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IN DIESEM MOMENT PASSIERT ETWAS MIT MIR.
FÜR DIE WELT ÄNDERT SICH NICHTS, DOCH FÜR MICH ÄNDERT SICH DIE GANZE WELT
Die talentierte Dressurreiterin Maeve Bennett träumt von der Olympiateilnahme. Aber seit ihr Trainer Paul Dunmore unangemessenes Interesse an ihr zeigt, hat sie die Freude am Reiten verloren. Maeve fürchtet, alles zu verlieren, wenn sie Paul beschuldigt und ihr Wort gegen seins steht. In ihrer Verzweiflung fällt ihr nur eine Lösung ein, damit er sie in Ruhe lässt: eine Fake-Beziehung mit Archie Winterbottom, der während des Sommers auf Goldcrest Manor wohnt. Archie ist attraktiv, verschlossen und zu Maeves Überraschung bereit, ihr zu helfen. Denn er weiß, wie es ist, wenn man sich niemandem anvertrauen kann. Aber je öfter sie das verliebte Paar spielen, desto echter fühlt sich die vorgetäuschte Beziehung plötzlich an ...
»Mit SUNLIT GROVE hat sich Yvy Kazi für immer in mein Herz geschrieben. Die Geschichte von Maeve und Archie ist emotional und facettenreich und zeigt uns, dass es sich lohnt, mutig zu sein und Vertrauen zuzulassen, auch wenn man dazu über sich selbst hinauswachsen muss.« @nelelovesbooks
Band 2 der GOLDCREST-MANOR-Reihe
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Seitenzahl: 533
Veröffentlichungsjahr: 2025
Titel
Zu diesem Buch
Leser:innenhinweis
Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
Epilog
Namen, Orte & Begriffe
Dankesworte
Die Autorin
Die Bücher von Yvy Kazi bei LYX
Impressum
YVY KAZI
Goldcrest Manor
SUNLIT GROVE
Roman
Maeve Bennett ist dann am glücklichsten, wenn sie Zeit mit ihren Pferden verbringt. Ob beim Ausritt oder dem Dressurtraining, nichts bringt ihr Herz wilder zum Schlagen als das Reiten. Und das ist auch gut so, denn sie arbeitet schon lange auf ihren großen Traum hin: die Olympiateilnahme. Doch seit ihr Trainer Paul Dunmore ein unangebrachtes Interesse an ihr entwickelt hat und sie auch abseits des Unterrichts bedrängt, hat das Reiten jede Leichtigkeit verloren. Maeve fürchtet, alles zu verlieren, wenn sie Paul beschuldigt und ihr Wort gegen seins steht. In ihrer Verzweiflung fällt ihr nur eine Lösung ein, damit er sie in Ruhe lässt: eine Fake-Beziehung mit Archie Winterbottom, der während des Sommers auf Goldcrest Manor wohnt. Archie ist attraktiv, distanziert und zu Maeves Überraschung bereit, ihr zu helfen. Denn Archie weiß, wie es ist, sich niemandem anvertrauen zu können. Schließlich hat er ganz eigene Geheimnisse: seine Familie und seine Zukunft als Duke of Hawthorne, die er beide am liebsten vergessen würde. Aber je öfter Maeve und Archie das verliebte Paar spielen, desto stärker wird die Verbindung zwischen ihren verschlossenen Herzen …
Willkommen zurück auf Goldcrest Manor.
Für alle, die ihren Platz in der Welt erst noch finden müssen.
Ich wünsche euch einen Ort, an dem sich euer Herz sicher und geborgen fühlt. Und eine Familie, die euch aufrichtig liebt, auch wenn ihr womöglich nicht verwandt seid.
Die Tore von Goldcrest Manor stehen euch jederzeit offen. Hier dürft ihr sein, wer auch immer ihr wollt.
Liebe Leser:innen,
dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Deshalb findet ihr hier einen Contenthinweis.
Achtung: Dieser enthält Spoiler für das gesamte Buch!
Wir wünschen uns für euch alle das bestmögliche Leseerlebnis.
Eure Yvy und euer LYX-Verlag
Auszug aus dem Ratgeber:
»Über das Führen einer glücklichen Ehe«
Eine glückliche Ehe ist nichts, was dem einen geschenkt und dem anderen verwehrt wird.Sie ist ein Entschluss zweier Parteien, jeden Tag aufs Neue das Beste im Gegenüber zu sehen, Kompromisse einzugehen und den Verlust des Herzens zu riskieren. Und das mitunter gegen jedwede Vernunft.
Lord Edgard Winterbottom – Duke of Hawthorne (1918)
Archie
Heute
»Es ist nur ein Kuss«, wispert Maeve gegen meine Lippen und schließt die Augen. Ihre Lider flattern, lassen ihre langen Wimpern wie die Flügel eines Schmetterlings wirken. Sie ist so unfassbar hübsch, nicht nur im sanften Schein der Lichterketten. Wenn die Welt ein gnädigerer Ort und unsere Geschichte eine andere – eine echte – wäre, wäre ich in diesem Moment der glücklichste Mensch auf Erden.
»Nur ein Kuss«, wiederhole ich, doch so gern ich sie auch berühren würde, bringe ich es nicht übers Herz.
Maeve ist … wundervoll. Zauberhaft. Perfekt. Sie ist wie dafür geschaffen, angebetet zu werden. Schon seitdem ich sie das erste Mal auf dem Reitplatz gesehen habe, wie sie mit ihrem Pferd über den Sand schwebte, kann ich an nichts anderes denken, als ihr nahe zu sein. Aber ich darf es nicht, denn alles an diesem Augenblick ist fake.
Als Maeves Lippen meine berühren, zieht sich etwas in mir schmerzhaft zusammen. So fühlt sich also Sehnsucht an. Dieses nagende Verlangen ist die Bestätigung für etwas, das ich längst wusste: Ich begehre Maeve Bennett. Auf jede nur erdenkliche Art und Weise. Und auch wenn es in diesem Moment anders erscheint, beruht es nicht auf Gegenseitigkeit. Das zwischen uns ist eine Lüge. Wusste ich, dass diese Sache meine Überzeugungen auf eine harte Probe stellen wird? Oh ja. Und dennoch habe ich mich darauf eingelassen.
Wie leichtsinnig von mir.
Mit einem Räuspern beende ich den Kuss.
»Reicht das?«, frage ich mit zitternder Stimme und nehme all meine Selbstbeherrschung zusammen, um Maeve nicht spüren zu lassen, was für ein gewaltiges Gefühlschaos diese winzige Berührung in mir ausgelöst hat.
Blinzelnd und mit geröteten Wangen sieht sie zu mir auf. Ihre wunderschönen Lippen teilen sich, als wollte sie etwas sagen, stattdessen schluckt sie und wendet den Blick ab, vermutlich, um sich umzuschauen und herauszufinden, ob unser Kuss zur Kenntnis genommen wurde.
»Vorerst«, antwortet sie vage.
Einen Herzschlag lang stelle ich mir vor, dass es ihr wie mir geht. Dass der Kuss nicht gereicht hat. Dass er einen Hunger genährt hat, der nie gestillt werden wird. Weil es niemals genug sein wird.
Aber die Realität sieht anders aus, denn heute Abend werde ich wieder allein ins Bett gehen und mir erneut sagen, dass es so besser ist.
Menschen können dich verletzen. Allein bist du besser dran, erinnere ich mich und streiche über meinen Hemdärmel. Über die Narben auf der Innenseite meines Unterarms. Narben von Wunden, die ich mir ironischerweise selbst zugefügt habe – niemand sonst.
Mir geht es gut. Ich habe mein Leben im Griff. Meine Gefühle für Maeve werden sich regeln. Sie sind nichts Ernstes, wiederhole ich so lange in Gedanken, bis dieser Abend eine unerwartete Wendung nimmt, die mich alles infrage stellen lässt.
Verhaltensregel Nr. 1Die Kunst des Kompromisses:
Für eine harmonische Beziehung ist es oft notwendig, Zugeständnisse zu machen. Streben Sie dabei nach Kompromissen, die beiden Partnern gleichermaßen gerecht werden. So verlockend Zugeständnisse auch wirken mögen, um die Harmonie des Hauses wiederherzustellen: Vergessen Sie niemals sich selbst. Denn nur ein glücklicher Mensch kann das Glück in anderen entfachen.
Lord Edgard Winterbottom – Duke of Hawthorne
Maeve
Wenige Wochen zuvor
Mit wild schlagendem Herzen schrecke ich aus dem Schlaf hoch und versuche, die verstörenden Bilder des bizarren Albtraums aus meinem Kopf zu verbannen. Noch immer schwirren sie durch mein Bewusstsein und vernebeln meine Sinne. Ich atme tief durch, streiche mir mit zittrigen Fingern den schweißfeuchten Pony aus der Stirn und sehe mich im Halbdunkel meines Zimmers um. Ich bin allein. In Sicherheit.
Es dauert ein paar Atemzüge, bis mein Puls sich beruhigt und das beklemmende Gefühl in meiner Brust nachlässt.
Ich hasse Träume wie diesen. Eigentlich begann er noch ganz angenehm. Ich war drüben im Hengststall und habe mich um Vitus gekümmert – wie jeden Tag. Ich hinterfrage lieber nicht, warum Archie irgendwann hinzukam oder warum wir uns geküsst haben und kaum die Finger voneinander lassen konnten. Manchmal hat man im Schlaf diese heißen Fantasien. Und warum nicht mit Archie? Er ist auf eine zurückhaltende Weise attraktiv. Gepflegt, aufmerksam und wenn er mal lächelt … Er tut es viel zu selten, denn sein Lächeln ist wirklich süß. Wäre der Traum bei dieser hitzigen Begegnung geblieben, hätte ich mich nicht beklagt. Ganz im Gegenteil. Ich habe jede Sekunde davon genossen. Doch plötzlich geschahen diese gruseligen Dinge, die nur in Träumen passieren. Aus Archies Körper wurde der von Paul Dunmore – der meines Reitlehrers. Die eben noch so verheißungsvollen Berührungen wurden unangenehm und grob. Mein Verlangen nach Nähe erstarb, ich wollte nur noch weg.
»Du willst es doch auch«, raunte Paul in mein Ohr, sein Atem roch nach ungeputzten Zähnen und kaltem Kaffee – so wie der meines früheren Mathelehrers. Allein bei der Erinnerung daran wird mir übel.
Du willst es doch auch. –Nein. Ich wollte das nicht. Nicht mit ihm. Niemals.
Es war nur ein Traum, ermahne ich mich und meinen immer noch bebenden Körper. Nur ein Traum.
Ich atme ein letztes Mal tief durch, steige aus dem Bett und ziehe die schweren Vorhänge an meinem Fenster beiseite. Kurz blinzle ich gegen die jähe Helligkeit an. Beim Anblick der endlosen Wiesen im Morgengrauen normalisiert sich mein Puls endlich. Ein neuer Tag beginnt. Noch hängt silbriger Dunst über den Weiden von Goldcrest Manor, doch erste orangefarbene Strahlen tasten nach dem Grau, um es zu vertreiben. Meine Schwester Kenzie hat nie verstanden, warum ich gern so früh aufstehe. Es ist nichts, was ich ihr rational erklären kann. Ich liebe es, wenn der Rest der Welt noch schläft. Wenn die Pferde auf den Sommerweiden dösen und Tau wie Kristallglas an den Gräsern hängt. Niemand will etwas von mir. Alles ist ruhig. Friedlich. Ein frischer Tag liegt vor mir. Ein Tag, der die Chance birgt, der beste meines Lebens zu werden. Und wenn ich ehrlich bin, warte ich sehnsüchtig darauf. Ich liebe meinen Alltag – meistens. Und trotzdem wache ich jeden Morgen mit der Hoffnung auf, dass etwas geschieht, was die düsteren Gewitterwolken in meinem Inneren vertreibt. Dass es klick macht und ich einen Weg finde, all das Schlechte und Beängstigende aus meinem Leben zu verbannen, ohne das Gute zu verlieren. Doch wie sagt man? Kein Licht ohne Schatten. Und mein Licht ist nach wie vor Goldcrest. Denn selbst wenn mein Traum von Olympia am Ende platzt, bleibt mir noch immer unser Gestüt. Es ist nicht nur mein Zuhause, sondern meine Berufung. Die Arbeit mit den Pferden wird stets da sein – egal, was geschieht. Diese Sicherheit im Hinterkopf hilft mir dabei, Kraft zu tanken.
Einen Moment noch betrachte ich die grasenden Tiere auf den Wiesen, bis mein Blick zum Appartement über unserer Festscheune hinüberzuckt, weil jemand eine Lampe eingeschaltet hat. Jemand namens Archie, der sich vor ein paar Wochen dort eingemietet hat, um an der Silberhochzeit der Eltern seines besten Freundes Julian teilzunehmen – und die Semesterferien mit ihm gemeinsam auf dem Land zu verbringen. Er ist ein Stadtmensch mit einer Vorliebe für Maßanzüge und bunte Socken, hat Angst vor Pferden, studiert in St. Andrews irgendwas mit Marketing oder Medien – und hat garantiert noch nie davon geträumt, dass wir uns in der Stallgasse näherkommen. Für so etwas wirkt er zu anständig, denn in einem Punkt musste ich meine Meinung über ihn schon revidieren: Trotz Bentley-Cabrio und goldener Luxusarmbanduhr ist er kein arroganter Schnösel. Er scheint jemand zu sein, der es ehrlich gut mit seinen Freunden meint. Kenzie sagte, er habe dabei geholfen, das Gästeappartement vollständig zu renovieren, und es sehe großartig aus. Er behauptet ständig, kein Familienmensch zu sein, und will Julian dennoch zu seiner Familienfeier begleiten. Und obwohl er Respekt vor großen Tieren hat, hat er sich von meiner Schwester zeigen lassen, wie man Boxen richtig ausmistet. Ob der Schauplatz meiner nächtlichen Fantasie deswegen unser Stall war? Wer weiß das schon?
Mit einem Seufzen löse ich mich vom Fenster. Es war bloß ein bedeutungsloser Traum. Und noch dazu einer ohne Happy End. Nichts, was es wert wäre, auch nur einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden.
Nach einer schnellen Dusche nehme ich die knarzende Holztreppe nach unten und bleibe in der Tür zur Wohnküche stehen. Wie ich diesen Anblick liebe. Goldcrest ist zu jeder Jahreszeit schön, aber wenn die Sommersonne morgens durch die bodentiefen Sprossenfenster in die Küche flutet und alles in warmes Licht taucht, mag ich es besonders gern. Die Rosenbüsche vor dem Haus stehen in voller Pracht und erinnern mich an ein wogendes Meer weißer und rosafarbener Blüten. Einige der Pferde bleiben über Nacht draußen, und allein ihr friedlicher Anblick im Morgendunst erfüllt mich mit Dankbarkeit. Ich hatte so ein gewaltiges Glück, hier aufwachsen zu dürfen.
Rasch mache ich mir ein Müsli, setze mich an den großen Esstisch und lasse mir von den ersten goldenen Sonnenstrahlen den Rücken wärmen. Gerade als ich mir den Löffel in den Mund schiebe, erklingt der Nachrichtenton meines Handys. Gewohnheitsgemäß greife ich danach und bereue es sofort. Von einer Sekunde zur nächsten vergeht mir der Appetit; mein Magen fühlt sich plötzlich an, als wäre er mit Steinen gefüllt, und ein eiskalter Schauer rinnt meinen Rücken hinab.
Paul Dunmore: Denk daran – 11 Uhr auf eurem Platz. Freue mich schon auf dich.
Paul Dunmore ist mein Reitlehrer, seitdem ich dreizehn Jahre alt war. Sechs – fast sieben – Jahre arbeiten wir nun zusammen. Vor jedem Training schickt er mir eine Nachricht. Anfangs dachte ich, seine SMS wären nichts weiter als eine freundliche Erinnerung. Harmlose Nettigkeiten, damit ich unsere Reitstunden nicht verschussele. Da der echte Paul nicht nach kaltem Kaffee und Mottenkugeln riecht, sondern ein sehr beliebter und charismatischer Mann ist, habe ich mich früher darüber gefreut. Er ist attraktiv, sportlich, gut vernetzt und hat viele spätere Olympioniken ausgebildet. Es gibt in der ganzen Gegend keinen besseren Trainer – keinen wertvolleren Verbündeten auf dem Weg an die Spitze – als ihn. Und vielleicht gab es während meiner Pubertät sogar eine kurze, verwirrende Phase, in der ich seine Schmeicheleien schön fand. Zu einer Zeit, als sich niemand in meiner Familie wirklich für mich interessierte, weil sich alle um Kenzie sorgten, hat er mich gesehen. Doch meine Schwärmerei für ihn endete ziemlich schnell, seine Nachrichten hingegen taten es nicht. Im Gegenteil. Je älter ich wurde, umso unangenehmer wurden sie mir.
Freue mich auf dich. – Nicht auf die Reitstunde, sondern auf mich. Obwohl ich das Reiten mehr als alles andere liebe, habe ich sofort ein flaues Gefühl im Magen.
So ein Unsinn. Es ist nichts. Er meint es nur nett. Du bist erwachsen. Stell dich nicht so an. Du schaffst das, rede ich mir gut zu, lege mein Handy beiseite und esse weiter, als wäre nichts gewesen. Ich ignoriere die unterschwellige Übelkeit, die mich den Rest des Morgens begleitet. Wenn ich ganz ehrlich zu mir wäre, müsste ich zugeben, dass sie mir vertraut ist. Ich spüre sie häufiger, wenn ich an Paul denke. Viel zu oft ärgere ich mich dann über mich selbst. Darüber, dass mir nicht einfach egal ist, was er schreibt. Doch sobald ich nachher im Stall bin, um Vitus auf den Unterricht vorzubereiten, wird das Ganze vergessen sein. Meine Liebe zu unseren Tieren ist größer als alles andere, und im Kopf meine heutige To-do-Liste durchzugehen, hilft mir dabei, mich von bedrückenden Emotionen abzulenken. Das Reiten und die Pferde bestimmen meinen Tag – und ich würde es gar nicht anders wollen. Boxen ausmisten, Futter verteilen, Tränken kontrollieren, Jungtiertraining, eine Runde joggen gehen, Reitstunde, auf den Koppeln nach dem Rechten sehen und vor dem Schlafengehen eine Yogasession, um körperlich fit zu bleiben. Ich liebe mein Leben und hoffe, dass irgendwann der Moment kommt, in dem ich auch die Reitstunden so unbeschwert wie früher wahrnehmen kann. Ohne den unangenehmen Druck auf meiner Brust. Nur dieses unbeschreibliche Gefühl, wenn mein Pferd und ich eine Lektion perfekt meistern – als Team.
Viermal in der Woche übe ich im Lords Edge Equestrian Center nahe London auf einem Pferd namens Falcon, das meine Mum geleast hat. Denn obwohl wir auf unserem Gestüt einige wundervolle Tiere haben, ist keines davon so talentiert für die Dressur wie er. Er ist ein Schatz, feinfühlig, aufmerksam und mein größter Trumpf auf dem Weg zu Olympia. Einmal in der Woche kommt Paul zu unserem Reitplatz auf Goldcrest, um mit mir und meinem eigenen Hengst zu arbeiten. Er hält es für Zeitverschwendung, weil Vitus noch nicht so weit ist, um auf Turniere zu gehen – geschweige denn solche, die als Qualifikation für Olympia dienen. Aber wie soll sich mein geliebter Rappe jemals weiterentwickeln, wenn ich ihn im Stich lasse? Ich hatte schon andere Pferde vor Vitus. Meist Lehrmeister, die nun in Rente sind und als Beisteller auf unseren Weiden oder den Anwesen von Bekannten stehen. Ich durfte viel von ihnen und mit ihnen lernen, die wichtigste Lektion lautet allerdings: Ein Pferd ist ein Partner, kein Sportgerät. Und eine Partnerschaft braucht konsequente Arbeit, um Vertrauen aufzubauen. Genau das versuche ich mit Falcon und Vitus zu tun, so oft es die Zeit zulässt.
Im Gegensatz zu Kenzie kann ich mir keinen Bürojob vorstellen. Wenn es mit dem Reiten nicht wie gewünscht laufen sollte, sehe ich meine Zukunft trotzdem hier auf Goldcrest Manor, denn selbst in den dunkelsten Augenblicken reicht der Gang in einen der Ställe, damit sich mein Herz wieder leichter fühlt. Das Gestüt ist mein Zuhause. Mein sicherer Hafen.
Dieses Gefühl der Unbeschwertheit hält auch später beim Betreten der Reithalle noch an; hier fühle ich mich wohl und behütet. Jede Ecke ist mir vertraut. Die matte Stelle des Spiegels, die ausgebesserte Bande, die immerzu eingestaubte Musikanlage. Diese Halle ist vor allem mein kleines Reich. Und das Gefühl der Geborgenheit, das ich in diesem Gebäude stets empfinde, scheint sich auf Vitus zu übertragen, denn der Großteil der heutigen Trainingsstunde läuft richtig gut. Er hat momentan eine seiner konzentrierteren Phasen. In den vergangenen Wochen habe ich viel Bodenarbeit mit ihm gemacht, um seine Beweglichkeit und Balance zu verbessern. Wir sind gemeinsam mit meiner Freundin Brooke und ihrem Pferd Amor ins Gelände gegangen, damit wir unser Vertrauen ineinander festigen und seine Muskulatur stärken können. Er hat sich zum ersten Mal getraut, mit mir auf dem Rücken eine flachere Stelle des Willow Creek zu durchqueren, obwohl ihm das rauschende Wasser bisher äußerst suspekt war. Grandpa hat immer gesagt: Ein Pferd, auf das du dich hundertprozentig verlassen kannst, ist mehr wert als jeder Stammbaum. Und er hatte so recht. Ich dachte, wir hätten wirkliche Fortschritte gemacht. Bis jetzt. Doch wie fast jedes Mal, wenn ich Vitus in der Reithalle nach dem Galopp durchparieren will, fängt er an zu bocken. Energisch wehrt er sich gegen meine Hilfe.
»Hooo. Alles gut, alles gut«, wiederhole ich mein Mantra und presse die Knie fest an den Sattel, bis der Hengst sich wieder fängt. Ich kenne seine Eskapaden schon, sie schockieren mich nicht mehr. »Du wirst mich nicht los«, sage ich so sanft wie möglich und reibe ihm über den Hals, als er sich schließlich beruhigt und schwer atmend stehen bleibt. »So ist gut.«
Vielleicht gibt es andere Methoden, aber für Vitus und mich funktioniert diese am besten: Unerwünschtes Verhalten sitze ich aus, versuche, es gegebenenfalls zu korrigieren, und lobe, sobald er einen Schritt in die gewünschte Richtung macht. Nach ein paar Sekunden ist alles vergessen. Noch ein letztes Schnauben, und er wirkt wieder vollkommen entspannt. Normalerweise würde ich jetzt eine weitere Lektion anhängen, die wir sicher beherrschen, um das Training mit einem positiven Erlebnis zu beenden – für uns beide. Doch ich spüre Pauls nahendes Donnerwetter schon, während er auf uns zukommt.
Auch Vitus’ Ohr zuckt nervös, als hätte er Angst vor dem anstehenden Tadel, also kraule ich weiterhin seinen Hals und versuche, ihn zu beruhigen. Wir sind ein Team. Was auch immer unser Trainer von sich gibt, wird daran nichts ändern.
»Maeve, ich sage es noch mal: Das wird so nichts.«
Bevor ich dazu komme, empört den Mund aufzumachen, schlägt er einen versöhnlicheren Ton an. Obwohl ich nach wie vor auf meinem Hengst sitze, nimmt er mir vorsichtig die Zügel aus der Hand, als wäre ich ein kleines Mädchen, das er vor sich selbst schützen will.
»Dein Dickkopf wird dich eines Tages an dein Ziel bringen, aber bis dahin solltest du zumindest ab und an auf mich hören.« Auch wenn ein Schmunzeln in seiner Stimme liegt, bildet sich eine steile Falte zwischen seinen Augenbrauen. »Wir sollten unsere Zeit hier nicht verschwenden. Konzentrier dich auf das Training mit Falcon; nur so kommst du voran. Wir suchen uns jemanden, der Vitus währenddessen auf Kurs bringt – und lasst ihn endlich legen. Das wird ihn vermutlich sehr viel umgänglicher machen.« Bis hierhin wäre ich bereit gewesen, über seine Worte nachzudenken, doch dann legt er seine Hand auf mein Knie und lässt sie langsam höher wandern. »Du weißt ja, was das Testosteron mit uns Männern macht.« Er lächelt. Und zwinkert.
Ich schweige.
Mein Mund ist zu trocken, um darauf etwas zu erwidern. Es fühlt sich an, als würde Pauls Berührung Eis durch meinen Körper schießen lassen, das mich schockgefriert. Ein paar Sekunden lang bin ich unfähig, mich zu rühren, und selbst als ich es wieder kann, ist alles, was mir einfällt, die Zügel aufzunehmen und gegen die Enge in meiner Brust anzuatmen. Ich hasse Pauls Anspielungen – und sie erreichen das Gegenteil von dem, was er sich erhofft: Je näher er mir kommt, umso größer wird meine Abneigung.
»Ich werde darüber nachdenken«, bringe ich hervor und schnalze mit der Zunge, damit Vitus sich in Bewegung setzt. Ein sanfter Wadendruck – weg von Paul.
In Momenten wie diesen überlege ich oft – sehr oft –, ob ich mich falsch verhalte. Soll ich ihm noch deutlicher zu verstehen geben, dass ich kein Interesse an ihm habe? Allerdings ist da diese unterschwellige Furcht, ihn vor den Kopf zu stoßen. Nur dank Pauls Kontakten habe ich Falcons Besitzer Chester Fields kennenlernen dürfen. Ohne seinen Einfluss und sein Charisma wäre ich vermutlich nie in die Position gekommen, auf einem Pferd trainieren zu können, das schon einmal bei den Olympischen Spielen angetreten ist. Auch wenn Falcon mit seiner damaligen Reiterin keine Platzierung erhielt, ist er ein Vermögen wert.
»Uns bleibt nur noch ein Jahr, bis die Qualifikationen für Olympia beginnen. Wir haben keine Zeit zu verlieren«, reißt mich Paul aus meinen Gedanken, als wüsste ich das nicht selbst.
Der Blick in meinen Kalender erinnert mich jeden Morgen daran. Noch zwölf Monate, bis ich mich bei internationalen Meisterschaften und Weltcups für Olympia qualifizieren muss. Zwei Jahre lang gilt es, mich dort zu beweisen, um vielleicht für den Kader Großbritanniens nominiert zu werden. Vielleicht – wenn ich es bis dahin geschafft habe, mir einen Namen zu machen. Das mag nach viel Zeit für die Vorbereitung klingen, aber es sind bereits zwei Jahre seit meinem Schulabschluss vergangen. Und wenn ich ehrlich sein soll, fühlt es sich an, als wären sie verflogen, ohne dass ich große Fortschritte gemacht hätte.
Meine letzte Turnierkür bin ich noch auf meinem vorherigen Pferd Cinder geritten. Meine Eltern haben ihn kurz nach der Anschaffung von Vitus an ein junges Mädchen in der Nähe von Oxford verkauft. Ab und an schickt sie mir Fotos von ihm, damit ich sehe, dass es ihm gut geht. Cinder ist ein süßer Kerl mit niedlichem Seepferdchenkopf und grazilem Exterieur; ein echtes Verlasspferd und längst nicht so impulsiv wie Vitus. Doch leider wirkte er auch immer etwas energie- und schwunglos, was uns regelmäßig Abzüge in der B-Note bescherte. Mit Falcon oder meinem eigenen Hengst gehört das hoffentlich der Vergangenheit an, denn beide sind schon allein aufgrund ihres Stockmaßes von über einem Meter achtzig eine echte Erscheinung.
Falls ich es schaffen sollte, mich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren, wäre ich bei meinem Debüt dreiundzwanzig Jahre alt. Das ist nicht besonders jung. Andere Reiterinnen traten mit achtzehn das erste Mal in der Dressur an. Die Zeit läuft. Und ich mag Falcon. Auf ihm zu reiten ist wie ein Geschenk. Er ist ein Schatz: sensibel, aufmerksam, gut ausgebildet, perfekt ausbalanciert. Es ist nicht so, dass ich für diese Chance nicht dankbar wäre, aber … Aber was? Wahrscheinlich hat Paul recht und es ist bloß mein Dickkopf, der mir einredet, dass ich eines Tages zusammen mit meinem eigenen Pferd erfolgreich sein will, statt auf einem gemieteten.
Während ich mit Vitus die Abschlusslektion absolviere, um dieses Training zu einem guten Ende zu bringen, meldet sich mein Reitlehrer noch einmal zu Wort und klingt dabei erstaunlich versöhnlich.
»Nur falls es bei dir falsch angekommen sein sollte: Ich wollte nicht sagen, dass Vitus Zeitverschwendung ist. Wenn ich kein Potenzial gesehen hätte, hätte ich euch von seinem Kauf abgeraten. Aber er ist noch nicht so weit – und wird es auch in drei Jahren nicht sein. Stell ihn im Lords Edge Equestrian Center unter, lass dir von erfahrenen Ausbildern helfen und vielleicht ist er dann nächste Saison einsatzbereit. Das Einzige, was wir jetzt hier gerade trainieren, ist unser aller Geduld.«
»Wird nicht schaden.«
»Es ist mein Ernst, Maeve. Sobald Vitus bei uns auf dem Gelände steht, erspart es uns beiden einiges an Fahrerei. Wenn du dir ein Appartement in London suchen würdest, hätten wir insgesamt sehr viel mehr Zeit füreinander, statt sie im Auto auf der Straße zu verbringen.«
»Wie schade, dass ich mir kein Appartement leisten kann und hier gebraucht werde«, lehne ich ab. Leider scheint mein Sarkasmus nicht zu ihm durchzudringen, stattdessen verdunkelt sich etwas in seinem Blick. Auch sein Tonfall klingt eine Nuance tiefer.
»Du weißt genau, dass ich es dir zahlen würde, wäre meine Frau nicht so misstrauisch.«
Zu Recht!, denke ich – mit Ausrufezeichen; diese Situation ist allerdings zu unangenehm für Witzeleien. Mein Herz zieht sich zusammen – vor Scham.
Ich habe so oft versucht, ihm zu verstehen zu geben, dass ich kein Interesse an ihm habe, das übers Training hinausgeht. Doch wenn ich mich entscheiden müsste zwischen ihm und dem Aufgeben meines Traums von Olympia … Manchmal ertappe ich mich dabei, mich zu fragen, ob es wirklich so schlimm wäre, ihm nachzugeben.
Sekunde. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Natürlich wäre es schlimm. Nicht nur, weil es meine eigenen Grenzen überschreitet, sondern weil noch andere Menschen mit drinhängen. Eine Frau, die ihren Mann vermutlich aufrichtig liebt. Und Kinder, die es nicht verdient haben, so von ihrem Dad enttäuscht zu werden wie ich von meinem.
Ich brauche einen anderen Ausweg aus dieser Situation. Dringend. Und ich bin froh, die heutige Trainingsstunde endlich hinter mich gebracht zu haben. Nicht wegen Vitus’ kleinem Aussetzer, sondern weil ich Paul für den Rest des Tages nicht mehr sehen muss.
Das rhythmische Geräusch der Hufe auf den Pflastersteinen unseres Hofes ist eine meiner Lieblingsmelodien; das Zwitschern der Vögel in den umliegenden Hecken klingt wie der Ruf der Freiheit. Mir wird sofort leichter ums Herz, als ich die milde Sommerluft einatme und mit der Reithalle auch meinen Reitlehrer hinter mir zurücklasse. Der vertraute Duft von Goldcrest Manor – die Mischung aus Pferden, Blüten und unberührter Natur – erdet mich. Die Sonnenstrahlen sind warm wie eine Umarmung.
Auf meinem Ritt von der Halle über den Hof und hinüber zum Hengststall am anderen Ende der Koppel fühle ich mich sicher. Ich liebe die Arbeit mit meinen Tieren. Disziplin, Perfektion, Teamwork. Aber genauso genieße ich es, wenn wir gemeinsam die Seele baumeln lassen, die Gegend erkunden oder im Willow Creek baden. Unsere Pferde waren für mich schon immer wie meine vierbeinigen Geschwister. Wir wachsen gemeinsam auf und lernen voneinander. Ob Kenzie mir wegen des Vergleichs böse wäre? Vermutlich nicht, schließlich hatte sie stets Julian an ihrer Seite. Ich habe einige Jahre gebraucht, um zu verstehen, dass sie wohl mehr als nur unseren Nachbarsjungen oder eine Art Teilzeitbruder in ihm sieht. Sie ist mit ihm über das Gelände getobt, durch die angrenzenden Felder gestreift oder war mit ihm gemeinsam ausreiten. Oft haben sie im Stall übernachtet, um keine Geburt zu verpassen. Die zwei waren unzertrennlich.
Ganz sicher hat meine Schwester ihre Kindheit hier genossen und ist tatsächlich freiwillig nach Abschluss ihres Studiums nach Goldcrest zurückgekehrt, obwohl es seit ihrer Epilepsiediagnose und dem Verkauf ihrer Stute Elody manchmal wirkte, als würde sie einen Bogen um unsere Pferde machen. Vielleicht haben sie unsere Tiere zu sehr an das erinnert, was sie verloren hat. Schwer zu sagen, da sie nie darüber spricht. Vermutlich ist es typisch für die Mitglieder unserer Familie, nicht über unangenehme Dinge zu reden, sondern alles mit sich selbst ausmachen zu wollen. So wie Dad jahrelang geschwiegen hat, nur um eines Tages alles hinzuwerfen und ohne Vorwarnung zu verschwinden. Wahrscheinlich ist es besser so, denn nun kann Kenzie seinen ehemaligen Part übernehmen und sich um die Finanzen kümmern. Das ist ihr Ding: Organisation.
Ich komme da eher nach Mum, packe gern draußen mit an und will, dass unsere Babys bestmöglich auf die große, weite Welt vorbereitet sind. Dass sie alles kennen, sich vollkommen auf ihren Menschen verlassen und wissen: Ja, es lauern Gefahren da draußen, doch zusammen könnt ihr ihnen trotzen. Wenn ihr aufeinander achtgebt, kann euch nichts passieren. Grandpa erzählte oft davon, wie wichtig Liebe und Vertrauen sind. Ich schätze, jeder interpretiert seine Worte anders, aber für mich bedeuten sie, dass die Arbeit, die man in den Aufbau der Bindung steckt, bereits mit der Geburt beginnt. Ich bin diejenige, die die meiste Zeit mit unseren Gaststuten verbringt, weil ich der Überzeugung bin, dass ihre Fohlen den optimalen Start ins Leben haben, wenn sie sich bei uns sicher fühlen. Natürlich unterstützt mich meine Schwester, wann immer sie kann. Sie bringt die Stuten mit mir zusammen auf die Weide, reinigt Boxen und Koppeln, organisiert gemeinsam mit Mum die Termine für den Hufschmied, Impfungen und Entwurmungen. Manchmal hilft sie mir dabei, die trächtigen Tiere zu bewegen, da eine gute körperliche Kondition wichtig für die anstehende Geburt ist. Es sind eher die vermeintlichen Kleinigkeiten, die ihr nicht liegen. Bevor eine Stute ihr erstes Fohlen bekommt, übe ich mit ihr beispielsweise Berührungen am Gesäuge, damit es keine Probleme gibt, wenn das Fohlen trinken will. Kenzie betreut währenddessen die Social-Media-Kanäle und Webseite von Goldcrest. – Vermutlich ist es so am besten, weil wir uns durch unsere Unterschiede perfekt ergänzen. Vielleicht sind sie jedoch auch einer der Gründe dafür, dass ich mich nicht traue, mit Kenzie über Paul zu sprechen. Sie betrachtet viele Dinge so bemerkenswert pragmatisch. Ganz anders als ich. Ich kann überhaupt nicht einschätzen, was sie zu meinem Problem sagen würde. Würde sie mir mitteilen, dass ich mich nicht so anstellen soll? Oder dass ich meinen Trainer vehementer abweisen muss, obwohl ich damit meine Zukunft gefährden würde? Ich weiß es nicht und bin zu feige, es herauszufinden. Manchmal hasse ich mich für meine Angst. Ich wünschte, es gäbe dafür einen Ausschalter.
Meine negativen Gefühle werden für einen Moment fortgewischt, als ich Archie entdecke, oben auf dem Balkon, der zum Appartement über der Festscheune gehört. Ein Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus, als mir mein völlig unangebrachter Traum wieder in den Sinn kommt. Eine nächtliche Fantasie, von der er sicher nie erfahren wird.
Sein Gruß ist ein Nicken, den Blick auf Vitus geheftet, als wäre ihm das Pferd selbst aus der Entfernung nicht ganz geheuer.
Lächelnd verlagere ich mein Gewicht zurück, pariere durch und spähe zu Archie hinauf.
»Schon so viele Boxen ausgemistet und noch immer Angst vor Pferden? Da Vitus keine Flügel hat, solltest du dort oben sicher sein.«
»Mich beunruhigt eher, dass du keinen Helm trägst. Die Pflastersteine sehen von hier oben ziemlich hart aus.«
»Oh, Archie. Bangst du etwa um mein hübsches Köpfchen?«
»In der Tat.« Obwohl sein Tonfall beinahe teilnahmslos klingt, berühren seine Worte etwas tief in mir. Etwas, das mein Herz schneller schlagen lässt. Aber warum? Wieso gefällt mir der Gedanke, dass er sich um mich sorgen könnte?
Wir wenden beide zeitgleich den Kopf, als sich die Reifen von Pauls Jeep durch den Kies wühlen. Er fährt. Endlich.
Als er mir zuwinkt, fühle ich mich für einen Sekundenbruchteil ertappt. Als könnte Paul mir ansehen, dass mir Archies Aufmerksamkeit gefällt. Dabei wäre daran gar nichts verwerflich. Ob er mich wohl in Ruhe lassen würde, wenn ich einen Freund hätte? Würde er mir seine Anspielungen ersparen, wenn ich vergeben wäre? Mir entfährt ein Seufzen. Es wäre fast zu schön, um wahr zu sein.
Mit einem Wadendruck und einem Schnalzen gebe ich Vitus zu verstehen, dass wir unseren Weg fortsetzen. Noch ein bisschen trockenreiten, putzen und dann ab auf die Hengstweide zu seinen Kumpels. Zumindest er hat für heute Feierabend.
Mir hingegen geht dieser eine Gedanke nicht mehr aus dem Kopf. Er setzt sich in meinen Gehirnwindungen fest und flüstert mir immer wieder zu: Was wäre, wenn ich einen festen Freund hätte?
Es ist nicht das erste Mal, dass ich darüber nachdenke, aber es ist das erste Mal, dass ich eventuell jemanden kenne, den ich davon überzeugen könnte, bei dieser Sache mitzuspielen. Jemanden, der auch auf andere Menschen seriös genug wirkt, um ihm zu glauben, dass er es ernst meint.
Und wenn er Nein sagt?, fragt die Angst.
Was wäre denn das Schlimmste, was passieren könnte? Dass Archie mit Kenzie über meine Idee spricht – oder dass alles so bleibt, wie es jetzt ist?
Den ganzen restlichen Tag denke ich darüber nach, während ich meine Aufgaben erledige. Ein wenig Halftertraining mit unserem Fohlen Gini, Futter für alle Stuten vorbereiten, Hengststall ausmisten, Tränken auf den Weiden kontrollieren. Da Kenzie aufgrund ihrer Epilepsie nicht Auto fahren darf, biete ich ihr an, bestelltes Partyzubehör aus London abzuholen, das sie für die anstehende Feier in unserer Festscheune braucht. Julians Eltern – die Bancrofts – wollen ihre Silberhochzeit auf unserem Gelände zelebrieren. Anscheinend brauchen sie dafür eine Fotowand. Warum auch nicht? Mir ist es recht, so kann ich auf dem Rückweg noch einmal bei Falcon vorbeischauen. Im Lords Edge Equestrian Center gibt es natürlich ausreichend Pferdepfleger, die sich um sein Wohlergehen kümmern, mir ist jedoch wichtig, eine gute Bindung zu ihm aufzubauen. Nicht nur zu ihm zu kommen, wenn ich gerade etwas von ihm will, sondern auch so für ihn da zu sein. Und ihm beispielsweise einen Apfel seiner Lieblingssorte mitzubringen.
Hoffentlich laufe ich Paul nicht über den Weg, durchzuckt es mich. Es ist fast schon lächerlich, wie viel Raum er in meinen Gedanken einnimmt. Wie viel Energie ich täglich darauf verschwende, mich seinetwegen zu sorgen. Ich kann Falcon jederzeit besuchen. Das ist abgesprochen und vertraglich geregelt. Theoretisch steht er mir ständig zur Verfügung. Ich darf bei ihm sein. Und was ist trotzdem das Erste, was ich am Nachmittag tue, als ich auf den Parkplatz fahre? Abchecken, ob Pauls Jeep irgendwo zu sehen ist. Ist er nicht, wie ich mit Erleichterung feststelle. Aber so kann es doch nicht weitergehen. Immer auf der Hut. Immer angespannt. Immer besorgt. Das muss enden!
Gerade als ich aus dem Auto steige, erreicht mich eine Nachricht von Brooke.
Brooke: Julian hat uns alle heute Abend zu sich eingeladen. Bisschen Teambuilding vor dem großen Turnier. Magst du vorbeischauen? Kenzie kommt auch. Als meine Ponypflegerin bist du schließlich Teil des Teams.
Ich weiß noch nicht, ob ich Lust dazu habe, mich dafür später noch mal aufzuraffen. Ein Abend in meinem Bett klingt eigentlich ganz verlockend, denn das Wochenende wird bestimmt stressig genug. An den nächsten zwei Tagen findet ein großes Polo-Turnier statt, das Brookes Dad – Mr Holloway – organisiert hat. Brooke, Julian und zwei seiner Freunde spielen gegen drei andere Teams. Sie alle kämpfen darum, Mr Holloway als Sponsor zu gewinnen. Polospielen ist teuer, und da es ein Sport mit viel Prestige, allerdings ohne Preisgelder ist, sind Förderungen heiß begehrt. Weil jeder Spielende mit mehreren Ponys anreist, aber immer nur eines davon reiten kann, warten die Inaktiven in der sogenannten Ponyline auf ihren Einsatz. Natürlich nicht allein, sondern zusammen mit Menschen wie mir und Kenzie, die dafür sorgen, dass sie jederzeit sicher und einsatzbereit sind. Ich helfe Brooke gern, anstrengend wird es trotzdem. – Ganz im Gegensatz zu meinem Besuch bei Falcon. Ich genieße die kleine Auszeit, massiere seine Stirn mit einer Kopfbürste, wie er es liebt, und verwöhne ihn abschließend mit einem kleinen Apfel. Sanft streiche ich mit den Fingerspitzen über seine samtweichen Nüstern und betrachte die weiße Blässe im braunen Fell. Er mustert mich aufmerksam mit seinen dunklen Augen, als wollte er fragen, was los ist. Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen, weil er gefühlsmäßig nur meine zweite Wahl ist. Er kann nichts dafür, dass ich wünschte, mit Vitus auf Turniere gehen zu können. Dass er für mich eine Abhängigkeit bedeutet, die ich gern abstreifen würde wie eine zu eng gewordene Haut.
»Alles gut«, murmle ich, als könnte er mich verstehen, und fahre auf, als ich Rufe auf dem nahe gelegenen Reitplatz höre. Nach einer letzten Streicheleinheit verabschiede ich mich von Falcon und folge den Geräuschen zum Dressurrechteck hinüber. Meine Mundwinkel zucken nach oben, weil der Anblick mich an meine Kindheit erinnert. An eine Zeit, in der mein einziges Problem die Wunschliste zu Weihnachten war.
Auf dem Platz reitet eine Gruppe von Kindern, vielleicht zehn Jahre alt, unter der Leitung einer neuen Reitlehrerin. Ich habe ihren Namen nur in einer Rundmail des Centers gelesen. Esther Dans. Sie ist noch jung, muss sich hier erst einen Namen machen, soll aber ebenso aufmerksam wie herzlich sein. Für einen Moment wünschte ich, ich könnte wieder ein Kind sein und ebenso unbeschwert über den sonnenbeschienenen Sand traben wie die Kids in ihren bunten Sommershirts. Statt Reithelmen tragen sie gemusterte Fahrradhelme; alles an dieser Reitstunde wirkt so herrlich zwanglos. Wie wäre es wohl, mit einer Trainerin wie Esther zu arbeiten, die sich den ein oder anderen Scherz nicht verkneifen kann? Witze wären mir so viel lieber als zweideutige Anspielungen. Was für ein unnützer Gedanke. Es ist eine Ehre, mit jemandem wie Paul arbeiten zu dürfen. Sein Terminplan ist voll, und ein Tausch könnte bedeuten, seine Geschäftsverbindungen und damit Falcon zu verlieren. Also schiebe ich die Idee beiseite, stelle mich für einen Augenblick an die Bande und schaue beim Abteilungsreiten zu. Es kommt mir ewig her vor, dass ich auf einem Platz wie diesem das erste Mal getrabt oder auf dem Zirkel galoppiert bin. Grandpa hat mich das Reiten gelehrt. Ich war so unfassbar stolz, als er irgendwann die Longe entfernt hat, weil er meinte, ich sei so weit. Mich überkommt eine Welle von Wehmut, wenn ich daran denke. Früher war alles so leicht. Kein Druck. Nur unsere Ponys und ich.
Wenn ich groß bin, werde ich Reiterin, habe ich angeblich schon mit zwei Jahren gesagt und habe bis heute Grandpas tiefes Lachen im Ohr.
Oh, mit Sicherheit. Wer sollte sich dir in den Weg stellen, kleiner Wirbelwind?, lautete seine Antwort.
»Gebt euch Mühe, wir haben heute hohen Besuch!«, ruft Esther über den Platz und reißt mich vollkommen aus den Gedanken. Sofort richten sich ihre Schützlinge im Sattel auf und geben sich sichtlich besonders viel Mühe beim Wechsel durch die ganze Bahn. »Du bist ein Vorbild für viele hier«, erklärt sie.
Da mir keine passende Erwiderung einfällt, belasse ich es bei einem Lächeln. Ich fühle mich wenig vorbildlich – dafür allerdings ehrlich geschmeichelt, dass sie mich kennt. Wahrscheinlich wäre die kleine Maeve von früher ebenfalls stolz auf mich. Ich habe es so weit gebracht und werde mich ganz sicher nicht von einem Mann ausbremsen lassen.
Wer sollte sich dir in den Weg stellen, kleiner Wirbelwind? Ich versuche, Grandpas Worte in meinem Herzen zu bewahren, und ertappe mich dennoch dabei, wie ich schon wieder nach Pauls Jeep Ausschau halte, als ich kurz darauf über den Parkplatz laufe.Ich fühle mich,als wäre ich auf der Flucht. Erst als ich im Auto sitze, fällt mir wieder ein, dass heute Freitag ist und er da nachmittags seine Töchter zum Tanzen begleitet. Ich ärgere mich über mich selbst, dass ich so viel Zeit, Energie und unnötige Gedanken an ihn verschwende. Ständig. Manchmal hasse ich mich fast dafür. Dafür, dass ich zu viel Angst davor habe, ihn entschiedener abzuweisen; vor seiner Reaktion, aber vor allem vor den Konsequenzen für mich und meine Karriere.
Womöglich musst du ihn ja gar nicht abweisen und es gibt einen anderen Weg, um Paul subtil zu vermitteln, dass du kein Interesse an ihm hast, schlägt mein Verstand vor und kommt damit zu dem Thema mit dem Fake-Freund zurück.
Was wäre, wenn ich Brookes Einladung zu Julians Grillparty annehme und meinen Mut zusammenkratze, um Archie die alles entscheidende Frage zu stellen: Willst du mit mir gehen? Ja, nein, vielleicht.
Maeve
Wieder auf Goldcrest Manor angekommen, lade ich die Sachen für Kenzies Fotowand aus und lagere sie erst einmal in der Festscheune. Ich würde sie gern fragen, wohin ich sie ihr bringen soll, kann meine Schwester jedoch nirgendwo entdecken. Bestimmt ist sie bei Julian. Wenigstens Mum finde ich im Arbeitszimmer, wo sie so gedankenverloren die Dokumente auf dem Schreibtisch anstarrt, dass sie mich erst bemerkt, als ich gegen den Türrahmen klopfe. Sie zuckt zusammen, sieht mich allerdings immer noch nicht an.
»Weißt du zufällig, wo Kenzie die Fotowand aufbauen möchte?«, erkundige ich mich und erhalte lediglich ein ebenso kurzes wie monotones »Nein« als Erwiderung. »Hat sie darüber wirklich gar nichts gesagt?« Da Mum und Kenzie ständig über die Planung der Feier reden, kann ich mir das überhaupt nicht vorstellen. Statt mir zu antworten, mustert Mum mich mit einem Blick an, den ich nicht deuten kann. Sofort gehe ich innerlich in Deckung, weil ich körperlich spüre, dass etwas nicht stimmt.
»Nein, Schatz. Tut mir leid, kannst du mich bitte einen Moment allein lassen?«
Noch nie zuvor hat sie mich aus dem Zimmer geschickt. Täuscht es oder zittert ihre Hand, als sie sich eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht streicht? Nicht einmal nach der Trennung von Dad war sie so aufgewühlt, wollte nie ihre Ruhe. In den letzten Jahren waren wir ein unschlagbares Team. Was auch immer sie dermaßen mitgenommen hat, muss ernst sein. Ob sie vielleicht krank ist? Oder eines unserer Tiere?
Trotz meiner Sorge folge ich ihrer Bitte und lasse ihr den Freiraum, den sie offensichtlich gerade braucht.
»Sicher.« Rasch winke ich ab und ziehe mich in mein Zimmer zurück. Was auch immer Mum erschüttert haben mag: Jetzt ist offensichtlich nicht der richtige Augenblick, um sie danach zu fragen. Vermutlich sollte ich es als einen weiteren Wink des Schicksals betrachten, dass es besser ist, mich für die nächsten Stunden zu verkrümeln und den Abend bei Julian zu verbringen.
Bevor ich aufbreche, ziehe ich mir ein Jeanskleid an, von dem ich hoffe, dass Archie es mögen könnte. Nicht, dass das für meinen Plan wichtig wäre, aber vielleicht macht es ihn etwas offener für meinen Vorschlag, wenn ihm zumindest gefällt, was er sieht. Bis auf die Gänseblümchenstickereien ist es relativ schlicht, und das Blau betont meine Augen. Ob schlicht und unschuldig wohl Dinge sind, auf die er steht? Für irgendetwas muss mein Aussehen ja mal gut sein. Wenn mich die Menschen auf gesellschaftlichen Events treffen, loben sie immer nur mein Äußeres. Jedes Mal, wenn ich um ein Date gebeten wurde, kam es mir vor, als wäre ich eine Trophäe, die man gewinnen will.
»Maeve, wie hübsch du geworden bist.«
»Du wirst jedes Mal schöner, Maeve.«
Als wäre diese zufällige Zusammenstellung von DNA irgendwie mein Verdienst. Eher im Gegenteil. Ich ärgere mich jeden Tag beim Blick in den Spiegel, dass ich Dads blaue Augen geerbt habe, weil sie mich an ihn erinnern. Und alles, was ich für ihn empfinde, ist Verachtung. Er hat sich einfach aus meinem – unserem – Leben verpisst. Mein Vater, der Held meiner Kindheit, hat meine Nummer blockiert, als ich es gewagt habe, ihn anzurufen, weil ich ihn vermisst habe. Er ist ein untreues Arschloch. Und ich wünschte, er wäre der einzige Mann, der mich in meinem Leben enttäuscht hat. Denn wenn es so wäre, müsste ich jetzt nicht diese besagte sehr, sehr impulsive Sache tun, vor der ich gehörig Angst habe. Aber nicht so viel wie davor, das Ganze nicht durchzuziehen und alles in meinem Leben weiterlaufen zu lassen wie bisher.
Ich werde Archie fragen, verkünden meine Gedanken entschieden. Mums Reaktion war für mich bloß eine weitere Bestätigung für eine Vermutung, die ich schon länger hege: Wir alle fechten in unserem Inneren einen Kampf aus, an dem wir niemand anderen teilhaben lassen. Wenn es hart auf hart kommt, sind wir allein. Wir müssen die Lösung für unsere Probleme selbst finden. Grandpa hat stets gesagt, dass es auf Goldcrest Manor kein Ich gibt, nur ein Wir. Wir bedeutet in der Praxis, dass jedes einzelne Ich zu funktionieren hat. So wie Kenzie nach ihrer Diagnose funktionierte. Wie Mum nach Dads Verschwinden funktionierte. Also tue ich das, was ich muss, um meinen Teil beizutragen. Ein letztes Mal betrachte ich mich im Spiegel, trage Lipgloss auf und hoffe, dass mich die Männerwelt heute nicht schon wieder enttäuscht.
»Du schaffst das«, murmle ich mir Mut zu.
Das Herz schlägt wild in meiner Brust und mein ganzer Körper kribbelt vor Nervosität, wenn ich mir vorstelle, Archie beiseitezunehmen. Den besten Freund des festen Freundes der eigenen Schwester zu fragen, ob er sich eine Fake-Beziehung vorstellen könnte … Das ist halt überhaupt nicht klug. Andererseits hat auch noch nie jemand behauptet, dass ich das wäre.
Gott, ich wünschte, ich müsste das nicht tun. Wieso können die Unbeschwertheit und das Glück meiner Kindheit nicht einfach noch andauern? Bis vor ein paar Jahren habe ich alles an meinem Leben auf Goldcrest geliebt: unsere Pferde. Den Zusammenhalt meiner Familie. Meinen Sport. Die harte, ehrliche Arbeit. Vielleicht liebe ich Ehrlichkeit generell und hasse es, durch Paul zum Lügen verdonnert zu sein. Womöglich hasse ich es sogar ein wenig, dass der einzige Ausweg, der mir für meine Situation eingefallen ist, eine weitere Lüge ist. Aber das wird mich nicht von meinem Vorhaben abbringen.
Es ist ein lauer Sommerabend, und für einen kurzen Moment spüre ich, wie alles in mir aufatmet. Umringt von hohen Hecken grillen wir auf der Terrasse von Marigold Mansion. Als die Sterne aufgehen, tauchen Lichterketten und Fackeln die Umgebung in warmes Licht. Der Duft von Sommerflieder und Rosen hüllt uns ein. Alles hier wirkt friedlich. Julians Freunde Archie, Desmond, Simon und Rapha sind nett, und es freut mich, Kenzie und Julian glücklich zu sehen. Meine beste Freundin Brooke ist an meiner Seite. In Augenblicken wie diesen ist es viel zu leicht, meine Probleme beiseitezuschieben und mir einzureden, dass mein Leben doch eigentlich ziemlich schön ist. Apropos: Auch das Haus der Bancrofts ist unfassbar schön. Eine interessante Mischung aus alter Architektur und modernen Elementen. Als die Bancrofts das ehemalige Herrenhaus vor vielen Jahren gekauft haben, glich es eher einem heruntergekommenen Spukhaus. Mittlerweile haben die beiden Architekten daraus ein bestimmt unbezahlbares Schmuckstück erschaffen. Man sagt, dass die drei Anwesen Goldcrest Manor, Marigold Mansion und Ivory Hall, das Haus der Holloways, früher drei befreundeten Adelsfamilien gehörten, die sich abseits des Großstadtlebens etwas Ruhe erhofften. Irgendwie gefällt mir die Vorstellung, dass wir – Kenzie, Julian, Brooke und ich – diese Tradition aufrechterhalten. Oder dass es zumindest so werden könnte, sobald Kenzie verkraftet hat, dass Julian zwischenzeitlich mit Brooke zusammen war – und Brooke wiederum über Julian hinweg ist. Auch wenn meine Freundin es abstreitet, glaube ich, dass sie nach wie vor Gefühle für ihn hegt. Man sieht es an den Blicken, die sie ihm zuwirft, wann immer sie nicht aufpasst. Aber es ist, wie es ist. Kenzie und Julian waren schon in der Kindheit unzertrennlich. Das ist wie ein Naturgesetz. Zwei Magnete, die sich anziehen. Da ich leider keinen Julian habe, warte ich auf den richtigen Augenblick, um mein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Vorher möchte ich allerdings eine Sache mit Kenzie klären.
»Ist irgendwas zwischen dir und Mum vorgefallen?«, frage ich. »Als ich vorhin zurückgekommen bin und gefragt habe, wo die Sachen für die Fotowand hinsollen, hat sie irgendwie gereizt gewirkt.«
»Wir haben uns gestritten«, gesteht Kenzie, will jedoch offensichtlich nicht darüber reden, sondern wechselt das Thema und plaudert über Julian. Seltsam. Es sieht den beiden gar nicht ähnlich, aneinanderzugeraten, aber vielleicht muss sich der Alltag nach Kenzies Rückkehr erst wieder einspielen.
Als Archie sich allein auf die Hollywoodschaukel vor dem Rosenbeet zurückzieht, an einem Bier nippt und vor sich hinstarrt, sehe ich meinen Moment gekommen und gehe schnellen Schrittes zu ihm hinüber.
»Darf ich dich vielleicht kurz stören?«, bitte ich und setze mich erst auf seine einladende Geste hin neben ihn.
»Du störst nicht. Was führt dich zu mir?«, fragt er lächelnd. »Sag nicht, du brauchst ebenfalls eine Pause von … Dante, Phoenix, Eddi, Silver, Amor und wie sie alle heißen. Mir schwirrt schon der Kopf von so vielen Namen.«
»Nein, Pferdenamen schrecken mich nicht ab. Ich könnte noch ein paar ergänzen. Falcon, Vitus, Cinder, Gini, Greeny, Groovy … Es gibt andere Dinge, die mich beschäftigen.«
Er neigt den Kopf zur Seite, als wäre er ganz Ohr.
Wie ein Golden Retriever. Süß. Ich bin viel zu versucht, ihm durch die goldblonden Haare zu streichen, widerstehe dem Drang jedoch. Er ist ein erwachsener Mann, der selbst beim Barbecue mit seinen Freunden Hemd, Stoffhose und Loafer trägt. Archie ist der Typ, der Herzen bricht, in dem er sich einfach nur lässig gegen eine Wand lehnt und dich schmunzelnd mustert. Er ist nicht der Kumpel, mit dem du dich auf einer Hollywoodschaukel kabbelst.
»Möchtest du darüber sprechen? Über die Dinge, die dich beschäftigen, meine ich.« Er schaut mich weiterhin aufmerksam an, seine Stimme ist leise und sanft, fast intim.
Meine Wangen erröten unter seinem intensiven Blick. Ich kann nichts dagegen tun. Es ist eine rein körperliche Reaktion.
»Ich bin wegen dir hier«, gestehe ich.
»Tatsächlich?« Noch immer lächelt er, auf eine so einnehmende Weise, dass mein Herz schneller schlägt und neben meinen Wangen auch meine Ohrspitzen zu glühen beginnen. »Was kann ich denn für dich tun? Musst du auch ein Zimmer renovieren? Mittlerweile kann ich recht passabel streichen.«
»Nicht ganz. Obwohl Kenzie gesagt hat, das Appartement sei sehr schön geworden. Mein Interesse gilt ehrlich gesagt dir. Persönlich.«
»Mir?« Archies Reaktion liegt irgendwo zwischen überrascht und spöttisch.
»Ich brauche deine Hilfe«, bestätige ich und werfe einen verstohlenen Blick zu den anderen hinüber. Noch sind sie zu sehr in ein Gespräch über das anstehende Polo-Turnier verwickelt, um uns zu vermissen, aber früher oder später wird Kenzie nach mir sehen, und sie ist die letzte Person, die diese Unterhaltung mitbekommen sollte. »Und ich bitte dich, nicht gleich Nein zu sagen, sondern mir erst zuzuhören.«
Er zeigt den Ansatz eines Nickens.
Nur Mut, Maeve. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
»Ich wollte dich fragen, ob du dir vorstellen könntest, meinen Freund zu spielen. Einen Fake-Freund. Nur für eine Weile.«
Archie blinzelt. Trinkt einen Schluck Bier. Schweigt. Ein Schweigen, das sich anfühlt, als würden Minuten zu Stunden werden. Das Universum dehnt sich aus. Sterne werden geboren, funkeln und erlöschen wieder. Doch er antwortet nicht. Mit jeder verstreichenden Sekunde wächst die Anspannung in meinem Inneren, bis ich es nicht mehr aushalte.
»Was sagst du dazu?«, hake ich nach.
»Oh. Ich dachte, da kommt noch etwas. Beispielsweise eine Erklärung für deinen Wunsch.«
»Brauchst du sie, um eine Entscheidung zu treffen?«
»Nein«, erwidert Archie lediglich und lässt seinen aufmerksamen Blick über mein Gesicht wandern. Er schluckt trocken, bevor er erneut an seinem Bier nippt, als hätte ihm irgendetwas an meinem Anblick die Sprache verschlagen.
»Und?«, frage ich erwartungsvoll.
»Nein.«
Er sagt es so schlicht, dass ich einen Moment brauche, um zu begreifen, dass das seine Antwort ist.
Nein. Er kann es sich nicht vorstellen.
»Oh.« – Wow. Ich spüre einen so heftigen Stich der Enttäuschung, als wäre nichts in mir auf diesen Ausgang des Gesprächs eingestellt gewesen. Schmerz, Ernüchterung und Scham wechseln sich ab, lassen einen bitteren Cocktail der Schande durch meine Adern schießen.
»Hör zu«, bittet er, als könnte er die Entmutigung von meinen Zügen ablesen. »Du bist ein bezauberndes Mädchen.«
»Mädchen?«, wiederhole ich stumpf. Ist es das, was er in mir sieht? Ein Mädchen, noch ein Kind. Geradezu lachhaft, dass ein Mann wie er mit jemandem wie mir zusammen sein könnte. Möchte er das sagen? Das tut fast noch mehr weh als die Abfuhr an sich. Vielleicht war das Blümchenkleid doch die falsche Wahl? Signalisiert es ihm, dass ich klein und unschuldig bin?
»Eine junge Frau«, korrigiert er sich. »Und auch wenn mir deine Frage schmeichelt, bin ich nicht der Richtige für dich. Oder dein Anliegen. Es tut mir leid.«
Ich könnte seine Antwort so akzeptieren. Stattdessen tue ich das, was eine Bennett tut: ihrem Frust freien Lauf lassen.
»Weil es absurd wäre, dass einer wie du sich mit jemandem wie mir abgibt?«, bohre ich nach.
»Einer wie ich?«, fragt er in einem Tonfall, der mir nicht gefällt – irgendwo zwischen skeptisch und lauernd. Als wäre ich diejenige, die etwas Falsches gesagt hat.
»Ein Elite-Student aus St. Andrews mit einer fast zwanzigjährigen Reiterin, die nichts weiter vorweisen kann als ein paar Schleifen in einer Sportart, die dir nichts bedeutet«, führe ich aus und zucke zusammen, als er mich am Arm berührt. Seine Hand auf meiner Haut zu spüren, schickt ein elektrisierendes Kribbeln durch meinen ganzen Körper. Ein Gefühl so fremd, verwirrend – unbestreitbar gut. Und falsch. Ich weiß nicht, was zuerst geschieht: Stellen sich die Härchen an meinen Armen sofort auf oder reagieren sie bloß darauf, dass er mit dem Daumen über die empfindliche Stelle an der Innenseite meines Handgelenkes reibt?
»Es liegt nicht an dir«, bringt er den klischeehaftesten Satz in der Geschichte aller Zurückweisungen. Zögerlich zieht er seine Hand zurück, senkt den Blick auf seine Flasche und knibbelt am Etikett. Er hebt einen Mundwinkel, als würde es für ein ganzes Lächeln nicht reichen.
Instinktiv warte ich auf eine Erklärung, doch sie kommt nicht. Das ist der Moment, in dem all meine Wut verfliegt, um heißer Scham den Platz zu überlassen. Wie Feuer brennt sie auf meiner Haut – und tief in meinem Inneren.
Archies verunsicherte Körperhaltung macht alles noch schlimmer. Ich habe uns in diese vollkommen peinliche Situation navigiert und wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen, um sie uns zu ersparen.
»Okay. Ist auch egal. Vergiss, dass ich gefragt habe. Kein Wort zu niemandem«, sage ich hastig und erhebe mich. Es fühlt sich zu demütigend an, noch länger sitzen zu bleiben.
Statt auf die Terrasse zurückzukehren, folge ich einem Pfad, der tiefer in den Garten führt. Ich brauche Abstand. Frische Luft. Mein Kopf glüht, und das Atmen fällt mir schwer.
Archies Worte haben sich mit langen Klauen in meinen Kopf gekrallt und höhnen unentwegt: Du bist ein bezauberndes Mädchen, es liegt nicht an dir.
Gott. Wie konnte ich so naiv sein? Wieso wollte mein Unterbewusstsein unbedingt ihn fragen und nicht Desmond?
Weil Desmond dafür bekannt ist, keine Beziehungen einzugehen, beantworte ich mir die Frage selbst.
Ganz ehrlich? Ich verstehe ihn. Dad ist der beste Beweis dafür, dass Beziehungen reines Glücksspiel sind. So oder so verlierst du immer dein Herz. Fifty-fifty, dass es jemand erhält, der darauf achtgibt.
Nach dieser Blamage kann ich mir nicht vorstellen, auch nur eine Minute länger zu bleiben. Archie unter die Augen zu treten, seinen forschenden Blick zu ertragen und so zu tun, als wäre nichts gewesen – es geht nicht. Das ist zu peinlich.
Eilig verabschiede ich mich von meiner Schwester und Brooke, schnappe mir mein Rad und folge dem Feldweg. Ich fahre so schnell, dass meine Lunge vor Anstrengung brennt. Oder sind es unterdrückte Tränen, die mir die Luft abschnüren? Statt direkt nach Hause zu radeln, halte ich auf halber Strecke an unserer Hengstkoppel. Mit Blick auf die mondbeschienenen Wiesen atme ich tief durch, beobachte unsere Tiere beim Grasen und spüre, wie zumindest etwas der Scham von mir abfällt. Hier, umgeben von der Natur, fühle ich mich sicher. Keine Menschen, die mich bedrängen. Niemand, vor dem ich mich blamieren könnte. Ich bin einfach nur ich. Ein Ich, das fröstelt, als ein kühler Abendwind um meine Beine streicht. Wahrscheinlich wäre es klüger gewesen, mir etwas Praktischeres anzuziehen als ein Kleid, von dem ich gehofft habe, dass es jemandem gefallen könnte, der in mir offenbar bloß ein Kind sieht.
Du bist ein bezauberndes Mädchen. – Autsch. Dieser eine Satz tat auf so vielen Ebenen weh.
Obwohl ich Vitus nicht rufe, kommt er zu mir herübergetrottet, als er mich bemerkt. Wie ein Scherenschnitt hebt sich seine imposante Gestalt vom Dunkel der Nacht ab. Ich freue mich schon darauf, gleich seine weichen Nüstern zu streicheln oder meine Hand unter seine wärmende Mähne zu schieben. Um ein wenig mehr Licht zu haben, schalte ich das Lämpchen meines Handys ein und beobachte verwundert, was Vitus treibt. Kurz hinter dem Zaun bleibt er stehen und trabt mit angelegten Ohren hochkonzentriert auf der Stelle, bevor er mich stolz ansieht, als wollte er sagen: Schau,Maeve,ichhabeinderZwischenzeitweiteranderPiaffegeübt.Habeichdasgutgemacht?
Lachend kraule ich ihm zur Belohnung die Stirn. Ja, manchmal ist die Arbeit mit ihm herausfordernd, gleichzeitig ist er unfassbar süß. Warum können nicht alle Männer wie Pferde sein? Warmherzig, engagiert, treu.
Auch Stunden später liege ich noch wach und starre stumpf an die Zimmerdecke, bis meine Augen unerträglich brennen und mein Kopf brummt. Die peinliche Situation mit Archie will mir nicht aus dem Kopf gehen. Nicht nur, weil sie unangenehm war. Wenn ich an das morgige Turnier denke, zieht sich alles in mir zusammen. Ich höre Pauls Stimme, wie er mir vorhin zugeraunt hat: »Meine Frau wird morgen dabei sein. Nur damit du Bescheid weißt.«
Meinetwegen kann seine Frau gern immer anwesend sein, wenn wir Trainingsstunden haben.
Ob Archie ebenfalls dort sein wird, um Julians Team anzufeuern? Wahrscheinlich. Und dann? Ich hoffe, er hat den anderen nichts von meiner Frage gesagt. Und wenn doch? Wenn er es ihnen erzählt hat und sie gemeinsam über mich gelacht haben? Vermutlich wäre Kenzie dann längst hier aufgetaucht, um mich zur Rede zu stellen. Oder nicht? Frustriert werfe ich mich im Bett auf die andere Seite. Warum lassen sich diese nervigen Gedanken nicht einfach abstellen? Runde um Runde kreisen sie durch meinen Kopf, als wollten sie, dass ich diese absolute Schande bloß niemals vergesse.
Da ich nicht einschlafen kann, tue ich das, was ich in solchen Nächten immer mache: Ich höre mir auf Spotify einen Track nach dem anderen an und notiere mir Stücke, die ich mir vom Rhythmus her für eine Kür vorstellen könnte. Manche sind zwar aus rechtlichen Gründen problematisch, für Trainingszwecke und kleine Vorführungen auf unserem Gelände wären sie allerdings in Ordnung.
Ich schrecke auf, als der Nachrichtenton meines Handys das gerade laufende Klavierstück zerreißt. Irritiert betrachte ich das Display. Eine ungelesene Nachricht von einer unbekannten Rufnummer. Mit einem mulmigen Gefühl lese ich sie.
Ich hoffe, du kannst mir verzeihen. Ich habe Brooke nach deiner Nummer gefragt, weil mir deine Bitte nicht aus dem Kopf gegangen ist. Ich habe nachgedacht. Wenn es dir wichtig ist, helfe ich dir. Sag mir nur, warum. A. W.
A. W. – Archibald Winterbottom.
Minutenlang starre ich auf das Display und spüre, wie die Stimmen von Angst und Scham leiser werden. Archie hat sich gemeldet. Er hat nachgedacht. Liegt er vielleicht ebenfalls im Bett und kann die Szene nicht vergessen?
Sag mir nur, warum.
Vier kleine Wörter, die so simpel klingen. Theoretisch wäre die Antwort darauf leicht: Weil ich hoffe, dass Paul Dunmore mich dann endlich in Ruhe lässt. Dass er sich auf die Reitstunden fokussiert und mich nicht länger mit Anspielungen triezt. Doch irgendwas hält mich davon ab, es Archie zu schreiben. Was ist, wenn er meine Erklärung lächerlich findet? Wenn er sie als Bestätigung dafür sieht, dass ich ein kleines Mädchen bin, das seine Angelegenheiten nicht selbst geregelt bekommt? Frustriert knabbere ich an meinem Daumennagel, so wie meine Zweifel an mir. Bis plötzlich eine weitere Nachricht eintrifft. Als hätte er gehört, dass ich gerade an ihn gedacht habe, stammt sie ausgerechnet von Paul. Mitten in der Nacht.
Paul Dunmore: Ich bin schon gespannt darauf, welches Kleid du nächste Woche bei der Silberhochzeit der Bancrofts tragen wirst. Du wirst sicher absolut umwerfend aussehen. –
Allein das Lesen dieser Worte reicht, damit mir übel wird. Warum schreibt er mir das um zwei Uhr morgens? Der Druck auf meiner Brust ist wieder da. Wenn ich könnte, würde ich die Feier schwänzen, unglücklicherweise findet sie auf unserem Gelände – in unserer Scheune – statt. Alle werden erwarten, dass ich anwesend bin und mit anpacke, wo Hilfe benötigt wird.
Unruhig wende ich das Handy zwischen meinen Fingern. Ich will, dass diese Sache aufhört. Aber das wird sie nur, wenn ich mich Archie anvertraue.
Sag mir nur, warum. – Wenn das so einfach wäre. Mein Herz rast allein bei der Vorstellung, mit ihm darüber zu reden. Was ist, wenn er mir nicht glaubt? Oder mir vorwirft, dass ich Paul provoziert hätte? Ihm schöne Augen gemacht hätte, um mir Vorteile wie Falcon zu erschleichen, und jetzt mit den Konsequenzen leben muss?
So ein Typ ist er nicht, rede ich mir Mut zu, obwohl ich das nicht mit Sicherheit wissen kann. Ich kenne Archie ja kaum. Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, ist sein größter Pluspunkt, dass er nicht aus der Gegend kommt und nach dem Sommer wieder geht. Welche Geheimnisse ich auch mit ihm teile – er wird sie nach den Ferien mitnehmen. Das ist zumindest die Hoffnung, an die ich mich klammere. Der winzige Lichtblick, den ich brauche, um mich zu überwinden, obwohl die Zweifel in meinem Kopf nach wie vor so furchtbar laut sind.
Da ich nicht weiß, was ich sonst tun soll, mache ich einen Screenshot von Pauls Nachricht und schicke sie Archie. Scheiß auf Anonymität und Privatsphäre. Ich will, dass das aufhört. Dass Paul selbst einsieht, dass das mit uns nie etwas werden wird. Dass diese Sache endet, ohne dass er mir Steine in den Weg legt, sollte ich mich von ihm abwenden.
