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Ein wunderbar anschauliches Bild für lebendig gebliebene, wiederverlebendigte Klassik! Danach sind die hier versammelten Gedichte, Sprüche und Erzählungen sowie der »Prolog im Himmel« aus dem »Faust«-Drama ausgewählt. Sie spiegeln im kleinen jenen großen »Kreis der Schöpfung«, den die Dichtung Goethes durchschritten hat.
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Seitenzahl: 77
Veröffentlichungsjahr: 2025
Ausgewählt von Walter Hinck
Insel Verlag
eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2025
Der vorliegende Text folgt der 3. Auflage der Ausgabe des insel taschenbuchs 2675.
© 1995, Insel Verlag Anton Kippenberg GmbH & Co. KG, Berlin
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Umschlaggestaltung: hißmann, heilmann, hamburg
eISBN 978-3-458-75284-4
www.insel-verlag.de
Am Sein erhalte dich beglückt!: Gedichte
Lösest meine Seele ganz
An den Mond (1776-78/1789)
Auf dem See (1775/89)
Herbstgefühl (1775/89)
Wandrers Nachtlied (1776/89)
Ein Gleiches (1780)
Wunderliches Buch der Liebe
Lesebuch (1815)
Heidenröslein (1771/89)
Der König in Thule (1774/1800)
Mut des reinen Lebens
Der Schatzgräber (1797)
»Was wär ein Gott« (etwa 1812/13)
Dauer im Wechsel (1803)
Stirb und werde!
Selige Sehnsucht (1814)
Eins und Alles (1821)
Vermächtnis (1829)
Wenn dir's in Kopf und Herzen schwirrt: Sprüche in Versen
Ein hübsch Leben zimmern
Das Beste
Lebensregel
Keine Selbstzufriedenheit
Demut
Undank der Lohn
Keins von Allen
Vergebliche Müh
Benutze redlich deine Zeit
Meine Wahl
Eigenschaften kultivieren, nicht Eigenheiten: Sprüche in Prosa
Historische Gerechtigkeit
Sich selbst regieren
Der lebendige Geist
Wissen und Zweifel
Irrtum und Weisheit
Welt und Kunst
Anerkennung des anderen
Unerhörte Begebenheiten: Erzählungen
Die wunderlichen Nachbarskinder. Novelle (Aus: »Die Wahlverwandtschaften«)
Novelle
Das Werdende, das ewig wirkt und lebt
Prolog im Himmel (Zu: »Faust. Eine Tragödie«)
Erläuterungen
Gedichte
Sprüche in Versen
Sprüche in Prosa
Erzählungen
Prolog im Himmel
Zur Textgestalt
Gedichte
Füllest wieder Busch und Tal
Still mit Nebelglanz,
Lösest endlich auch einmal
Meine Seele ganz;
Breitest über mein Gefild
Lindernd deinen Blick,
Wie des Freundes Auge, mild
Über mein Geschick.
Jeden Nachklang fühlt mein Herz
Froh und trüber Zeit,
Wandle zwischen Freud’ und Schmerz
In der Einsamkeit.
Fließe, fließe, lieber Fluß,
Nimmer werd’ ich froh,
So verrauschte Scherz und Kuß,
Und die Treue so.
Ich besaß es doch einmal,
Was so köstlich ist!
Daß man doch zu seiner Qual
Nimmer es vergißt!
Rausche, Fluß, das Tal entlang,
Ohne Rast und Ruh,
Rausche, flüstre meinem Sang
Melodien zu!
Wenn du in der Winternacht
Wütend überschwillst,
Oder um die Frühlingspracht
Junger Knospen quillst.
Selig wer sich vor der Welt
Ohne Haß verschließt,
Einen Freund am Busen hält,
Und mit dem genießt,
Was von Menschen nicht gewußt,
Oder nicht bedacht,
Durch das Labyrinth der Brust
Wandelt in der Nacht.
Und frische Nahrung, neues Blut
Saug’ ich aus freier Welt;
Wie ist Natur so hold und gut,
Die mich am Busen hält!
Die Welle wieget unsern Kahn
Im Rudertakt hinauf,
Und Berge, wolkig himmelan,
Begegnen unserm Lauf.
Aug’, mein Aug’, was sinkst du nieder?
Goldne Träume kommt ihr wieder?
Weg, du Traum! so Gold du bist;
Hier auch Lieb’ und Leben ist.
Auf der Welle blinken
Tausend schwebende Sterne,
Weiche Nebel trinken
Rings die türmende Ferne;
Morgenwind umflügelt
Die beschattete Bucht,
Und im See bespiegelt
Sich die reifende Frucht.
Fetter grüne, du Laub’,
Am Rebengeländer
Hier mein Fenster herauf;
Gedrängter quellet,
Zwillingsbeeren, und reifet
Schneller und glänzend voller.
Euch brütet der Mutter Sonne
Scheideblick; euch umsäuselt
Die holden Himmels
Fruchtende Fülle;
Euch kühlet des Mondes
Freundlicher Zauberhauch,
Und euch betauen, ach!
Aus diesen Augen
Der ewig belebenden Liebe
Vollschwellende Tränen.
Der du von dem Himmel bist,
Alles Leid und Schmerzen stillest,
Den, der doppelt elend ist,
Doppelt mit Erquickung füllest,
Ach! ich bin des Treibens müde!
Was soll all der Schmerz und Lust?
Süßer Friede!
Komm, ach komm in meine Brust!
Über allen Gipfeln
Ist Ruh’,
In allen Wipfeln
Spürest Du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur! Balde
Ruhest du auch.
Wunderlichstes Buch der Bücher
Ist das Buch der Liebe;
Aufmerksam hab’ ich’s gelesen:
Wenig Blätter Freuden,
Ganze Hefte Leiden,
Einen Abschnitt macht die Trennung.
Wiedersehn! ein klein Capitel
Fragmentarisch. Bände Kummers
Mit Erklärungen verlängert,
Endlos ohne Maas.
O! Nisami1! – doch am Ende
Hast den rechten Weg gefunden;
Unauflösliches wer löst es?
Liebende sich wieder findend.
Sah ein Knab’ ein Röslein stehn,
Röslein auf der Heiden,
War so jung und morgenschön,
Lief er schnell es nah zu sehn,
Sah’s mit vielen Freuden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.
Knabe sprach: ich breche dich,
Röslein auf der Heiden!
Röslein sprach: ich steche dich,
Daß du ewig denkst an mich,
Und ich will’s nicht leiden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.
Und der wilde Knabe brach
’s Röslein auf der Heiden;
Röslein wehrte sich und stach,
Half ihr doch kein Weh und Ach,
Mußt es eben leiden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.
Es war ein König in Thule
Gar treu bis an das Grab,
Dem sterbend seine Buhle
Einen goldnen Becher gab.
Es ging ihm nichts darüber,
Er leert’ ihn jeden Schmaus;
Die Augen gingen ihm über,
So oft er trank daraus.
Und als er kam zu sterben,
Zählt’ er seine Städt’ im Reich,
Gönnt’ alles seinem Erben,
Den Becher nicht zugleich.
Er saß beim Königsmahle,
Die Ritter um ihn her,
Auf hohem Vätersaale,
Dort auf dem Schloß am Meer.
Dort stand der alte Zecher,
Trank letzte Lebensglut,
Und warf den heil’gen Becher
Hinunter in die Flut.
Er sah ihn stürzen, trinken
Und sinken tief ins Meer.
Die Augen täten ihm sinken,
Trank nie einen Tropfen mehr.
1 Goethe verwechselt hier den türkischen Dichter Nischani, dem er in diesen Versen nachdichtet, mit dem persischen Dichter Nisami.
Arm an Beutel, krank am Herzen,
Schleppt’ ich meine langen Tage.
Armut ist die größte Plage,
Reichtum ist das höchste Gut!
Und zu enden meine Schmerzen,
Ging ich einen Schatz zu graben.
Meine Seele sollst du haben!
Schrieb ich hin mit eignem Blut.
Und so zog ich Kreis’ um Kreise,
Stellte wunderbare Flammen,
Kraut und Knochenwerk zusammen:
Die Beschwörung war vollbracht.
Und auf die gelernte Weise
Grub ich nach dem alten Schatze,
Auf dem angezeigten Platze.
Schwarz und stürmisch war die Nacht.
Und ich sah ein Licht von weiten;
Und es kam, gleich einem Sterne,
Hinten aus der fernsten Ferne,
Eben als es zwölfe schlug.
Und da galt kein Vorbereiten.
Heller ward’s mit einemmale
Von dem Glanz der vollen Schale,
Die ein schöner Knabe trug.
Holde Augen sah ich blinken
Unter einem Blumenkränze;
In des Trankes Himmelglanze
Trat er in den Kreis herein.
Und er hieß mich freundlich trinken;
Und ich dacht’: es kann der Knabe,
Mit der schönen lichten Gabe,
Wahrlich! nicht der Böse sein.
Trinke Mut des reinen Lebens!
Dann verstehst du die Belehrung,
Kommst, mit ängstlicher Beschwörung,
Nicht zurück an diesen Ort.
Grabe hier nicht mehr vergebens.
Tages Arbeit! Abends Gäste!
Saure Wochen! Frohe Feste!
Sei dein künftig Zauberwort.
Was wär ein Gott, der nur von außen stieße,
Im Kreis das All am Finger laufen ließe!
Ihm ziemts, die Welt im Innern zu bewegen,
Natur in Sich, Sich in Natur zu hegen,
So daß was in Ihm lebt und webt und ist,
Nie Seine Kraft, nie Seinen Geist vermißt.
Hielte diesen frühen Segen
Ach, nur Eine Stunde fest!
Aber vollen Blütenregen
Schüttelt schon der laue West.
Soll ich mich des Grünen freuen
Dem ich Schatten erst verdankt?
Bald wird Sturm auch das zerstreuen,
Wenn es falb im Herbst geschwankt.
Willst du nach den Früchten greifen,
Eilig nimm dein Teil davon!
Diese fangen an zu reifen
Und die andern keimen schon;
Gleich mit jedem Regengusse,
Ändert sich dein holdes Tal,
Ach, und in demselben Flusse
Schwimmst du nicht zum zweitenmal.
Du nun selbst! Was felsenfeste
Sich vor dir hervorgetan,
Mauern siehst du, siehst Paläste
Stets mit andern Augen an.
Weggeschwunden ist die Lippe,
Die im Kusse sonst genas,
Jener Fuß, der an der Klippe
Sich mit Gemsenfreche maß,
Jene Hand, die gern und milde
Sich bewegte wohlzutun.
Das gegliederte Gebilde,
Alles ist ein andres nun.
Und was sich, an jener Stelle,
Nun mit deinem Namen nennt,
Kam herbei wie eine Welle
Und so eilt’s zum Element.
Laß den Anfang mit dem Ende
Sich in Eins zusammen ziehn!
Schneller als die Gegenstände
Selber dich vorüberfliehn.
Denke, daß die Gunst der Musen
Unvergängliches verheißt,
Den Gehalt in deinem Busen
Und die Form in deinem Geist.
Sagt es niemand, nur den Weisen,
Weil die Menge gleich verhöhnet,
Das Lebend’ge will ich preisen
Das nach Flammentod sich sehnet.
In der Liebesnächte Kühlung,
Die dich zeugte, wo du zeugtest,
Ueberfällt dich fremde Fühlung
Wenn die stille Kerze leuchtet.
Nicht mehr bleibest du umfangen
In der Finsterniß Beschattung,
Und dich reißet neu Verlangen
Auf zu höherer Begattung.