stell dir vor, wo du hinwillst. Probier es nur ein einziges Mal aus.«

Aufgebracht schaute ich ihn an und schüttelte den Kopf, aber ich tat, was er wollte. Keine Ahnung, wieso, doch ich tat ihm den Gefallen. Ich stellte mir die Felsküste und das türkisblaue Meer vor, spürte den goldenen Sonnenschein beinahe auf der Haut, allerdings nahm ich noch mehr wahr. Da war eine Stimme in mir, die wie meine klang, aber nicht meine war. Sie sagte mir, wohin ich zu gehen hatte.

Andros.

Wärme drang an meine Haut, und ich riss die Augen auf. »Heiliger …«

Vor Schreck verschlug es mir die Sprache. Ich saß nicht mehr im Geländewagen. Ich taumelte rückwärts, und mir wurde klar, dass ich auf das schäumende Meer hinausblickte – das Meer, das ich seit Jahren nicht gesehen hatte. Mir klappte die Kinnlade herunter. Unmöglich. Das musste eine Halluzination sein.

»Siehst du«, meinte der Nymph.

Ich fuhr ruckartig zu ihm herum. Er war auch da.

»Du vermagst eine Menge, Göttermörder.«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht … Wie ist das möglich?«

Der Nymph schaute übers Meer, hob die Hände und breitete die Arme aus. »Alles ist möglich.«

Das konnte nicht sein, doch kaum drehte ich mich, wurde es mir klar … Liebe Götter, es war real. In weniger als einer Sekunde hatte ich den halben Globus zwischen Josie und mich gebracht. Ich begriff es kaum.

Wir standen auf einem schmalen Streifen aus weißem Land und Felsen, Andros, die nördlichste Kykladeninsel. Die bergige Landschaft mit von Bächen durchzogenen Tälern, in denen Obstbäume wuchsen, von denen ich als Kind oft heimlich gegessen hatte, wirkte unberührt.

Als ich den Weg und die daran anschließende Treppe betrachtete, die den steilen Hügel hinaufführte, spürte ich das verdammt eigenartigste Prickeln unter der Haut. Ich holte tief Luft und blickte zu dem weitläufigen Sandsteingebäude auf dem höchsten Gipfel hinauf. Das Bauwerk war monströs; drei Stockwerke mit mehreren Flügeln, die, wenn es wirklich dasselbe Haus war, nichts weiter beherbergten als Marmorstatuen und Ölgemälde, die Götter darstellten. Die oberen zwei Ebenen waren von Balkonen umgeben, in deren vielen Winkeln man sich verstecken konnte.

Auf der Veranda war jemand.

»Was zum …?«

Dort standen Menschen, Dutzende, die zu uns heruntersahen. Ich fühlte den Äther der Reinblüter und den der Halbblüter, der bei ihnen schwächer ausgeprägt war.

Das Haus hätte leer stehen müssen. Es gab keinen Grund, aus dem das Personal nach Mutters Tod hätte bleiben sollen.

»Wer sind diese Leute?«, verlangte ich zu wissen.

Der Nymph senkte den Kopf. »Einige haben für deine Mutter gearbeitet und waren ihre Diener … ihre Vertrauten. Sie gehören jetzt dir. Andere kamen, als du erwacht bist. Sie unterstehen dir ebenfalls.«

Was zum Hades? »Ich will sie hier nicht haben.«

»Ihr Herr ist endlich nach Hause zurückgekehrt.«

Herr?

»Hattest du dir etwas anderes vorgestellt?«

»Ja.« Ich runzelte die Stirn, als die Menschen auf der Veranda einer nach dem anderen niederkniete und den Kopf senkte. Ach, zum Teufel. »Zuerst einmal dachte ich, es stünde leer.«

Der Nymph schmunzelte.

Ich verschränkte die Arme und stieß ruckartig den Atem aus. »Ich kann sie nicht gebrauchen.«

»Oh, du wirst schon Verwendung für sie finden, da bin ich mir sicher.«

Ich warf ihm einen Seitenblick zu. »So langsam bin ich es wirklich leid, mich zu wiederholen. Ich brauche keine Dienstboten. Diese Halbblüter sollten freigelassen werden.«

»Die Halbblüter sind aus freiem Willen hier. Sie sind hier, weil du hier bist, genau wie ich«, erklärte der Nymph. »Ich bin hier, um dir zu helfen.«

»Warum? Wieso solltest du mir helfen?«

Der Nymph lächelte. »Meine Art ist schon lange, bevor die Menschen existierten, durch diese Gefilde gestreift – schon bevor die olympischen Götter die Titanen stürzten. Uns gab es sogar schon vor der Herrschaft der Titanen.«

Tja, das klang, als wäre das ziemlich lange her und in einer Epoche gewesen, die mich herzlich wenig interessierte. »Was hat das mit irgendetwas von dem hier zu tun?«

Seine merkwürdigen Augen blitzten. Blinkten regelrecht wie zwei kleine Sterne.

»Wir sind überzeugt davon, dass erneut eine Zeit der Veränderung angebrochen ist.«

Die Frage, was für eine Art Wandel das sein sollte, blieb mir im Halse stecken. Ich wollte nichts damit zu tun haben, was die Nymphen glaubten oder wollten. Ich hatte meine eigenen Ziele: den unbekannten Schlupfwinkel der Titanen aufzuspüren und mit größtem Vergnügen jeden von ihnen ausschalten. Sie würden Josie nicht mehr bedrohen.

»Wie heißt du?«, fragte ich dann doch.

Er zog eine Augenbraue hoch. »Ewan.«

Ich lachte. »Ewan, der Ewok.«

Der Nymph runzelte die Stirn.

»Egal.« Seufzend setzte ich mich in Bewegung. »Lebe wohl, Ewan.«

»Willst du alles über die Liebe erfahren?«

Ich verdrehte die Augen und lief weiter.

»Liebe ist die Wurzel von allem, was gut ist, und der Ursprung von allem Bösen«, rief er. »Liebe ist der Ursprung des Apollyon.«

Gänsehaut bildete sich auf meinen Unterarmen. Die Rein- und Halbblüter auf der Veranda warteten, die hellblauen und rosafarbenen Kleider der Frauen bauschten sich im Wind auf. Etwas an dem, was der Nymph gesagt hatte, klang auf unheimliche Art vertraut.

»Das Schicksal erfüllt sich«, fuhr er fort. »Was geschehen ist, kann nicht ungeschehen gemacht werden. Das Schicksal hat in die Vergangenheit und in die Zukunft gesehen. Die Geschichte wiederholt sich.«

Langsam, beinahe gegen meinen Willen, drehte ich mich um. Der Nymph stand dort, wo ich ihn zurückgelassen hatte, in seinem Blick lag ein uralter und weiser Ausdruck.

»Erkenne den Unterschied zwischen Begierde und Liebe.«

Die salzige Brise trug Ewans Stimme heran. Dessen amethystfarbene Augen verdrehten sich, sodass nur noch das Weiße zu sehen war.

»Oh, zur Hölle, nein.« Ich wäre am liebsten zurückgewichen, um das, was jetzt kommen musste, zu verhindern.

Der Nymph glitt vorwärts und sprach die Worte aus, die für den ersten Apollyon – für Alex – bestimmt gewesen waren und eine unvollendete Prophezeiung wieder zum Leben erweckten: »Denn was die Götter fürchteten, ist geschehen. Das Ende des Alten ist angebrochen, und der Beginn des Neuen kündigt sich an.« Seine Stimme wurde lauter und hallte aufs Meer und über die Klippen hinaus: »Denn das Kind der Sonne und der neue Gott werden ein neues Zeitalter hervorbringen, und die großen Schöpfer werden einer nach dem anderen fallen. Unser Heim und Herd werden neue Gestalt annehmen, Menschen und Sterbliche sollen gleichermaßen gefällt werden.«

Ja, da soll mich doch …

Kind der Sonne? Neuer Gott? Hervorbringen und fällen? Damit wollte ich wirklich nichts zu tun haben. »Weißt du, du kannst …«

»Ein blutiger Pfad wurde gewählt«, fuhr er fort.

War ja klar. Anscheinend war sein Redeschwall nicht zu stoppen.

»Der Große Krieg, der von wenigen geführt wird, steht bevor, die Sonne wird fallen, und der Mond wird herrschen, bis die neue Sonne aufgeht.«

Ich zog die Augenbrauen hoch. Für mich klang das irgendwie nach einem normalen Tag.

»Wisse.« Der Nymph schrie nun fast. »Der Sieg wird die Kraft der Sonne benötigen, denn die Macht des Krieges und der List wird nicht genug sein. Liebe und Bedürfnis müssen miteinander versöhnt werden. Wenn nicht, wird das große Land untergehen, denn der Stier steht im Haus des Löwen.«

Aha.

Ich konnte keine Worte finden. Überhaupt keine. Null.

Ewan, der Nymph, setzte ein Knie auf den Boden. »Lebe wohl, Seth, Gott des Lebens …«

Ein Blitz schlug vor der Küste ins Meer ein, und mir rann ein Schauer über den Rücken.

Der Nymph neigte den Kopf. »… Gott des Todes.«

2.

Josie

Der Fußboden der riesigen Villa, die Gables Mutter gehörte, bebte und wackelte, als wäre er aus Pappe.

Ich schoss von der Couch hoch und ließ die dünne, traumhaft weiche Decke fallen. Das Gerumpel veränderte sich, wurde zu einem immer lauteren Dröhnen, bei dem mein Brustkorb vibrierte und Gänsehaut über meine Arme lief.

Mit weit aufgerissenen Augen drehte ich mich im Kreis. Bücher fielen aus den Regalen und knallten hinunter. Über mir zitterte und klirrte ein Kronleuchter, der wahrscheinlich mehr als ein Auto kostete. Tropfenförmige Kristalle stürzten zu Boden und zersprangen. Eine hohe, schmale Lampe kippte um, und ihr perlgrauer Schirm zerbrach. Hinter mir donnerten immer noch Bücher auf die Erde.

»Was in aller Welt …?«, flüsterte ich mit heiserer, müder Stimme – ich war erschöpft von den Tränen, die ständig in meinem Hals brannten.

Etwas … etwas Gewaltiges ging da vor sich, und es hätte absolut alles sein können. Eine Horde Daimonen. Ein weiterer stinksaurer, überdrehter Titan. Eine Überschwemmung von aus dem Tartarus entkommenen Schatten. Es hätte sogar … sogar Seth sein können.

Nein.

Was immer dies war und ganz gleich, was Alex und Aiden von ihm dachten, das würde er nicht tun. Nie würde er mich in die Gefahr bringen, dass das Haus über mir einstürzte.

Ich schnappte mir meinen Titandolch vom Beistelltisch, flitzte zwischen den fallenden Büchern hindurch, riss die Tür auf und rannte auf den hell erleuchteten Gang. In diesem Moment gab es eine Explosion und übertönte mein wild pochendes Herz. Am Ende des Flurs zersprang Glas, zweifellos eine unschätzbar wertvolle Vase, von der nur noch Splitter übrig bleiben würden. Wieder bebte das Haus. Während auf Keilrahmen gespannte Gemälde von den Wänden fielen, stürzte ich in das große Atrium, und sofort glitt mein Blick auf die verkohlte Stelle, an der einmal Atlas gestanden hatte.

Die Stelle, an der der Titan gestorben war.

Nicht allzu weit entfernt davon hatte Solos seinen letzten Atemzug getan. Dort war der Fußboden sauber, jemand hatte das Blut weggewischt. Den Bruchteil einer Sekunde lang sah ich ihn vor mir, wie er auf seine Brust hinunterstarrte, bis seine Knie nachgaben, auf das klaffende Loch, durch das ihm das Herz herausgerissen worden war. Er war bereits tot gewesen, als er auf dem Boden aufschlug. Das hatte er nicht verdient. Solos hätte hier bei uns sein sollen.

Ich schob die Erinnerung beiseite, mein Blick huschte zu den gläsernen Türflügeln. Sie waren geschlossen; aber so, wie die Glasscheiben wackelten, bezweifelte ich, dass sie noch lange intakt bleiben würden.

Als ein weiteres Beben das Haus erschütterte, keuchte ich auf. Unter meinen Füßen ruckte der Boden, warf Wellen wie Wasser und hob mich in die Höhe. Ich taumelte und streckte die Arme aus, um die Balance zu wahren.

Irgendwo oben flogen knallend Türen auf, und jemand brüllte ein einziges Wort.

»Erdbeben!«

Ein Erdbeben!

Erleichterung traf mich so heftig in die Magengrube, dass ich lachte – laut und ein wenig hysterisch. Es war nur ein Erdbeben.

Was denn auch sonst?

Ich befand mich in Südkalifornien.

Nicht alles musste eine übernatürliche Ursache haben.

Ich ließ den Dolch sinken und drehte mich zur Wendeltreppe um. Dort standen mehrere unausgeschlafene Menschen, wobei natürlich der Begriff »Menschen« im weitesten Sinne gemeint ist.

Im Haus hielt sich kein einziger Sterblicher auf.

Das Gerüttel ließ nach, und Deacon strich sich durch die zerzausten blonden Locken. »Ich hasse Kalifornien«, meinte er brummend.

Hinter ihm rieb sich Luke die Augen. Sein bronzefarbenes Haar stand in alle Richtungen ab. Neben den beiden sah ich Gable. Der arme Gable. Wir hatten ihn an einem Strand aufgelesen, ihm erklärt, Poseidon sei sein Vater und außerdem sei er selbst ein Halbgott, dessen Kräfte blockiert waren. Kurz danach hatte er aus allernächster Nähe miterlebt, wozu ein Titan in der Lage war.

Dass er überhaupt dort stand und nicht irgendwo in einer Ecke saß und den Kopf zwischen die Knie klemmte, war bewundernswert.

»So ein starkes hatten wir lange nicht mehr«, sagte Gable verschlafen. »Das gibt bestimmt noch ein Nachbeben.«

Deacon riss die hellgrauen Augen auf. »Nachbeben?«

Gable nickte. »Oder das hier war nur ein Vorbeben. So genau weiß man das nie.«

»Was soll das sein?« Stirnrunzelnd ließ Deacon die Hand sinken. »So etwas wie ein Vorspiel, ehe es richtig zur Sache geht?«

Sein älterer Bruder Aiden blickte zur Decke hinauf und schüttelte den Kopf. Man hätte sich keine zwei Brüder vorstellen können, die einander unähnlicher waren. Na ja, vielleicht Lucifer und den Erzengel Michael, die waren ebenfalls Brüder.

Müde verzog ich die Lippen zu einem Lächeln, während Gable erklärte, worum genau es sich bei einem Vorbeben handelte. Aiden legte einen Arm um Alex’ Schultern. Ihr Haar war vollkommen durcheinander, doch auf eine sexy Art. Wenn ich aufwachte, sah mein Haar aus, als hätte ich die Finger in eine Steckdose gehalten, doch nicht bei Alex. Ihres fiel ihr in Wellen und Locken ums Gesicht.

Sie war auf eine wilde, ungezähmte Art schön. Zwar hatten wir vorsichtig Kontakt aufgenommen, weil wir beide Zeit mit bösen Götterpsychos verbracht hatten und eine echt eigenartige Beziehung zu Apollo unterhielten, dennoch stand ich ihr nicht annähernd so nahe wie Deacon und Luke.

Alex und Aiden waren Legenden, lebende Legenden.

Und sie liebten einander so sehr. Ich hegte keinen Zweifel daran, dass sie die Ewigkeit miteinander verbringen würden, ohne jemals einen anderen zu begehren.

Aiden umklammerte das Geländer und schaute in das Atrium hinunter. Mit seinen silbrigen Augen schien er dieselbe Stelle zu betrachten wie ich, als ich vorhin hereingekommen war – die, auf der Atlas gestanden und Solos’ Herz in seiner Pranke gehalten hatte. Die Stelle, an der Seth sich als Göttermörder gegen uns alle gewendet, unsere Kräfte, unseren Äther angezapft und Atlas getötet hatte.

Etwas, wozu Seth nicht in der Lage hätte sein dürfen.

Gott, das war gefühlt eine Ewigkeit her, aber das stimmte nicht. Nur ungefähr ein Tag war verstrichen, seit Atlas durch genau diese Tür getreten war und Solos’ Leben von einer Sekunde auf die andere ausgelöscht hatte. Erst gestern Abend war Seth zu etwas geworden, das die olympischen Götter so sehr fürchteten, dass sie Alex’ sterbliches Leben beendet hatten, um diese Entwicklung bei ihr zu verhindern. Und nur Stunden waren vergangen, seit ich getan hatte, was Medusa in ihrer Warnung an mich angedeutet hatte; ich hatte Seth mit einer in Pegasusblut getauchten Messerklinge geritzt und ihn dadurch lange genug ausgeschaltet, dass er sich wenigstens beruhigte.

Erst heute Morgen war er aus dem Panikraum entkommen. Er hatte mich in der Bibliothek gefunden, mich geliebt, mich in den Armen gehalten und mir endlich, endlich seine Liebe gestanden.

Innerhalb weniger Sekunden war Seth so mächtig, so tödlich gefährlich geworden, dass er uns deshalb verlassen hatte, mich verlassen hatte.

Schmerz stieg in meiner Brust auf, doch ich blinzelte die Tränen weg und weigerte mich, sie fließen zu lassen. Ich würde nicht weinen, weil wir keine Zeit für so etwas hatten. Sobald Hercules zurück war, nachdem er mit den Göttern kommuniziert hatte oder wozu immer er bei Sonnenaufgang aufgebrochen war, würde ich von hier verschwinden und dieses Haus hinter mir lassen, das eine Art von Reichtum zur Schau stellte, den ich mir nicht mal annähernd vorstellen konnte.

Mein Vater – Apollo – hatte mir befohlen, die beiden anderen Halbgötter zu suchen, doch dieser Auftrag war auf meiner Prioritätenliste weit hinuntergerutscht und mir ziemlich gleich. War mir vollkommen egal, was das über mich aussagte, aber niemand, niemand hatte je zuvor für Seth gekämpft.

Ich würde es tun.

Ich würde bis zum letzten Atemzug für ihn kämpfen.

Außerdem war es nicht so, als könnte keiner außer mir die beiden blockierten Halbgötter aufsammeln und sie brutal in ein völlig neues Leben einführen. Die krasse Armee, Deacon persönlich hatte sie so getauft, hatte sich bereit erklärt, die Halbgötter zu holen. Einer befand sich irgendwo in Thunder Bay, der andere lebte in einer Stadt in Großbritannien.

Ich hatte Alex und Aiden versprochen, Hercs Rückkehr abzuwarten und erst dann aufzubrechen, um Seth zu suchen. Ich hatte einen starken Verdacht, wohin er gegangen sein könnte, und es würde nicht einfach sein, den weiten Weg zu einer Insel im Ägäischen Meer zu finden.

»Josie?«, rief Aiden.

Ich blinzelte und konzentrierte mich auf ihn. Er stand nur wenige Meter von mir entfernt und hielt Alex fest an der Hand. Alle waren nun unten. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass sie sich bewegt hatten.

»Wie bitte?«

»Ich habe gefragt, ob du überhaupt geschlafen hast.«

Ich nickte, strich mir über den Kopf, fing die dünnen Haarfäden ein und schob sie mir aus dem Gesicht. »Eine Stunde oder so.«

Seine verblüffenden silbrigen Augen verrieten mir, er wusste, dass ich log, aber es war Alex, die das Wort ergriff: »Du musst dich ausruhen, Josie. Bald ist Herc zurück, dann sehen wir klarer.«

Hercules hatte vorgehabt, die Götter aufzusuchen, um herauszufinden, wie wir Seth kontrollieren konnten. Da das kein Thema mehr war, war ich mir nicht sicher, was das jetzt noch für einen Sinn haben sollte.

Seufzend schaute ich über die Schulter zu einem der zu Boden gefallenen Kunstwerke. »Ich glaube nicht, dass ich nach einem Erdbeben schlafen kann.«

Gable schlurfte an uns vorbei zur Küche und murmelte etwas davon, im Internet nachzugucken, ob über unser Erdbeben berichtet wurde. Ich erinnerte mich vage, irgendwann einen Laptop auf der Küchentheke gesehen zu haben.

Luke streckte die Arme in die Höhe, reckte sich und sah in die Richtung, in die Gable gegangen war.

»Ich habe irgendwie Hunger«, verkündete Deacon.

Lukes Mundwinkel zuckten. »Du bist immer hungrig.«

»Ja, schon, aber von dem Erdbeben habe ich noch mehr Hunger gekriegt.« Deacon grinste und schlang einen Arm um Lukes Taille. »Keine Ahnung, wie das funktioniert, trotzdem könnte ich eine Schüssel Nachos gebrauchen.« Er warf uns dreien einen Blick zu. »Zu schade, dass keiner von euch coole Kräfte hat.«

»Coole Kräfte?«, murmelte Aiden.

»Ja. Ihr beide seid erschaffene Halbgötter.« Mit einer Kopfbewegung wies Deacon auf seinen Bruder und auf Alex. »Und du«, damit meinte er mich, »bist eine richtige, echte Halbgöttin, und keiner von euch kann aus dem Nichts einen Teller Nachos erscheinen lassen. Was nützt es, ein Halbgott zu sein, wenn ihr das nicht zustande bringt?«

Alex lachte und lehnte sich an Aiden. Ohne sie anzusehen, ließ er ihre Hand los, schlang den Arm um ihre Schultern und zog sie dichter an sich.

»Tja, ich schätze, wir sind ziemlich nutzlos.« Sie grinste.

»Das sage ich doch schon lange.« Deacon lächelte, als sein Bruder die Augen verdrehte. »Wie spät ist es überhaupt?«

»Kurz nach zwei.« Ich blickte auf den Dolch hinunter, den ich nach wie vor in der Hand hielt. Was hatte ich damit vor? Ein Erdbeben erstechen? Das Gewicht der Waffe erinnerte mich daran, wie anders alles noch vor einem Jahr war. Wenn damals der Boden gebebt hätte, wäre mir sofort klar gewesen, dass es ein Erdbeben war, obwohl ich in einer Gegend lebte, in der Beben eher unüblich waren, aber jetzt? Heute rechnete ich mit einem Kampf und bereitete mich darauf vor.

Meine Finger krampften sich fester um den Dolch.

Einen Moment lang fühlte sich allerdings alles fast normal an. Nun ja, so normal, wie nun noch etwas sein konnte. Und ich bildete mir beinahe ein, dass Seth durch diese schicke Glastür treten oder aus einem der vielen Flure kommen würde. Er würde sich neben mich stellen, und wir würden Seite an Seite stehen, ganz ähnlich wie Alex und Aiden.

Nur dass das nicht passierte.

Laut gähnend sah sich Alex in dem prachtvoll eingerichteten Raum um. »Ich frage mich, ob das Haus irgendwelche Schä…«

Erneut wellte sich unter uns der Boden. Wir wurden alle in unterschiedliche Richtungen geschleudert. Ich knallte mit den Knien auf die Fliesen und ließ den Dolch fallen, der davonschlitterte. Schnell stemmte ich die Hände auf die Erde, um mich zu stabilisieren. Aiden fluchte verhalten. Eine Sekunde lang verharrte ich wie erstarrt und setzte mich dann in Bewegung. Ich sprang auf und streckte die Arme aus, doch der Untergrund, die Wände – alles – erbebte.

Gable kam mit bleicher Miene aus der Küche gestürzt. Angst schoss mir durchs Herz, denn er wohnte hier – lebte, wo der Boden öfter bebte –, und wenn er Panik schob, sollten wir das wahrscheinlich auch.

Aus weit aufgerissenen Augen sah ich Alex an.

»Heiliger Scheiß!« Deacon klammerte sich an das Treppengeländer und hielt sich fest, während das Haus in seinen Grundfesten schwankte.

Staub stieg in die Luft. Über der Tür blinkte ein Licht. Funken flogen. Das dicke, verstärkte Glas der Türflügel rutschte aus dem Rahmen, knallte auf den Boden und zerbrach.

»Das ist übel, richtig übel.« Alex fasste nach Aidens Arm, als sich der Deckenputz in Brocken löste und auf den Fliesenboden krachte.

Ein großes Stück der Decke kam herunter, und ich warf mich zur Seite. Der prächtige glitzernde Kronleuchter stürzte auf den Boden und zersprang endgültig.

Im Fußboden klaffte ein Loch.

Luke schrie auf, schlang einen Arm um Deacons Taille und riss ihn von der Treppe weg. Ich verschluckte einen Ausruf. Eine tiefe Kluft spaltete den prachtvollen Raum. Sie ging von der zersprungenen Haustür aus, zog sich quer durch das Atrium und teilte die verkohlte Stelle, an der Atlas vernichtet worden war. Ein breiter Graben bildete sich in der Erde.

Das Gewackel hörte auf, und die Welt stand wieder still.

»Götter«, murmelte Aiden. Er ließ seine Hand auf Alex’ Schulter liegen, während er sich sein lockiges dunkles Haar aus der Stirn strich.

Mit pochendem Herzen drehte ich mich zu der Bodenspalte um und tat langsam einen kleinen Schritt darauf zu.

»Sei vorsichtig«, warnte Gable. »Der Boden ist instabil – wahrscheinlich ist das Haus einsturzgefährdet.«

»Ist das … ist das normal?«, fragte ich und sah zu ihm auf. »Verursachen Erdbeben so etwas?«

Ehe er darauf antworten konnte, breitete sich ein eigenartiger Geruch aus. Kein Gas und auch nicht von brennenden Kabeln – damit hätte man rechnen müssen. Nein. Ich zog die Nase kraus. Es roch modrig, feucht, dumpf, nach fruchtbarer Erde und verrottenden Wurzeln.

Mein Herz machte einen Satz.

Es erinnerte mich an den Geruch, den die Schatten ausströmten.

»Ich habe ein richtig mieses Gefühl«, erklärte Alex.

Aiden wich vor dem Riss zurück und zog sie mit.

»Was du nicht sagst«, erwiderte Deacon keuchend.

»Ich finde, wir sollten verschwinden.« Gable ging rückwärts bis zur Küche. »Ich finde, wir sollten einfach von hier verschwinden.«

In der Spalte im Boden regte sich etwas. Es klang, als würden Felsbrocken fallen und voneinander abprallen. Mir stockte der Atem, ein Schauer überlief mich, mein Fluchtinstinkt meldete sich energisch und zwang mich, einen Schritt zurückzutreten, bevor mir klar war, was ich tat.

Es wurde still, und ich hörte nur meinen schnellen Herzschlag. Eine schmutzige Hand tauchte auf, reckte sich aus dem Abgrund und klatschte auf die zerbrochenen Bodenplatten.

3.

Josie

Jemand oder etwas hievte sich aus dem Loch im Boden, ein Wesen, an dem alles verkehrt war. Nichts Gutes kletterte tief aus der Erde herauf. Ich hatte genug Horrorfilme gesehen, um das zu wissen.

Ich fuhr herum und blickte mich nach dem Dolch um, der mir heruntergefallen war, aber im Schutt konnte ich ihn nicht ausmachen.

Mist.

Alex trat beiseite, um Gable abzuschirmen, sie baute sich breitbeinig vor ihm auf und reckte die Schultern. Obwohl sie nur Leggings und ein Tanktop trug, wirkte sie krass und auf alles vorbereitet. Inzwischen war sie eine Halbgöttin, aber zuerst und vor allem war sie Wächterin.

Das galt auch für Aiden und Luke. Sie nahmen die gleiche Haltung ein und schoben Deacon und Gable praktisch hinter sich.

Das alles sah ich, weil ich auf der anderen Seite der Erdspalte stand.

Eine zweite Hand erschien, dann ein Kopf – ein mit Erde beschmierter kahler Schädel kam an die Oberfläche. Irgendwo würgte jemand.

»Oh meine Götter«, flüsterte ich, und meine Augen weiteten sich vor Entsetzen.

Aufgerissene, geplatzte Haut schälte sich vom Gesicht. Auf den hohlen Wagen fehlten ganze Hautpartien. Die Arme sahen nicht besser aus. Von der Brust hingen Hautstreifen herab. Eins der Augen war nur noch eine leere, verfaulte Höhlung, und das Wesen hatte eine Art Stoff um die Hüften gewickelt, der vielleicht einmal weiß und makellos gewesen, jetzt jedoch schlammbespritzt und angesengt war.

Schwefelgestank breitete sich im Raum aus.

Aus dem einen vorhandenen Auge sah die Kreatur mich an. Seine Iris war milchig blau.

»Heilige Daimonenbabys«, flüsterte Alex. »Ist das ein Zombie? Also ein echter Zombie?«

»Das war kein Erdbeben.« Aiden griff sich an die Hüfte, doch seine Hand blieb leer. Die beiden hatten geschlafen und waren ohne ihre Dolche nach unten gekommen.

»Ich glaube, das ist offensichtlich«, murmelte Deacon hinter Luke.

Wir standen alle fassungslos und wie erstarrt da.

Das Wesen wandte den Kopf von mir ab zur anderen Seite, dann zog es sich heraus, sodass es auf allen vieren auf den zersprungenen Bodenplatten kauerte. Ein heftiger Schauer überlief den halb verwesten Körper. Es krümmte sich, öffnete den Mund und hustete eklig, wobei es Erdklumpen und kleine Steine ausspuckte.

Das Wesen kam schwankend auf die Knie, bog den Rücken durch und streckte die Arme aus. »Δωρεάν.«

Seine Stimme war so guttural, dass es klang, als wären seine Stimmbänder verfault, und er gebrauchte eine Sprache, die ich anfangs nicht verstand. Wären meine Halbgott-Fähigkeiten nicht aktiviert worden, hätte ich sie gar nicht deuten können.

»Frei«, übersetzte ich und sah zum Riss. »Es hat gesagt ›frei‹.«

Als es mich hörte, wandte es sich mir zu.

»Frei wovon?«, fragte Deacon. »Ist es vom Set von The Walking Dead abgehauen?«

Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte ich gelacht, aber das Wesen richtete sich auf seinen nackten Füßen auf, die aus wenig mehr als verfaulten Muskeln und Knochen bestanden. Es trat einen Schritt auf mich zu.

»Komm bloß nicht näher«, sagte ich warnend, obwohl ich keine Ahnung hatte, ob es ein Wort davon verstand.

Das Ding schlurfte noch einen Schritt weiter.

»Ich glaube, es mag dich«, bemerkte Alex, allerdings von der anderen Seite des Raums her.

Energie baute sich im Zentrum meines Brustkorbs auf, direkt hinter dem Zeichen des Apollo, und ich erinnerte mich daran, dass ich keinen Dolch brauchte, um zu kämpfen. Ich hob eine Hand und hoffte, dass dieses Wesen, was immer es war, uns freundlich gesinnt war und auf mich hörte. »Stehen bleiben.«

Es streckte knorrige Finger nach mir aus, riss den Mund, an dem es keine Lippen gab, zu einem Knurren auf und enthüllte zerklüftete, abgebrochene Zähne.

Okay.

Wahrscheinlich nicht freundlich eingestellt.

Ich reagierte und griff auf die Macht in mir zu – auf Akasha. Ich rief das Luftelement an und spürte, wie die Energie an meinem Arm hinabschoss. Ein Windstoß traf das Ding vor die Brust.

Es flog rückwärts davon.

Alex stieß einen erstickten Schrei aus, und Aiden und sie gingen zu Boden. Das Wesen schoss über die Erdspalte und klatschte an die gegenüberliegende Wand wie eine Fliege auf die Windschutzscheibe eines Autos, das mit hundert Meilen pro Stunde fährt. Mit einem grausigen Geräusch, das mir in den Ohren hallte, explodierte es wie eine mit Blut vollgesogene Zecke.

»Ach herrje.« Ich ließ die Hand sinken.

»Ich glaube, mir wird schlecht.« Gable stöhnte. »Ernsthaft. Ich muss gleich kotzen.«

Alex und Aiden standen auf. Mit großen Augen sahen sie über den Riss im Boden zu mir herüber. Aiden zog die dunklen Brauen bis in die Mitte seiner Stirn hoch.

»Oha«, sagte er.

»Das … das wollte ich nicht.« Ich schluckte heftig. »Ich meine, es sollte nicht weitergehen, aber ich wollte es nicht an die Wand klatschen.«

»Wahrscheinlich können wir uns glücklich schätzen, dass du nicht versehentlich einen von uns in Brand gesetzt hast«, kommentierte Luke.

Ruckartig drehte ich den Kopf in seine Richtung. »Das ist höchstens ein einziges Mal passiert!«

Luke grinste.

»Das war schon beeindruckend.« Alex warf einen Blick über die Schulter und zuckte zusammen. »Ich kann das Luftelement kontrollieren, aber nicht so viel Kraft hineinlegen.«

»Tja, das liegt daran, dass sie eine echte Halbgöttin ist«, sagte Deacon.

Alex verdrehte die Augen. »Wir sind auch echte Halbgötter …«

»Leute. Ich glaube, wir kriegen noch mehr Besuch.« Luke zeigte auf die Kluft. Weitere Hände tauchten auf. »Lasst uns später darüber streiten, wer der echteste Halbgott ist.«

Sie kamen schneller aus dem Riss herauf als die erste Kreatur, und alle befanden sich im gleichen Verwesungszustand. Ihre Füße, die überwiegend aus nackten Knochen bestanden, verursachten Klickgeräusche auf den Fragmenten der Bodenplatten.

Es waren fast ein Dutzend.

So etwas hatte ich noch nie gesehen.

Sie schnappten mit den Kiefern und zeigten spitze Zähne, die mit Leichtigkeit Haut durchdringen könnten.

»Zombies sind nur so lange lustig, bis sie direkt vor einem stehen«, meinte Deacon.

Einer von ihnen, ein großes Exemplar, löste sich vom Rudel und torkelte auf Alex zu. Sie sprang zurück und streckte den rechten Arm aus. Eine Sekunde später wurde das Ding, das wie ein Zombie aussah, nach hinten geschleudert und stürzte in die Erdspalte.

»Deacon«, sagte Aiden ruhig. Rauchfäden stiegen von seinen Fingerspitzen auf. »Bring Gable in die Küche und sorg dafür, dass er dort bleibt.«

Ausnahmsweise gehorchte Deacon ohne Widerrede. Er fuhr herum, schnappte sich den in verblüfftem Schweigen dastehenden Gable, beförderte ihn schnurstracks in die Küche und knallte die Tür hinter sich zu. In diesem Moment stieß eins der äußerst tot aussehenden Geschöpfe ein so blutrünstiges Wutgeheul aus, dass es mir kalt den Rücken hinunterlief.

Sie gingen zum Angriff über.

Keine Zeit, uns Gedanken darüber zu machen, was los war, was diese Wesen tatsächlich waren oder wieso sie uns attackierten. Die Kreaturen bewegten sich schnell. Die Hälfte hetzte auf Alex und die Jungs los. Der Rest kam in meine Richtung, einen Sekundenbruchteil lang zog sich meine Magengrube vor Angst zusammen. Ich erstarrte regungslos. Zwar war ich eine Halbgöttin, aber diese Geschöpfe waren grauenhaft anzusehen, und ich fühlte mich bloß wie ein Mädchen, dem sie gleich das Fleisch von den Knochen reißen würden.

Ich war jedoch keine Sterbliche.

Weit gefehlt.

Mein Instinkt schaltete sich ein und zwang meine Beine, sich in Bewegung zu setzen. Ich schoss nach rechts und griff nach den Kräften, die sich in mir rührten. Als ich das erhöhte Podest erreichte, fuhr ich herum. Ein kleiner Feuerball traf eine der Kreaturen in den Rücken. Flammen stiegen von ihm auf und verschlangen seinen Körper.

»Verdammt«, flüsterte ich.

Auf der anderen Seite der Kluft zuckte grelles Feuer über Aidens Fingerknöchel. Er drehte sich um und erledigte einen weiteren Zombie, während Luke einen Dolch schwang. Anscheinend war er als Einziger bewaffnet aus seinem Schlafzimmer gekommen. Streber. Er sprang nach vorn und rammte einer der Kreaturen das Messer in eine Augenhöhle. Sofort riss er den Arm zurück und verzog angeekelt die Lippen, da ihm bräunliches Blut entgegenspritzte. Kreischend ging das Monster zu Boden und zerplatzte beim Aufprall.

»Das ist so eklig«, murrte Luke und ließ den Dolch in der Hand kreisen. Er drehte sich um die eigene Achse und musterte das nächste Geschöpf. »So was von verdammt widerlich.«

Ich setzte das Feuerelement ein und spürte erfreut, wie Lava durch meine Adern zu rinnen schien. Mein rechter Arm wurde heiß, ein Feuerstrahl schoss aus meiner Handfläche und prallte einer der Kreaturen in meiner Nähe auf die Brust. Von Flammen umzüngelt ging sie zu Boden. Ich wirbelte herum und bombardierte ein weiteres Wesen. Das dritte hielt im Zickzack auf mich zu und kam mir so nahe, dass der Gestank nach Verwesung und Tod mir den Magen umdrehte. Ich wich einen Schritt zurück und aktivierte das Feuer erneut. In Flammen gehüllt sackte der Zombie nach vorn. Ich drehte mich um und streckte den Arm aus. Knisternd lief Feuer über meine Finger, und ich ließ es auf ein anderes Wesen los, das vorsprang. Die vierte Kreatur wurde an der Schulter getroffen und vom Einschlag umgerissen. Ich wirbelte herum, als der Nächste einen Satz machte, wie ein Hase hüpfte und nur höchstens dreißig Zentimeter vor mir landete. Ich wollte ausweichen, aber es packte meinen Unterarm mit einer knochigen, fleischlosen Hand.

Glühender Schmerz explodierte in mir und trieb mir die Luft aus der Lunge. Die Berührung versengte mir die Haut und entlockte mir einen heiseren Aufschrei. Das Wesen lachte und spuckte dabei Erde. Ich wich zurück und riss meinen Arm los, in diesem Moment schnitt ein Dolch von hinten durch sein Gesicht.

Er zuckte oder krampfte nicht – fiel einfach zu Boden und zerbröselte zu einem Haufen klumpiger Asche.

Ich stand Luke gegenüber.

»Sah aus, als könntest du Hilfe gebrauchen.« Er drehte sich in der Hüfte. »Geht’s dir gut?«

Ich versuchte, den Schmerz wegzuatmen, und starrte auf meinen Arm hinunter. Vier Brandmale von Fingergröße prangten darauf. »Das wird schon wieder.«

Luke hatte keine Chance zu antworten, denn die brennenden Kreaturen erhoben sich vom Boden. Die Flammen erstarben und enthüllten verkohlte Haut und Knochen.

»Was zur Hölle …?« Ich presste den verletzten Arm an meinen Bauch und sah mich im Atrium um.

Aiden und Alex bewegten sich rückwärts, beide zeigten die gleiche verblüffte Miene.

»Das ist nicht gut«, sagte Alex. »Ich dachte, Feuer bringt Zombies um.«

»Ja, aber ich glaube auch nicht, dass das Zombies sind, Babe«, erwiderte Aiden.

»Kopfschüsse scheinen zu wirken«, rief Luke. »Also sind sie doch irgendwie Zombies.«

»Wir haben keine Dolche.« Aiden trat nach links, sodass er Alex halb abschirmte. Es schien eine unbewusste Bewegung zu sein, um sie zu schützen. »Wir könnten sie zurück in die Erdspalte treiben.«

Als lachten die Götter uns aus, kletterten noch mehr Kreaturen aus dem Loch im Boden, kaum dass er das ausgesprochen hatte.

»Ich glaube, das wird nicht klappen.« Alex seufzte.

Mein Dolch war zwischen den zerbrochenen Bodenplatten nirgendwo zu finden. Er hätte sogar in die Kluft gefallen sein können. Wenn Feuer diese Wesen nicht umbrachte, dann …

Mir fiel nur noch eine Möglichkeit ein.

Statt den Schmerz wegzudrücken, setzte ich ihn als Antrieb ein und griff tief in mein Inneres, bis ins Zentrum meines Ichs. Brausend brach Akasha an die Oberfläche. Als ich die höchste Macht losließ, fühlte ich mich wie eine Blume, die sich der Sonne öffnet. Es war wie eine Erlösung, als ein weißer Lichtstrahl an meinem Arm entlangtobte wie ein Zyklon.

Ich ließ ihn los und zielte direkt auf eine der verkohlten Kreaturen, die schwerfällig auf Luke und mich zukamen. Eine Sekunde lang schloss das grelle Licht das Wesen ein, dann explodierte es zu Asche.

»So geht’s natürlich auch.« Luke grinste.

Er hatte offensichtlich viel zu viel Spaß an der Sache, und ich fragte mich, wie er je auf die Idee gekommen war, kein Wächter mehr sein zu wollen.

Alex und Aiden taten es mir nach und riefen Akasha an, während Luke handgreiflicher vorging und seinen Dolch einsetzte. Wir erledigten fast ein Dutzend, aber die Kreaturen strömten aus der Erdspalte wie in einer niemals endenden Nacht der lebendigen Toten.

Als ich einen weiteren Akasha-Strahl schleuderte, schlich sich schon Erschöpfung in meine Knochen. Vielleicht lag es am Schlafmangel, am Kampf gegen Atlas und Seth, der … der sich von uns allen genährt hatte. Wir konnten nicht ewig so weitermachen.

Akasha lief in Wellen an meinem Arm hinunter. Der Schwefelgestank wurde stärker. Wieder bebte die Erde, sodass ich nach hinten geschleudert wurde. Als mein schlimmer Arm auf dem Boden aufschlug, stöhnte ich auf, und mein Akasha verlosch. Ich drehte mich auf den Rücken und sog durch zusammengebissene Zähne Luft ein.

»Josie!«, brüllte Aiden.

Eine der Kreaturen befand sich direkt neben mir und holte mit ihren superekligen Händen aus, deren Berührung furchtbaren Schmerz auslöste. Ich wälzte mich auf die Seite und schob mich hoch. Dabei glitt meine linke Hand über den Boden und streifte etwas Glattes, Kaltes. Als ich hinunterblickte, entdeckte ich meinen Dolch. Ich packte ihn, schoss auf die Füße und zog ihn mit einem Aufschrei nach unten. Die scharfe Klinge durchtrennte Haut und Knochen und versank tief im Schädel der Kreatur. Ich riss den Dolch heraus und taumelte einige Schritte nach hinten. Das Wesen fiel in Stücke.

Das Haus erzitterte, da der Spalt im Boden breiter wurde. Zwischen den verkohlten Körpern und den neuen Kreaturen, die hochkamen, tauchte der Kopf eines Pferdes auf.

»Habe ich Halluzinationen?«

Einer der Zombies streckte die Hand nach mir aus. Ich benutzte meinen Dolch gegen ihn und flitzte zur Öffnung zurück. Noch ein Pferdekopf und noch einer.

»Was in aller Welt …?« Akasha verlosch auf Alex’ Arm.

Ein schwacher Energiestrom lief durch den Raum und glitt über meine Haut. Ich hatte keine Ahnung, was da gerade vor sich ging. Doch aus dem Boden stiegen drei Pferde auf, dunkel wie die Nacht und schwarz gepanzert, auf ihnen saß je ein Reiter. Die beiden äußeren waren von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet, der in der Mitte trug Leder – Lederhose und ein ärmelloses Lederhemd. Um seinen rechten Oberarm schlang sich ein goldener Reif, und er strahlte eine Aura von Macht aus. Er hatte dichtes, welliges Haar, sein Gesicht war schön, wirkte aber brutal, als wären seine Züge aus Granit gehauen.

Die beiden anderen Männer lösten jeweils das silbrige Lasso, das um ihrer Taille lag. Mit verblüffenden Reflexen bewegten sie die Handgelenke, und die Lassos schossen wie Blitze herum und fuhren durch die Kreaturen wie heiße Messer durch Butter.

Mit hochgezogenen Augenbrauen sah ich zu, wie sie kurzen Prozess mit den Wesen machten. Der Lassotrick wäre vor ungefähr fünf Minuten eine enorme Hilfe gewesen, denn innerhalb von Sekunden waren sämtliche Monstergeschöpfe erledigt und nur noch Ruß und Asche auf dem Boden übrig.

Aiden stieß heftig den Atem aus. »Nett, dass Sie sich zu uns gesellen, Hades.«

Luke wollte zurücktreten und lief in mich hinein. Wir wechselten einen Blick.

Hades?

Der Hades?

Oh meine Götter.

»Tut mir leid, Kumpel.« Hades sprach mit Akzent. »War gerade dabei, Persephone zu bespaßen, als plötzlich die Hölle losbrach.«

»Dann sind das Ihre?« Alex wies auf die Aschehäufchen.

Hades grinste selbstgefällig. »Waren.«

»Was in aller Welt ist hier los?«, verlangte Alex zu wissen, stemmte die Hände in die Hüften und sah zu Hades auf – dem Hades. »Der Boden riss auf, und diese Wesen schwärmten heraus wie Küchenschaben.«

»Das wisst ihr nicht?« Hades seufzte, wendete sein Pferd, stieg ab und blieb neben dem gewaltigen Tier stehen.

Ich sah, wie groß er war. Ich meine, er war ein Riese.

»Ja, wir tappen hier ein wenig im Dunklen«, gab Aiden zu. »Bis Sie aufgetaucht sind, sind wir von einem Erdbeben ausgegangen.«

Die Küchentür öffnete sich einen Spaltbreit, und Deacon steckte seinen Blondschopf heraus. »Ist es sich…« Er verstummte und riss die Augen auf, als er die Pferde, die Männer und Hades erblickte. »Jepp, ich lenke Gable einfach noch ein bisschen ab.«

Er schloss die Tür.

Hades’ Grinsen wurde breiter, als er sich im Raum umsah. Seine vollständig weißen Augen wirkten mehr als unheimlich. Ich ließ die Arme an den Seiten herabhängen. Den Dolch in meiner Hand hatte ich ganz vergessen. Auf dem Boden lagen tote, zu Asche verbrannte Wesen – auf dem Boden, der momentan weit aufgerissen war. Dazwischen standen Pferde – gewaltige Schlachtrösser, bei denen ich mir ziemlich sicher war, dass sie größer als normal waren –, und Hades – der Gott der Unterwelt – befand sich nur ein paar Meter entfernt von mir.

»Sollten wir uns verbeugen oder so?«, fragte ich Luke flüsternd.

Er warf mir einen Seitenblick zu. »Ich werde mich überhaupt nicht bewegen oder sonst wie Beachtung auf mich ziehen«, murmelte er.

»Zu spät.« Hades wandte sich uns zu. »Ein Halbblut und Apollos Tochter. Ich hätte gedacht, dass wir einander unter anderen Umständen begegnen.«

Ich erschauerte bei dem Gedanken, dass »andere Umstände« wahrscheinlich unseren Tod bedeuteten.

»Was waren das für Wesen?«, fragte Aiden.

Hades nickte seinen Männern zu. Sie hakten sich ihr Super-Speziallasso an ihren Gürtel, doch sie stiegen nicht ab. Den Blick starr nach vorn gerichtet und grabesstill saßen sie auf ihren Pferden. Dann gaben sie ihren Reittieren gleichzeitig die Sporen, wendeten sie und bezogen an der Erdspalte Posten.

Langsam begann ich zu begreifen, und mir drehte sich der Magen um. Mir wurde klar, wer die beiden waren – Hades’ Diener. Seine Männer. Seth hatte einen Schwur abgelegt und zugestimmt, nach seinem Tod einer von ihnen zu sein, Aidens Platz einzunehmen und unter Hades zu dienen.

Plötzlich war mir übel.

»Diese Kreaturen werden tief unten im Tartarus festgehalten, im Inneren der Feuerhöhlen«, erklärte Hades und zog mit der Spitze eines seiner Stiefel eine Linie durch ein Häufchen Asche. »Sie waren einmal Daimonen.«

Ich musste mich setzen.

Sogar Alex wurde blass.

»Habt ihr gedacht, dass Daimonen einfach zu existieren aufhören, wenn sie sterben?«, fragte Hades in selbstgefälligem Ton. »Ganz gleich, was euch jemand erzählt, am Ende renkt sich immer alles ein.«

»So ähnlich wie in Hogwarts?«, schlug Alex vor.

Hades neigte den Kopf zur Seite.

Alex seufzte. »Egal.«

»Die Daimonen werden in der Ewigkeit lebendig verbrannt und dann wieder zusammengefügt, nur um fast sofort wieder dasselbe Schicksal zu erleiden.«

Ich musste mich wirklich hinsetzen.

»Ab und zu bringe ich etwas Abwechslung ins Spiel. Macht Spaß, sie gerade unter ausreichend Lava zu begraben, dass ihre Haut wegbrennt, und zuzusehen, wie sie sich aus dem Fels und der Erde graben.« Hades zuckte die Achseln. »Die Qualen treiben sie in den Wahnsinn.« Er grinste. »Andererseits waren sie einmal Daimonen. Hatten sowieso nicht viel im Hirn.«

Ach herrje.

»Okay. Ich wäre in der Ewigkeit auch ohne dieses Wissen ausgekommen«, meinte Aiden langsam. »Aber was haben sie hier oben zu suchen?«

Eine Energiewelle rollte durch den Raum, gefolgt von goldenem, blendend hellem Licht. Elektrizität erfüllte die Luft, pure Energie, von der sich an meinem Körper die Härchen aufstellten. Das Licht wich zurück, und dort, wo es gewesen war, erschienen zwei Gestalten.

Hades seufzte. »Du musst auch immer einen großen Auftritt hinlegen, was?«

Apollo stand an der Treppe und neben ihm Hercules. Der Sonnengott – mein Vater – trat vor, seine vollständig weißen Augen blitzten.

»Was habt ihr getan?« Seine Stimme klang wuterfüllt.

4.

Josie

Mein Vater wirkte nur ein paar Jahre älter als ich, was genauso eigenartig war, wie es klingt. Er war nicht wie Hades gekleidet oder wie ich es mir jemals bei einem Gott vorgestellt hatte.

Apollo trug verwaschene Jeans und ein enges schwarzes Shirt.

Ich war ihm zum ersten Mal als kleines, einsames Mädchen begegnet, damals war er für mich einfach ein fremder Mann, der sich Bob nannte und mir Süßigkeiten und Puppen schenkte. Im Rückblick war mir vollkommen klar, wie unheimlich pervers das gewirkt haben musste, aber einen Sommer lang war er mein Freund gewesen, mein einziger.

Und nun war er mein Vater – mein ewig abwesender Vater, der unvermittelt auftauchte und innerhalb von Minuten wieder verschwand. Ich kannte ihn erst so kurz, dass ich ihn noch nie so erlebt hatte, so richtig außer sich vor Wut.

Stockend holte ich Luft, als er vortrat und seine vollständig weißen Iris in das gleiche Blau umschlugen, das meine hatten.

»Ist euch eigentlich klar, was ihr getan habt?«

Ich öffnete den Mund, doch Alex reagierte, bevor ich überhaupt eine Chance hatte, mir zu überlegen, was ich sagen sollte.

»Da musst du schon ein wenig mehr ins Detail gehen. Wir haben alles Mögliche getan.«

Apollo kniff die Augen zusammen und sah seine Ur-Ur-Ur- … tausendmal Urenkelin an. »Ihr habt Atlas getötet.«

»Also, erst mal: Hi, Dad …« Ich wahrte eine ausdruckslose Miene, als Apollo seinen goldlockigen Kopf in meine Richtung wandte. »Und wieso ist das ein Problem?«

Hades lachte leise und düster. »Schätzchen, sieh dich um, und du kannst dir die Frage selbst beantworten.«

Aiden runzelte die Stirn.

»Ihr solltet Atlas oder andere Titanen nicht umbringen.« Apollos Stimme brauste wie ein Orkan. »Ihr sollt sie einkerkern.«

»Okay. Entschuldigung.« Meine Haut begann zu prickeln. Ich war so etwas von nicht in der Stimmung dazu.

»Entschuldigung?«, wiederholte Apollo. »Vielleicht waren meine Anweisungen nicht klar genug, als ich erklärte, die Titanen müssten wieder in ihre Grabkammern gesperrt werden.«

Alex schnaubte heftig und lachte auf. »Deine Anweisungen sind nie eindeutig.«

Seine Augen sprühten blaue Funken, und er sah aus, als würde er zu einer größeren Strafpredigt ansetzen, auf die ich absolut keine Lust hatte. »Er wollte uns umbringen«, sagte ich deshalb und fand, das war Erklärung genug. »Er hat damit angefangen, uns zu töten. Sieh dir an, was Solos zugestoßen ist. Wenn Seth nicht gewesen wäre …«

»Diesen Namen möchte ich im Moment wirklich nicht hören«, unterbrach Apollo mich; und ja, er war nach wie vor stinksauer.

»Tut mir leid, aber wir werden über ihn reden müssen«, sagte Aiden.

Er klang gelassen und ruhig, doch ich verspannte mich total.

»Weil wir nämlich einige Fragen dazu haben, was mit ihm passiert ist.«

Weder Hades noch Apollo gaben eine Antwort.

»Wie konnte Seth zum Göttermörder werden?«, fragte Alex. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und eine Hüfte angewinkelt. Ihre Haltung war eine einzige Herausforderung. »Soweit wir wussten, war das nicht möglich. Ich war die Göttermörderin, und nach meinem sterblichen Tod war die Sache erledigt.«

Apollo wirkte jetzt ungeduldig, seine Kiefermuskeln traten hervor.

»Ich bin mir nicht sicher, ob du dich daran erinnerst, wie äußerst ungewöhnlich dieser ganze Vorfall war.«

Alex zog eine Augenbraue hoch.

»Wir hatten keine Ahnung, was wirklich aus dir oder Seth werden würde. So etwas hatten wir noch nie getan – dich zur Halbgöttin zu machen, die außerdem der Apollyon und der erwachte Göttermörder war, während ein weiterer Apollyon lebte. Ich habe euch gewarnt, dass alles möglich sein kann«, schoss Apollo zurück.

Mich hatte er allerdings vor gar nichts gewarnt. Andererseits erzählte er mir auch nicht viel.

»Alles war möglich.«

»Du willst also sagen, dass du keine Ahnung hattest, dass Seth in der Lage ist, uns allen Energie abzuziehen und zum Göttermörder zu werden?« Unglaube färbte Alex’ Stimme.

»Habe ich doch gerade erklärt«, gab Apollo scharf zurück.

Meine Frustration nahm zu, und der Schmerz in meinem Arm wurde ebenfalls stärker. »Okay. Selbst wenn alle superspeziellen Götter der Welt keine Ahnung hatten, dass Seth irgendwie zum Göttermörder werden konnte, erklärt das immer noch nicht, wie er Atlas umgebracht hat. Uns – ihm – hat man erzählt, nur Halbgötter können einen Titanen töten, sobald ihre Kräfte nicht mehr blockiert sind.«

Apollos Kiefer ruckte. »Ihr hättet ihn in sein Grab stecken sollen.«

Egal.

»Wir waren uns nicht sicher, ob der Göttermörder in der Lage dazu sein würde«, erklärte Hades nach kurzem Schweigen.

Wir drehten uns alle zu ihm um. Das Gespräch schien ihn außerordentlich zu langweilen.

»Während der Herrschaft der Titanen gab es keine Göttermörder. Wir hielten es für das Beste, diesem instabilen Schwachkopf diese Idee nicht in den Kopf zu setzen – die Möglichkeit, dass er in der Lage sein könnte, einen Titanen auszuschalten.«

»Er ist kein instabiler Schwachkopf.« Ich ballte die Hände zu Fäusten.

Hades grinste. »Ansichtssache, Schätzchen.«

Ruckartig stieß ich die Luft aus. »Im Grund haben Sie alle von der Möglichkeit gewusst, dass Seth sich in einen Göttermörder verwandeln könnte. Schließlich haben Sie ihn doch von Alex und Aiden beobachten lassen, oder?«

»Also …« Alex verstummte.

»Und Sie haben gewusst, dass er vielleicht in der Lage sein würde, einen Titanen zu töten, trotzdem haben Sie nichts gesagt«, fuhr ich fort. »Und jetzt nehme ich mal an, dass das Erdbeben und die gut durchgegarten Daimonen etwas mit Atlas’ Tod zu tun haben.«

»Genau wie mit Ares’ Tod, der uns alle geschwächt hat, sodass die Titanen entkommen konnten.« Hades’ Stiefelabsätze klickten über die zerbrochenen Bodenplatten, als er zu seinem Pferd ging. »Aber bei Atlas war der Welleneffekt sehr viel stärker.« Mit einer seiner Pranken strich er dem Tier über die Flanke. »Dadurch entstand ein Loch quer durch die Erde, durch den Olymp und durch mein Reich. Leider wurden dabei die Feuerhöhlen beschädigt, was dazu geführt hat, dass sich hier und an mehreren anderen Orten Ausgänge bildeten.«

Mir wurden die Knie weich. »Ein Loch … ein Loch quer durch die Erde.«

Hades nickte. »Er war schließlich Atlas.«

Die Küchentür wurde geöffnet, doch Deacon blieb wie angewurzelt stehen, als er Apollo entdeckte. Er riss die grauen Augen auf.

Gable lief von hinten in ihn hinein. »Wer ist das?«

»Nein.« Deacon drehte sich um und schob Gable zurück in die Küche. »Da drin ist alles Mögliche, was du nicht zu sehen brauchst.«

»Götter«, murmelte Luke leise und strich sich durchs Haar.

Verärgert biss Aiden die Zähne zusammen. »Okay. Ist bei Ihnen schon einmal jemand auf die Idee gekommen, dass wir, wenn Sie uns erzählt hätten, dass Seth möglicherweise zum Göttermörder werden und einen Titanen töten könnte, genau das hätten verhindern können?«

»Und wie, glaubst du, hättest du den Göttermörder aufgehalten?« Das kam von Herc, der seine gewaltigen, muskulösen Schultern rollte. »Selbst ich, der Hercules, wäre nicht dazu in der Lage gewesen. Er hätte mich umbringen können.«

»Was für eine Tragödie«, murmelte Hades.

»Wahrscheinlich werde ich das nie wieder sagen, aber Hercules hat recht«, räumte Apollo ein. »Es hätte nichts geändert, wenn ihr davon gewusst hättet.«

»Das ist …« Staunend schüttelte ich den Kopf. »Das ist das absolut Dümmste, was ich je gehört habe. Information ist alles. Wenn wir gewusst hätten, wozu er in der Lage sein könnte, hätten wir eine Chance gehabt, ihn aufzuhalten – oder er selbst hätte die Möglichkeit gehabt.«

Apollo schwieg, wie hätte er das abstreiten können? Das wäre dumm gewesen.

»Es ist nicht unsere Schuld«, sagte Aiden. »Wie immer halten Sie es für angebracht, uns nicht umfassend zu informieren, und wie immer geht dann alles schnell den Bach hinunter.«

»Wir sagen euch, was ihr wissen müsst und wann ihr es wissen müsst«, schnappte Apollo.

Herc verdrehte die Augen. »Glaubt mir, ihr habt erst … wie lange? Seit ein paar Jahren mit diesem Prinzip ›Information nur bei Bedarf‹ zu tun. Ich, der Hercules, lebe schon …«

»Ich brauche dich nicht mehr.«

Apollo wedelte mit der Hand, und Herc verschwand einfach. Er war da gewesen, doch in der nächsten Sekunde war er weg.

Mir klappte die Kinnlade herunter. »Hast du ihn gerade umgebracht?«

Hades lachte.

»Schön wär’s«, sagte mein Vater. »Ich habe ihn zurück auf den Olymp geschickt. Im Moment brauche ich ihn nicht. Wir brauchen ihn nicht.«

Ich schüttelte den Kopf. »Wir müssen immer noch die anderen Halbgötter finden.«

»Ihr wisst doch, wo sie sich aufhalten, und außerdem haben wir größere Probleme.« Apollo wandte sich an Alex und Aiden. »Wir haben einen Göttermörder, der sich offenbar unerlaubt von der Truppe entfernt hat – einen Göttermörder, der eine Bedrohung für uns alle ist.«

»Er ist keine Bedrohung für dich.« Ich trat auf die Erdspalte zu und machte dabei einen Bogen um Hades, seine Männer und seine Pferde. »Sonst würde er sich nicht so verhalten.«

Alex warf mir einen Blick zu und pflichtete mir dann bei: »Er ist verschwunden, ohne jemandem etwas zu tun.«

»Mich hat er geschlagen«, sagte Luke trocken. »Aber er hat mich nicht umgebracht, obwohl es leicht für ihn gewesen wäre.«

»Ich weiß, was er getan hat«, sagte Apollo.

Ich spürte, wie meine Wangen glühten. Wusste er wirklich, was Seth getan hatte, bevor er gegangen war? Weil … ihhh!

»Man kann Seth nicht trauen. Jetzt nicht mehr.«

Ich schloss die Augen und versuchte, bis zehn zu zählen, schaffte es jedoch nur bis drei. »Er hat dir keinen Grund geliefert, ihm nicht zu trauen. Er hat …«

»Du kennst ihn nicht so gut, wie du glaubst«, gab Apollo zurück und drehte mir dabei den Rücken zu. »Du kennst ihn überhaupt nicht.«

Vor Wut und Frustration schossen mir Tränen in die Augen. »Ich kenne ihn besser als jeder von euch.«

Apollo erstarrte. »Jetzt müsst ihr die anderen Halbgötter finden. Die Titanen müssen wieder eingekerkert werden …« Er hielt eine Hand in die Höhe. »Und nicht umgebracht. Um den Göttermörder kümmern wir uns.«

Aiden und Alex sahen einander an.

Mir wurde eiskalt. »Was meinst du mit ›um ihn kümmern‹?«

»Bringt die anderen Halbgötter zum Covenant, sobald ihr sie gefunden habt«, befahl Apollo.

Ich trat vor. Bruchstücke der Bodenplatten fielen in den gähnenden Spalt.

»Vorsicht«, murmelte Luke und blieb hinter mir stehen. »Ich habe überhaupt keine Lust, dich da herauszuholen.«

Mir war auch nicht danach. »Was meinst du damit, dass ihr euch um ihn kümmern werdet?«

»Was glaubst du denn, Schätzchen?«, fragte Hades und stieg mit einer fließenden Eleganz auf sein Pferd, die wahrscheinlich nur Götter beherrschten. »Umbringen können wir ihn vielleicht nicht. Noch nicht. Aber wir können ihn neutralisieren.«

Kälte breitete sich in mir aus, und in meinem Magen bildete sich ein Knoten. »Wie?«

Hades gab keine Antwort, doch er schenkte mir ein schwaches, geheimnisvolles Lächeln, bei dem sich mein Magen unangenehm überschlug.

Er wendete sein Pferd und nickte Alex und Aiden zu. »Bis bald, ihr zwei.«

Eine schnelle Handbewegung genügte, und sein Pferd richtete sich zur Erdspalte aus. Seine Männer taten es ihm nach, und die drei verschwanden im wabernden Rauch, der aus dem Boden aufstieg.

Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte mich das alles schockiert und eingeschüchtert, aber nicht heute.

»Wie?«, verlangte ich noch einmal zu wissen.

»Darauf kommt es nicht an«, sagte Apollo. »Du musst dich darauf konzentrieren, die anderen Halbgötter zu finden …«