Grass und Indien / Hinduismus - Karl-Josef Kuschel - E-Book

Grass und Indien / Hinduismus E-Book

Karl-Josef Kuschel

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Beschreibung

Drei Indien-Reisen im Zeitraum von 1975 bis 1986 haben im Werk von Günther Grass Spuren hinterlassen. Er bricht dabei entschieden mit einem Indien-Bild der deutschen Literatur, das von der Romantik inspiriert und von Hermann Hesse verfestigt wurde ("indische Dichtung" "Siddhartha"). Dem stellt Grass seine radikale politische Kritik an den sozialen Zuständen in Indien entgegen: Massenarmut, Überbevölkerung, verelendete Städte. Spätestens mit seinem wichtigsten Indien-Buch "Zunge zeigen" (1988) gewinnt Grass ein komplexes Bild von Indien. Die geistige Mitte des Buches bildet die Göttin Kali. Sie steht für die zerstörerische Seite des Göttlichen. Die "schreckliche Mutter", ist aber auch eine Kraft der Veränderung, bei der die Machtverhältnisse und sozialen Zustände nicht so bleiben können wie sie sind.

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Seitenzahl: 34

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Das Wissen dieser Welt aus den Hörsälen der Universitäten.

Fachbereich THEOLOGIE DER KULTUR

Grass und Indien / Hinduismus

Von Prof. Karl-Josef Kuschel

I. DIE ERSTE INDIEN-REISE: TRAUM ODER TRAUMA?

In der deutschen Literatur ist Indien unlösbar mit dem Namen Hermann Hesse verbunden. Nicht zufällig trägt Hesses bekanntestes, bis heute populärstes Buch „Siddhartha“ (1922) als Untertitel die Bezeichnung „Eine indische Dichtung“. Mehr als andere hat Hesse dafür gesorgt, dass indische Geistigkeit in der deutschen Literatur eine Heimat fand. Deshalb ist es seltsam zu denken: Eines der letzten schriftlichen Zeugnisse, die wir von Hesses Hand haben, berichtet von einem Traum mit indischem Inhalt. Im Mai 1962, wenige Wochen vor seinem Tod, veröffentlicht Hesse noch einmal einen Text unter dem Titel „Brief im Mai“ (Neue Züricher Zeitung 26. Mai 1962) und erzählt von einer im Schlaf traumartig völlig verwandelten Szene. Überraschend hoher Besuch ist zu Hesse in Schweizerische Montagnola gekommen: André Gide. Dieser große französische Schriftsteller will Hesse noch einmal sehen. Gide aber ist wortkarg, schlechter Laune, zieht sich bald ins Gastzimmer zurück. Dann tritt er mit dem Gastgeber vor die Haustür, vermutlich zu einem Spaziergang entschlossen, bleibt aber dicht vor dem Haus stehen, zögert, wie im Nachdenken versunken, und: vollführt dann eine tiefe Kniebeuge. Mehr noch: Aus dieser ohnehin schon mühsamen Stellung streckt er ein Bein nach vorn in die Luft, etwa wie slawische Tänze es verlangen, nur viel langsamer und feierlicher. Es ist ein unverkennbarer religiöser, sakraler Akt, dessen Bedeutung der Träumende nicht erraten kann. Als Gide sich aufrichtet, gibt er dem Gastgeber eine Erklärung ab mit den Worten: „Alles ist. Alles ist nicht. Es ist indisch.“ – „Coincidencia Oppositorum“, antwortet der Gastgeber im Traum. Da starrt Gide ihn verloren an, überlegt offrenbar, ob er zustimmen soll. Plötzlich ist noch ein dritter Mann präsent, ein französisch aussehender Herr. Gide beginnt mit seinem Landsmann zu plaudern und geht im lebhaften Gespräch fort ohne Erklärung, ohne Abschied (GB IV, Frankfurt/M. 1986, S. 418–424).