Greed Castle - Carolin Römer - E-Book

Greed Castle E-Book

Carolin Römer

4,4

Beschreibung

Die irische Nordwestküste und insbesondere Foley waren jetzt nicht das, worauf Fin O'Malley in seinem Leben gewartet hatte. Aber immerhin hat er hier (sehr) seine Ruhe und macht sich auf die Suche nach sich selbst. Doch dabei stolpert er über einen Toten, offenbar kaltblütig vor dem gruseligen Herrenhaus Greed Castle ermordet. Der ehemalige Detective aus Dublin hat bekanntermaßen von der Polizeiarbeit die Nase voll. Aber durch ein Missgeschick macht er sich verdächtig und muss handeln. Bei seinen Ermittlungen muss Fin sich jedoch mit einer hartnäckigen Polizistin und einer aufmüpfigen Teenagertochter herumärgern. Auch die eigene, lang verdrängte Vergangenheit macht ihm zu schaffen. Dass der einzige Tatzeuge auch noch vier Pfoten und eine feucht Schnauze hat, erleichtert Fins Ermittlungen nicht unbedingt. Sollten die Kobolde, die der Sage nach in Greed Castle hausen, sich gerächt haben? Fins Tochter verschwindet spurlos. Aber nun weiß Fin, dass er der Lösung des Rätsels schon ganz nah gekommen ist ...

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Ein ganz herzlicher Dank geht an Barbara Dickenberger, ohne die Fin O’Malley niemals ins Licht der irischen Sonne geblinzelt hätte.

Go lonraí an ghrian go te ar d’aghaidh

Es war dunkel. Mitten in der Nacht. Die Stunde, in der die Monster erwachten. Wenn sie sich reckten und streckten, ihre spitzen Krallen wetzten und die scharfen Zähne bleckten. Wenn sie aus ihren Verstecken krochen und sich aufmachten, um über ihn herzufallen.

Er lag stocksteif in seinem Bett, die Decke bis an sein Kinn hochgezogen, und lauschte atemlos ins Dunkel. Er wagte nicht, sich zu bewegen, aus Angst, das kleinste Geräusch könnte sie auf sich aufmerksam machen. Am liebsten wäre er kopfüber unter der Bettdecke verschwunden, aber dann hätte er nicht sehen können, wann sie sich anpirschten. Nein, Verstecken war zwecklos, sie würden ihn ohnehin finden, und er war ihnen wehrlos ausgeliefert.

Was konnte er gegen sie schon ausrichten? Sie waren in der Überzahl und er – er war erst vier Jahre alt. Viel zu klein, um zu verstehen, was sie von ihm wollten. Warum quälten sie ausgerechnet ihn? Womit hatte er sie so gegen sich aufgebracht? Wofür wollten sie ihn bestrafen? Oder wollten sie ihn am Ende doch einfach nur auffressen?

So viele Fragen und er hatte keine Antworten. Eigentlich war er noch zu klein, um sich solche Gedanken überhaupt zu machen. Aber kannte nicht jedes Kind diese Monster und hatte sie des Nachts gesehen, auch wenn die Erwachsenen ihre Existenz beharrlich leugneten?

Nein, er wusste es besser. Die Monster waren da, so wahrhaftig wie die Wolken am Himmel und das Gras auf der Wiese. Sie hockten unter seinem Bett, hingen in den Gardinen, lauerten in der Nische neben der Kommode und in dem großen klobigen Schrank auf der anderen Seite seines Zimmers, der manchmal mitten in der Nacht anfing, bedrohlich hin und her zu wackeln. Dann hörte er das Knarren der Holzdielen unter seinem Bett, wenn sie durch die Ritzen schlüpften, hörte das Kratzen ihrer Krallen, hörte sie winseln und schmatzen, wenn sie sich die Lefzen leckten in Erwartung fetter Beute.

Manchmal lag er die ganze Nacht wach und wartete, dass die Monster wieder in ihre Verstecke zurückkrochen, und wenn er es nicht mehr aushielt, fing er an zu weinen, bis seine Mutter kam, um ihn zu trösten. Sie brachte ihm eine Tasse warme Milch und blieb bei ihm, bis er eingeschlafen war. Gegen seine Mutter konnten die Monster nichts ausrichten, sie war stärker als alle Ungeheuer dieser Erde.

Aber heute Nacht würde sie nicht kommen. Er hatte ihre Schritte auf der Treppe gehört, ihre Stimme unten in der Küche. Und die Stimme seines Vaters. Und andere Stimmen. Fremde Stimmen. Stimmen draußen auf der Straße vor dem Haus. Sie schrien und grölten. Jemand sang ein Lied, laut und falsch, andere fielen betrunken ein. Er hörte Schritte. Menschen kamen näher, andere liefen davon. Ein Hund bellte. Ein großer, böser Hund. Schatten tanzten durch den schwachen Lichtschein, der durch die geschlossenen Vorhänge in sein Zimmer fiel.

Der Feuerdrache war unterwegs. Vor zwei Tagen hatte er das Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite gefressen. Und heute Nacht würde er ihr Haus verschlingen.

Er begann, nach seiner Mutter zu rufen. Er musste sie warnen, sie würde sich dem Drachen entgegenstellen, und gemeinsam konnten sie ihn vielleicht vertreiben, wenn sie nur laut genug waren.

Aber die Menschen draußen auf der Straße waren lauter als er. Alle brüllten sie durcheinander. Ein Auto bremste. Türen schlugen zu. Niemand würde ihn hören. Niemand würde ihm helfen.

Er warf die Decke von sich, schlug mit den geballten Fäusten auf die Matratze und schrie sich die Seele aus dem Leib. Er schrie, bis er heiser war. Strampelte, bis sein Schlafanzug nass war von Schweiß. Bis seine Hände wehtaten und er keine Kraft mehr hatte. Bis ihn plötzlich jemand in die Arme nahm und er den vertrauten Geruch seiner Mutter atmete. Sie hatte kein Licht gemacht, als sie sich zu ihm aufs Bett setzte und beruhigend auf ihn einredete. So konnte er ihr Gesicht nicht sehen, aber die Arme, die ihn festhielten, sagten ihm, dass auch sie Angst hatte.

Das war ein völlig neues Gefühl für ihn. Seine Mutter hatte nie Angst. Wovor sollte sie Angst haben? Sie konnte es mit allem und jedem aufnehmen!

Das Fenster klirrte. Etwas Großes polterte ins Zimmer. Er schrie auf. Der Drache wollte ihn verschlingen!

Seine Mutter packte ihn blitzschnell und zog ihn vom Bett. Zog ihn hinüber zum Schrank. Öffnete eine der beiden Türen und schob ihn ins bodenlose Nichts.

Er schrie lauter. Wehrte sich gegen ihren Griff. Schüttelte panisch den Kopf. Nicht in diesen Schrank! Sie wusste doch, dass dort die Monster hausten! Er hatte es ihr doch hundert Mal erklärt!

Aber sie blieb hart. Unerbittlich. Redete auf ihn ein, aber er brüllte so laut, dass er sie nicht verstand. Das schwarze Loch kam näher. Er wand sich, kratzte und trat nach ihr, aber sie war stärker. Schon umfing ihn der muffige Geruch des hölzernen Gefängnisses, die Tür wurde zugestoßen und er saß in abgrundtiefer Finsternis. Kratzige Wintermäntel strichen über seine tränennassen Wangen, zwischen wollenen Röcken und derben Schuhen erstickte sein Weinen. Er trat gegen die Tür und schlug gegen das Holz, aber niemand erlöste ihn.

Als er für einen Augenblick innehielt, um Atem zu schöpfen, konnte er es hören. Das leise Knurren ganz in seiner Nähe. Das hölzerne Knarzen des Schranks, als ein riesiger warmer Körper langsam näher rückte. Er konnte den schwefeligen Atem riechen, als das Monster witternd die Schnauze hob und im Dunkeln nach ihm suchte.

Am nächsten Tag zogen sie aus dem Haus aus. In eine andere Straße. In eine andere Stadt.

In ein anderes Land.

1. Traban Bay

Es war hell. Viel zu hell für einen gewöhnlichen Nachmittag im April. Er musste die Augen zusammenkneifen, so grell schien die Sonne von einem wolkenlosen Himmel.

Der Winter war lang gewesen, kalt und grau. Aber am Ende war der Frühling auch nach Donegal gekommen. Mit jedem Tag war das Grün aus den Tälern weiter die Berge hinaufgekrochen. Der Weißdorn stand in voller Blüte, Klee und Kerbel überzogen die Wiesen mit einem duftigen, weißen Schleier. Am Himmel trällerten ausdauernde Lerchen im Wettstreit mit Möwen und Austernfischern, die die Felsen und Strände mit ihrem unaufhörlichen Gekeife und Getriller lautstark für sich reklamierten. Das Leben war erwacht, auch wenn die Natur diesen Landstrich nicht ganz so verschwenderisch gesegnet hatte wie den bei Touristen so beliebten Südwesten Irlands, der eindeutig mehr vom Golfstrom verwöhnt wurde als der eher raue Norden der Insel.

In den Parks von Dublin waren um diese Zeit die Bäume schon grün, die Frühlingsblumen längst verwelkt oder ein Opfer von Vandalismus geworden.

Fin O’Malley konnte das egal sein, er lebte seit fast einem halben Jahr auf dem Land und wunderte sich immer noch, dass er fernab von grauem Beton und Glasfassaden so lange hatte überleben können. Er hatte Handygebimmel gegen Vogelgezwitscher getauscht, Krähen gegen Möwen, Abgase gegen Salzgeruch, Hundekot gegen Schafsköttel, ein Haus am Stadtrand gegen ein Zimmer über einem Dorfpub.

Aber so ganz freiwillig hatte er es nicht getan.

Er saß am Rand der Dünen im hohen Gras und blickte auf den Strand, dessen feiner, fast schneeweißer Sand das Sonnenlicht reflektierte. Türkisfarbenes, kristallklares Wasser brach sich in kleinen friedlichen Wellen, schaukelte Kiesel und Muscheln sanft hin und her und scheuchte die winzigen, hektischen Strandläufer auf der Suche nach Futter vor sich her. Die Bucht von Traban lag fernab aller Touristenströme, selbst in der Hochsaison verirrte sich keine Menschenseele hierher, niemand markierte sein Reich mit einem Badelaken, keine Fish & Chips-Bude versperrte die Aussicht, kein Ghettoblaster störte die Ruhe. Hier, auf der Halbinsel Day’s Foreland im westlichsten Winkel von Irlands Norden, schien die Welt noch in Ordnung zu sein.

Nur für Fin O’Malley war sie das ganz und gar nicht.

Er hatte keinen Job, kein Geld, genau genommen nicht einmal eine richtige Bleibe.

Nach seiner kurzen, aber fatalen Affäre mit Charlotte Quinn und der Geschichte mit dem gestohlenen Van Gogh hatte Fin seinen Job bei der Polizei hingeschmissen. Zugegeben, es war eine Kurzschlusshandlung gewesen; wenn er ehrlich war, hatte er keine Sekunde über die möglichen Folgen nachgedacht. Frustration, Ärger, verletzter Stolz – es war einiges zusammengekommen, das seine Entscheidung aus seiner Sicht im Nachhinein rechtfertigte, aber deswegen gleich alle Brücken hinter sich abbrechen? Eigentlich hatte er sich nur eine Auszeit gönnen und sein Leben neu ordnen wollen. Aber aus ein paar Tagen waren Wochen und schließlich Monate geworden. Er war in ein tiefes Loch gefallen. Natürlich hatte er zu viel getrunken, und natürlich hatte ihn das der Lösung seiner Probleme nicht nähergebracht. Er hatte in den Tag hineingelebt, hatte die Langeweile mit Fernsehen bekämpft und war versackt zwischen Daily Soaps, mitternächtlichen Talkshows, Kochsendungen und fragwürdigen Gewinnspielen. Knapp zwei Monate hatte es gedauert, dann waren die wenigen Ersparnisse aufgebraucht und Weihnachten stand vor der Tür. Er hatte sich nicht unbedingt nach einem beschaulichen Christfest im Kreise der Familie gesehnt – aber es war das erste Weihnachten ohne seine Tochter Lily. Und das schmerzte mehr, als er zugeben wollte. Sie hatten lange miteinander telefoniert und natürlich hätte er nach Dublin fahren können, aber die Vorstellung, zusammen mit Lily, seiner Ex-Frau Susan und deren neuem Freund unter dem Weihnachtsbaum zu sitzen, hatte ihn dann doch an seine Grenzen gebracht.

Eins war ihm damals allerdings schlagartig klar geworden. So konnte es nicht weitergehen. Er musste sich endlich zusammenreißen, den Weg weitergehen, den er eingeschlagen hatte, oder einen anderen suchen.

Als erstes hatte er seinen Whiskykonsum drastisch eingeschränkt, so drastisch, dass er sich selbst fast schon als abstinent bezeichnete, und überraschenderweise kam er sogar ganz gut damit klar. Er hatte mit dem Kochen angefangen, was darauf zurückzuführen war, dass es hier in Foley so etwas wie Fastfood einfach nicht gab, und der gedeckte Tisch, unter den er bisher bequem die Füße hatte strecken können, wenn er von der Arbeit nach Hause kam, stand mittlerweile einige hundert Kilometer entfernt in Dublin. Wenn er nicht verhungern wollte, musste er lernen, für sich selbst zu sorgen. Eine durchaus angenehme Begleiterscheinung war, dass er abgenommen hatte. Susan hatte immer schon rumgenörgelt, er solle mehr für seine Kondition tun, und tatsächlich war er in seinem früheren Leben hin und wieder joggen gegangen. Wenn es nicht geregnet hatte. Wenn er dran gedacht hatte, sich den Wecker zu stellen. Oder er seine Turnschuhe finden konnte. Er malte sich aus, wie die Leute in Foley ihn anglotzen würden, wenn er morgens über die Dorfstraße traben würde. Nein, er fühlte sich auch so schon wie ein Asket, ein Einsiedler, der sogar den Frauen abgeschworen hatte. Vielleicht lag Letzteres auch an einem Mangel an Gelegenheiten, aber wenn er ehrlich war, stand ihm nach der Erfahrung mit Charlotte fürs erste nicht der Sinn nach irgendwelchen Bettgeschichten. Das einzige weibliche Wesen, das als Dauergast Anteil an seinem Leben haben durfte, war Charlottes Katze. Sie hatte das Pub als neues Domizil gebilligt, kam und ging, wie es ihr passte, brachte sämtliche Kater im Dorf zur Raserei und hielt jeden Abend Hof wie eine Diva, wenn sie den Gästen in der Kneipe huldvoll erlaubte, ihr rotes Fell zu kraulen. Nein, mehr Gesellschaft brauchte Fin eigentlich nicht.

Nur das Problem mit dem Geldverdienen hatte er noch nicht zufriedenstellend gelöst. Manchmal half er im Pub von Ronan O’Shea aus, dafür hatte er freie Kost und Logis. Das Leben in Foley war preiswert und seit er gemerkt hatte, wie viel Geld er in seinem bisherigen Leben für überflüssigen Kram ausgegeben hatte, war er anspruchslos geworden.

Seinem alten Job hatte er keine Träne nachgeweint, aber das Geld und die Sicherheit fehlten ihm. Manches wusste man erst zu schätzen, wenn man es verloren hatte. Aber mit irgendetwas musste er Geld verdienen. Schon weil er sich vor Lily nicht blamieren wollte. Außerdem erwartete Susan, dass er etwas zum Unterhalt der gemeinsamen Tochter beisteuerte, auch wenn ihr neuer Partner offenbar mehr Geld verdiente als Fin jemals nach Hause gebracht hatte. Er arbeitete fürs Fernsehen. Oder für eine Zeitung? Fin konnte sich nicht mehr genau erinnern, er hatte ihn nur einmal kurz getroffen. Ein schnöseliger Angeber, der sich für was Besseres hielt.

Fin war sein ganzes Leben Polizist gewesen, er hatte nie etwas anderes gemacht als Verdächtige zu observieren, an unzähligen Haustüren zu klingeln, um Zeugen zu befragen, und seitenweise Protokolle zu schreiben. Arbeiten, die keiner seiner Ex-Kollegen gerne gemacht und dafür umso lieber auf ihn abgewälzt hatte. Ihm fiel kein Job ein, für den man diese Qualifikationen brauchte, und je länger er darüber nachdachte, desto mehr kam er zu der Überzeugung, dass er für alles andere zwei linke Hände hatte.

Vielleicht musste er das ja nicht sofort entscheiden. Denn eigentlich war sein Leben gar nicht so übel. Er war ins kalte Wasser geworfen worden, ohne dass man ihn zuvor gefragt hatte, ob er denn auch schwimmen könnte. Nein, das stimmte nicht ganz – er war selber hineingesprungen. Aber er war nicht untergegangen. Er hatte gepaddelt wie ein Wilder, um nicht zu ertrinken, und er war oben geblieben. Er hatte eine ganze Strecke schwimmen müssen, bis das Wasser seichter geworden war und er Boden unter den Füßen gespürt hatte.

Er war angekommen.

In Foley hatte man ihn akzeptiert. Nein, er sollte es vielleicht anders formulieren. Die meisten Leute im Dorf hatten sich viel eher an seinen Anblick gewöhnt. So wie man sich an eine Baustelle auf der Autobahn gewöhnte. Erst ärgerte man sich über sie, dann ergab man sich in sein Schicksal und plante sie auf dem täglichen Weg zur Arbeit einfach ein. Nur wenige mieden sie und fuhren lieber einen Umweg.

Fin war nach wie vor schleierhaft, wovon die Menschen in Foley lebten. Nur eins war klar – es ging nicht immer mit rechten Dingen zu. Noch vor hundert Jahren war Foley ein berüchtigtes Strandräubernest gewesen und irgendwie hatte sich seitdem nicht wirklich viel verändert. Egal ob es um Schmuggel, kleine oder große Betrügereien ging – immer, wenn die Polizei anklopfte, blickte sie in unschuldsvolle Mienen und musste unverrichteter Dinge wieder abziehen. Niemand wollte erklären, womit er den Sportwagen draußen vor der Tür bezahlt hatte oder wie er es sich leisten konnte, zwei Monate in der Karibik Urlaub zu machen. Fin mochte aber auch nicht fragen, denn eins hatte er schnell gelernt, seit er hier war – Neugier hielt man in Foley eher für eine Untugend.

Würden sie ihn eines Tages in ihre Praktiken einweihen? Irgendwann in ferner Zukunft, wenn er lange genug in Foley gelebt und ihr Vertrauen gewonnen hatte? Wollte er das überhaupt? Wollte er so sein wie sie? Wollte er in dieser undurchdringlichen Grauzone am Rande der Legalität leben? Als Polizist?

Ex-Polizist.

Nein, eigentlich nicht. Eigentlich wollte er nur eins. Seine Ruhe. Auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht sonderbar schien, dass ein ehemaliger Polizist ausgerechnet dieses verrufene Nest als Unterschlupf gewählt hatte, so war es auf den zweiten Blick durchaus verständlich. Hierher verirrten sich weder Recht noch Gesetz, weder Fremde noch Freunde. Der perfekte Ort für jemanden, der mit dem Rest der Welt nichts zu tun haben wollte. Zumindest für eine Weile.

Immerhin hatten sie damals dichtgehalten, niemand in Foley hatte ihn nach dem Fall mit dem gestohlenen Van Gogh ans Messer geliefert. Also gehörte er vielleicht doch schon ein ganz klein wenig dazu, ob er wollte oder nicht.

Nora Nichols, das Dorffaktotum, hatte sogar einen Pullover für ihn gestrickt und ihm gestern zum Geburtstag geschenkt. Manchmal hatte er das Gefühl, dass sie die Einzige war, die ihn wirklich zur Kenntnis nahm, auch wenn er auf die Gabe gerne verzichtet hätte. Es war nicht die kratzige Schafwolle, die ihn störte. Oder das merkwürdige Muster, von dem die spinnerte Alte behauptete, es habe magische Kräfte und schütze vor Streichen bösartiger Kobolde. Es war allein die Farbe. Es gab Farben, die Männer seiner Meinung nach niemals tragen sollten. Und Orange stand da ganz weit oben. Lily, seine Tochter, war im Gegensatz zu ihm ganz begeistert von dem ›hippen‹ Stück und nur deshalb hatte er ihn schließlich übergezogen. Trotzdem hatte er so seine Zweifel, dass ihn dieses Kleidungsstück der Dorfgemeinschaft näher brachte.

Viel eher half es da, wenn er im Fisherman hinter der Theke stand. Das Pub ist das Wohnzimmer des Iren, hieß es allgemein, und in Foley war es auf jeden Fall der Mittelpunkt des Dorflebens. Auch wenn dort natürlich die Versuchung groß war, in alte Verhaltensmuster zurückzufallen. Aber Fin hatte gelernt, den Verlockungen der vielen Flaschen zu widerstehen. Meistens jedenfalls. In seinem Leben hatte er sich oft genug Ärger eingehandelt, mit besoffenem Kopf Worte gesagt, die ihm später leid taten, oder Dinge getan, die ihn am Ende in Schwierigkeiten gebracht hatten. Im günstigsten Fall konnte man sich an nichts mehr erinnern oder man hatte merkwürdige Halluzinationen. Sah weiße Mäuse, wenn der Alkoholpegel stimmte. Auch weißen Pferden war er schon begegnet. Oder weißen Frauen. Oder waren es weise Frauen? Egal, der Whisky hatte ihm schon so manchen Streich gespielt.

Aber ein weißer Wolf?

Dabei war er genau in dieser Sekunde stocknüchtern.

2. Aston Martin

Es war natürlich kein Wolf, der da ein paar Meter von ihm entfernt im hohen Dünengras hockte und ihn beobachtete. Ob weiß oder grau, in Irland gibt es keine Wölfe, das wusste Fin, zumindest nicht in freier Wildbahn. Und im Allgemeinen trugen Wölfe auch kein Halsband.

Es war ein Schäferhund, wie aus dem Nichts aufgetaucht, schneeweiß und ganz offensichtlich kein Streuner. Sein langes Fell schien seidig und gepflegt bis auf ein paar Kletten, die er sich beim Herumstromern eingefangen hatte. Fin fragte sich, wem er gehörte. Er selber hatte sich nie viel aus Hunden gemacht, sehr zum Leidwesen von Lily, die immer ein Haustier hatte haben wollen.

»Na, wo kommst du denn her?«

Etwas Intelligenteres fiel ihm auf Anhieb nicht ein. Er hätte genauso gut ›Verpiss dich‹ sagen können, es war allein der Klang einer menschlichen Stimme, der den Hund veranlasste, mit seiner langen buschigen Rute freundlich auf den sandigen Boden zu klopfen. Seine rosa Nase zuckte witternd in Fins Richtung, als könne er den fremden Mann vor ihm durch seinen Geruchssinn einordnen. Nach welchen Kriterien beurteilte so ein Hund einen Menschen? Gab es Menschen, die aus Hundesicht gut rochen? Solche, die schlecht rochen? Was machte einen Menschen für einen Hund sympathisch?

»Hast du Hunger?«

Der Hund legte den Kopf schief und stieß ein leises Fiepen aus. Mit dem letzten Wort konnte er offenbar etwas anfangen. Dabei sah er gar nicht ausgehungert aus.

»Tut mir leid, aber ich hab’ nichts für dich.«

Er schleckte sich kurz über die Schnauze und schüttelte sich. Das Halsband klirrte leise. Auch gut.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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