Goldfische küsst man nicht - Jane Oswald - E-Book

Goldfische küsst man nicht E-Book

Jane Oswald

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Beschreibung

Günter, 35 Jahre alt, lebt mit seiner Topfpflanze " Immergrün", den Fischen " Meer", " Ozean " und " Nordsee " in einer kleinen Wohnung mitten in der Stadt. Einsam und oft alleine sehnt er sich nach der großen Liebe. Er ist anders als die Menschen in seinem Umfeld. Nicht locker, nicht lustig und meist ein bisschen zynisch. Der Romantiker der alten Schule flüchtet sich oft in die Welt der Träume. Doch umso schwerer ist es, diese Leichtigkeit in die Wirklichkeit zu projizieren. Der verzweifelte Versuch, die EINE, die so ist wie KEINE, zu finden. Doch lassen sich Traum und Wirklichkeit so ineinander verschmelzen? Gibt es sie, die EINE? Fragen ohne Antworten? Die Suche nach der großen Liebe ohne Erfolg oder doch ein träumerischer Plan, der in der Zukunft sein Glück findet?

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Über die Autorin:

Jane Oswald wurde am 05.11.1973 in Düsseldorf geboren. Sie absolvierte das Abitur, begann ein Studium der Germanistik und ev. Theologie, durchlebte mehrere berufliche Anlaufstellen und arbeitete viele Jahre als Beraterin und Ausbilderin in einem Dienstleistungsunternehmen.

Jane Oswald lebt mit ihrem Mann, einem Hunden und zwei Katzen in der Nähe von Düsseldorf.

Für alle die,

die an mich glauben.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Ende

Prolog

Mein Name ist Günther, ich bin 35 Jahre alt und lebe zusammen mit meiner Topfpflanze „Immergrün“ und den Fischen „Meer“, „Ozean“ und „Nordsee“ in einer kleinen Wohnung inmitten der Stadt. Bei einer Größe von 167 cm bin ich wohl für einen Mann nicht besonders groß. Mein früher so schönes dunkles Haar verliert im Alter an Farbe und Spannkraft, der Bauch etwas dicker, die Beine etwas zu kurz, eine Schönheit bin ich wohl nicht. Und so hoffe ich, dass der erste Blick des weiblichen Geschlechtes der zu meinen meeresblauen Augen ist. Auf sie bin ich schon ein wenig stolz und auch, wenn das Lesen ohne Brille nicht mehr immer so einfach ist, versuche ich sie niemals durch eine solche zu verstecken. Schließlich muss man doch zeigen, was man hat …

Mein Leben ist nicht besonders spannend und so flüchte ich immer und immer wieder in meine Welt der Träume. Hier bin ich Mensch, hier bin ich Mann …

Wenn man davon ausgeht, dass „Immergrün“, „Meer“, „Ozean“ und „Nordsee“ weibliche Wesen sind, bin ich besser umgarnt als jeder Popstar. Wenn man jedoch ein weibliches Wesen, so wie es in der Vorstellung richtig zu sein scheint − lange Beine, blonde Haare, gute Figur und ein hohes Maß an Intelligenz − sucht, dann rate ich eher die Nadel im Heuhaufen zu suchen, dies ist leichter.

Aber wenn wir, wie anfangs erwähnt, in Betracht ziehen, dass ich gerade erst das 35. Lebensjahr begonnen habe, habe ich statistisch gesehen noch ganz lange Zeit, entweder den Blumentopf oder das Fischbecken gegen eine richtige Frau einzutauschen. Doch was bedeutet schon richtig? Die Frau meines Lebens muss nicht besonders schön sein, Schönheit ist relativ und so habe ich mit 100 % Sicherheit einen anderen Geschmack als beispielsweise mein Bruder, die Brötchenfrau oder gar mein Chef.

Die EINE, die so ist wie KEINE, sollte nicht zu groß sein. Bin ich ja auch nicht. Die Haare dürften in keinem Fall kurz und blond sein, Kleidergröße 38 – 40, mehr sollte es nicht sein. Nicht, dass ich etwas gegen dickere Frauen habe, im Gegenteil vom Gesicht her gefallen sie mir oft viel besser als die dünnen Damen. Ein Modepüppchen kommt mir auf keinen Fall ins Haus. Womöglich noch so ‘ne Abgemagerte, die nur Reiswaffeln mit Gurkenscheiben isst und dann immer noch der Meinung ist, dass sie im Grunde viel zu dick sei. Ich finde es ganz schrecklich, wenn diese abgemagerten Girls aus dem TV immer noch der Meinung sind, dass der Bauch in der hautengen 34-er zu dick sei. Ich hätte jedes Mal, wenn ich ihr zu nahe komme, Angst, sie zu verletzen. Aber zu schwer sollte sie eben auch nicht sein. Nach dem Motto − ich fühl mich einfach wohl in meinem Körper, gegen meine schweren Knochen kann ich nichts tun − totaler Quatsch! Ich weiß es aus eigener Erfahrung, man kann sich nicht wohlfühlen, wenn das Einzige, was man unterhalb des Kopfes sieht, der Bauch ist.

Bis es soweit ist, schließe ich von Zeit zu Zeit die Augen und flüchte in die Welt der Träume.

Kapitel 1

Getragen von meiner inneren Gelassenheit stolziere ich die Straße der Träume entlang. In dieser Welt gibt es Frauen, die ihren Kopf heben, um in mein Gesicht zu schauen. In dieser Welt gibt es SIE. Wenn ich könnte, dann würde ich versuchen, ihre Schönheit in Worte zu fassen, nur hierfür hat selbst der Schlaf kaum ein Vokabular. Ihre Figur, so unsagbar schön und schlank, grazil wie ein Reh. Sie zu berühren, ein Gefühl, als streife man mit der Hand über Samt, so zart und weich. Ihr Haar weht durch den Wind, als wäre es mit der Natur im Gespräch. Ihr Gesicht von natürlicher Schönheit gezeichnet. Ihr Duft intensiver als der einer Rose, ihre Art so sinnlich, zur Verführung fast zu schade.

Wenn sie in meiner Nähe ist, fühle ich mich geborgen, warm und unantastbar. Bei ihr habe ich das Gefühl, als würden meine Worte an die Luft getragen werden. Ganz sanft und vorsichtig ein Satz nach dem anderen. Durch sie habe ich gelernt zu lieben. Durch sie habe ich gelernt, die Schönheit zu schätzen und meine Gedanken aus dem Herzen herauszutragen.

Wenn wir zwei am Abend gemeinsam durch die schummrigen Gassen schreiten, darüber lachen und erzählen, wie wir uns kennengelernt haben - im Café um die Ecke. Einem kleinen versteckten Café. Ein mit Kerzen beleuchteter Weg zeigte mir die Richtung. Die kleinen Holztische mit einer weißen langen Decke bedeckt, Kerzenwachs, der in eine Weinflasche tropft, blitzende Gläser, aus denen der Wein so gut schmeckt wie sonst nirgends auf der Welt. Im Hintergrund leise Musik des Musikers, der Duft der Luft, ein Gemisch aus Parfüm, Rehbraten und Sommerfrische. Kurze, schüchterne Blicke, die sich trafen, immer und immer wieder, eine lange Zeit hinweg. Mein Mut, der es schaffte, sie anzusprechen, mein Geist, der es vollbrachte, sie in Worte zu hüllen und mein Wesen, das es schaffte, sie bei mir zu halten. Hier in dieser Welt liebe ich sie jeden Tag ein bisschen mehr!

Der Wecker reißt mich aus einem Traum voller Farben, Düften und Vorstellungen in mein Leben … plumps … wie ein nasser Sack scheine ich jeden verdammten Morgen vom Himmel auf die Erde zu fallen. Schüttele meinen Körper und befinde mich in meinem Bett, Kastanien Allee 5, 3. Stock, 2. Türe rechts. Das Haus, in dem ich wohne, ein hässlich alter Klotz, dunkel und kalt. Na, schönen guten Morgen! Leider habe ich noch kein Wesen in meinem Leben getroffen, welches mir erklären kann, warum im Traum immer alles besser, schöner, bunter und exotischer ist als hier auf der Erde.

… Mein Körper ist schwer, ich fühle mich schmutzig und unwohl, liege in meinem Bett, versuche meine Gedanken zu ordnen, meinen Traum in die Wirklichkeit zu projizieren, die Gedanken verschwinden, langsam, dann immer schneller. … Bleibt hier … ihr verdammten Gedanken und Träume bleibt bei mir, bitte verlasst mich nicht … Ich schließe die Augen, versuche, sie mir vorzustellen, sie ist weg … Warum will gerade kein Gedanke in meinem Kopf an sie denken? Wo finde ich ihn, es, egal das Wesen, welches mir erklärt, wie ich es schaffe, den Traum zu behalten, die Wirklichkeit zu vertreiben.

Ich schiebe meinen Körper aus dem Bett, schlüpfe in meine grauen Pantoffeln, ziehe meinen weißen Bademantel an und stolpere in mein Wohnzimmer. Ein dunkler Raum mit Eichenmöbeln, einer Glasvitrine mit kleinen bunten Fischen aus Ton, einer Schrankwand für meinen Fernseher. Einem viel zu tiefen Holztisch und einer ockerfarbenen Weich-ledersitzgarnitur. Die Wände, geziert mit Foto-tapete, hier fühle ich mich wohl.

… guten Morgen meine Damen-Stille … hier hast du dein Wasser „Immergrün“, die alten Blätter nehme ich dir vom Körper, so sollen sie dich nicht belasten … Puh … „Meer“, „Ozean“ und „Nordsee", wenn mein Essen so stinken würde, ich wäre schlank, aber bitte, ihr scheint es zu lieben … wie immer kein Wort des Dankes ist zu hören, Stille durchläuft den Raum.

Ich gehe in die Küche und gieße Tee auf. Die Lacktischdecke des Tisches mit ihren großen, gelben Blumen leuchtet mit der Sonne um die Wette. Mit der Teetasse in der Hand wandere ich ein Zimmer weiter - zum Glück ist die Wohnung nicht so groß - weite Wege und große Entfernungen liegen mir nicht. Wie soll ich es bloß schaffen, hier in dieser Welt voller Gleichgültigkeit und Desinteresse an meiner Person, die Frau meines Lebens zu finden. Sollte ich wirklich so mutig sein und eine dieser Kontaktanzeigen aufgeben? Ich schaue an meinem Körper herunter, im Sitzen habe ich echt Probleme, meine Füße zu sehen, scheiß dicker Bauch. Ich komme vom Thema ab … nehme mir ein Blatt Papier aus der Schublade, den Kugelschreiber vom Tisch und fange an meine Gedanken zu suchen … Was sollte ich schreiben? Einsamer Mann mit dickem Bauch sucht Frau fürs Leben? Gut aussehender Gentleman sucht Traumfrau …

Eine Stunde später mit einer Menge Papierbällen in der Ecke des Raumes:

Mann, mittleren Alters, sucht die Eine, die so ist wie Keine. Suche Dich für mich, suche die Liebe für die Triebe, den Kopf für die Worte, Alter und Aussehen sind nicht von Bedeutung! Glücklich möchte ich sein, nur mit Dir, hier bei mir.

Fishing for Traumfrau @schneider.com

… Hört sich gut an, so werde ich es lassen, möchtet ihr es hören? … Noch nicht mal ein Blubbern ist aus der Ecke des Beckens zu hören. Stille im Raum. … Ok, wenn mir keiner widersprechen möchte, dann werde ich den Text genauso aufgeben. Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt, mir hier an dieser so entscheidenden Stelle unseres Lebens nicht mit Rat und Tat zur Verfügung zu stehen. Sicherlich, euch wäre es natürlich lieber gewesen, ich hätte eine Anfrage zu „Bauer sucht Frau“ gesendet. Ihr habt doch nur die Hoffnung gehabt, ein Kamerateam würde euch für die nächste Fischfutter-Reklame auswählen. Aber erstens bin ich kein Bauer und zweitens: Es gibt gar keine Reklame für euer stinkendes Futter. Also werde ich gleich im Büro einfach diese von mir ganz alleine gestaltete Anzeige aufgeben. Ich werde den Mut haben, der Dame am Telefon meine Worte vorzulesen, ohne dabei einen Kloß im Hals zu haben. Schließlich ist es ihr Job, mir hier an dieser Stelle tatkräftig zu helfen.

Ich packe wie jeden Morgen meine Aktentasche mit einer Banane, einer großen Tupperdose gefüllt mit Brot, Gurke und Tomate, einem Schokoriegel und verlasse das Haus. Die Luft ist erfrischend, die Vögel singen, der Gestank der Großstadt begibt sich in den kleinen Zweikampf mit der Natur. Im Grunde würde ich lieber auf dem Land leben. Ich liebe die Ruhe, die Einsamkeit, das Gezwitscher der Vögel, den Geruch der Erde, wenn sie trocken ist. Hier inmitten der Stadt ist es unpersönlich, laut, dreckig und unruhig.

Die Bushaltestelle ist nur wenige Meter von meiner Türe entfernt. Menschen drängen, reden und lachen. Ich warte abseits. Der Bus kommt angerauscht, die Masse betritt das Gefährt, als wäre es der einzige Bus der Welt. Ich warte. Der Bus ist voll, kein Sitzplatz, ich stehe, meine Hand greift den letzten freien Ring. Ich stemme meine Beine in den Boden und versuche mir selbst Halt zu geben. Laute Stimmen, Unruhe und Müdigkeit, vereint in einer Welt ohne Gefühl. Die eben noch frische Luft hat sich verwandelt in ein stickiges Gemisch aus Schweiß, Deo, Knoblauch und billigem Parfüm. Mit meiner Größe von 167 cm ist es nicht immer ganz einfach, die letzten frischen Luftbrisen zu erhaschen. Der Versuch jeden Morgen die Luft ein wenig länger anhalten zu können − ein kleines Spiel zum täglichen Zeitvertreib. Der Gedanke, ich würde einmal hier inmitten des Busses vor lauter Sauerstoffmangel in Ohnmacht fallen, der pure Horror, der es schnell wieder schafft, meine Atmung dazu zu bringen, gleichmäßig und locker voranzuschreiten. Es wird der Tag kommen, an dem ich der Stadt meinen Vorschlag einreichen werde, so kleine Trittstufen für kleine Leute einzurichten. Ich meine, kann sich mal bitte einer vorstellen, wie schrecklich es ist, immer in die Ausschnitte sämtlicher Weiber zu glotzen. Von wegen Freude am anderen Geschlecht, da vergeht einem manchmal echt alles. Ganz zu schweigen von den Typen, die einen immer gleich nach dem Motto, armer kleiner Mann, anschauen. Dass sie einem nicht den Kopf tätscheln, ist echt alles.

Voller Elan, aber mit gesenktem Kopf betrete ich das große Bürogebäude am Rand der Stadt. Früher, als ich kleiner war, wollte ich Feuerwehrmann, Pilot oder Zugführer werden. Eine Uniform zu tragen, war mein größter Wunsch. Bei meinem Geschmack für Kleidung oft auch die bessere oder sagen wir für die Mitmenschen angenehmere Variante als die meiner täglichen Kleiderwahl. Mhm … schon blöd, dass die Kinderträume irgendwann im Leben einfach nicht mehr hinter einem herlaufen. Was habe ich falsch gemacht? Ich bin wie jeder normale Junge bei uns aus dem Dorf zur Schule gegangen, habe im Dreck gespielt, meist große Mühe gehabt, rechtzeitig meinen Kopf einzuziehen bevor mir Prügel angedroht wurde. Aber ich war im Grunde ein artiges Kind. Ich habe meiner Mutter im Haushalt geholfen, habe das angezogen, was mir jeden Morgen herausgelegt wurde; auch wenn ich es wirklich gehasst habe. Ich habe sogar den Sprung in die Oberstufe geschafft, habe eine Ausbildung gemacht und kann schon stolz darauf sein, jetzt in diesem großen Büro als Buchhalter zu arbeiten. Warum nur fühlt man sich so nutzlos?

»Passen Sie doch auf!«

Total in meine Gedanken versunken springe ich zur Seite, was war das? Ein großer, schwarzer Wagen mit leicht verdunkelten Fenstern, einem mürrischen Mann mit der Bildzeitung auf der Rückbank und einem noch distanzierteren Mann auf dem Fahrersitz braust an mir vorbei.

»Sie müssen doch verdammt noch mal schauen, wo Sie hinlaufen, junger Mann, stellen Sie sich vor, Sie wären unserem Chef vors Auto gelaufen. Oh mein Gott, was hätte ihm passieren können, ganz abgesehen von dem Ärger und dem ganzen Aufsehen, das diese Geschichte mit sich gebracht hätte.«

Verdattert schaue ich in ihr Gesicht, gedanklich versuche ich mir vorzustellen, wie dieses gebrechliche Püppchen wohl in Wirklichkeit aussieht. Leider ist ihr Gesicht derzeit mit so viel Schminke zugekleistert, dass es mir echt schwerfällt. Sollte ich sie fragen, wie lange sie morgens für diese Veränderung braucht, sollte ich sie fragen, ob sie mir ein Foto in natura zeigt. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass eine Wolke aus Moschus und Rosenduft mir jedes normale Denken verbietet. Also sage ich wie immer nichts!

Kapitel 2

Mein Arbeitsplatz in einem der höchsten Häuser der Stadt ist akribisch aufgeräumt, die Stifte der Größe nach sortiert, die Blätter in der Schublade, die Arbeit vom Vortag fertig. Die heutige Arbeit auf den Prioritätenstapeln abgelegt. Job und Freundschaft sollte man strikt trennen. Eine Meinung, die vielleicht meinem Beliebtheitsgrad näher kommt, als jeden Tag eine After-Work-Party zu geben. Voller Schwung, mit Mut und Überzeugungskraft nehme ich das Telefon in die Hand. Die Anzeigenabteilung sitzt gleich unter uns und dennoch laufe ich als kleiner Buchhalter nicht die Gefahr, an der Stimme erkannt zu werden.

»Guten Tag, Anzeigenannahme Koch, was kann ich für Sie tun?«

»Guten Tag Frau Koch, ich möchte, ich …«

»Anzeigenannahme Koch, was kann ich für Sie tun?« (Mein Gott, ich bin doch nicht blöd, weiß doch, wo ich anrufe, warum wiederholt die Alte dauernd ihre Einleitung?)

»Ich möchte gerne eine Anzeige bei Ihnen aufgeben.«

»Eine Kontaktanzeige?«

»Ja eine Kontaktanzeige, hätte ich sonst Ihre Nummer gewählt?« (Meint die eigentlich, ich bin blöd und weiß nicht, dass man für den Verkauf eines Autos eine andere Rufnummer wählen muss?)

»Bitte diktieren Sie mir den Anzeigentext.«

Ich hole tief Luft, es fällt mir schwer, ihr die Worte zu diktieren:

Mann, mittleren Alters,sucht die Eine, die so ist wie Keine. Suche Dich für mich, suche die Liebe für die Triebe, den Kopf für die Worte, Alter und Aussehen sind nicht von Bedeutung! Glücklich möchte ich sein, nur mit Dir, hier bei mir.

Fishing for Traumfrau @schneider.com

»Ich wiederhole.« Sie rasselt den Text monoton herunter.

»Möchten Sie, dass ich die Anzeige so schalte?« Oh man, ist mir das peinlich. »Ja, verdammt ja!«

»Ok, dann wünsche ich Ihnen viel Glück bei der Auswahl der Dame.«

Diesen Satz hätte sie sich auch echt sparen können. Warum müssen Frauen immer so gemein sein. Diese zickige Außenbemerkung gehört wohl zum Standard. Hätte sie nicht einfach ihre Klappe halten und diese Anzeige für mich in die Zeitung setzen können. Nein, Frauen müssen immer noch einen draufsetzen, es liegt ihnen einfach im Blut, hier noch mal nachzutreten nach dem Motto: Du armer kleiner Kerl, hast du denn noch keine Frau gefunden. Schließlich bist du ja nun auch nicht mehr so jung. Mhm, wie können wir denn da helfen, sollen wir zwei ‘mal eine kleine Anzeige für dich aufgeben? Eine Kontaktanzeige … Manchmal finde ich Frauen wirklich unfair!

Meine Mittagspause verbringe ich wie, sagen wir, fast jeden Tag, außer am 24.12., in der kleinen Küche am Ende des Ganges. Hier habe ich genug Platz, um meine Tupperdose auszupacken, das Tee-wasser aufzukochen und darüber zu philosophieren, ob es recht oder unrecht wäre, einmal die Kantine zu betreten. Die exklusive Küche am Anfang des Ganges, oder ob es mein Schicksal ist, hier zu sitzen, zwischen Abstellkammer, alter Küche und Gang.

12:45 Uhr – das Ende der Mittagspause, der Anfang des Unterganges von Prioritätenstapel drei. Meine Arbeit mache ich gerne, ich liebe meinen Job, ich liebe das Gespräch mit Zahlen, Daten und Fakten. Teamwork ist wohl nicht mein Fall.

Wie jeden Tag betrete ich nach Feierabend den kleinen Laden um die Ecke. Es ist noch eins dieser alten Geschäfte von damals. Nicht so groß und überfüllt wie die großen Lebensmittelketten an jeder Ecke. Die Ware überschaubar, aber stets frisch und sehr lecker. Hier kennt man mich, hier liebt man mich.

»Hallo Herr Bauer, schön, dass Sie wieder da sind. Geht es Ihnen gut?«

»Ja, danke, alles bestens und bei Ihnen? Was macht der kleine Hund, den Sie sich letztens gekauft haben? Ist er artig?«