Good Girl next Door - Claire Kingsley - E-Book

Good Girl next Door E-Book

Claire Kingsley

4,0

Beschreibung

Gute Mädchen kommen in den Himmel …

Die neue Nachbarin von nebenan? Sie ist atemberaubend, aber für mich tabu. Ich bin kein Freund von festen Beziehungen. Das habe ich schon hinter mir und lasse mir mein Herz nicht noch einmal crashen. Doch dann bittet mich Rebecca um einen ganz speziellen Gefallen. Und ich bin der perfekte Mann für diesen Job! Schließlich sind wir nur zwei Freunde, die Spaß haben. Was kann da schon schiefgehen?

Eigentlich war mein Leben ganz anders geplant. Jetzt bin ich auf einmal wieder Single und in einer neuen Stadt. Zeit endlich nicht mehr die brave, kleine Rebecca zu sein! Ich bin das so leid und möchte endlich meine wilde Seite kennenlernen. Und wer könnte mir dabei nicht besser helfen als der neue, gutaussehende Nachbar Lucas ...

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Seitenzahl: 289

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Über das Buch

Gute Mädchen kommen in den Himmel …

Die neue Nachbarin von nebenan? Sie ist atemberaubend, aber für mich tabu. Ich bin kein Freund von festen Beziehungen. Das habe ich schon hinter mir und lasse mir mein Herz nicht noch einmal crashen. Doch dann bittet mich Rebecca um einen ganz speziellen Gefallen. Und ich bin der perfekte Mann für diesen Job! Schließlich sind wir nur zwei Freunde, die Spaß haben. Was kann da schon schiefgehen?

Eigentlich war mein Leben ganz anders geplant. Jetzt bin ich auf einmal wieder Single und in einer neuen Stadt. Zeit endlich nicht mehr die brave, kleine Rebecca zu sein! Ich bin das so leid und möchte endlich meine wilde Seite kennenlernen. Und wer könnte mir dabei nicht besser helfen als der neue, gutaussehende Nachbar Lucas ...

Über Claire Kingsley

Claire Kingsley schreibt Liebesgeschichten mit starken, eigensinnigen Frauen, sexy Helden und großen Gefühlen.

Sie kann sich ein Leben ohne Kaffee, ihren Kindle und all den Geschichten, die ihrer Fantasie entspringen, nicht mehr vorstellen. Sie lebt  im pazifischen Nordwesten der USA mit ihrem Mann und ihren drei Kindern.

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Claire Kingsley

Good Girl Next Door

Übersetzt von Cécile Lecaux aus dem amerikanischen Englisch

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

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Kapitel 1: Becca

Kapitel 2: Becca

Kapitel 3: Lucas

Kapitel 4: Lucas

Kapitel 5: Becca

Kapitel 6: Becca

Kapitel 7: Lucas

Kapitel 8: Becca

Kapitel 9: Lucas

Kapitel 10: Becca

Kapitel 11: Lucas

Kapitel 12: Becca

Kapitel 13: Lucas

Kapitel 14: Becca

Kapitel 15: Lucas

Kapitel 16: Lucas

Kapitel 17: Lucas

Kapitel 18: Becca

Kapitel 19: Becca

Kapitel 20: Becca

Kapitel 21: Lucas

Kapitel 22: Lucas

Kapitel 23: Becca

Kapitel 24: Lucas

Kapitel 25: Lucas

Kapitel 26: Becca

Epilog: Becca

Nachwort

Impressum

Kapitel 1 Becca

Meine Hände zittern, als der Kellner mir die Speisekarte reicht. Ich bemühe mich nach Kräften, so zu tun, als wäre ich völlig ahnungslos, aber ich weiß Bescheid. Endlich ist es soweit. Heute Abend wird Brandon mir einen Antrag machen.

Ich trage mein Lieblingskleid – das dunkelblaue in A-Linien-Form mit dem herzförmigen Ausschnitt. Es ist Brandons Lieblingskleid, ich habe mich extra für ihn hübsch gemacht. Ich habe meine blonde Mähne ausnahmsweise gebändigt und mit einem blassrosa Lippenstift und seidig schimmerndem Lidschatten sogar etwas mehr Schminke aufgetragen als sonst. Beinahe hätte ich eine Spange mit einer weißen Seidenblume ins Haar gesteckt, habe es dann aber doch sein lassen. Die weiße Blume hätte zu festlich gewirkt, und damit hätte ich womöglich verraten, dass ich ihn durchschaut habe.

Brandon ist schrecklich nervös. Ich bin verglichen mit ihm ein bisschen overdressed, auch wenn er schick aussieht in seinem dunkelgrünen Pullover, unter dem der Hemdkragen hervorblitzt. Ich habe mir immer vorgestellt, dass er einen Anzug trägt, wenn er vor mir niederkniet. Aber das macht nichts, es muss ja nicht alles bis ins Detail perfekt sein.

Ich schaue ihn an und lächle. Er legt die Speisekarte auf den Tisch und wischt sich die Hände an der Hose ab. Das macht er jetzt schon zum wiederholten Mal. Ich bin auch nervös, aber im positiven Sinne, mein ganzer Körper kribbelt vor Aufregung. Es fühlt sich an, als stünde ich unter Strom.

Wir sind seit vier Jahren ein Paar und vor knapp acht Monaten zusammengezogen. Ich habe schon länger damit gerechnet, dass er um meine Hand anhält. Schon mehrmals hatte ich so ein Gefühl, dass es soweit sein könnte. Beispielsweise letztes Jahr an Weihnachten, als wir bei seinen Eltern waren. Oder auf unserer Reise nach Victoria. Aber bisher hat er mir die entscheidende Frage noch nicht gestellt. Ich habe mir gesagt, dass er mich bestimmt überraschen möchte, und da wären ein Essen mit seinen Eltern oder ein Wochenendtrip zu offensichtlich gewesen. Bestimmt wollte er es spannend machen, damit ich es nicht kommen sehe. Ich werde heute Abend so tun, als fiele ich aus allen Wolken.

Fast hätte ich es meinen Freundinnen Madison und Juliet erzählt. Sie liegen mir ständig in den Ohren wegen Brandon. Sie verstehen nicht, warum wir nicht längst verlobt sind, als gäbe es feste Regeln dazu, wann man sich entscheiden muss, entweder zu heiraten oder sich zu trennen. Aber das ist natürlich Unsinn. Juliets Verlobung kam völlig überraschend. Keine von uns hat damit gerechnet, am wenigsten sie selbst. Aber so war das von Anfang an in ihrer Beziehung mit Finn. Und Madison ist seit ihrer Hochzeit ganz besessen davon, dass wir beiden anderen jetzt auch unter die Haube müssten.

Aber nur weil meine beiden besten Freundinnen jetzt verheiratet oder verlobt sind und ich seit vier Jahren mit demselben Mann zusammen bin, ohne einen Ring am Finger zu tragen, heißt das ja noch lange nicht, dass mit unserer Beziehung etwas nicht stimmt.

Ich habe Brandon immer versichert, dass ich es nicht eilig habe. Ich habe deutlich gemacht, dass ich mich über einen Antrag freuen und selbstverständlich Ja sagen würde. Ich wollte ihm die Angst vor einem Korb nehmen. Aber er war schon immer sehr zurückhaltend beim Thema Heiraten, darum habe ich nie Druck gemacht. Ich glaube auch nicht, dass er früher schon einmal ernsthaft daran gedacht hat, vor den Altar zu treten. Tatsächlich bin ich sogar ziemlich sicher, dass es, bevor wir zusammengekommen sind, in seinem Schlafzimmer zugegangen ist wie in einem Taubenschlag.

Aber wir sind glücklich miteinander, und es hat mir nichts ausgemacht, das Thema ruhen zu lassen. Ich habe mich in Geduld geübt, weil ich wusste, dass es sich lohnen würde.

„Becca …“ Brandon presst die Lippen fest zusammen und fährt sich mit der Hand durch das blonde Haar. „Ich muss mit dir reden.“

Ich atme tief ein, aber diskret, damit er nicht merkt, wie aufgeregt ich bin, und lasse die Speisekarte sinken. „Ja?“

„Also …“, beginnt er und faltet die Hände. „Wir sind ja jetzt schon eine ganze Weile zusammen.“

Ich nicke. „Das stimmt.“

„Und irgendwann kommt in einer Beziehung ein Punkt, an dem man sich entscheiden muss hinsichtlich der Zukunft.“

Das Herz schlägt mir bis zum Hals. „Da hast du wohl recht.“

Er zögert, und ich überlege, wo der Ring sein mag. Er hat keine Jacke an, kann ihn also nicht aus der Tasche zaubern. Vielleicht hat er ihn dem Kellner gegeben, damit er ihn auf einem kleinen Teller an den Tisch bringt? Oder in einem Glas Champagner? Ich bin überrascht, dass er noch vor dem Essen davon anfängt, aber vielleicht kann er es ja einfach nicht mehr abwarten.

„Becca …“

Ich beuge mich vor, das Ja bereits auf den Lippen.

„Ich denke, wir sollten uns trennen.“

Im ersten Moment begreife ich den Sinn seiner Worte nicht.

Hat er gesagt „trennen“? Ich starre ihn fassungslos mit offenem Mund an. Er runzelt die Stirn und macht ein schuldbewusstes Gesicht.

„Becca?“

„Entschuldige. Ich glaube, ich hatte gerade eine Halluzination. Was hast du gesagt?“

Brandon verzieht das Gesicht, und ausgerechnet jetzt tritt der Kellner an den Tisch, um unsere Bestellung aufzunehmen. Ich beachte ihn nicht. Mein Blick bleibt starr auf Brandon gerichtet. Was um alles in der Welt passiert hier gerade?

Brandon teilt dem Ober mit, dass wir noch einen Moment brauchen, und sieht dann wieder mich an. „Es tut mir leid. Das kommt vermutlich sehr plötzlich.“

„Plötzlich?“ Es fühlt sich an, als hätte sich ein Stahlpanzer um meinen Brustkorb gelegt, und das Atmen fällt mir schwer. „Plötzlich?“

Er hebt eine Hand. „Jetzt flipp nicht aus.“

Ich starre ihn ungläubig an. Ich soll nicht ausflippen? Wie kommt er darauf, dass ich ausflippen könnte? Ich flippe nie aus.

„Was? Nein, ich … Ich begreife es nur nicht. Du machst mit mir Schluss? Aber warum denn?“

Er atmet tief aus. „Es liegt nicht an dir. Du bist eine tolle Frau. Ich bin nur an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich etwas anderes brauche.“

Mein Magen zieht sich krampfhaft zusammen, und mir bricht der kalte Schweiß aus. „Etwas oder jemand anderes?“ Die Antwort steht ihm ins Gesicht geschrieben. „Es gibt eine andere? Du hast mich betrogen?“ Ich schlage eine Hand vor den Mund.

„Ja und nein“, entgegnet Brandon. „Zwischen uns ist nichts passiert, das schwöre ich. Ich habe dich nie betrogen.“

„Aber du möchtest mit einer anderen ins Bett“, sage ich mit zitternder Unterlippe.

Er öffnet den Mund, als wollte er widersprechen, wendet jedoch dann wortlos den Blick ab.

„Ich dachte, du wolltest mir heute einen Antrag machen“, sage ich leise und bereue meine Worte sofort. Ich komme mir so dumm vor.

Er runzelt wieder die Stirn. „Im Ernst? Oh Gott, Becca.“

„Du hattest nie die Absicht, mich zu heiraten“, stelle ich mit dumpfer Stimme fest. „Ich dachte, du brauchst nur Zeit, aber du wusstest die ganze Zeit, dass wir niemals heiraten würden, stimmt’s? Du wusstest, dass das mit mir nichts fürs Leben war. Du wusstest, dass ich nicht die Richtige war für dich.“

„Es tut mir ehrlich leid“, sagt er.

Wieder dreht sich mir der Magen um, und ich spüre ein Brennen im Hals. Ich verstehe das nicht. Wie konnte das passieren? Wie kann es sein, dass ich das nicht habe kommen sehen?

Brandon spricht weiter, aber ich bekomme nur die Hälfte mit. Etwas von wegen es habe nicht sollen sein, und jetzt könne ich den Richtigen finden. Glaubt er etwa auch noch, er hätte mir einen Gefallen getan? Ich sehe plötzlich alles verschwommen und starre wie gebannt auf das unscharfe Weiß der Tischdecke.

„Becca?“ Er beugt sich vor. „Bist du okay? Du siehst nicht gut aus.“

Ich schüttle langsam den Kopf, den Blick immer noch auf den Tisch geheftet. Ich habe die letzten vier Jahre gedacht, ich wäre mit dem Richtigen zusammen. Er wäre der Mann, den ich heiraten würde.

Und er hat es nie so empfunden.

Ich hole tief Luft und lege eine Hand über den Mund, aber es ist zu spät. Mein Mageninhalt schießt meine Speiseröhre hinauf, und noch ehe ich überhaupt daran denken kann, auf die Toilette zu laufen, übergebe ich mich auf den Tisch – und auf Brandon.

Ich greife nach der Serviette und presse sie mir auf den Mund, die Augen weit aufgerissen vor Entsetzen. Brandon betrachtet mit vor Ekel verzerrtem Gesicht seinen besudelten Pullover. Die anderen Gäste verstummen und starren herüber.

Ich sterbe fast vor Scham.

Dann springe ich so abrupt auf, dass mein Stuhl umkippt, und renne zum Ausgang.

Kapitel 2 Becca

Jede Bewegung kostet mich Überwindung. Meine Füße tun weh, mein Rücken schmerzt, und ich möchte mich nur noch im Schlafanzug auf der Couch zusammenrollen und einen Film anschauen. Vorzugsweise eine richtige Schnulze.

Aber in meiner neuen Wohnung herrscht das totale Chaos, und ich habe alle nach Hause geschickt. Mein Vater hat darauf bestanden, ein Umzugsunternehmen zu beauftragen, obwohl ich immer wieder betont habe, dass ich mich alleine darum kümmern möchte. Er hat meine Einwände einfach ignoriert und über meinen Kopf hinweg alles arrangiert, wofür ich im Nachhinein dankbar bin. Die Möbelpacker haben meine Sachen aus der Garage meiner Eltern geholt und in meiner neuen Wohnung drei Fahrtstunden entfernt wieder abgeladen. Meine Freundin Juliet und ihr Verlobter Finn waren eine Weile hier, um mir beim Auspacken zu helfen, aber ich habe sie heimgeschickt und gesagt, ich käme alleine zurecht.

Nachdem Brandon mit mir Schluss gemacht hatte, musste ich ausziehen und war erst einmal bei meinen Eltern untergekommen, obwohl mir das widerstrebt hatte. Aber Madison hatte gerade erst geheiratet, und ich hatte das junge Glück nicht stören wollen. Juliet war zu Finn nach Jetty Beach gezogen, sodass auch das nicht wirklich eine Option gewesen war.

Aber wieder bei meinen Eltern zu wohnen war der Horror gewesen. Schlimm genug, dass sie sich gefreut hatten, mich wieder bei sich zu haben. Ich glaube, es ist besser, wenn Eltern in einer solchen Situation mit Widerwillen und Vorwürfen reagieren, aber meine taten so, als wäre ich noch ihr kleines Mädchen.

Sie haben mein Zimmer so belassen wie bei meinem Auszug, sodass ich in einem Bett mit Baldachin schlief. Meinem Prinzessinnenbett. Ich hatte es mit sechs bekommen und geliebt. An der Wand hing noch das gerahmte Poster von Prinzessin Aurora aus der Dornröschen-Verfilmung von Disney, und überall im Zimmer standen und lagen Hunderte Souvenirs aus meiner Kindheit. Nicht, dass Kindheit etwas Schlechtes wäre. Ich hatte eine schöne Kindheit. Meine Eltern waren liebevoll, wir waren nie umgezogen, und alles in allem war es eine glückliche Zeit.

Das Problem ist nur, dass Mom und Dad offenbar nicht möchten, dass ich erwachsen werde. Oder zumindest möchten sie nicht, dass ich erwachsen werde und mein eigenes Leben lebe. Während meines Studiums haben sie darauf bestanden, mir zwei Jahre lang ein Zimmer im Wohnheim zu finanzieren, weil sie meinten, das sei sicherer. Als Madison, Juliet und ich dann beschlossen, uns gemeinsam eine Wohnung zu suchen, halfen sie uns, etwas Passendes zu finden, damit wir nicht in einem heruntergekommenen Viertel landeten. Sie steuerten sogar etwas mehr bei, damit wir uns eine schönere Wohnung leisten konnten. Nach dem Studium wohnte ich dann eine Weile bei Freunden, bis ich dann wieder mit Madison zusammenzog. Meine Eltern waren nicht so begeistert von Madison – ich muss zugeben, dass sie etwas verrückt ist –, aber das Wichtigste war für sie, dass ich nicht allein lebte. Als Madison sich verlobt hatte, hatte ich Brandon gegenüber angesprochen, dass ich mir eine neue Bleibe suchen müsse, und er hatte schließlich vorgeschlagen, dass ich bei ihm einziehen könne. Rückblickend war er diesbezüglich sehr zögerlich gewesen. Ich hätte damals schon ahnen müssen, dass etwas nicht stimmte, war aber so beschäftigt damit, heile Welt zu spielen, dass ich die Anzeichen ignoriert hatte. Ich dachte damals, dass, wenn wir zusammenlebten, die Hochzeit der nächste logische Schritt sei.

Und dann lag ich plötzlich wieder in meinem alten Kinderzimmer und mir ging auf, dass ich nie wirklich selbständig gewesen war.

Ich hatte mich immer auf meine Eltern verlassen, auf meine Freundinnen oder meinen Partner. Das war keine bewusste Entwicklung gewesen. Ich war nicht bewusst jemand geworden, der nicht eigenständig für seine Ausgaben aufkam, der sich nicht um seine Einkäufe und sonstige Erledigungen kümmerte, wie es Erwachsene tun sollten. Als ich mit Juliet und Madison zusammengewohnt hatte, hatte Juliet alle Rechnungen überwiesen und sich insgesamt um alles gekümmert, was mit der Wohnung zu tun gehabt hatte. Sie ist super organisiert und ein echter Kontroll-Freak, also haben Madison und ich sie machen lassen. Wir haben ihr unseren Anteil überwiesen, und sie hat sich um die Einzelheiten gekümmert.

Als ich dann bei Brandon eingezogen bin, war es ja seine Wohnung, sodass er sich ganz selbstverständlich weiter um alles gekümmert hat. Damals habe ich mir nichts dabei gedacht, alles anderen zu überlassen, wohl weil ich es nicht anders gewohnt war: erst meine Eltern, dann meine Freundinnen und schließlich Brandon.

Ich kam zu dem Schluss, dass es an der Zeit sei, erwachsen zu werden. Vielleicht sogar, alleine zu leben. Der Gedanke machte mir Angst, aber je länger ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass das genau das war, was ich jetzt brauchte.

Mein Vater hatte versucht, es mir auszureden, als er aber erkannt hatte, dass mein Entschluss feststand, war er in Aktion getreten und hatte ein nettes Apartment zwei Meilen von meinem Elternhaus aufgetan. Eigentlich konnte ich es mir nicht leisten, aber meine Mom bot an, mir mit der Miete zu helfen.

Ich besichtigte das Apartment, und trotz der Luxusausstattung fand ich es zum Kotzen. Das war kein Zuhause, das war ein goldener Käfig.

Und dann tat ich etwas, das ich noch nie zuvor getan hatte. Ich setzte mich gegen meine Eltern durch.

Sie wussten nicht, wie sie mit meinem plötzlichen Trotzanfall umgehen sollten, aber verdammt, ich bin eine erwachsene Frau Mitte zwanzig. Ich muss doch nicht mehr artig auf alles hören, was sie sagen.

Schließlich drehte ich ein bisschen durch.

Ich beschloss, nicht nur allein zu leben, sondern auch noch aus meinem Heimatort wegzuziehen. Ich hatte mein ganzes Leben in Seattle verbracht und war eigentlich immer davon ausgegangen, dass ich für immer dort wohnen bleiben würde. Plötzlich kam mir die Stadt aber beengt vor. Hier gab es keine Privatsphäre für mich. Hier würde ich niemals ich selbst sein können.

Mehr oder weniger aus einer Laune heraus verkündete ich, dass ich nach Jetty Beach ziehen wolle, einem kleinen Ort an der Küste. So ganz aus der Luft gegriffen war meine Wahl allerdings nicht. Meine Wahl fiel auf Jetty Beach, weil meine Freundin Juliet dort lebte. In einer anderen Stadt noch einmal ganz von vorn anzufangen war ja gut und schön, aber es war doch ein beruhigendes Gefühl, eine Freundin in der Nähe zu wissen. Ich beanspruchte jedoch in keiner Weise Juliets Hilfe, auch wenn sie mir einen hilfreichen Tipp gab bei der Wohnungssuche, unterzeichnete den Mietvertrag und kümmerte mich um alles andere. Okay, mein Vater hat das Umzugsunternehmen beauftragt, aber das betrachte ich als Geschenk zum Neuanfang und lasse mir davon nicht den Stolz nehmen, meinen Neustart eigenständig vollzogen zu haben.

Und jetzt sitze ich hier in einem Haus voller unausgepackter Umzugskartons, und vor mir liegt die erste Nacht meines neuen, unabhängigen Lebens.

Halbherzig räume ich noch etwas auf, bin aber fix und fertig. Ich nehme mir ein Stück kalte Pizza aus dem Kühlschrank – Finn hat uns Pizza zum Mittagessen gebracht – und lasse mich auf die Couch fallen. Der Fernseher ist noch nicht angeschlossen, sodass ich stattdessen beim Essen durch meinen Facebook-Account scrolle.

Ich bin ziemlich stolz auf mich und ganz zufrieden, als ich plötzlich durch die Wand zum Nachbarhaus etwas höre. Ich wohne im äußeren von drei Reihenhäusern. Nebenan war es den ganzen Tag still, aber jetzt höre ich, wie eine Tür geschlossen wird. Gleich darauf ertönt Musik, die nur geringfügig von der Wand gedämpft wird.

Ich bin meinem Nachbarn schon mal begegnet, aber das ist schon eine Weile her. Das war, als Juliet Finn kennengelernt hat. Wir waren zusammen nach Jetty Beach gekommen, um ihren Geburtstag zu feiern, und hatten den Samstagabend in Finns Irish Pub verbracht. Ich glaube, Finn wollte Juliet damals beeindrucken. Er hatte Freunde eingeladen, damit im Pub auch richtig was los war, und einen Karaoke-Abend veranstaltet. Es war ein netter Abend, und ich hatte mich eine Weile mit Finns Freund Lucas unterhalten, der jetzt mein Nachbar ist. Als ich Juliet erzählt habe, dass ich nach Jetty Beach ziehen wolle, hat sie mir den Tipp mit dem Haus gegeben. Sie wusste von Lucas, dass das Haus kürzlich frei geworden war. Alles Weitere habe ich dann aber allein geregelt.

Seitdem sind wir uns nicht mehr begegnet, und ich kann mich auch kaum noch an ihn erinnern. Ich war damals ziemlich angeschickert – Finn versteht wirklich etwas von seinem Handwerk als Barmann –, sodass ich mich nur noch vage an den Abend erinnern kann.

Bei einem zweiten Stück Pizza sehe ich einige Instagram-Posts durch. Dann höre ich wieder ein Klopfen durch die Wand. Offenbar bekommt mein Nachbar Besuch.

Als das rhythmische Klopfen anhält, regt sich bei mir der Verdacht, das Klopfen könne eine andere Ursache haben. Oh Gott. Er wird doch nicht … Oder doch?

Ich spitze die Ohren und rücke näher an die Wand. Die Musik läuft noch – die Wände sind wirklich dünn –, aber da ist noch etwas anderes.

Ein lautes Stöhnen beseitigt meine letzten Zweifel.

Tatsächlich. Er hat Sex.

Ich fühle, wie ich von den Haarwurzeln bis hinunter zum Bauchnabel erröte. Erröten war schon immer eine Schwäche von mir. Ich erröte bei so ziemlich jeder Gelegenheit, aber Fremdsex mitanzuhören ist wenigstens ein triftiger Grund, um rot anzulaufen.

Nicht, dass ich noch nie Sex durch eine Wand mitbekommen hätte. Ich habe Jahre mit Madison zusammengelebt, und bevor sie ihren Mann Eric kennengelernt hat, war sie sexuell ziemlich freizügig. Ich habe oft mitbekommen, wie sie mit ihren Sexpartnern geschlafen hat, und mich bemüht, nicht überzureagieren. Einmal, als ihr bewusst war, dass ich sie gehört haben musste, hat sie sich entschuldigt, aber im Grunde hat es ihr nicht viel ausgemacht, denke ich. Vielmehr hat sie mich ausgelacht, weil sie wusste, dass es mir peinlich war.

Und jetzt? Ich fühle mich extrem unwohl. Wie kann er nur so laut sein? Er muss doch wissen, wie dünn die Wände sind. Ist es ihm schlicht egal?

Ich rücke auf der Couch etwas weiter von der Wand weg, ziehe mir die Decke über die Beine und schaue mir auf YouTube niedliche Hundewelpen-Videos an, um mich abzulenken. Ich mag nicht, was die Geräuschkulisse bei mir bewirkt. Ich muss zugeben, dass es mich bei aller Verlegenheit auch ein bisschen anmacht.

Das geht ja mal gar nicht.

Ich rufe ein weiteres Welpen-Video auf. Diesmal ist auch ein Kätzchen dabei. Total asexuell. Ich kneife die Beine zusammen. Ist mein Slip nass? Wie peinlich ist das denn?

Ich gehe nach oben und unter die Dusche, vor allem, um die Geräusche von nebenan mit dem Wasserrauschen zu übertönen. Und ich werde an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen, wozu ich mich unter der Dusche hinreißen lasse. Auf keinen Fall. Das ist etwas, das ich nur sehr selten tue und worüber ich niemals nie sprechen würde.

Als ich am nächsten Morgen aufwache, ist es ganz still, und zu meiner großen Erleichterung scheint es nebenan keinen Morgensex zu geben. Ich gehe nach unten und bin ziemlich stolz auf mich. Ich habe es getan. Ich habe mein eigenes Haus bezogen. Ich habe meine erste Nacht ganz allein in meinem neuen Zuhause hinter mir. Ohne Eltern. Ohne Mitbewohnerinnen. Ohne Partner.

Jetzt bin ich offiziell erwachsen.

Aber die erwachsene Frau braucht einen Kaffee, und ich weiß nicht, in welcher Kiste die Kaffeemaschine ist. Ich beschließe, in den Ort zu fahren, um mir dort ein koffeinhaltiges Heißgetränk zu besorgen, und anschließend das Umzugschaos anzugehen.

Ich schlüpfe in Jeans und Sweater, schnappe mir meine Handtasche, verlasse das Haus und steige in den Wagen. Als ich gerade den Schlüssel im Zündschloss drehe, fällt mir ein, dass ich mein Handy habe liegen lassen. Dann sage ich mir, dass ich nicht lange weg sein werde und es nicht zwingend brauche. In letzter Minute beschließe ich, es doch lieber mitzunehmen, springe aus dem Auto und laufe zurück zur Tür.

Als ich nach dem Türknauf greife, geht mir auf, was für ein Schaf ich bin. Ich habe den Schlüssel stecken lassen. Ich gehe zurück zum Wagen und ziehe am Türgriff.

Oh-oh.

Ich ziehe noch mal, aber die Autotür ist definitiv verriegelt. Ich gehe rüber auf die Beifahrerseite und versuche es dort. Zu.

Oh nein. Ich laufe zurück auf die Fahrerseite und rüttle verzweifelt am Türgriff, obwohl ich weiß, dass es sinnlos ist. Ich habe mir angewöhnt, den Türknopf herunterzudrücken, bevor ich die Autotür zuschlage, für den Fall, dass die Fernbedienung versagt. Das hat mein Dad mir beigebracht. Diesmal habe ich den Motor laufen lassen, weil ich nur kurz reinspringen wollte, um das Telefon zu holen, und trotzdem aus reiner Gewohnheit die Tür verriegelt.

Ich blickte zwischen meiner Haustür und dem Wagen hin und her. Hilflos stehe ich in der frischen Morgenluft neben meinem verriegelten Auto, das mit laufendem Motor am Straßenrand parkt. Das Telefon ist im Haus. Die Schlüssel sind im Auto.

Ich tue, was wohl jeder Erwachsene Mensch in einer solchen Situation tun würde. Ich breche in Tränen aus.

Was soll ich jetzt tun? Ich kenne hier niemanden außer Juliet und Finn, und die wohnen zu weit weg, um zu Fuß zu gehen. Nichts ist von hier aus fußläufig erreichbar. Mein Blick fällt auf die Tür meines Nachbarn. Das Letzte, was ich möchte, ist anklopfen und ihn um Hilfe bitten. Nicht nur, weil ich ihn nicht näher kenne, sondern weil zu befürchten steht, dass seine Freundin mein Auftauchen in den falschen Hals bekommt, wenn sie – womöglich leicht bekleidet – die Tür öffnet. Ich würde im Erdboden versinken vor Scham.

Ich probiere es also erst noch einmal an der eigenen Haustür, die natürlich immer noch abgeschlossen ist. Ich schließe immer ab. Bei so was bin ich übervorsichtig.

Mit zitternder Unterlippe lasse ich mich auf die oberste Treppenstufe sinken und heule.

Ich komme nicht einmal vierundzwanzig Stunden alleine zurecht. Ich bin echt ein hoffnungsloser Fall.

Kapitel 3 Lucas

Es ist noch recht früh fürs Wochenende, aber ich bin schon auf, und da ich nichts mehr zu essen im Haus habe, beschließe ich, einkaufen zu fahren. Ich hole meine Schlüssel und gehe nach draußen zum Wagen.

Auf halbem Weg zu meinem Parkplatz fällt mir auf, dass bei dem Wagen neben meinem – einem kleinen roten Toyota Prius – der Motor läuft, obwohl niemand im Wagen sitzt. Ich nehme an, dass die neue Mieterin von nebenan den Motor warmlaufen lässt. Ich war gestern fast den ganzen Tag unterwegs, und als ich nach Hause gekommen bin, stand der Wagen dort. Den Möbelwagen habe ich aber verpasst, sofern einer dagewesen ist. Ich werfe einen Blick auf ihre Tür und sehe sie auf der Treppe sitzen, den Kopf auf die Hände gestützt.

Das ist seltsam.

„Hey, alles okay?“, rufe ich ihr zu.

Sie hebt den Kopf, und ich sehe sofort, dass sie geweint hat. Sie ist echt hübsch, auch wenn sie gerade etwas verheult aussieht. Schulterlanges blondes Haar und große braune Augen. Ihre Unterlippe zittert, und eine Träne läuft ihr über die Wange.

Ich blicke von ihr zu ihrem Wagen und wieder zurück. Sie wird doch nicht …

„Scheiße, haben Sie die Wagenschlüssel stecken lassen?“

Sie nickt.

Oh Mann. Das ist ärgerlich. „Und die Haustür ist auch abgeschlossen?“

Wieder nickt sie.

Sie tut mir leid, auch wenn ich nicht ganz verstehe, warum sie nur dasitzt und weint, anstatt etwas zu unternehmen. „Vielleicht sollten Sie einen Schlüsseldienst anrufen?“

Schniefend zeigt sie mit einer Kopfbewegung hinter sich. „Mein Telefon liegt im Haus.“

„Aha.“ Das ist dann wohl der Punkt, an dem ich meine Hilfe anbieten sollte, oder? „Soll ich einen Schlüsseldienst für Sie rufen? Sie können reinkommen und bei mir warten.“

Sie zieht die Brauen zusammen. „Nein, danke. Ich möchte Ihnen keine Umstände machen.“

„Das macht keine Umstände.“

„Aber ist ihre, äh …“ Sie zögert kurz und wendet den Blick ab. „… Ist Ihre Freundin denn nicht da?“

„Wie bitte?“

„Ihre Freundin. Ich habe gehört … also, es klang, als wäre gestern Abend eine Freundin bei Ihnen gewesen.“

Ich weiß nicht, was sie meint, da ich definitiv keine Freundin habe. Und gestern Abend … Oh. Richtig. „Ich hatte Besuch, aber sie war nicht meine Freundin. Und nein, sie ist nicht mehr da. Sie ist schon weg.“

„Oh.“

„Was genau haben Sie denn gehört? Reden?“

Sie läuft puterrot an. „Nein. Das heißt, ja, ich habe … Stimmen gehört.“

Ich muss grinsen. „Ach so, verstehe. Tut mir leid.“

„Die Häuser scheinen sehr hellhörig zu sein.“

„Ich werde mir das für die Zukunft merken.“ Ich reiche ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen. „Ich bin Lucas.“

Sie nimmt meine Hand und steht auf. „Und ich Becca.“

„Möchten Sie also mit rüberkommen oder warten Sie lieber draußen?“

Sie blickt auf ihren Wagen mit dem immer noch laufenden Motor.

„Ist ja abgeschlossen. Es wird schon niemand damit wegfahren.“

Sie nickt. „Stimmt. Also gut, ich komme mit rein.“

Wir gehen zu mir, und ich sehe, wie sie sich mit großen Augen umschaut. Früher waren es drei Reihenhäuser, aber ich habe alle drei gekauft und zwei nebeneinanderliegende miteinander verbunden, sodass sehr große und offene Räume entstanden sind. Oben gibt es ein Schlafzimmer und ein Bad, unten ein zweites Badezimmer, aber davon abgesehen ist alles offen. Mein Arbeitsbereich befindet sich in einem der früheren Esszimmer. Ich habe einen u-förmigen Schreibtisch, auf dem ein halbes Dutzend Monitore aufgestellt sind. Auf der anderen Seite stehen zwei Sofas vor einem Flachbild-Fernseher an der Wand. Eine frühere Küche habe ich in einen Freizeitbereich verwandelt mit Billardtisch und ein paar alten Spielautomaten.

Ich führe sie zu einem der Sofas und räume ein paar Sachen beiseite, damit sie sich setzen kann. Sie macht ein Gesicht, als zögere sie, etwas anzufassen. Jetzt übertreibt sie aber. So schlimm ist meine Wohnung auch wieder nicht. Im Gegenteil. Sie ist sogar ziemlich ordentlich. Es lagen nur eine Jeans und ein Sweatshirt rum.

Sie setzt sich, und ich rufe einen Schlüsseldienst an. „Er kommt, so schnell er kann.“

„Super, vielen Dank.“ Sie lässt den Blick durch den Raum schweifen. Sie sitzt ganz vorne auf der Sofakante und fühlt sich offensichtlich unwohl.

„Sie werden sich hier schon nichts einfangen“, sage ich spöttisch.

„Wie? Oh nein. Natürlich nicht. Sie haben ein tolles Haus. So geräumig.“

„Ich habe zwei Häuser zusammengelegt, als ich die Immobilie gekauft habe. Ich brauche Platz.“

„Die ganze Immobilie gehört Ihnen?“, fragt sie überrascht.

Ich setze mich ihr gegenüber auf die zweite Couch. „Ja.“

„Wie kommt es, dass ich davon nichts weiß?“

„Ich überlasse die Vermietung des Endhauses einer Hausverwaltung. Ich würde Sie ja gerne reinlassen, aber ich habe keinen Generalschlüssel.“

Sie wirft einen Blick auf meinen Schreibtisch. „Ist das Ihr Arbeitsplatz? Was machen Sie beruflich?“

„Ich bin Day-Trader und arbeite im Homeoffice.“

„Was ist denn ein Day-Trader?“

Ich zucke mit den Schultern. „Einfach ausgedrückt handle ich kurzfristig mit Wertpapieren und nutze die Schwankungsbreiten von Börsenkursen.“

„Wow. Klingt riskant.“

„Das kann es sein, ja. aber ich scheine ein gutes Händchen dafür zu haben.“ Ich mustere sie mit zusammengekniffenen Augen. Ich habe sie schon mal gesehen. Ich weiß, dass sie eine Freundin von Juliet ist, aber kenne ich sie von irgendwoher? Ich bin sicher, dass ich nicht mit ihr im Bett war. Dann würde ich mich noch sehr genau an sie erinnern.

Dann plötzlich dämmert es mir. „Hey, wir kennen uns. Sie waren im Pub an dem Abend, als Finn Juliet kennengelernt hat.“

Sie nickt. „Yep.“

„Genau. Sie haben den ganzen Abend nur von Ihrem Freund gesprochen, diesem Mr. Perfect“, sage ich und muss bei der Erinnerung lachen.

Gerade hat sie noch andeutungsweise gelächelt, jetzt bricht sie wieder in Tränen aus.

Ups.

Ich ahne, warum Becca nebenan eingezogen ist.

„Hey“, sage ich tröstend. „Alles wird gut.“

„Meine Güte.“ Sie zieht die Nase hoch und wischt sich mit den Händen die Tränen vom Gesicht. „Ich kann einfach nicht fassen, dass ich hier sitze und Ihnen was vorheule. Ich bin ja so kindisch.“

Mein Blick fällt auf ihre Brüste, die alles andere sind als kindlich. „Nein, gar nicht. Alles gut.“

„Es ist nur … ich dachte, Brandon würde mir einen Antrag machen, und dann hat er stattdessen Schluss gemacht. Aber damit nicht genug. Er hat mich für eine andere verlassen. So eine doofe Brünette. Ich glaube, sie ist sogar größer als er selbst.“

Okay, jetzt fängt sie also an, mir ihre Sorgen zu erzählen. Das ist eigentlich nicht mein Ressort. Seelsorge ist mehr Finns Spezialität. Sie sollte sich zu ihm an die Bar setzen und ihm bei einem Drink ihr Herz ausschütten. Wahrscheinlich würde ihr etwas Fruchtiges schmecken, aber auch dafür ist Finn der Experte. Ich hätte keinen Schimmer, was ich einer Frau wie ihr bestellen sollte. Außerdem hat sie gerade „doof“ gesagt, und das ist gleichzeitig altmodisch und süß. Ich muss unwillkürlich lachen.

Sie mustert mich. „Lachen Sie über mich?“

„Nein, nein“, versichere ich ihr, aber sie glaubt mir nicht, das sehe ich ihr an. „Gar nicht. Es war nur süß, wie Sie ‚doof‘ gesagt haben.“

„Brandon ist ja so ein doofer Idiot.“

„Wir sollten wirklich etwas an Ihrem Wortschatz arbeiten, zumindest an den Schimpfwörtern.“

Sie funkelt mich böse an, und sogar dann finde ich sie süß. Alles an ihr ist irgendwie zuckersüß. Ja, das beschreibt sie ziemlich genau. Zuckersüß.

„Ich brauche nicht vulgär zu sein, um ein vernünftiges Gespräch zu führen“, sagt sie.

„Nein, natürlich nicht.“ Ich beuge mich vor, die Ellbogen auf die Knie gestützt, und schaue ihr unverwandt in die Augen. „Aber würde es sich nicht gut anfühlen, ihn als Wichser zu bezeichnen?“

Ein Hauch von Rosa überzieht ihre helle Haut. Und das ist etwas, das mich so richtig schwach macht. Oder hart, um genau zu sein. Ich bin froh, dass ich vornüber gebeugt dasitze, sodass sie mir nicht in den Schritt sehen kann. Ich muss an etwas anderes denken als ihre vollen Brüste und ihr Erröten, bevor ich mich wieder aufrichte und eine peinliche Szene heraufbeschwöre.

Aber ich bin sowieso noch nicht geneigt, sie in Ruhe zu lassen. Erst will ich es noch von ihr hören. „Kommen Sie schon“, sage ich aufmunternd. „Sagen Sie es. Nur einmal.“

„Was?“

„Brandon ist ein Wichser.“

Sie presst die Lippen zusammen und sie bewegen sich, als hielte sie mühsam etwas zurück.

„Los, sagen Sie es.“ Ich lecke mir über die Lippen und beobachte aufmerksam, wie sie mit sich ringt. „Halt. Warten Sie.“

Ihre Augen weiten sich vor Überraschung. „Wieso?“

„Sie haben noch nie fuck gesagt, oder?“

„Ich hatte bislang noch nicht das Bedürfnis.“

Mein Blick fällt wieder auf ihre vollen Brüste. „Erstaunlich.“

Sie weicht meinem Blick aus. „Wieso?“

Oh mein Gott. Sie ist so … unverdorben. Unfassbar. Ich wusste gar nicht, dass es solche Frauen überhaupt noch gibt. Sie ist zierlich, blond, hat große braune Augen und strahlt so eine authentische Unschuld aus. Das reizt mich, sie herauszufordern.

„Okay, wir müssen an Ihrer Ausdrucksweise arbeiten, und zwar hier und jetzt.“

„Wie bitte?“ Ihre Stimme klingt etwas schriller als noch vorhin. Sie lehnt sich etwas zurück, als fürchtete sie, ich könnte sie beschmutzen.

„Ja. Ich möchte, dass Sie es sagen.“

„Nein“, sagt sie kategorisch. „Das kann und will ich nicht sagen.“

„Warum nicht? Es ist doch nur ein Wort. Und glauben Sie mir, manchmal fühlt es sich richtig gut an, verbal Dampf abzulassen.“

„Aber das ist so vulgär“, wendet sie ein, klingt aber nicht ganz so desinteressiert, wie sie tut. Ich spüre, dass sie gerne etwas unanständiger wäre, um ihrer Wut und Verletztheit Luft zu machen.

„Manche Leute sagen, dass nur dumme Menschen fluchen, wenn ihnen die Argumente ausgehen, aber ich bin anderer Meinung, und Studien geben mir recht. Es erfordert Intelligenz und sprachliche wie soziale Kompetenz, um anständig zu fluchen.“

„Dann heißt das im Umkehrschluss, dass Fluchen ein Zeichen von Intelligenz ist?“, hakt sie skeptisch nach.

„Nicht ganz. Natürlich können auch dumme Menschen fluchen, das liegt auf der Hand. Aber intelligente Menschen verstehen es, richtig zu fluchen. Und ganz ehrlich, manchmal gibt es einfach keine Alternative zu einem von Herzen kommenden Fuck.“ Ich betone das Wort mit Nachdruck, sodass es zwischen uns in der Luft hängt.

Sie öffnet den Mund, schließt ihn jedoch gleich wieder.

„Kommen Sie, Becca.“ Ich richte mich ein wenig auf. „Ich möchte hören, wie Sie Brandon als Wichser bezeichnen.“

„Ich glaube, das bringe ich nicht fertig.“