Glücksgefühle im kleinen Cafe in den Highlands - Birgit Loistl - E-Book

Glücksgefühle im kleinen Cafe in den Highlands E-Book

Birgit Loistl

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Beschreibung

Willkommen im romantischsten Café Schottlands: Wenn der Traum deiner schlaflosen Nächte plötzlich vor dir steht ... Für alle Leser:innen von Jenny Colgan und Kelly Moran  »Küssen ist wie Schokolade essen. Süss, manchmal klebrig und es macht unglaublich süchtig!« Tagsüber kümmert sich Ella um den Brautmodenladen ihrer Großtante, nachts schreibt sie unter dem Pseudonym Eliza Woods leidenschaftliche Liebesromane. Protagonist ihrer Geschichten ist dabei immer Adam Parker, New Yorker Immobilienmakler, Herzensbrecher und bester Freund von Cafébesitzerin Raelyn. In ihren Romanen lebt Ella jede Fantasie mit Adam aus. Da sie unter Pseudonym veröffentlicht, fühlt sie sich sicher. Unter keinen Umständen will sie, dass die Bewohner Duncans von ihrer Leidenschaft erfahren. Adam weiß nicht, dass Ella für ihn schwärmt, noch dass er der Held ihrer Bücher ist. Bis er eines Tages in Duncan auftaucht und zufälligerweise eine ihrer Geschichten zu lesen bekommt ... Mit einem Rezept für »Cruffins« »Ein schöner Wohlfühlroman und wer würde sich nicht in die Protagonisten verlieben oder ihnen die Meinung sagen ...und das schönste ist natürlich das happy end«  ((Leserstimme auf Netgalley))

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© Piper Verlag GmbH, München 2023

Redaktion: Birgit Förster

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: Traumstoff Buchdesign traumstoff.at

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Zitat

Playlist

Widmung

Ella

Adam

Ella

Adam

Ella

Adam

Ella

Ella

Adam

Ella

Adam

Ella

Ella

Adam

Ella

Ella

Adam

Ella

Adam

Ella

Adam

Ella

Ella

Adam

Ella

Adam

Ella

Adam

Ella

Ella

Adam

Ella

Adam

Adam

Adam

Ella

Adam

Ella

Adam

Ella

Epilog

Danksagung

Rezept Cruffins

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Everything you can imagine is real.

Pablo Picasso

Playlist

Don’t Speak – No Doubt

Iris – Goo Goo Dolls

Mr. Brightside – The Killers

Scars to Your Beautiful – Alessia Cara

All Your Exes – Julia Michaels

Feel Like Shit – Tate McRae

I Choose – Alessia Cara

Wonderful Life – Katie Melua

P. Y.T (Pretty Young Thing) – Michael Jackson

Perfect – Ed Sheeran

Breathe Again – Toni Braxton

1979 – The Smashing Pumpkins

The Pretender – Foo Fighters

The Kill – Thirty Seconds to Mars

Push – Matchbox Twenty

I Still Do – The Cranberries

Self Sabotage – Waterparks, Good Charlotte

Love From the Other Side – Fall Out Boy

Flowers – Miley Cyrus

Another Love – Tom Odell

Blue Orchid – The White Stripes

Baba O’Riley – The Who

Comedown – Bush

Love The Way You Lie – Eminem, Rihanna

FürS*E*V*MImmer und immer wieder

Ella

Küssen ist wie Schokolade essen. Süß, manchmal klebrig, und es macht unglaublich süchtig!

Lächelnd stecke ich das Handy zurück in die Jackentasche und steige aus meinem Honda. Ich vermisse Marcy und ihre Sprüche schon jetzt, dabei ist es gerade mal zwei Stunden her, seit wir uns am Flughafen in Edinburgh voneinander verabschiedet haben. Automatisch wandert mein Blick zum wolkenverhangenen Himmel. Typisch für Schottland, noch typischer für Duncan. Es ist fast so, als bemitleidet mich der Himmel um den Verlust meiner Freundin.

Der Gedanke, dass Marcy und ihr Ehemann Henry jetzt dort oben in einem Flugzeug sitzen und nach Perth ins weit entfernte Australien fliegen, um Marcys Theatertournee mit einer Neuinszenierung von Shakespeares Macbeth zu starten, lässt mich lächeln. Ich bewundere Marcy für ihren Mut und ihre Zielstrebigkeit. Sie ist für das Theaterspielen geboren, aber ich denke, niemand hat es ihr wirklich zugetraut. Was unglaublich schade ist, denn in vielen von uns stecken unbekannte Talente und Träume, über die wir uns erst einmal selbst klar werden müssen. Es tut weh, übersehen oder gar in eine Schublade gesteckt zu werden. Bei Marcy war sogar beides der Fall. Man hat sie nicht gesehen und hat sie aufgrund ihrer pinkfarbenen Haare und der vielen Tattoos in eine Schublade gesteckt.

Ich bin mir ziemlich sicher, bei mir ist es auch so. Aber im Gegensatz zu meiner Freundin falle ich kaum auf. Weder durch meine Stimme noch durch mein Aussehen. Ich bin auch nicht wirklich unsichtbar, eher blass. Farblos. Irgendwie wie Milchglas.

Ich möchte gerne behaupten, dass ich Marcys Talent immer schon gesehen habe, aber das wäre gelogen. Klar wusste ich von ihrer Liebe zum Theater, aber als Teenager hielt ich es bloß für einen ihrer vielen Träume. Sie hatte eine ganze Liste davon unter ihrem Kopfkissen.

Einmal auf Julias Balkon in Verona stehen.

Nacktbaden in Loch Ness.

Die Haare pink färben.

Manches davon ist bereits wahr geworden. Zu meiner Verteidigung muss ich allerdings sagen, dass ich in den letzten Jahren in Edinburgh gelebt habe, um mein Modedesign-Studium abzuschließen, und erst seit vier Monaten wieder in Duncan lebe. Marcy und ich haben uns in der Zwischenzeit ein wenig aus den Augen verloren. Was hauptsächlich an mir lag. Ich bin ihr aus dem Weg gegangen. Wie fast jedem hier in Duncan.

Vielleicht hätte ich sie sonst eher wahrgenommen.

Wobei ich ziemlich sicher bin, dass es auch mit Henry Lucas aka Megastar aus War of Kingdoms, aka Sexiest Man Alive zu tun hat. Aber nicht auf die Weise, wie die Medien es gerne darstellen. Dort heißt es, Marcys Karriere wäre in Fahrt gekommen, weil sich die beiden ineinander verliebt haben. Und dass Henry seine Kontakte hat spielen lassen, damit Marcy überhaupt eine Chance hatte, an der renommiertesten Schauspielschule Europas in Glasgow angenommen zu werden. Aber das ist nicht die Wahrheit. Henry stärkt ihr den Rücken, und der Blick, mit dem er sie ansieht, geht einem durch und durch. Als gäbe es auf dieser Welt niemand anders als sie. Als wäre sie sein Leitstern am Firmament. Sein einziges Licht in der Dunkelheit. Traurigkeit überkommt mich. Ich glaube, es ist nicht jedem Menschen bestimmt, so angesehen zu werden. Nein, dieses Glück haben nur die wenigsten Menschen, und sie wissen es nicht einmal. Das ist das wirklich Schreckliche daran. Richtig bewusst wird es nur denjenigen, die sich danach sehnen.

Mein Handy klingelt. Zum gefühlt hundertsten Mal in den letzten zwanzig Minuten. So lange starre ich schon auf das Ortsschild. Ich habe keine Ahnung, wer mich so dringend erreichen will, aber momentan ist es mir auch egal.

Willkommen in Duncan.

Jemand hat in das »a« einen zwinkernden Smiley gemalt, und es ist, als verspotte er mich jedes Mal aufs Neue.

Na, wieder zurück?

Hat dich der Fluch auch erwischt? Jeder kehrt wieder zurück – früher oder später trifft es alle. Niemand schafft es, Duncan für immer den Rücken zu kehren.

Als hätte ich eine Wahl gehabt. Als ich vor fünf Jahren von Duncan nach Edinburgh gezogen bin, hätte ich nicht mal im Traum geglaubt, jemals wieder hier aufzuschlagen. Aber vielleicht ist es wirklich so. Eines Tages kehrt man immer an den Ort zurück, an dem alles angefangen hat.

Es ist nicht mehr weit bis zu Tante Marys Haus, das sich am Ortsende von Duncan befindet, eingepfercht zwischen dem alten Kuhstall von Lydia Richardson, in dem sie immer noch ein Dutzend Highland Rinder untergebracht hat, und dem Rosengarten von Mrs Green. Seit meiner Rückkehr wohne ich wieder bei meiner Großtante, nachdem sie einen Schlaganfall erlitten hat.

Seit zwei Wochen lebt sie nun im St.-Clara-Pflegeheim, und auch wenn es mir das Herz zerreißt, sie dort zu sehen, ist es für sie am besten. Ich habe Tante Mary versprochen, mich um ihren Brautmodenladen Marry zu kümmern, während sie dabei ist, wieder gesund zu werden. So war es schon immer unser Plan gewesen. Bei dem Namen handelt es sich um ein Wortspiel. Schon als Kind habe ich die Brautkleider in ihrem Laden bewundert und habe damals beschlossen, eines Tages ihren Laden zu übernehmen. Nur die Umstände hätten anders sein können.

Noch vor ihrem Schlaganfall hat Tante Mary sich um eine Patientenverfügung gekümmert und mir eine alleinige Vollmacht für alle Bereiche inklusive einer Bankvollmacht erteilt, damit ich mich um ihren fünfstelligen Kredit kümmern kann, der wie ein Damoklesschwert über mir schwebt. Ich bin also in der Lage, alle möglichen Entscheidungen bezüglich des Ladens, ihrer finanziellen Mittel und auch über ihr Haus zu treffen.

Wobei ich keine Ahnung habe, wo ich das Geld hernehmen soll, um ihren Kredit zurückzuzahlen. Aber der Laden ist ihr Herzensprojekt, und ich hätte es nicht über mich gebracht, ihr Angebot abzulehnen. Ich werde schon eine Möglichkeit finden.

Doch die Kosten fressen fast alle Ersparnisse auf. Ganz zu schweigen von den Ausgaben für das Pflegeheim. Die Lebensversicherung, die sie sich hat auszahlen lassen, deckt zwar das meiste ab, aber für wie lange noch? Und was soll ich dann machen?

Mein Apartment in Edinburgh habe ich aufgegeben, denn selbst wenn meine Tante wieder nach Hause kommen sollte, wird sie sich nicht allein um sich kümmern können. Ich werde mich wohl an den Gedanken gewöhnen müssen, wieder hier in den Highlands zu leben.

Wieder klingelt mein Handy, aber ich bewege mich nicht vom Fleck. Grashalme kitzeln an meinen Knöcheln, und von den Hügeln ist ein leichter Wind zu spüren. Wenn man die Augen schließt und sich konzentriert, hört man sogar das Flüstern der Trolle. Es ist eine meiner liebsten Kindheitserinnerungen. Mom hat mir immer davon erzählt, wenn wir den West Highland Way entlanggelaufen sind. Der Wanderpfad führt von Glasgow durch die Highlands bis nach Ford William und ist eine sechsundneunzig Meilen lange Strecke. Noch immer höre ich die Stimme meiner Mutter, wie sie mir die Geschichten von Elfen, Feen und Wechselbälgern erzählt.

»Trolle flüstern einem den Weg zu, wenn man sich in den Hügeln verlaufen hat, aber man darf ihnen niemals glauben. Sie sind gerissene Lügner. Sie nehmen dich bei der Hand und locken dich fort. Danach kannst du dich an nichts mehr erinnern und findest nicht mehr den Weg nach Hause.«

Noch immer läuft mir ein Schauer über den Rücken, wenn ich daran denke. Es ist wohl eine der Geschichten, die allen Kindern hier erzählt werden, damit sie sich nicht zu lange in den Highlands aufhalten.

Ja, selbst mit fünfundzwanzig Jahren glaube ich noch daran. Als hätte ich keine anderen Probleme.

Ich lecke mir über die Lippen und spüre den kühlen Wind auf der Haut. Langsam gehe ich in die Hocke und grabe meine Hände in die trockene Erde. Sie rieselt zwischen meinen Fingern hindurch. Egal, was geschieht, egal, was sich verändert, Duncan bleibt immer das kleine Dorf mitten in den schottischen Highlands. Daran ändern auch ein weltberühmter Serienstar und eine angehende Theaterschauspielerin nichts. Ich atme tief durch, stehe auf und klopfe mir die Erde von der Jeans. Ein letztes Mal drehe ich mich um und betrachte die Landstraße, die von Duncan in Richtung Inverness führt. Nur selten fährt ein Auto vorbei, und meistens sitzt jemand darin, den ich kenne. So ist das, wenn man in einem Dorf lebt. Jeder kennt jeden, und Geheimnisse gibt es nicht wirklich. Aber ich habe mich damit abgefunden.

Ich sehe Pater Michael, der in seinem VW Bulli nach Chesterfield zu einer Andacht fährt. Oder Rosie Shark, Marcys Großtante und mittlerweile Bürgermeisterin von Duncan. Oder Colin und Rae, die vor wenigen Minuten in Colins gelbem Taxi vorgefahren sind. Selten, dass sich ein Fremder hierher verläuft. In den letzten Jahren hat der Tourismus immer mehr abgenommen, erst Henrys Aufenthalt in Duncan im vergangenen Winter hat wieder mehr Touristen angelockt und natürlich auch die Tatsache, dass die letzte Staffel von War of Kingdoms hier gedreht wurde. Sogar Tante Mary hat von Henrys nacktem Oberkörper geschwärmt.

Ich bräuchte nur in meinen Honda zu steigen und nach Edinburgh zurückzufahren. Mein altes Leben wieder aufnehmen und alles andere hinter mir lassen. Nicht, dass in der Großstadt jemand auf mich warten würde. Natürlich gibt es ein paar Leute, mit denen ich mich gut verstehe. Ein paar Freunde und meine Nachbarin Susie, die wie ich eine leidenschaftliche Leseratte ist. Aber es gibt niemanden, dem mein Herz gehört.

Die einzige Person, die diesem Status am nächsten kommen würde, lebt dreitausend Meilen entfernt und hat keine Ahnung, was ich für sie empfinde. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass er nicht einmal weiß, dass ich überhaupt existiere. Na, wenn das mal kein Jackpot ist.

Sofort verwerfe ich den Gedanken wieder. Tante Mary braucht mich, und meine Wohnung habe ich längst aufgegeben. Für mich gibt es keinen Weg zurück. Aber seltsam ist es doch, dass mir dieser Gedanke immer wieder im Kopf herumspukt, obwohl ich schon so lange hier bin und da sich jedes Mal hier stehen bleibe und mir darüber Gedanken mache.

Mit dem Schlüssel in der Hand gehe ich zu meinem Wagen zurück, öffne die Tür und lasse mich auf den Fahrersitz fallen.

Küssen ist wie Schokolade essen. Süß, manchmal klebrig, und es macht unglaublich süchtig!

Ich muss ein wenig darüber nachdenken, bis mir klar wird, wann ich das letzte Mal jemanden geküsst habe. Und als mir bewusst wird, wer es gewesen ist, schießen mir Tränen in die Augen. Wenn ich jetzt einen Wunsch frei hätte, würde ich mir wünschen, dass mir jemand diese Erinnerung nimmt. Dass mein letzter Kuss nicht mehr dieser eine Kuss ist. Aber das wird nicht geschehen. Leider.

Ich starte den Motor und mache mich auf den Weg zurück.

Mein ursprünglicher Plan war nicht gewesen, hierherzukommen. Es ist fast, als hätte mich etwas hierhergeführt. Oder jemand. Wer weiß das schon? Vielleicht waren es ja auch diesmal die Trolle. Ich lache auf und schüttle über mich selbst den Kopf.

Während ich über den Friedhof gehe, spüre ich die Blicke der anderen Friedhofsbesucher auf mir. Seit meiner Ankunft bin ich hier erst zweimal gewesen und jedes Mal mitten in der Nacht. Es fühlt sich eigenartig an, bei Tageslicht hier aufzutauchen. Mrs Green lächelt mir zu, während sie an dem Grab ihres verstorbenen Mannes Unkraut zupft. Dabei erzählt sie ihm von ihrem Tagesablauf, den Neuigkeiten, die es in Duncan gibt, oder von einem Geheimnis, das im Ort die Runde macht. Es ist ein Ritual, das sie jeden Tag vollzieht. Obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass dieses Zeug nicht über Nacht aus dem Boden schießt. Aber es gibt ihr das Gefühl, etwas zu tun, und wer wäre ich, ihr das vorzuwerfen? Das ist nun mal ihre Art, mit dem Verlust und dem Alleinsein klarzukommen. Ich erwidere ihr Lächeln und gehe weiter, bis ich an dem Grab angekommen bin. Dem Grab meiner Mutter. Des letzten Menschen, den ich geküsst habe. Zwei Tage bevor sie bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Das ist jetzt achtzehn Monate, drei Wochen und zwanzig Tage her. Der Unfallverursacher wurde nie gefasst, und ich glaube, ein Teil von Tante Mary ist an jenem Tag auch gestorben. Ihr Tod hat sie unglaublich mitgenommen. Mom war ihre Nichte, und gemeinsam haben sie mich großgezogen, nachdem mein Dad verschwunden ist.

Vielleicht hätte ich zu diesem Zeitpunkt schon zurückkommen sollen. Nach der Beerdigung bin ich sofort wieder abgereist. Quentin hat sich um alles gekümmert. Die Beerdigung. Die Erbabwicklung. Er hat alles in die Hand genommen. Und ich? Ich bin einfach nur davongelaufen. Dabei gab es in Edinburgh nichts, was mich gehalten hat. Nichts und Niemand. Ziemlich erbärmlich, ich weiß.

Was allerdings keine Kunst ist, wenn man nur wenige Leute dort kennt. Dort hat sich niemand für mich interessiert, ich war die große Unbekannte. Mit meinen eins zweiundachtzig bin ich niemandem böse, wenn er diesen Witz über mich macht.

Du bist also die große Unbekannte.

Eine lange Dürre kommt auf uns zu.

Hey, von da oben hast du voll den Überblick.

Diese Sprüche sind nichts Neues für mich. Seufzend streiche ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Mein Blick fällt auf das Grab. Jemand hat frische Blumen in die Vase gestellt und eine Kerze angezündet. Vorsichtig gehe ich in die Knie und fahre mit den Fingerspitzen über den kalten Stein. Meine Mom hätte es gehasst, hier zu liegen. Sie war immer aktiv, hat sich um andere gekümmert und sich selten etwas gegönnt. Aber an diesem besagten Tag war sie zu ihrer Freundin Carla gefahren. Auf dem Nachhauseweg kam ihr ein Geisterfahrer entgegen. Die Wagen krachten frontal ineinander, und ihr Mini überschlug sich. Sie war sofort tot. Es war eine kleine Erleichterung, als der zuständige Arzt das sagte. So konnte ich besser damit umgehen.

Ich setze mich ins Gras und lehne mich gegen den Grabstein. Ich muss Quentin eine Nachricht schreiben, damit er sich keine Sorgen macht. Er wird vermutlich schon auf der Suche nach mir sein. Wenn ich Glück habe, hat mein Cousin noch keine Vermisstenanzeige aufgegeben. Seit ich wieder in Duncan bin, hat er permanent ein Auge auf mich. Seufzend ziehe ich mein Handy aus dem Rucksack und schicke Quentin eine Nachricht.

Ich komme in einer halben Stunde ins Ginnie’s.

Quentin gehört die einzige Bar in Duncan, und sie ist sein ganzer Stolz. Und meiner. Denn dass mein chaotischer Cousin so etwas auf die Beine gestellt hat, macht mich unglaublich glücklich. Aber er soll nicht wissen, dass ich auf dem Friedhof gewesen bin. Im Grunde genommen will ich, dass überhaupt niemand davon erfährt. Doch wie ich den Radar meines Cousins kenne, weiß er bereits Bescheid. Es gibt nicht viel, das ich vor ihm geheim halten kann. Aber mein größtes Geheimnis kennt auch er nicht, und so soll es bleiben.

Ich stecke mein Handy zurück in den Rucksack und stehe ich auf. Ein letztes Mal streicht meine Hand über den Stein, dann verlasse den Friedhof.

Entlang der Main Street, die direkt durch den Ort führt, befinden sich ein paar Geschäfte, die in den letzten Monaten eröffnet wurden. Ein Second-Hand-Laden für Babyklamotten, ein Waschsalon und ein Souvenirladen für die Touristen. Daneben steht auf einem kleinen Kiesplatz ein Food Truck, der Leonie Mitchell gehört. Dort gibt es die besten Austern der Welt. An einem Baum hängen unzählige Austernschalen, die im Sonnenlicht funkeln. Es ist ein Ritual, das besonders den Kindern in Duncan gefällt. Man schreibt einen Wunsch auf die Schale und hofft, dass er in Erfüllung geht.

Ich selbst habe auch schon ein paar Wünsche daraufgeschrieben, aber kein Einziger hat sich bislang erfüllt.

Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Langsam fahre ich weiter und lasse den Ort auf mich wirken. Das Dorf, in dem ich zwanzig Jahre meines Lebens verbracht habe, fühlt sich vertraut und doch so fremd an. Ein paar Meter weiter taucht Quentins Bar auf. An der Straßenecke befindet sich ein altes Steinhaus, auf dessen frisch gestrichener Fassade eine Gitarre gemalt ist. Daneben wurde ein Reklameschild angebracht: Ginnie’s. Auf der Veranda stehen rechts und links neben der Eingangstür alte Holzbänke in bunten Farben, und eine alte, vergilbte Akustikgitarre lehnt in der Ecke.

Ich stelle den Wagen in einer Seitenstraße direkt neben dem Ginnie’s ab und streife dabei ein altes, rostiges Fahrrad, das an einen Laternenmast gelehnt ist. Ich könnte auch bei mir zu Hause parken, aber ich habe noch Ruth Mackenzies Brautkleid im Kofferraum, das ich ihr vorbeibringen muss, worauf ich überhaupt keine Lust habe. Das Brautkleid hat mich unendlich viele Stunden Schweiß, Nerven, Zeit und Tränen gekostet, und ich bin sehr stolz darauf. Aber Ruth ist die Königin der Nervensägen und hat bestimmt schon etwas an dem Kleid auszusetzen, bevor sie es auch nur anprobiert. Dass ich es also im Kofferraum lasse, ist nur eine Verzögerungstaktik, um mich nicht mit Ruth Mackenzie auseinandersetzen zu müssen. Also werde ich mir erst mal bei Quentin die Zeit vertreiben, ehe ich in den sauren Apfel beiße.

Adam

Als ich am Flughafen in Edinburgh den Ankunftsterminal passiere, werde ich von einem kleinen Mädchen überrascht, das mir mit offenen Armen entgegenläuft. Ihre eisblonden Locken fallen ihr ins Gesicht, und sie sieht ihrer Mutter so verdammt ähnlich, dass sich mein Magen zusammenzieht.

»Adam«, ruft sie, stolpert dabei über ihre eigenen Füße, und mein Herz setzt für einen Moment aus, doch sie fängt sich und läuft weiter auf mich zu. Ihr Lachen dringt durch den Terminal des Flughafens, und ich bemerke, wie immer wieder Menschen stehen bleiben und der Kleinen dabei zusehen, wie sie den Gang entlangläuft. Es ist, als wäre dieses Geräusch der Schlüssel zu meinem Herzen, denn alle Sorgen lösen sich mit einem Schlag in nichts auf. Erleichtert lasse ich meine Tasche fallen, gehe in die Knie und breite meine Arme aus. Sie umarmt mich, ich drücke sie an mich, stehe auf und wirble sie herum. Wie sehr habe ich sie vermisst.

»Na, Prinzessin? Das ist ja eine stürmische Umarmung.«

»Du hast mir gefehlt.«

Ich streiche ihre eine Locke aus dem Gesicht und drücke ihr einen Kuss auf die Stirn.

»Du hast mir auch gefehlt.«

Ich sehe hoch und entdecke ihre Mutter, die nur wenige Meter hinter ihr steht und mich anlächelt. Neben ihr sehe ich Colin, ihren Mann, der den Arm um ihre Schultern gelegt hat und mir stumm zunickt. Er wirkt weder angepisst noch genervt, aber wachsam. Als wüsste er meinen Aufenthalt nicht so recht einzuschätzen.

Ich lasse Gwen wieder herunter, und wie gerade eben breite ich noch mal meine Arme aus. »Hier bin ich.«

Rae löst sich von Colin, kommt auf mich zu und schlingt ihre Arme um mich. Wie sehr habe ich das vermisst. Ihre Umarmungen. Ihre Berührungen. Unsere Gespräche. Seit sie in Schottland lebt, habe ich meine beste Freundin viel zu selten zu Gesicht bekommen. Schließlich liegen sechs Stunden Flug und ein Ozean zwischen uns. Und ein Ehemann.

»Willkommen zu Hause«, murmelt sie und streicht über meinen Rücken. »Das mit deinem Dad tut mir leid.«

»Danke«, murmele ich und verdränge den Kloß in meinem Hals. Für einen Augenblick möchte ich gerne auf Pause drücken. Zur Ruhe kommen. Alles hinter mir lassen.

Rae rückt ein Stück von mir ab, und ein zauberhaftes Lächeln umspielt ihre Lippen. Wie bei ihrer Tochter hängt auch ihr eine eisblonde Locke ins Gesicht, und ihre Augen sind von so einem hellen Blau, dass sie geradezu leuchten. Ich widerstehe dem Drang, ihr die Haare aus dem Gesicht zu streichen. Ich bin mir sicher, Colin hätte etwas dagegen.

»Ich bin so froh, dass du hier bist.«

Ich nicke, dann hebe ich den Kopf und halte Colin meine Hand hin, aber er versucht gar nicht erst sie zu ergreifen. Stattdessen zieht auch er mich in eine Umarmung. Im ersten Moment versteife ich mich und frage mich, ob jetzt ein Spruch à la »Sie ist meine Frau, lass die Finger von ihr« oder »Vergiss es, Kumpel, du hattest deine Chance« von ihm kommt.

»Willkommen zu Hause«, sagt er stattdessen und klopft mir auf den Rücken. Erleichterung macht sich in mir breit.

Wir haben nie darüber gesprochen, aber ich weiß, dass Colin ahnt, dass ich Gefühle für Rae hatte. Oder habe. So genau weiß ich es nicht. Aber es spielt auch keine Rolle. Sie hat mit ihm den besten Fang gemacht. Er ist derjenige, mit dem sie glücklich ist. Glücklicher, als ich es je hinbekommen hätte. Also werde ich nicht darüber nachdenken. Ich hatte meine Chance und habe sie nicht genutzt. Damit muss ich leben. Müde reibe ich mir den Nacken. Ich habe in den letzten Wochen kaum geschlafen, und der Flug nach Edinburgh war anstrengend. Ich könnte etwas Schlaf vertragen. Und eine Tasse Kaffee.

Alles in mir ist verwirrt. Aber deswegen bin ich hier. In Schottland. Um einen klaren Kopf zu bekommen.

 

»Was hat George zu deiner Kündigung gesagt?« Rae sitzt auf dem Beifahrersitz des gelben Taxis, das Colin restauriert hat und als seinen Wagen nutzt. Ich muss zugeben, dass ich es ziemlich cool finde. Wirklich beeindruckend. Rae dreht sich zu mir um, während Colin den Wagen fährt und stur geradeaus sieht. Gwen sitzt neben mir in ihrem Kindersitz und hält ein Buch über die kleine Meerjungfrau in der Hand. Man könnte fast meinen, sie würde es lesen, wenn es nicht auf dem Kopf stehen würde.

»Nicht viel. Er meinte, ich könne jederzeit zurückkommen.«

Rae schnaubt. »Mich hat er zum Teufel geschickt.«

»Du warst sein bestes Pferd im Stall.«

Sie verdreht die Augen. »Übertreib mal nicht.«

Doch genauso ist es gewesen, aber Rae sieht das nicht. Genauso wie ihr nicht bewusst ist, wie schön sie eigentlich ist. Das mag abgedroschen klingen, aber genau das macht sie so reizvoll. Es gibt nichts Attraktiveres als eine Frau, die nicht weiß, wie heiß sie ist.

Rae und ich haben gemeinsam als Immobilienmakler in New York gearbeitet, bis Rae von ihrer verstorbenen leiblichen Mutter ein Café in den schottischen Highlands geerbt hat. Dort hat sie dann ihren Halbbruder Iain und Colin kennengelernt, und der Rest ist Geschichte.

Niemals habe ich es bereut, sie dazu gedrängt zu haben, nach Schottland zu reisen und sich ihr Erbe anzusehen. Kein einziges Mal, obwohl das alles meine Chance auf eine gemeinsame Zukunft zerstört hat.

Aber hier geht es ihr gut, und Colin ist der Mann, dem sie ihr Herz geschenkt hat. Nicht mir.

»Was ist mit Celeste? Oder hieß sie Celine? Chloe? Charlotte?«Sie runzelt die Stirn, während Gwen zu lachen beginnt. Ein mulmiges Gefühl macht sich in mir breit. »Mami, das waren doch alle Onkel Adams Freundinnen.«

Ich bemerke Colins Blick auf mir. Er ist auf den Innenspiegel gerichtet und sieht nicht glücklich aus. Fuck! Seine Tochter kennt die Namen meiner One-Night-Stands. Ich an seiner Stelle wäre auch angepisst. Was für einen Eindruck vermittle ich dem kleinen Mädchen?

»Onkel Adam hat nun mal viele Freundinnen. Das bedeutet doch nur, dass ihn viele mögen, und das ist etwas Gutes, oder?«, sagt Colin und zwinkert Gwen zu, während ich den Blick abwende und aus dem Fenster schaue. Ich habe das alles so satt. Die One-Night-Stands. Die Bedeutungslosigkeit. Dieses Gefühl, verloren zu sein. Bisher ist mir das nie aufgefallen, aber der Tod meines Dads hat viele Fragen aufgeworfen. Fragen, auf die ich keine Antworten habe.

»Bin ich auch deine Freundin?«, fragt Gwen und greift nach meiner Hand. Mit einem Kloß im Hals drehe ich mich zu ihr um. »Ich mag dich nämlich auch sehr gerne.«

Sie grinst mich frech mit ihrem Zahnlückenlächeln an.

»Natürlich bist du meine Freundin.«

Mein Gott, dieses Kind ist mein Untergang. Nein, diese Familie ist es. Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee gewesen ist, ausgerechnet nach Schottland zu fliehen, aber ich musste weg. Raus aus New York. Alles hinter mir lassen.

Dass mein Dad gestorben ist, war nur der Tropfen auf den heißen Stein. In den letzten zehn Jahren habe nichts anderes getan als gearbeitet, gefeiert und Frauen flachgelegt. In dieser Reihenfolge.

Ich weiß nicht, wie viele Frauen es gewesen sind. Ich weiß nur, dass ich mit keiner von ihnen eine ernsthafte Beziehung hatte. Mit keiner Einzigen. Ich erinnere mich nicht einmal genau an ihre Namen. Was sagt das über mich aus? Ich will im Grunde genommen gar nicht darüber nachdenken. Aber, wenn ich das Muster durchbrechen will, muss ich es erst mal verstehen. Was bedeutet, dass ich erst einmal herausfinden muss, warum ich das Bedürfnis habe, ständig mit einer anderen Frau in meinem Bett aufzuwachen.

Ich sehe zu Gwen, die mittlerweile in ihrem Sitz eingeschlafen ist. Ich streichle mit dem Daumen über den kleinen Handrücken. Sie sabbert im Schlaf, und diese eine widerspenstige Haarlocke fällt ihr immer wieder ins Gesicht.

Rae seufzt und lenkt ihre Aufmerksamkeit auf mich.

»Das wird wieder eine lange Nacht werden.«

Colin greift nach ihrer Hand und drückt sie. Wie gebannt starre ich darauf.

»Scheint wieder Zeit zu sein für eine Runde Gruppenkuscheln.«

Sie lächelt ihn an, und es liegt so viel Wärme in ihrem Blick, dass ich wegsehen muss. Ich ertrage ihn nicht.

»Wenn ihr einen Babysitter sucht, tut euch keinen Zwang an«, murmele ich.

»Auf keinen Fall.« Raes Stimme klingt geradezu entsetzt. »Das kann ich nicht von dir verlangen.«

Ich zucke mit den Schultern. »Warum nicht? Ich würde mich sehr gerne um Gwen kümmern.«

»Das musst du nicht«, sagt Colin und blickt mich aus dem Innenspiegel an. Er öffnet den Mund, schließt ihn dann aber wieder. Rae dreht sich zu ihm und stupst ihn an.

»Spuck’s schon aus.«

»Ich will hier nicht den Moralapostel spielen, aber ich weiß, wie du dich fühlst.« Colin starrt geradeaus, und ich sehe, wie angespannt die Finger unter dem Lenkrad sind.

»Man gibt der ganzen Welt die Schuld daran. An dem Verlust. An dem Schmerz. An dem Chaos in seinem Kopf. Aber so abgedroschen es klingt, es wird besser.« Sein Blick ruht auf mir. »Irgendwann. Versprochen, Mann.«

Meine Kehle ist trocken, als ich seine Worte höre. Vor ein paar Jahren hat Colin seine Frau und seinen kleinen Jungen Elliott bei einem Brand verloren. Vor lauter Schuldgefühlen, weil er damals nicht zu Hause war, hat er Duncan zwei Jahre lang nicht verlassen. Bis Rae gekommen ist.

So schmerzhaft es klingt, ich bin mir nicht sicher, ob Colin wirklich nur den Tod meines Vaters damit gemeint hat. Es hat sich angehört, als meinte er generell den Verlust eines Menschen. Als wüsste er, dass ich irgendwie auch Rae verloren habe. Aber im Grunde genommen spielt es keine Rolle. Nichts davon spielt mehr eine Rolle.

Denn man kann nichts verlieren, was man nicht besessen hat, und Rae hat mir niemals gehört.

 

Es dauert eine Weile, bis wir in Duncan ankommen, und der Ort hat sich seit meinem ersten Besuch nicht verändert. Man sieht Kinder am Straßenrand spielen und Mütter, die danebenstehen und sich unterhalten. Die Stille, die diesen Ort umgibt, ist beruhigend und beängstigend zugleich. Man freut sich anzukommen und möchte am liebsten sofort wieder weglaufen. Vielleicht ist das aber auch nur der Zwiespalt in meinem Inneren.

Rae grinst, als sie sich zu mir umdreht.

»Wie lange wirst du bleiben?«

Solange sie mich hier haben wollen. Oder aber bis ich eine Antwort auf meine Fragen bekommen habe.

Ich schätze, das kann eine Zeitspanne von vierundzwanzig Stunden bis zu ein paar Jahren umfassen.

»Ich weiß es noch nicht.«

»Du kannst so lange bleiben, wie du willst«, sagt Colin, starrt aber weiterhin auf die Straße.

Dieser Mann ist für mich ein Buch mit sieben Siegeln. Meint er es wirklich so, oder sagt er es nur, weil er weiß, dass Rae mich hier haben möchte?

Als Rae mit Gwen schwanger war, hat er mich eines Tages angerufen und mich gebeten, nach Duncan zu reisen. Um bei Rae zu sein. Sie zu unterstützen.

Er hätte mir sogar ein Flugticket spendiert, was ich jedoch dankend abgelehnt habe. Ich habe keine Sekunde lang daran gezweifelt, dass er es ernst gemeint hat, und das war für mich der Augenblick, in dem ich erkannte, wie sehr er sie liebt.

Also kann ich dem Kerl nicht böse sein, denn der Mann, der die Frau so glücklich macht, die ich liebe, kann kein schlechter Mensch sein, oder?

»Danke«, murmele ich und blicke aus dem Fenster. Aber Rae lässt mich nicht vom Haken. So war sie schon immer. Die Art, wie sie einen Moment die Stirn runzelt und mich dabei ansieht, sagt mir, dass sie spürt, dass mit mir etwas nicht stimmt.

»Hast du Pläne?«

Pläne? Für meinen Aufenthalt in Duncan oder für mein Leben? Eigentlich habe ich den Entschluss gefasst, nach Schottland zu reisen, um nicht allein in meinem Apartment sitzen zu müssen. Wobei »allein« der falsche Ausdruck dafür ist. Einsam trifft es besser.

Denn genau das ist es, was mich auffrisst. Diese verdammte innere Einsamkeit.

Vielleicht erhoffe ich mir von meinem Besuch hier Klarheit. Über mein Leben. Meine Zukunft.

Vielleicht bin ich aber auch nur ein Feigling und bin davongelaufen.

Fuck, ich weiß es nicht.

Das alles will ich Rae aber nicht sagen. Nicht im Beisein von Colin und Gwen. Es ist zu persönlich. Zu intensiv.