Glücksgestöber - Vanessa Richter - E-Book
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Vanessa Richter

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Beschreibung

Schnee im März? Das braucht kein Mensch, vor allem nicht Nora, deren Laune sowieso schon im Keller angelangt ist. Von ihren Eltern in ein Studienfach gedrängt, das sie hasst und von der Liebe so oft enttäuscht, dass sie es kaum mehr wagt, sich auf einen neuen Mann einzulassen, findet sie nur bei ihren besten Freunden und ihrer Tante Irmi Halt. Ausgerechnet die kündigt jedoch an, für zwei Jahre auf Weltreise gehen zu wollen. Da erscheint Nora der Auffahrunfall im Schneetreiben nur noch wie der krönende Tiefpunkt ihres Lebens. Wäre da nicht ihr Unfallgegner Kai, der seine ganz eigenen Pläne mit ihr hat ...

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Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Schnee im März? Das braucht kein Mensch, vor allem nicht Nora, deren Laune sowieso schon im Keller angelangt ist. Von ihren Eltern in ein Studienfach gedrängt, das sie hasst und von der Liebe so oft enttäuscht, dass sie es kaum mehr wagt, sich auf einen neuen Mann einzulassen, findet sie nur bei ihren besten Freunden und ihrer Tante Irmi Halt. Ausgerechnet die kündigt jedoch an, für zwei Jahre auf Weltreise gehen zu wollen. Da erscheint Nora der Auffahrunfall im Schneetreiben nur noch wie der krönende Tiefpunkt ihres Lebens. Wäre da nicht ihr Unfallgegner Kai, der seine ganz eigenen Pläne mit ihr hat …

Über Vanessa Richter

Vanessa Richter, Jahrgang 1979, studierte Germanistik und Anglistik und versucht seitdem, ihren mehr oder weniger begeisterungsfähigen SchülerInnen die Feinheiten der deutschen und englischen Sprache näher zu bringen. Sie lebt mit Kind und Kegel zwischen Ruhrpott und Münsterland.

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Vanessa Richter

Glücksgestöber

Roman

Wer will denn alles gleich ergründen!

Sobald der Schnee schmilzt, wird’s sich finden.

Johann Wolfgang Goethe

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

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Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Sechzehn

Siebzehn

Achtzehn

Impressum

Eins

»Wie lauter kleine Pusteblumen«, sinniert Lysander neben mir verträumt.

»Pusteblumen – pff!« Mit deutlich weniger Poesie betrachte ich die Milliarden Schneeflocken, die auf die Windschutzscheibe einstürmen, und schalte den Scheibenwischer eine Stufe höher.

Die Toten Hosen im Autoradio verstummen, und die Moderatorin säuselt etwas davon, wie meteorologisch ungewöhnlich ein derartiger Wintereinbruch Mitte März doch sei. Frustriert schlage ich auf den Knopf am Radio, um es auszuschalten. Und dann gleich noch einmal, denn das olle Ding funktioniert genauso bescheiden wie der Rest meines betagten Opel Corsa. War irgendwie eine blöde Idee, mir aus nostalgischen Gründen ein Auto zuzulegen, das genauso alt ist wie ich. Neben dem Radio gibt es nämlich diverse weitere Baustellen, unter anderem ausgerechnet die Heizung. »Scheiß Winter!«

»Na ja, so schlimm ist es nun auch wieder nicht.« Lysander hält seine behandschuhten Hände vor die nur mäßig warm pustende Lüftung.

»Nicht so schlimm? Lysi, wir schleichen jetzt seit über einer Stunde dieselbe Straße entlang, und das nur, weil die ganzen Rentner vor uns meinen, Schnee bedeute gleichzeitig Blitzeis oder so was. Außerdem hatte ich schon meine kurzärmeligen T-Shirts ausgepackt! Es ist März, ich erwarte Frühling! Mit Sonne und so! Stattdessen sitz ich hier in Pudelmütze, Wintermantel und langen Unterhosen. LANGEN UNTERHOSEN!«

Lysander grinst mich frech von der Seite an. »Du dramatisierst schon wieder.«

»Überhaupt nicht!«

»Nora, du bist Sternzeichen Krebs, Aszendent Drama-Queen.«

Ich will mich gerade aufplustern, doch dann überfällt mich die Erkenntnis, dass er eventuell recht haben könnte. Ich bin vielleicht ein wenig impulsiv, aber wirklich nur ein kleines bisschen. Und ich würde es niemals zugeben. »Bin ich gar nicht.«

»Und so langsam fahren wir jetzt auch nicht. Außerdem ist Schnee romantisch.«

Lysander ist zwar mein bester Freund, aber manchmal hat er echt einen Sockenschuss. Schnee mag romantisch sein, wenn man in dicke Decken gehüllt in einem Pferdeschlitten thront und prinzessinnenmäßig mit klingelnden Glöckchen durch den verschneiten Winterzauberwald gezogen wird. Sich in einem schrottreifen Auto in einer Blechlawine durch den Schneematsch auf Aachens Straßen zu quälen, während man vor lauter Flocken kaum etwas sehen kann, ist das Gegenteil von romantisch!

Ich bremse vor einer roten Ampel und mache drei Kreuze, dass es die letzte vor der Uni ist. An jeder Kreuzung hat es bisher ewig gedauert, bis sich die Automassen bei Grün wieder in Bewegung gesetzt haben. Und ich bin sowieso schon viel zu spät dran. Wir hätten zu Hause bleiben sollen. An einem Samstag zu einem Blockseminar in die Uni zu müssen, ist menschenunwürdig, vor allem in der vorlesungsfreien Zeit …

Plötzlich gibt es einen lauten Knall, und mein armes kleines Auto macht einen Satz nach vorn. Buff! Mein Gurt strafft sich, und ich schnappe kurz nach Luft. Verdattert blicke ich auf Lysander, der mit weit aufgerissenen Augen neben mir sitzt.

»Huch!«, japst er.

»Mistdreckverdammter!« Das bin ich. Ein Auffahrunfall ist das höhnisch lächelnde i-Pünktchen auf meinem bescheidenen Leben. Noch immer ein wenig betäubt, blicke ich in den Rückspiegel. Und blinzele ungläubig. War der Aufprall vielleicht doch schlimmer als gedacht? Auf dem Beifahrersitz im Wagen hinter mir erkenne ich ganz klar einen Stormtrooper, und in der Mitte auf der Rückbank Chewbacca. Offensichtlich habe ich Halluzinationen …

Irgendjemand hupt. Idiot!

»Nora, ist alles in Ordnung?« Lysander rüttelt mich sanft an der rechten Schulter.

Auf meiner linken Seite klopft es. Der Typ, der mich aus dem Schneetreiben heraus durch die Scheibe so schuldbewusst anschaut, sieht zumindest untenrum aus wie Darth Vader. Karneval ist doch eigentlich schon vorbei. Ich deute ihm an, einen Schritt zurückzutreten, da die Kurbel an meinem Autofenster kaputt ist.

Der maskenlose Darth Vader macht Platz, und ich steige aus. Inzwischen haben die Autos hinter uns begonnen, uns im Schneeschneckentempo zu überholen. Ein Porschefahrer zeigt mir einen Vogel. Na vielen Dank auch! Ich bin hier das Unfallopfer!

»Sorry, das tut mir so leid«, doppelmoppelt Darth Vader zerknirscht. »Ich dachte, du würdest noch drüberfahren.«

»Bei Rot?« Ich atme tief ein, denn die Beschimpfungen, die ich gleich auf ihn niederprasseln lassen werde, bedürfen einer Extraportion Luft. Der ist doch garantiert besoffen! Bevor ich loslegen kann, legt sich allerdings eine behandschuhte Hand auf meinen Mund. Ich will sie gerade wegschlagen, da erkenne ich, dass sie zu Lysander gehört, der offenbar ebenfalls ausgestiegen ist. Also lasse ich die Faust wieder sinken. Manchmal wünschte ich, ich könnte genauso viel Selbstvertrauen an den Tag legen, wenn ich mich nett und freundlich mit anderen Menschen unterhalten soll, aber nein, da benehme ich mich wie ein verhuschtes Mäuschen. Konversation mit Fremden, das kann ich nur mit Wut im Bauch.

»Ganz ruhig, Schnatterinchen. Hauptsache, es ist niemandem etwas passiert.« Lysander nimmt die Finger von meinem Mund und streichelt mir über den Pudelmützenkopf. Dafür muss er nicht mal den Arm heben. Mit seinen eins neunzig ist er nämlich deutlich größer als ich. Er nennt mich auch gern seinen Achselriecher.

Wie es aussieht, ist keinem menschlichen Wesen etwas passiert. Für meinen Corsa, von mir liebevoll Erna getauft, trifft das leider nicht zu. Während ich das Ausmaß des Schadens an Ernas Heck näher betrachte, bleibt Darth Vader wie angewurzelt neben meiner Fahrertür stehen und nuschelt mit zittriger Stimme weiterhin floskelhafte Entschuldigungen. Sein schicker anthrazitfarbener Protz-BMW hat die Stoßstange meiner kleinen Schrottlaube einmal kräftig geknutscht. Der Kunststoff hat einen dicken Riss.

Chewbacca, der Stormtrooper und zwei Meister Yoda klettern nun ebenfalls aus dem Wagen. Yoda eins stellt sich mit im Schneetreiben flatternden grünen Ohren neben mich und wirft einen prüfenden Blick auf beide Autos. »Glück gehabt, würde ich sagen. Nicht mal ein Kratzer.«

»Wie bitte?« Ich spüre, wie mir trotz der Kälte die Hitze in die Wangen steigt. »Was soll das denn heißen? Meine Stoßstange ist vollkommen hinüber!«

Yoda eins ignoriert mich einfach und dreht sich zu Darth Vader um. »Kai, gib der Kleinen zwanzig Euro, davon kann sie sich auf dem Schrottplatz eine neue Stoßstange kaufen. Oder noch besser gleich die ganze Kiste dalassen.« Er lacht, und ich sehe ungeachtet der vielen weißen Schneeflocken vor meinen Augen rot.

Wutschnaubend mache ich einen Schritt auf Yoda eins zu, um ihm gehörig den Marsch zu blasen, da passiert etwas, das mir grundsätzlich immer in solchen Situationen passiert: Ich stolpere, und zwar über meine eigenen Füße. Wie in Zeitlupe sehe ich den schmuddelig grauen Schneematsch der Straße auf mich zukommen, bevor ich der Länge nach mit dem Gesicht voran hineinfalle. Normale Menschen hätten sich jetzt wenigstens mit den Händen abgestützt, aber das ist ein Reflex, den Mutter Natur mir irgendwie nur halb mitgegeben hat. Also liege ich von der Moonboots-Sohle bis zum Pudelmützen-Scheitel auf dem Boden, während die Schneepampe mich im Nullkommanichts durchtränkt. Ich merke, wie mir Tränen in die Augen schießen. Nicht, weil ich so entsetzliche Schmerzen hätte, sondern weil ich stinkwütend bin. Auf diesen bescheuerten Typen, der mich und mein kleines Auto so herablassend behandelt hat, auf Darth Vader, der den Auffahrunfall verursacht hat, auf den saudämlichen Schnee, der mir schon seit Tagen die Laune verhagelt, und vor allem auf mich selbst, weil ich mal wieder so furchtbar tollpatschig bin. Ich bin die Meisterin der selbstverschuldeten Unfälle. Es gibt kein Körperteil an mir, das ich nicht im Zuge einer ungeplanten Verstümmelungsaktion bereits beschädigt hätte.

Ich bemitleide mich noch einen Moment selbst, bevor ich mich aufrappele und versuche, mein nasses Gesicht mit dem Mantelärmel zu trocknen. Der nach wie vor schneetreibende Wind lässt mich in meinen durchweichten Klamotten augenblicklich frösteln.

»Hey, hast du dir wehgetan?«, höre ich eine leicht zittrige Stimme. Darth Vader, der offenbar Kai heißt, taucht in meinem Sichtfeld auf, und zum ersten Mal blicke ich ihm wirklich ins Gesicht.

Pausetaste.

Große dunkle Augen, krauser schwarzer Afro-Schnitt und ein Teint … irgendwo zwischen Olivenbaumholz und Karamell. Dazu volle Lippen, die irgendetwas zu sagen scheinen, aber in meinem Kopf kommt nur ein Rauschen an. Dann spüre ich, wie jemand mich auf die Beine zieht, und nehme Lysanders Stimme an meinem Ohr wahr. Irgendwer muss wieder auf die Playtaste gedrückt haben, denn nach und nach kehren auch der Straßenlärm und das Stimmengewirr des Star-Wars-Ensembles in mein Hörzentrum zurück.

»Mensch, Nora! Was machst du bloß wieder? Komm, wir müssen endlich mal die Kreuzung räumen. Das könnt ihr genauso gut am Straßenrand klären. Hierfür brauchen wir keine Polizei, und wir halten nur den Verkehr auf.«

»Weil es in dem Schneetreiben ja so wahnsinnig schnell vorangeht heute.« Oh! Scheinbar ist nicht nur mein Hörvermögen, sondern auch mein Zickenmodus wieder funktionstüchtig.

Lysander deutet auf die nahegelegene Tankstelle, Darth Vader alias Kai nickt einwilligend, und wir setzen uns alle in unsere Autos. Ich ziehe den Choke und bete inständig, dass Erna mich jetzt nicht im Stich lässt, denn das wäre definitiv der krönende Tiefpunkt. Ich stelle mir vor, wie zwei Meister Yoda, ein Stormtrooper, Chewbacca und Darth Vader mich von der Straße schieben. Und mitten unter ihnen Lysander, der mit seinen weißblonden Haaren und den riesigen blauen Kulleraugen aussieht wie Michel aus Lönneberga im Großformat.

Aber Erna hat einen guten Tag und springt ohne Weiteres an. Auf dem Tankstellengelände parke ich unter dem Dach neben den Kisten mit der Grillkohle, die sich im März bei Schnee vermutlich nur in Studentenstädten verkaufen, und stehe abermals meinem Unfallgegner gegenüber. Die Härchen an meinen Armen richten sich prickelnd auf, und das, obwohl ich doch frostbeulensichere Funktionsunterwäsche trage. Friere ich wirklich so sehr, oder liegt es eher an dem intensiven Blick, den der Typ mir gerade zuwirft?

»Kai Wellinghoff«, stellt er sich vor und streckt mir seine Hand entgegen, die ein wenig zittert. Trotz seines dunklen Teints wirkt er ein wenig bleich um die Nase. So schlimm war der Unfall nun auch wieder nicht. »Tut mir wirklich leid, dass ich dir hinten draufgefahren bin. Ich fahre für gewöhnlich deutlich vorsichtiger.«

Ich sehe ihn an und verarbeite mehrere Informationen gleichzeitig. Erstens: Er hat sich schon wieder entschuldigt. Zum gefühlt achtzehnten Mal. Dabei schaut er so schuldbewusst drein, als hätte ich mir durch die Wucht des Aufpralls mindestens eine schwere Platzwunde zugezogen. Vorsichtshalber taste ich meine Stirn ab. Aber da blutet nichts. Und zweitens: Ich bin mir gar nicht so sicher, ob ich überhaupt traurig bin, dass er mir hinten draufgefahren ist.

»Nora Schiller. Und ich habe eigentlich geglaubt, du heißt Darth Vader.« Ich blicke Richtung BMW. Der Rest der Star-Wars-Crew ist im Auto sitzen geblieben.

»Lysander Gildehus«, wirft Lysi ziemlich unnötig seinen Namen ebenfalls in die Runde. Fast hätte ich vergessen, dass er auch da ist.

Darth, äh, Kai lächelt nun zum ersten Mal und wirkt beinahe ein wenig verschämt. »Wir sind auf dem Weg zum Annual Star Wars Brunch.«

»Hä?« Ich starre ihn mit großen Augen an.

Lysander neben mir prustet kichernd und hustet ein »Nerd«.

Kais olivenholz-karamell-farbene Haut verfärbt sich um eine Nuance. »Einmal im Jahr treffen sich Star-Wars-Fans aus dem Aachener Umkreis in Kostümierung zu einem großen Brunch. Ist echt ganz nett. Kann ich dir nur empfehlen, falls du die Filme magst. Ein Prinzessin-Leia-Kostüm würde dir bestimmt gut stehen.«

Oh! Mein! Gott! Meint er das weiße Wallewalle-Gewand oder den goldenen Bikini? Bitte lass es den goldenen Bikini sein! Denn das würde definitiv bedeuten, dass er gerade mit mir flirtet. Und das fände ich … ja, wie fände ich das? Wahnsinnig toll und irre beängstigend zugleich. Es würde allerdings nicht bedeuten, dass ich tatsächlich einen Bikini tragen würde. Meine Figur weist an Bauch vor, was ihr an Brüsten fehlt, ich bin also eher der Badeanzug-Typ.

Jemand knufft mich in die Seite. Lysander rollt mit den Augen. »Fokus, Nora! Ihr sollt nicht plaudern, sondern den Schaden regeln. Außerdem ist mir kalt.«

»Ach, plötzlich findest du den Schnee also auch blöd, was?«

Erneutes Augenrollen – er kann das wahrhaftig besser als jede Frau. »Komm, sieh zu. Sonst brauchen wir gar nicht mehr zur Uni zu fahren.«

Soll mir recht sein. Ich muss ein Gähnen unterdrücken, wenn ich nur an dieses sterbenslangweilige Seminar denke. Und ein Bauchkneifen ebenfalls, denn ich mag da ernsthaft nicht mehr hin. Dabei liegt es weder an der Darbietung des Stoffes, noch an den anderen Studenten, und schon gar nicht am Professor, dass der Gedanke an die Uni für mich unerträglich ist, sondern vielmehr an der Tatsache, dass ich eigentlich niemals Rechtswissenschaft studieren wollte. Meine Eltern führen eine sehr erfolgreiche Kanzlei. Dr. jur. Schiller & Schiller ist die Adresse für alle Ratsuchenden im Bereich Arbeitsrecht, und ich, Nora Schiller, soll eines Tages dafür sorgen, dass der gute Ruf der Kanzlei mindestens für die nächsten dreißig Jahre bestehen bleibt, ob ich will oder nicht. Das Motto meiner Eltern lautet in dieser Hinsicht: Friss oder stirb. Ich habe mich fürs Fressen entschieden.

»Nooora!« Sowohl Lysander, als auch Kai blicken mich etwas irritiert an. Haben die etwa mit mir gesprochen? Verdammt, ich neige mitunter zu Tagträumen, bei denen ich die Realität so gut ausblenden kann, dass ich wirklich nicht mehr weiß, was um mich herum geschieht. Mein Kopfradio, wie ich es gern nenne, ist besonders in langweiligen Vorlesungen hilfreich. Ich höre mir dann einfach selbst beim Denken zu. Aber leider schaltet es sich auch gerne in weniger passenden Augenblicken ein, so wie jetzt.

»Ähm, ja?«, stottere ich.

»Ob du Stift und Zettel im Handschuhfach hast für den Austausch der Personalien.« Lysander schüttelt grinsend den Kopf. Er weiß um meine Tagtraumschwäche und fragt sich sicher, auf welchem rosa Puscheleinhorn ich gedanklich durch die Wolken geflogen bin.

»Weder noch«, antworte ich. »Kann ich doch problemlos alles ins Handy tippen.« Ha! Meine Souveränität ist zurück. Dass die nicht von selbst darauf gekommen sind!

Kai reicht mir seinen Personalausweis, wir tauschen unsere persönlichen Daten aus, und als ich seine Telefonnummer in mein Handy eingebe, flattert es leicht in meiner Magengegend. Ich fühle mich, als würden wir uns gerade für ein Date verabreden. Was natürlich Quatsch ist! Wir sind Unfallgegner, sonst nichts. Außerdem date ich nicht mehr.

Als Kai sich verabschiedet (er entschuldigt sich noch ein weiteres Mal), zu den anderen ins Auto steigt und davonbraust (soweit man bei den vom Schneetreiben verstopften Straßen von Brausen sprechen kann), tobt ein Gefühlswirrwarr aus Enttäuschung und Sehnsucht in meiner Brust. Ich stehe unter dem Tankstellendach, schaue den Schneeflocken beim Herunterrieseln zu und seufze ein wenig so, wie man typischerweise seufzt, wenn man sich in jemanden verguckt hat. Diese Erkenntnis treibt mir trotz des eisigen Windes die Schweißperlen auf die Stirn, denn mein Herz ist gerade eben erst wieder so weit zusammengeflickt, dass es nicht mehr bei jedem Schlag schmerzt, und es würde neue Risse bestimmt nicht verkraften.

»Erde an Fräulein Schiller, jetzt reicht es aber mit deiner geistigen Abwesenheit. Los, steig ein.«

»Lysi, du bist manchmal echt gnadenlos.« Ich seufze erneut, diesmal allerdings ein ergebenes Ich-mach-ja-schon-Seufzen, und lasse mich auf den Fahrersitz plumpsen.

Doch die kurze Fahrt bis zur Tankstelle war offenbar zu viel für Erna. Dieses Mal stottert sie nur traurig herum, als ich versuche, den Motor zu starten.

Auch das noch.

»Auch das noch!«, findet auch Lysander. Gelegentlich ist es mir fast unheimlich, dass wir so oft dasselbe denken. Liegt vermutlich daran, dass wir uns bereits seit dem Sandkasten kennen – und selbst damals war er derjenige, der mir die Schippe auf den Kopf gehauen hat, wenn ich beim Burgenbauen herumgetrödelt habe.

Nun wird meine Vorstellung vom Anschieben doch noch wahr, nur dass Michel aus Lönneberga es ganz allein erledigen muss.

Zwei

Ein Gemisch aus scharfer Soße und Schafskäsekrümeln tropft aus meinem vegetarischen Dürüm hinunter auf den Tisch. Akin schmeißt mir geistesgegenwärtig einen ganzen Stapel Papierservietten über die Theke, die ich allerdings ignoriere, um einen weiteren Bissen zu nehmen. Akin sieht nicht bloß so aus wie eine türkische Variante von Meister Proper, er ist auch mindestens so reinlich. Er grinst. »Du musst schon wischen, Nora. Putzt sich nicht von allein weg.«

Melek zieht ihrem Mann eins mit dem Küchenhandtuch über. »Mach du das gefälligst. Nora ist schließlich dein Gast!«, schimpft sie, nur um Akin anschließend einen schmatzenden Kuss auf die Stirn unterhalb seiner glattrasierten Glatze zu drücken.

Lysander und ich sitzen in unserem Morgens-Mittags-Abends-Zwischenmahlzeit-Stammimbiss Pul Biber in der Pontstraße, knapp fünfhundert Meter von dem Gebäude entfernt, in dem ich jetzt eigentlich mein Blockseminar hätte. Aber der Lehrstuhl für Arbeitsrecht muss heute ohne mich auskommen. Der blöde Auffahrunfall hat mir endgültig die Laune verdorben. Außerdem hasse ich es, zu spät zu kommen und irgendwo hineinzuplatzen, wenn alle anderen bereits anwesend sind. Dann gerate ich nur in Erklärungsnot und fange an zu stammeln, was die Aufmerksamkeit erst recht auf mich lenkt, sodass ich vor Scham in Ohnmacht fallen möchte. Und weil Lysander eben mein bester Freund ist, hat er sein Seminar im Lehrerbildungszentrum ebenfalls geschmissen, obwohl ihm das deutlich schwerer gefallen ist als mir.

Über die Wand hinter seinem Stuhl schlängelt sich ein großer Feuerdrache, ein Relikt aus den Zeiten, als diese Räume noch ein Chinarestaurant beherbergten. »Gibt in türkischer Mythologie auch Drachen«, entgegnet Akin stets auf meine Anregung, das Vieh zu überpinseln. Ich starre wie hypnotisiert auf die rot-goldenen Schuppen und die sehr untürkischen, da chinesischen Schriftzeichen.

»Ich kann mir eigentlich gar keine Fehlstunden mehr leisten. Vor allem keine unentschuldigten. So kriege ich meinen Schein nie«, sage ich mit vollem Mund.

»Und wenn du doch hingehst? Noch hast du nicht so viel verpasst. Es ist gerade mal elf Uhr.«

»Ach, ich will ja eigentlich gar nicht hin.« Ich tue so, als würde ich mir den Finger in den Hals stecken und würgen. »Ich bin dieses ganze Jurastudium so satt.« Im Gegensatz zu meinen Eltern finde ich Arbeitsrecht in etwa so spannend wie das Rauschen der Toilettenspülung.

Mit der dönerfreien Hand greift Lysander nach seiner Dose Uludağ, dieser klebrig süßen türkischen Limonade, von der er in seinem Leben vermutlich schon mehr vertilgt hat, als von allen anderen Getränken zusammen. Ein Wunder, dass er trotzdem so ein dünner Schlacks ist.

»Dann sag einfach, du warst krank, und am Wochenende hat kein Arzt Sprechstunde. Mit einem einfachen grippalen Infekt kann man schließlich nicht in der Notaufnahme auflaufen, nur um sich ein Attest zu besorgen. Das sähe ja albern aus.«

»Oder ich schmeiße mich in die Schneeberge da draußen und hole mir ein paar Frostbeulen. Das wäre zumindest eine authentische Entschuldigung für meine Abwesenheit. Vielleicht stürze ich mich aber auch einfach nur vom Kirchturm.« Ich kicke den Pfefferstreuer vor mir auf dem Tisch mit dem Zeigefinger um und fange mir einen tadelnden Blick von Akin ein.

»Mensch, Schnatterinchen.« Lysander nimmt meine Hand in seine und lächelt mich aufmunternd an. »Du wirst das schon irgendwie schaffen.«

Der letzte Bissen meiner Blätterteigrolle verschwindet in meinem Mund, und ich kaue länger als nötig darauf herum. Natürlich werde ich dieses vermaledeite Studium irgendwie schaffen, auch wenn ich momentan nicht einmal die Hälfte der Scheine in der Tasche habe, die für mein Semester angebracht wären. Und dann steige ich als Partner bei Schiller & Schiller ein, und alle Welt wird meine Eltern beglückwünschen, während ich aus Langeweile und Frustration über den Jordan gehe.

»Mhm«, murmle ich mit vollen Backen und nicke. Lysander hat leicht reden. Der wollte bereits in der Grundschule Lehrer werden. Ich erinnere mich genau, wie wir stundenlang mit Playmobil-Männchen Schulstunden nachgespielt haben, wobei ich immer die Rolle der Schüler übernehmen musste. Leider wusste ich weder als Kind noch nach dem Abitur, was ich mit meinem Leben anfangen wollte, sodass mir jegliche Argumentationsbasis fehlte, um nicht in die Fußstapfen meiner Eltern zu treten.

Lysander lässt meine Hand los und lehnt sich auf seinem Stuhl zurück. »Hoffentlich meldet sich dieser Typ mit dem BMW.«

»Ja, hoffentlich!«, rufe ich mit nach wie vor dürümgefülltem Mund ein wenig zu enthusiastisch, und ein paar Krümel fliegen über den Tisch. Ich huste und spüle dann den Rest mit einem Schluck von Lysanders Uludağ hinunter, meins ist nämlich längst leer. »Damit ich nicht auf dem Schaden sitzenbleibe«, ergänze ich, bevor er auf falsche Gedanken kommt.

Lysander ist immer extrem fürsorglich, wenn es um mein Liebesleben geht, um nicht zu sagen gluckenhaft. Jeder Mann an meiner Seite wird kritisch beäugt und im Zweifelsfall weggeekelt. Das begann bereits in der zweiten Klasse, als Linus Bergheim mit mir sein Pausenbrot teilen wollte. Lysander, der schon damals zwei Köpfe größer war als alle anderen, hat ihn in den Papierkorb gesteckt und ihm unter Androhung weiterer Maßnahmen verboten, diesen jemals wieder zu verlassen. Danach hielten sich die Avancen meiner Mitschüler in Grenzen. Nicht, dass es seitdem besonders viele Männer oder gar langanhaltende Beziehungen in meinem Leben gegeben hätte. Bei den wenigen, die es gab, hatte Lysander jedoch jedes Mal ein wachsames Adlerauge auf mich. Deswegen verschweige ich ihm jetzt lieber, dass dieser Kai einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen hat. Außerdem habe ich ja sowieso beschlossen, der Männerwelt den Rücken zu kehren, also brauche ich mich gar nicht erst auf Diskussionen mit Lysander einlassen.

»Nooora!« Lysander wedelt mit einer Papierserviette vor mir herum.

»Äh … hast du was gesagt?«

»Wo warst du denn schon wieder mit deinen Gedanken?«

»Bei Linus Bergheim«, antworte ich nicht ganz unwahrheitsgemäß.

»Ach der. Gern geschehen übrigens.« Lysander guckt so selbstgefällig wie ein zugedröhnter Breitmaulfrosch.

»Sag mal, Lysi, spinnst du? Der fand mich richtig gut, und du hast ihn vergrault. Von wegen gern geschehen! Ich geb dir gleich gern geschehen!«

Lysander prustet. »Das ist bestimmt fünfzehn Jahre her, du brauchst dich gar nicht mehr so aufzuregen. Wusstest du übrigens, dass dein Linus inzwischen zwei Kinder von zwei unterschiedlichen Frauen hat, aber mit keiner der Mütter noch zusammen ist, und das mit gerade mal dreiundzwanzig? Ich habe dich also vor Schlimmerem bewahrt.«

»Mhmpfph«, murmele ich.

»Wie ich bereits sagte: Gern geschehen.« Er zwinkert. »Und ich würde es immer wieder tun.«

Eine Stunde später drehe ich den Schlüssel im Türschloss und schlurfe in den Flur meines Elternhauses.

»Nora?«, ertönt die erstaunte Stimme meiner Mutter.

Ich mache einen kleinen erschrockenen Hüpfer, denn das Erstaunen ist auf meiner Seite mindestens genauso groß. Was macht meine Mutter denn bitte zu Hause? Sie sollte noch bis zum späten Abend in der Kanzlei sein! Meine Eltern arbeiten sogar am Wochenende gern und lang.

Der weibliche Teil der Schiller-Elterngemeinschaft kommt durch die Flügeltür des Wohnzimmers geschossen und guckt mich streng an, was durch ihre randlosen XL-Brillengläser geradezu comichaft wirkt.

»Ähm. Hallo Mama. Was machst du hier?« Meine Stimme überschlägt sich beinahe, was vermutlich daran liegt, dass ich mich ertappt fühle.

»Wie? Ach so. Ich hatte ein paar Unterlagen vergessen. Bin gleich wieder weg. Viel interessanter ist aber, wieso du nicht in deinem Seminar bist!« Sie formuliert das nicht als Frage.

»Ich bin nicht hingegangen.« Gedanklich schlage ich meinen Kopf gegen die Wand. Ist wegen des Schneechaos ausgefallen, wäre nämlich die korrekte Antwort gewesen. Eine winzig kleine, aber äußerst glaubhafte und somit effektive Lüge. Wieso war mein Mundwerk bloß schneller als mein Hirn?

»Nora Justitia Schiller!«

Nein, das ist kein Witz. Meine Eltern gehen so sehr in ihrer Berufswahl auf, dass sie mich tatsächlich so genannt haben. Ich versuche allerdings, die Menge an Menschen mit der Kenntnis über meinen Zweitnamen möglichst gering zu halten. Was nicht ganz einfach ist, wenn man eine Mutter hat, die bereits am Einschulungstag quer durch die Klasse ruft, dass Nora Justitia sich gefälligst in die erste Reihe setzen soll, damit sie alles mitbekommt, was die Lehrerin zu sagen hat.

»Mama, ich hatte einen Auffahrunfall und wäre sowieso nicht mehr pünktlich gekommen.« Ich stehe wie ein Fremdkörper im Flur und traue mich nicht von der Stelle. In diesem Haus fühle ich mich permanent wie ein kleines Kind.

»Dir fehlt eindeutig Ehrgeiz! Von wem hast du das bloß?« Eine normale Reaktion wäre so etwas gewesen wie: Ein Auffahrunfall? Ist dir auch nichts passiert? Ich aber muss mit der typischen Schiller-Variante leben. Erstaunlich, dass ich trotzdem so ein empathischer Mensch geworden bin. Im Gegensatz zu meinen Eltern interessiere ich mich nämlich sogar dann für das Wohlergehen anderer, wenn keine finanziellen Vorteile dabei herausspringen.

»Müssen wir da jetzt schon wieder drüber diskutieren?« Meine Unzulänglichkeit, sich so richtig ins Studium zu stürzen, ist ein Dauerbrenner bei meinen Eltern. Deshalb durfte ich letztes Jahr auch an einem Workshop mit dem klangvollen Namen »Mit Ehrgeiz aus dem Abseits« teilnehmen. Dort saß ich dann drei Tage lang in einer Gruppe von Mittfünfzigern mit Burn-out und musste ständig »Tschakka!« und so ‘n Zeug rufen. »Ich bin eine starke Frau!« Am letzten Seminartag wurden wir dann noch mit einem Mentaltrainer über heiße Kohlen gejagt. Ich bin davon bis zum heutigen Tag traumatisiert. Das Ganze war übrigens mein Weihnachtsgeschenk. Da sag nochmal jemand, meine Eltern würden sich keine Gedanken machen. Wer braucht schon Bücher, Klamotten oder Kinogutscheine, wenn er mit einem Uri-Geller-Verschnitt den Rand seiner psychischen Belastbarkeit erleben kann?

»Nora, wir müssen so lange darüber diskutieren, bis du endlich tust, was unseren Erwartungen entspricht.«

Rums! Das hat gesessen. Ich balle die Fäuste und schlucke ein paar Mal heftig. Dann drehe ich mich wortlos um und verschwinde in meiner Zelle – pardon, in meinem Zimmer. Die weiteren lieblosen Belehrungen meiner Mutter, die sie mir noch hinterherruft, ausblendend, knalle ich die Tür hinter mir zu und breche in Tränen aus. Ich kicke meine Moonboots in die Ecke, pfeffere meine Mütze und den Mantel direkt hinterher, lege mich bäuchlings auf den bunten Flokati-Teppich und lasse die Kälte des Marmorbodens darunter in meinen Körper kriechen. Ich hasse diese ewigen Streitereien. Immer und immer wieder bleiben wir an denselben Themen hängen, und jedes Mal ziehe ich den Kürzeren. Tief in meinem Innern bin ich eben noch immer das kleine Mädchen, das bloß seinen Eltern gefallen will und fast alles dafür tut. Und trotzdem scheine ich nur eine einzige Enttäuschung zu sein. Meine Tränen durchweichen den wuscheligen Hochflor, doch je länger ich darauf liege und weine, desto ruhiger werde ich. Schließlich krabbele ich zu meiner Stereoanlage und schalte sie ein. Ich weiß, welches Lied kommen wird, und singe den Text von Maxim leise mit.

Man wird sich niemals an die Tiefs gewöhnen,

an die Enttäuschungen und den Frust.

Egal wie oft man fällt und nicht weiß, wie

nur dass es weitergehen muss.

Es bleibt ein Leben lang der gleiche Kampf,

egal wie oft man unterliegt.

Man ist jedes Mal genauso am Boden zerstört

und fragt sich, womit man all das verdient.

Mein Handy vermeldet brummend eine Nachricht. Bestimmt ist es Lysander, der mir mitteilen will, dass er doch noch zu seinem Seminar gefahren ist. Ich kenne ihn. In diesen Dingen ist er die Tochter, die meine Eltern nie hatten.

Doch stattdessen blinkt mir die Nachricht eines ganz anderen Mannes entgegen.

Lust, heute Abend dein Auto wieder flottzumachen? Kai aka Darth Vader

Bu-bumm, bu-bumm, bu-bumm, bu-bumm … Ich lese die WhatsApp ein zweites Mal, nur um sicherzugehen, dass ich mich nicht verlesen habe. Nein, tatsächlich, er will mich treffen. Ich sehe den Lenny-Kravitz-Afro vor mir, die großen tiefbraunen Augen und diesen Teint, der förmlich dazu einlädt, darüberzustreichen. Es kribbel-flattert nicht bloß in meinem Magen, und ich kneife mir vorsichtshalber in den Arm, um auf den Boden der Tatsachen zurückzukommen. Und ehe ich michs versehe, tippe ich meine Antwort.

Bin zu Hause, meine Adresse hast du ja. Nora

Ich sag es ja, ich bin zu impulsiv. Wieso hab ich das nur abgeschickt??? Ich hatte mir doch fest vorgenommen, keinen dieser Herzensbrecher mehr in mein Leben zu lassen!

Mir fällt vor Schreck fast das Handy aus der Hand, als Deichkind Yippie Yippie Yeah, Krawall und Remmidemmi singend die Stille des Zimmers durchbricht. Ich muss mir dringend einen weniger aufdringlichen Klingelton aussuchen. Mozarts »Kleine Nachtmusik« würde mir bestimmt nicht jedes Mal einen Schreck einjagen. Mein Herzklopfen überholt sich beinahe selbst, als ich aufs Display blicke. Ruft Kai nun etwa auch noch an?

»Hey Schnatterinchen!«

»Lysi, wieso ist das bei dir im Hintergrund so laut?«, frage ich und versuche, meine Enttäuschung nicht mitklingen zu lassen.

Er hüstelt verlegen. »Mensa. Wir machen gerade Pause im Seminar.«

Ich wusste, dass er noch hingehen würde!

Ich lasse diese Tatsache unkommentiert und gehe gleich zum Wesentlichen über. »Kai hat sich gemeldet.«

»Wer?«

»Darth Vader.«

Lysander gibt ein missbilligendes Grummeln von sich. »Und was will er?«

»Mich treffen«, sage ich und kann dabei trotz aller Zweifel ein Grinsen nicht unterdrücken.

»Aha.« Klingt nicht besonders enthusiastisch. »Ich dachte, du willst dich nicht mehr mit Männern verabreden, sondern warten, bis Mister Right dir vor die Füße fällt.« Lysander packt mal wieder seine »Big Brother is watching you«-Haltung aus. Wobei ich zugeben muss, dass mich sein Beschützerinstinkt bereits mehrfach vor Schlimmerem bewahrt hätte, wenn ich es denn zugelassen hätte. Und damit meine ich nicht Linus Bergheim. Bei jeder bitter bereuten Fehlentscheidung, die ich in den letzten Jahren in Liebesdingen getroffen habe, hat Lysander mich vorher gewarnt, denn er hatte schon sehr früh durchschaut, auf was für Herzzerstörer ich mich eingelassen habe. Leider habe ich nur selten auf ihn gehört, und mit jedem Mann ist ein Stück mehr von meinem Selbstbewusstsein zerbröselt, sobald die flatternden Schmetterlinge wie zentnerschwere Steine in meinem Magen liegen blieben. Und immer waren Typen an meinem Elend schuld, die einfach viel zu gut aussahen. Da war Dennis, der im Grunde nur auf ein Praktikum in der Kanzlei meiner Eltern scharf war, oder Jannik, der auf die Schnelle jemanden suchte, um seine Ex-Freundin eifersüchtig zu machen. Der Schlimmste war Thomas, der eine Wette mit seinen Freunden laufen hatte, ob es ihm gelingen würde, zehn Frauen in zehn Wochen ins Bett zu kriegen. Und sollte Kai unter seinem Darth-Vader-Umhang keinen Bierbauch, eine Hühnerbrust oder fellähnliche Körperbehaarung verstecken, passt er optisch haargenau in dieses Männerschema. Daher kann ich mir eigentlich keinen Grund vorstellen, wieso er ausgerechnet mich ernsthaft interessant finden sollte.

»Er hat mir eine WhatsApp geschrieben, dass er den Corsa mit mir zusammen reparieren will«, sage ich und füge rasch hinzu: »Das ist kein Date! Du glaubst doch nicht, dass so ein Mann wie Kai ernsthaft was von mir wollen könnte!«

»Nora!« Ich höre förmlich, wie er sich die Haare rauft. »Du bist eine fantastische Frau, verkauf dich nicht immer unter Wert!«

»Lysi, wenn wir ehrlich sind, bin ich eher der Typ Frau für Liebe auf den zweiten Blick. Und den konnte er definitiv noch nicht auf mich werfen.« Es ist nicht so, als wär ich eine ungeküsste Jungfer, aber ich würde an stark übersteigertem Selbstbewusstsein leiden, wenn ich behauptete, dass allein mein Aussehen jeden Mann sofort umhauen würde.

»Er schreibt dir eine WhatsApp, in der er dich mehr oder weniger zu einer Verabredung einlädt. Wieso sollte er das tun, wenn nicht deinetwegen? Den Schaden könnte er auch komplett über die Versicherung laufen lassen.« Ich höre förmlich, wie es ihn innerlich zerreißt. Soll er mich jetzt beschützen oder lieber mein Selbstbewusstsein aufbauen?

»Oder er will das Geld für die Versicherung sparen. Ich sag dir, es ist kein Date.«

Und wenn er sich tatsächlich meinetwegen mit mir treffen will? Ich versuche, den Gedanken in den hintersten Winkel meines Herzens zu verdrängen. Dieses ganze »Er liebt mich, er liebt mich nicht«-Gänseblümchengerupfe ging mir schon immer auf den Zeiger. Warum können Mann und Frau nicht einfach sagen, was sie denken, statt andauernd diesen Ringelreigen zu tanzen? Hallo, du gefällst mir, gefalle ich dir auch? Kreuze an: ja oder nein – auf keinen Fall vielleicht, denn das würde es ja nur wieder kompliziert machen –, fertig. Aber nein, es scheint evolutionsbedingt einfach dazuzugehören, dass Männlein und Weiblein erst einen Affentanz aufführen, bevor sie sich paaren. Also, damit meine ich »paaren« im Allgemeinen, nicht bloß die Nachkommen fördernde Variante. Die aber auch. Oh, ich würde so gern mal wieder …

»Nora, bist du noch dran?«

»Öhm, sicher.« Ich habe mir mal wieder zu intensiv beim Denken zugehört.

»Okay, es ist kein Date. Trotzdem kannst du nicht abstreiten, dass dir der Typ gefällt. Was findest du überhaupt an dem?«

Das ist eine berechtigte Frage. Aber muss man immer erklären können, wieso einem beim Anblick eines bestimmten Menschen plötzlich das Blut mit Rekordgeschwindigkeit durch den Körper rauscht, die Härchen an den Armen sich anfühlen, als würde ein lauer Sommerwind darüberstreichen, und im Magen lauter Tierchen Saltos schlagen?

»Gar nichts finde ich an dem. Er ist nett, mehr nicht«, antworte ich schwammig und zugegeben nicht sehr ehrlich.

»Soso. Ich muss jetzt auflegen, unsere Pause ist vorbei. Eigentlich hatte ich angerufen, weil ich vorhin ganz vergessen habe zu fragen, ob wir heute Abend noch ins Kino gehen, aber das hat sich dann wohl erledigt, wenn du dich mit diesem Typen triffst, oder?« Sein Tonfall ist etwas frostig. Er macht sich einfach zu viele Sorgen um mich.

»Wir können doch auch morgen gehen«, vertröste ich ihn.

»Nora?« Er senkt seine Stimme. »Pass auf dich auf. Denn ja, vielleicht ist auch er ein Arschloch. Und falls es so sein sollte, denk ja nicht wieder, dass du nichts Besseres verdient hast. Du hast schlichtweg nur zu viel Pech gehabt bisher.«

»Kein Date!«, rufe ich erneut mit Nachdruck und schicke ein dankbares Küsschen durch die Leitung.

Dafür, dass das hier kein Date sein wird, tigere ich die kommenden Stunden erstaunlich aufgeregt im Zimmer auf und ab und durchforste mehrfach meinen Kleiderschrank auf der Suche nach einem halbwegs ansehnlichen Outfit – was bei der Wahl zwischen Kapuzenpulli und Ohne-Kapuze-Pulli reichlich erfolglos ausfällt. Er will nur den Corsa reparieren, um die Versicherung nicht einschalten zu müssen, rede ich mir ein, um mein Herz davon zu überzeugen, nicht mehr ganz so heftig zu schlagen. Es ist quasi eine rein geschäftliche Verabredung.

Als es schließlich an der Tür klingelt, beiße ich mir trotzdem vor lauter Nervosität auf die Zunge. Vor der Tür steht jedoch nicht Kai, sondern meine Freundin Svea. Sie streckt mir kommentarlos eine Tüte von Oebel entgegen. Offenbar erwartet sie eine Reaktion, denn als ich sie nur anstarre, schiebt sie mich zur Seite und lässt sich selbst ins Haus. »Ich war beim Bäcker und hab dir Lütticher Zuckerwaffeln und Quarkbällchen mitgebracht.«

Ich würde gern etwas sagen, bin mir allerdings nicht sicher, was genau Svea sich wohl als adäquate Antwort erhofft. »Ja?«

»Ach Norchen! Lysander hat mich angerufen. Er meinte, ihr hättet einen Unfall gehabt, und du bräuchtest eine Portion Aufmunterung. Weil er im Seminar festsitzt, hat er mich geschickt. Und wenn jemand aufgemuntert werden muss, bringt man ihm Fett und Zucker, ist doch logisch oder?«

»Ja?«, wiederhole ich mich.

»In deiner Familie etwa nicht?« Sie sieht ehrlich erstaunt aus.

»In meiner Familie ist es üblich, zu hören zu bekommen, dass man selbst an seiner Misere Schuld hat und gefälligst auch selbst dafür sorgen soll, dass es besser wird.«

Jedem anderen hätten meine eigentlich recht mitleidhaschenden Worte ein »Oooh!« oder zumindest einen Rückentätschler entlockt, Svea ignoriert sie und wedelt mit der Tüte vor meiner Nase. »Also bei uns Rosenbaums füttert man andere mit fettigen Backwaren, bis alle sich vollgestopft, aber auch irgendwie glücklicher fühlen.«

»So schlecht geht es mir doch gar nicht«, murmele ich, schnappe mir dennoch die Tüte und trotte die Treppe hoch ins Badezimmer. Meine Haare weisen die typische Mützenfrisur auf – in meinem Fall plattgefahrener Igel auf der Landstraße –, das muss ich dringend noch ändern, bevor Kai kommt. Bu-bumm. Und wieder macht mein Herz einen kleinen Hüpfer.

Svea, die mir gefolgt ist, lässt sich schwungvoll auf dem Toilettendeckel nieder, was ihn zum Klappern bringt. »Du könntest dich ruhig ein bisschen mehr freuen, dass ich hier bin.«

Die Verlegenheit kriecht mir bis in die äußersten Haarspitzen, und ich schiebe mir schnell ein Quarkbällchen in den Mund, um ja nicht antworten zu müssen. Tatsächlich wäre es mir lieber, wenn ich jetzt allein wäre, denn wenn Kai auftaucht, könnte es sonst so wirken, als hätte ich Svea als Anstandswauwau engagiert. Ich wette, das war genau Lysanders Plan, als er sie angerufen und zu mir geschickt hat. Wobei Svea optisch mit ihrer Nickelbrille und dem streng geflochtenen Dutt zwar durchaus mit Fräulein Prysselius aus Pippi Langstrumpf mithalten kann, mit einem Anstandswauwau ansonsten aber so viel gemeinsam hat wie Marilyn Manson mit Justin Bieber.

»Könnte sein, dass ich gleich so etwas wie eine Verabredung habe«, nuschele ich, nachdem ich das Quarkbällchen so lange in meinem Mund zu Brei verarbeitet habe, dass mir nichts anderes übrigbleibt, als es hinunterzuschlucken.

»Mit einem Mann?«

Schnippische Antworten à la »Nein, mit einer Parkuhr« wären an dieser Stelle unangebracht. Svea ist nämlich der Meinung, dass der Mensch nicht dafür geschaffen ist, sich allein dem gegenteiligen Geschlecht zuzuwenden, und findet, dass diese Einstellung für jeden anderen Menschen genauso gelten sollte.

»Mit meinem Unfallgegner. Er will mir die Stoßstange reparieren.« Kopfüber versuche ich, meine kurzen blonden Flusen zu so etwas wie einer Frisur zu bürsten.

»Stoßstange reparieren? Ist das ein Synonym für Sex?«

Ruckartig werfe ich meinen Kopf zurück und merke, dass meine Haare elektrisiert in alle Richtungen abstehen. »Was? Auf gar keinen Fall! Es ist kein Date, sondern nur eine Möglichkeit für ihn, den Schaden günstig zu regulieren.« Es hört sich plausibel an, doch im Grunde ist mir klar, dass ich mich selbst belüge. Natürlich wünsche ich mir, dass es um mehr geht, als nur um den Corsa, aber wenn ich das Svea und damit auch mir selbst gegenüber offen zugebe, laufe ich nur Gefahr, erneut enttäuscht zu werden.

Svea schwingt sich vom Toilettendeckel, nimmt mir die Bürste aus der Hand und beginnt, meine Haare in Form zu bringen. »Lass mich raten: Er sieht gut aus, und du hast Angst, dass er dich nur ausnutzt. Hab mal ein wenig Vertrauen in deine sexuelle Ausstrahlung. Nicht jeder Mann ist ein Arschloch.« Svea durchschaut mich einfach viel zu gut, obwohl wir uns erst seit zwei Jahren kennen. Sie jobbt neben ihrem Pharmaziestudium bei Akin, der so begeistert von ihr ist, dass er sie inzwischen sogar mit dem Elektromesser an den Fleischspieß lässt – eine ehrenvolle Aufgabe, die er nicht einmal seiner eigenen Ehefrau zutraut. In seinem Laden haben wir uns zum ersten Mal getroffen.

»Pfmpf«, schnaube ich, denn ich hasse es, so durchschaubar zu sein. Zweifelsohne habe ich Sorge, dass ich mal wieder überall Herzchen fliegen sehe und der Typ sich insgeheim ins Fäustchen lacht, weil ich so naiv bin.

Bevor Svea weiter in meinem Pseudo-Liebesleben herumstochern kann, werden wir von einem erneuten Türläuten im Big-Ben-Stil unterbrochen.

»Hat eure Villa eigentlich auch einen Hinterausgang?«

»Klar, wir haben mehrere Dienstbotenausgänge«, unke ich und strecke ihr die Zunge raus. Hastig wuschele ich ein letztes Mal durch meine Haare und drehe mich vor Svea einmal im Kreis. Mein Problemzonen-Killer-Kapuzenpulli ist vielleicht kein heißes Cocktailkleid, aber in so einem würde ich sowieso nur aussehen wie Wurst in Pelle. Immerhin trage ich für meinen Geschmack verhältnismäßig enge Röhrenjeans, die meinen Boyfriend-Look ein wenig relativieren.

»Hab schon Schlimmeres gesehen.« Svea wirft mir eine Kusshand zu. »Los, geh! Und hinterher erzählst du mir alles bis ins kleinste Detail, vor allem die schmutzigen. Ich lass mich gleich selbst raus.«

Ich hebe mahnend den Finger, ehe ich mich auf den Weg ins Erdgeschoss mache. »Es wird keine schmutzigen Details geben.« Selbst wenn er mich ehrlich mögen sollte, ganz ohne fiese Hintergedanken – so schnell lass ich mich auf nichts mehr ein. Zu sehr lecke ich immer noch an den alten Wunden. Bevor ich die Tür öffne, atme ich tief ein und vergesse beinahe, wieder auszuatmen, als ich in Kais Gesicht blicke. Kann man wahrhaftig dahinschmelzen? Mir wird jedenfalls furchtbar heiß, und ich bin mir unschlüssig, ob das tatsächlich nur so eine Floskel ist.

Statt des albernen Darth-Vader-Kostüms trägt er Baggypants. Und obwohl diese Art von Hose meiner Meinung nach ihre modisch coolsten Zeiten bereits lange hinter sich hat, sieht es ziemlich sexy aus, wie der jeansblaue Stoff so auf halb acht an seiner Hüfte hängt. Über seinem kurzen grauen Parka entdecke ich einen türkisfarbenen Schal, der einfach göttlich gut zu seinem Teint und den betörend dunklen Augen passt. Auf seinen Haarspitzen thronen ein paar Schneeflocken. Er lächelt, und ich schramme haarscharf an der Schnappatmung vorbei.

»Hi«, hauche ich und hoffe, dass Svea sich oben nicht vor Lachen auf dem Badezimmerboden kringelt. Ich klinge nämlich wie ein verliebter Teenager.

Kai lächelt noch breiter und zeigt dabei ein paar wunderschöne ebenmäßig weiße Zähne.

»Hier wohnst du also? Schicke Gegend. Wieso fährst du dann bloß so eine olle Gurke?«

»Schon klar. Das Töchterlein aus gutem Hause muss natürlich eine Bonzenkarre fahren, was auch sonst. Wie kann man nur so oberflächlich sein?« Meine kleine Schwärmerei ist so schnell verraucht, wie sie gekommen ist, und ich knalle ihm die Tür vor der hübschen Nase zu.

Es klingelt, doch statt zu öffnen, drehe ich mich um, den ganzen Körper angespannt wie ein Flitzebogen. So ein Blödmann! Aber wer einen dicken BMW fährt, glaubt wohl, sich über meine Erna mokieren zu dürfen.

Svea schaut über das Treppengeländer und zieht fragend eine Augenbraue hoch. Es klingelt erneut, und kurz darauf klopft es. Eigentlich möchte ich am liebsten Wut-Nora Stufe zwei auspacken, aber dann höre ich förmlich Lysanders mahnende Stimme in meinem Kopf, ich solle nicht so eine Drama-Queen sein. Daher springe ich großzügig und mit einem eleganten Hopser über meinen eigenen Schatten und drücke die Klinke abermals hinunter.

»Hm?«, murmele ich in meinem freundlichsten Was-denn-noch-Tonfall.

»Entschuldigung.«

»Du machst das irgendwie gern, dich entschuldigen, oder?«

»Eigentlich nur bei dir. Scheinbar bin ich gut darin, dir ins Auto zu krachen oder auf die Füße zu treten.« Er senkt den Blick.

»Ja, schon gut.« Gott, er sieht einfach umwerfend aus, wie er da steht und die Fugen zwischen den Pflastersteinen zu zählen scheint. Ach verflucht – da ist er aufs Neue, der verliebte Teenager in mir.

Als Kai mich ansieht, scheinen seine Augen zu funkeln. »Sollen wir dann los?«

»Öhm, wohin denn genau?«

»Lass dich überraschen.« Er lacht, dreht sich um und läuft los, ohne abzuwarten, ob ich ihm folge.