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Das beliebte Gebetbuch des Kapuzinerpaters Anton Rotzetter nun in bibliophiler Neugestaltung: Der ganz besondere Ton der Gebetstexte Anton Rotzetters spricht vielen aus der Seele. „Gott der mich atmen lässt" gehört zu den beliebtesten Gebetbüchern im deutschen Sprachraum. Es enthält Gebete zu den wechselnden Zeiten des Tages und des Jahres, für die verschiedenen Anlässe und Erfahrungen des Lebens und Meditationen zu den Psalmen.
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Seitenzahl: 114
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Allendie sich mit dem Zustand der Welt nicht abfinden wollendie noch Visionen haben und Zieledie um ihre Grenzen wissen und dennoch und trotz allem an eine Zukunft glaubenweil uns in allem die Anrufbarkeit Gottes entgegenkommt
Überarbeitete Neuausgabe 2016
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 1985
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Umschlaggestaltung: Wunderlich & Weigand, Stefan Weigand
Umschlagmotiv: © PPAMPicture / iStock.com
E-Book-Konvertierung: post scriptum, Emmendingen / Hüfingen
ISBN (E-Book) 978-3-451-80854-8
ISBN (Buch) 978-3-451-37518-7
Einladung zum Beten
1 | Tag-Zeiten
Morgengebete
Abendgebete
Vor dem Essen
Nach dem Essen
2 | Lebens-Zeiten
Das Leben begrüßen
Dem Leben entgegenwachsen
Das Leben annehmen
Das Leben feiern
In schweren Stunden
Umkehr und Vergebung
Vor der Ernte des Lebens
In Gottes Hand
3 | Not-Zeiten
Hunger
Durst
Ohne Obdach
Nackt
Krank
Gefangen
Im Tod
4 | Jahres-Zeiten
Advent
Weihnachten
Fasten
Passion
Ostern
Pfingsten
Während des Jahres
5 | Die Welt vor Gott bringen
Dank für die Schöpfung
Beten mit unseren Mitgeschöpfen
Beten mit dem Körper
Das Innere bereiten
Unser Herz vor «Gott»
6 | In Gott verankert
Glauben
Hoffen
Lieben
Der eine «Gott»
Der dreifaltige «Gott»
7 | Psalmen
Der Autor
Das vorliegende Buch ist 1985 erstmalig erschienen und hat aufgrund der bis heute andauernden Nachfrage viele Auflagen erlebt und bislang viermal das Erscheinungsbild verändert. Es liegt nun in einer völlig neuen überarbeiteten Ausgabe vor. Neue Gebete sind hinzugekommen, andere habe ich verändert oder nicht mehr in die Sammlung aufgenommen. Geblieben ist meine Einstellung zum Beten. Wichtiger als Worte ist das Schweigen. Christliches Beten ist kein «Plappern» (Matthäus 6,7), keine Anhäufung von Worten, sondern Begegnung, Ausdruck des Herzens, Haltung, die sich des Geheimnisses bewusst ist, dem man sich im Gebet zuwendet.
Deswegen habe ich in dieser Ausgabe die Anrede Gottes in Anführungsstrichen und in Großbuchstaben geschrieben. «gott» steht ja da für den biblischen Gottesnamen Jhwh, den das Volk Israel bloß einmal pro Jahr durch den Hohepriester auszusprechen wagte, nämlich an Jom Kippur, dem Tag, an dem es die Versöhnung mit «gott» erlebte (Levitikus 16). Er wurde in den vorzulesenden Texten auch besonders geschrieben. Schon von weitem erkannten die Vorlesenden den heiligen Namen und nahmen wahr, dass dieses Geheimnis nicht wirklich angemessen in unsere Sprache passt – und sprachen dann etwas anderes aus, und dies in einer großen Ehrfurcht, aus dem Schweigen heraus und ins Schweigen hinein.
Viel zu häufig und zu sorglos kommt uns Christen das Wort «Gott» über die Lippen. Aber nicht der ist ein wirklich Frommer, der das Wort möglichst häufig spricht, nicht die eine Gläubige, deren Lippen möglichst viele Male den Namen Gottes formen. Deswegen setze ich ihn in Anführungszeichen, damit uns jedes Mal aufgeht, dass das Wort ins Unaussprechliche, Unsagbare und Unendliche weist. Und wer dann statt «gott» einen anderen Gottesnamen einsetzt, soll dazu ermutigt sein. In meinen Gebeten bemühe ich mich übrigens immer wieder, auch andere Worte für das anwesende Geheimnis zu finden.
Nochmals: Das Schweigen, die Stille sind die wesentlicheren Aspekte des Gebetes als die Worte. Wenn ich bete, muss das Schweigen in mir sein. Ich werde das Schweigen mit in die Worte nehmen. Und ich werde die Worte wieder ins Schweigen zurückführen.
In der kirchlichen Praxis wird diese Gebeteshaltung meistens leider nicht erfahrbar. Man ist dem Ritualismus verfallen. Ein Wort verdrängt das andere. Es wird schnell ausgesprochen, so als hätte man Angst, dass es haften bleiben oder gar Sinn stiften könnte. Der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner hat von der «Logorhoe», vom «Wortdurchfall» gesprochen.
Die franziskanische Bewegung war sich schon sehr früh dieser Perversion des Gebetes bewusst. Deswegen stehen in ihren Gebetsräumen poetische, leicht zu merkende Sätze. So in San Damiano in Assisi: Non vox, sed votum, non cordula sed cor, non clamor sed amor psallit in aure Dei – «Nicht die Stimme, sondern die Anheimgabe, nicht die Saite, sondern das Herz, nicht der laute Ton, sondern die Liebe klingt im Ohr Gottes.» Oder anderswo: «Mit dem Leib im Gebetsraum, mit dem Herzen in Gott.»
Um diesem Anliegen zu dienen, sind die Gebete dieses Buches nicht linear, sondern wie Gedichte geschrieben. Darunter gibt es viele, die auch gemeinsam gesprochen werden können, vor allem viele Litaneien, die ich mit * kennzeichne.
Einige der neuen Texte sind bereits anderswo veröffentlicht worden. Besonders erwähne ich die «Messe für Tiere», die – mit musikalischer Begleitung – als CD erschienen ist (Bezugsadresse: AKUT – Sekretariat, Rübibachstraße 9, CH 6372 Ennetmoos).
Dass das Titelgebet «Der mich atmen lässt» (Nr. 179, S. 152) mehrfach vertont worden ist, freut mich natürlich sehr. Vor allem eine Vertonung ist zu einem weitverbreiteten Ohrwurm geworden und auf verschiedenen CDs wiedergegeben und in Liederbüchern abgedruckt worden (Melodie: © Patrick Dehm, Limburg). Auch andere Texte sind von Musik- und Gesangsgruppen in ihr Repertoire aufgenommen worden. Darüber freue ich mich deswegen so sehr, weil Gebete Erhebungen des menschlichen Herzens und ein Aufschwung des Geistes sind. Franz von Assisi hat darum in der Lerche sein Vorbild gesehen: auf der Erde nisten und sich aufschwingen zum Lob.
Dass uns dies gelingt, hoffentlich auch mit diesem Buch, das ist mein Wunsch.
Anton Rotzetter
Dem Tag aller Tageder Nacht aller Nächtesei jeder Tagund jede Nachtdargebracht
1 | Hände hast Du mir gegeben
Du
Kraft über mir
Du
Kraft der Geschichte
Du
Kraft in mir
Hände hast Du mir gegeben
und Geist
Gefühl und Energie
Ich will heute tun, was dem Leben dient
mit meinen Händen ein Stück Welt gestalten
mit meinem Geist die Möglichkeiten ertasten
mit meinem Gefühl das Rechte erspüren
mit meiner Energie alle Hürden überwinden
Lass mich erleben
dass ich Anteil habe an Dir
Du
göttliche Kraft
2 | Wach sein
Lebendiger «Gott»
Wieder bin ich aufgewacht
und aufgestanden
Lass mich wach sein
wach für jede Regung des Lebens
für jedes Gefühl und jeden Schrei
wach für jeden Menschen
und für jeden Wink, den er mir gibt
wach für Dich und alle Zeichen Deiner Liebe
Lass mich aufrecht stehen an diesem Tag
als Dein Sohn, Deine Tochter
stolz, ein Mensch zu sein
Lass mich teilhaben an Jesus von Nazaret
den Du auferweckt hast
für ein Leben, das keinen Tod mehr kennt
Lass mich teilhaben an ihm
der auferstanden ist
zu Freiheit und Würde in einer neuen Welt
3 | Einen Leib hast Du mir gegeben
«Gott»
Ich danke Dir für meinen Leib
Du hast ihn mir gegeben
damit ich hier bin
hier und jetzt vor Dir
damit ich mich abgrenze
nach außen und nach innen
damit ich mich hingebe
für Dich und alles, was lebt
damit ich mich unterscheide
von allem und jedem
damit ich ein Mensch bin
zum Fühlen und Greifen
damit ich verletzlich bin
durch die Not der Welt
damit ich alles ändere
mit meinen Händen
Hilf mir
«Gott»
damit ich die Erwartung erfülle
die Du an mich stellst
4 | Sein wie Du
Du
Sonne der Welt
Ich möchte sein wie Du
barmherzig und gerecht
zärtlich und stark
voll Zuwendung und Wahrheit
voll Liebe und Nachsicht
Darum bitte ich Dich
Leuchte auf in meinen Augen
Ergieße Dich über meine Lippen
Zeige Dich in meinen Taten
Spiegle Dich in meinen Gedanken
Scheine auf in meinem ganzen Wesen
Mach mich heute zu einer Sonne
in der Du aufgehst über der Welt
5 | Am größten in den kleinen Dingen
Du
«Gott»
Du bist am größten in den ganz kleinen Dingen
Darum bitte ich Dich
am Morgen dieses neuen Tages:
Lass mich Dich erkennen
in der Hand in meinem Schoß
und in allem, was ich heute tue
in der Stille um mich herum
und in allem, was sie erfüllt
im Stuhl, auf dem ich sitze
und in allem, was mich trägt
Lass mich Dich suchen
in den Menschen, die mir heute begegnen
im schreienden Kind
in der werdenden Mutter
im ergrauten Mann
in jedem Menschen
Lass mich Dich bestaunen
in der Stimme aus dem Radio
die mich verbindet mit der ganzen Welt
im Himmel, der sich über mir wölbt
und immer wieder anders ist
in der Biene, die von Blüte zu Blüte fliegt
im Wurm, der im Staub der Straße liegt
und auch in der Fliege, die mir lästig ist
im Baum, der einsam auf dem Hügel steht
im ewigen Hin und Her der Stadt
in allem, was geschieht
in allem, was sich bewegt
in allem, was ist
Lass mich Werkzeug sein
für den Frieden
den die Welt nicht geben kann
für das Leben, das den Tod überdauert
für die Gerechtigkeit
nach der wir Hunger haben und Durst
für das Land
in dem jeder Platz hat und Raum
für die Zukunft, die wir alle ersehnen
für alles, was Du mit der Welt vorhast
6 | Lass mich Mensch sein*
Was immer kommen mag
Lass mich Mensch sein
Du menschenfreundlicher «Gott»
Bei Sonne und Regen
Lass mich …
In Hitze und Kälte
Lass mich …
In Leidenschaft und Zorn
Lass mich …
In Freude und Trauer
Lass mich …
In Verachtung und Spott
Lass mich …
In Beleidigung und Hohn
Lass mich Mensch sein
Du menschenfreundlicher «Gott»
In Arbeit und Schweiß
Lass mich …
In Schmerz und Leiden
Lass mich …
In Überforderung und Lustlosigkeit
Lass mich …
In Auseinandersetzung und Diskussion
Lass mich …
In Misserfolg und Scheitern
Lass mich …
In Anerkennung und Lob
Lass mich …
In Bewunderung und Ruhm
Lass mich …
In allem, was kommen mag
Lass mich Mensch sein
Du menschenfreundlicher «Gott»
7 | Nacht aller Nächte, Tag aller Tage
Die Nacht geht
Doch Du bleibst
Nacht aller Nächte
Ein neuer Tag kommt
und mit ihm kommst Du
Tag aller Tage
Das Tagwerk beginnt
und in ihm wirkst Du
Kraft aller Kräfte
Auf mich warten Menschen
und in ihnen wartest Du
Mensch unter Menschen
Lass mich nicht verzweifeln
wenn die Nacht über mich kommt
Lass mich nicht verzagen
wenn der Tag mich erdrückt
Lass mich nicht schwach werden
wenn das Werk alle Kräfte fordert
Lass mich Dich nicht enttäuschen
wenn Du im Menschen auf mich wartest
8 | Ruhe und Frieden
«Gott»
Ich will
Mit Dir in diese Nacht hineingehen
Vor Dir die Hände in den Schoß legen
In Dir Ruhe und Frieden suchen
Ich will
Deinen Engel empfangen
in Deinem Schoß schlafen
und morgen aufwachen in Deiner Kraft
Aber Dein Wille geschehe
nicht meiner
9 | Sei mit uns*
«Gott»
Du helles Licht
Sei mit uns
wenn die Nacht hereinbricht
Sei mit uns
in der Nacht des Todes
Sei mit uns
in der Nacht der Schuld
Sei mit uns
in der Nacht des Hasses
Sei mit uns
in der Nacht des Schmerzes
Sei mit uns
in der Nacht der Verzweiflung
Sei mit uns
in der Nacht der enttäuschten Liebe
Sei mit uns
in der Nacht der zerbrochenen Beziehungen
Sei mit uns
in der Nacht des Glaubens
Sei mit uns
in der Nacht der Sinnlosigkeit
Sei mit uns
in der Nacht der Einsamkeit
Sei mit uns
in jeder Nacht
Sei mit uns
in dieser Nacht
10 | Ich vertraue mich Dir an
Du
guter Wächter der Nacht
Wie bin ich froh
Dich wach zu wissen in dieser Nacht
Ich vertraue mich Dir an
meinen müden Leib
mein unruhiges Herz
meine Sorgen und Gedanken
Ich empfehle Dir alle, die mir lieb sind
Trockne die Tränen
Berühr mit zarter Hand
das Gesicht der Einsamen
Stille die Sehnsucht
Lindere den Schmerz
Gib allen den Frieden der Nacht
Ich empfehle Dir die ganze Welt
die Armen und die Reichen
die Kranken und die Gesunden
die Flüchtlinge und die Hungernden
alle Völker und Nationen
die Tiere, die Pflanzen
alles, was Du geschaffen hast
Ich will glauben
guter Wächter der Nacht
dass nichts Deinem liebenden Blick entgeht
Segne alle, die arbeiten, während ich schlafe
Und segne alle, die schlafen
11 | Nimm alles zurück*
Für alles Gelungene
Danke, guter «Gott»
Für alles schöne
Danke …
Für alle Worte
Danke …
Für jede Begegnung
Danke …
Für meine Familie
Danke …
Für meine Freunde
Danke …
Für alles, was diesen Tag abrundet
Danke, guter «Gott»
Alles Unfertige
Nimm in Deine Hände, guter «Gott»
Alles Unausgesprochene
Nimm …
Alles Verkehrte
Nimm …
Alles Zerstörte
Nimm …
Alles Verwundete
Nimm …
Alle Konflikte
Nimm in Deine Hände, guter «Gott»
Alle Sorge
Nimm …
Alle Traurigkeit
Nimm …
Alles, was falsch war an diesem Tag
Nimm in Deine Hände, guter «Gott»
Nimm alles zurück, guter «Gott»
das Gute und das Böse
Entbinde mich für ein paar Stunden
aller Verantwortung
und lass mich geborgen schlafen in Dir
guter «Gott»
12 | Ich bin müde
Ach «Gott»
Ich bin müde
Alle Glieder sind schwer geworden
Alles tut weh
Ich bitte Dich
Erfüll meine Müdigkeit mit Segen
Verbinde die schweren Glieder
mit der Schwerkraft Deiner Liebe
mit dem Kreuz Deines Sohnes
Führ mich in die Ruhe der Nacht
Nimm die Müdigkeit von meinem Leib
Verwandle meine schweren Glieder in Flügel
mit denen ich mich aufschwingen kann
zum Leben
Heile mich mit der Salbe Deiner Liebe
Lass mich erfahren
dass nicht die Nacht das Letzte ist
sondern der Tag
die Auferstehung und das Leben
13 | Alles loslassen
Am Ende
fließt alles zurück
in den Schoß der Nacht
Ich weiß,
dass ich geborgen bin
und getragen
So will ich alles loslassen
den Schmerz, die Mühe und alle Wunden
die Lust, das Lachen und alle Beschwingtheit
Ich will loslassen
was ich gehört und gesehen
gesagt und getan habe
Ich will alles loslassen
Freunde und Feinde
auch mich selbst
Wie ein Kind an der Brust der Mutter
lass mich schlafen
im Schoß der Nacht
bei Dir
Du unendliche Liebe
14 | Sprachst Du mich an
Nach einem Gedicht von Ernesto Cardenal
Ich löschte das Licht, um den Schnee zu sehen.
Und sah den Schnee durch das Fenster
und sah den Mond.
Doch dann sah ich, dass Schnee und Mond
nur wieder Fenster sind,
und durch dieses Fenster sahst Du mich an.