Große Epen - Robert Hamerling - E-Book

Große Epen E-Book

Robert Hamerling

0,0

Beschreibung

Hamerling zählte zu seiner Zeit zu den meistgelesenen deutschsprachigen Autoren. Zu seinen Hauptwerken zählen die hier vertretenen Epen "Amor und Psyche" sowie "Der König von Sion."

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 574

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Große Epen

Robert Hamerling

Inhalt:

Robert Hamerling – Biografie und Bibliografie

Amor und Psyche

Erster Gesang

Zweiter Gesang

Dritter Gesang

Vierter Gesang

Fünfter Gesang

Sechster Gesang

Der König von Sion

An die Tadler des »Ahasver in Rom«.

Erster Gesang. In der Davert.

Zweiter Gesang. Unter den Arkaden.

Dritter Gesang. Der Morio.

Vierter Gesang. Die Nonne.

Fünfter Gesang. Der König.

Sechster Gesang. Im Lager.

Siebenter Gesang. Der böse Genius.

Achter Gesang. Neues Leben.

Neunter Gesang. Mitternacht im Dom.

Zehnter Gesang. Die Sühne.

Große Epen, R. Hamerling

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN:9783849626747

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Robert Hamerling – Biografie und Bibliografie

Dichter, geb. 24. März 1830 in Kirchberg am Wald in Niederösterreich, gest. 13. Juli 1889 in Graz, war ein Sohn armer Eltern, die später nach Wien übersiedelten, absolvierte das Gymnasium daselbst, wurde 1848 Mitglied der »akademischen Legion«, widmete sich dann philologischen, philosophischen und auch naturwissenschaftlichen Studien und wurde 1851 Hilfslehrer der klassischen Sprachen am akademischen Gymnasium in Wien. hierauf in Graz und 1855 Professor am Triester Gymnasium. Kränklichkeit und Unlust zum Lehramt veranlassten ihn, im Herbst 1866 in den Ruhestand zu treten, was ihm durch seinen rasch aufgeblühten Dichterruhm erleichtert wurde. Er lebte seitdem in Graz den Musen, doch litt er schwer unter einem chronischen Magenleiden, wovon ihn erst der Tod erlöste. H. trat zuerst als Lyriker vor die Öffentlichkeit: »Ein Sangesgruß vom Strande der Adria« (Triest 1857); »Venus im Exil« (Prag 1858; 5. Aufl., Hamb. 1889); »Ein Schwanenlied der Romantik« (Prag 1862; 5. Aufl., Hamb. 1889); die Kanzone »Germanenzug« (Wien 1864; 5. Aufl., Hamb. 1890); die Sammlung »Sinnen und Minnen« (Prag 1860, in den folgenden Auflagen aufs Doppelte vermehrt; 7. Aufl., Hamb. 1886). In diesen formvollendeten Gedichten, von denen viele in Musik gesetzt wurden, erscheint H. vorwiegend als rhetorisch-sentimentaler Gedankenlyriker, von nationaler Begeisterung getragen und von reicher Bildung erfüllt. Der große Wurf gelang ihm jedoch erst mit dem epischen Gedicht in fünffüßigen Jamben: »Ahasver in Rom« (Wien 1866; 27. Aufl., Hamb. 1902; vgl. Wichner, über R. Hamerlings »Ahasver in Rom«, Progr., Krems 1901), das, mit Kaiser Nero im Mittelpunkte der Handlung, das Altertum auf dem Durchgangspunkt zum Christentum in farbenprächtiger Schilderung darstellt. Bald darauf schrieb er sein zweites Epos: »Der König von Sion« (Hamb. 1869, 9. Aufl. 1889; Prachtausgabe mit Illustrationen von Rößler und Dittrichs, das. 1890) in Hexametern, ein künstlerisch sein durchgebildetes Werk, das wie der »Ahasver« in viele fremde Sprachen übersetzt wurde und als Hamerlings vollendetste Leistung zu betrachten ist. Von epischen Dichtungen folgten später: »Amor und Psyche« mit Illustrationen von Thumann (Leipz. 1882, 11. Aufl. 1894) und das große gedankenreiche satirische Epos »Homunculus« (Hamb. 1888), worin H. mit mehr Geist und Einsicht als poetischer Kraft die Schäden der »seelenlosen« Zeit geißelte. Auch als Dramatiker hat sich H., aber ohne Erfolg, versucht mit der Tragödie »Danton und Robespierre« (Hamb. 1871, 4. Aufl. 1877), dem Scherzspiel »Teut« (das. 1872) und dem Lustspiel »Lord Luzifer« (das. 1880). Der ebenfalls in mehrere Sprachen übersetzte Künstler- und Liebesroman aus Alt-Hellas: »Aspasia« (Hamb. 1876, 3 Bde.; 3. Aufl. 1884), zeugt von bemerkenswerten Kenntnissen, ist aber ermüdend; wenig bedeutend sind seine von A. v. Goldschmidt komponierte Kantate »Die sieben Todsünden« (das. 1873, 6. Aufl. 1887) und die Novelle »Die Waldsängerin« (Berl. 1880; 4. Aufl., Hamb. 1890). Als Übersetzer bewahrte er sich durch eine Verdeutschung von Leopardis Gedichten (Hildburgh. 1865) und den »Hesperischen Früchten. Verse und Prosa aus dem modernen Italien« (Teschen 1884). Beifall fand auch eine Blumenlese aus der neuern deutschen Lyrik: »Das Blumenjahr in Bild und Lied« (8. Aufl., Leipz. 1888). Einen zweiten Band lyrischer Gedichte bol er in den »Blättern im Winde« (Hamb. 1887), eine Sammlung seiner Skizzen, Gedenkblätter und Studien u. d. T. »Prosa« (das. 1882, 2 Bde.; neue Folge, das. 1891, 2 Bde.) Sein letztes von ihm selbst veröffentlichtes Werk war die Selbstbiographie »Stationen meiner Lebenspilgerschaft« (Hamb. 1889), die durch die Tagebuchblätter »Lehrjahre der Liebe« (das. 1890) ergänzt wurden. Nach Hamerlings Tod erschien sein philosophisches Lebenswerk: »Die Atomistik des Willens« (Hamb. 1890, 2 Bde.), das wesentlich gegen den Monismus und Pessimismus gerichtet ist, und »Letzte Grüße aus Stiftinghaus. Lyrischer Nachlaß« (das. 1894). 1892 wurde ihm in seinem Geburtsort ein Standbild errichtet, 1900 ein solches (von Kundmann) im Stadtpark zu Graz. Hamerlings ausgewählte Werke erschienen in einer Volksausgabe, besorgt von Rabenlechner (Hamb. 1900, 4 Bde.; 2. Aufl. 1901), »Ungedruckte Briefe« (Wien 1897–1901,4 Bdchn.). Vgl. Rosegger, Persönliche Erinnerungen an R. H. (Wien 1890); Möser, Meine Beziehungen zu R. H. (Berl. 1890); Gnad, Über R. Hamerlings Lyrik (Graz 1890); Knauer, Robert H. gegen den Pessimismus Schopenhauers und Hartmanns (Wien 1892). Am ausführlichsten handelte über ihn Rabenlechner in den Schriften: »H. Sein Leben und seine Werke« (Bd. 1, Hamb. 1896), »Die ersten poetischen Versuche Hamerlings« (das. 1896), »Hamerling« (Dresd. 1901) und »Verschollenes und Vergilbtes aus Hamerlings Wirken« (Programm, Triest 1901).

Amor und Psyche

Eine Dichtung in sechs Gesängen

Erster Gesang

Frühling ward's auf Cyperns schönem Eiland: Mit den Grazien schlang den Reigen Kypris Nachts bei Mondenschein im Myrthenhaine: Unter ihrem Tritt begann's zu spriessen Stracks von Primeln, Veilchen, Anemonen; Aus dem Schlaf erwachten Lenz und Liebe. Anhielt Nord und Ost den frost'gen Athem, Süd und West begannen lind zu säuseln. Schüchtern erst vertrauten sich die Knospen, Kühner bald dem Strahl der gold'nen Sonne. Neu belebte sich die Waldeinöde, Sich der Strand mit Blüten und mit Liedern. Wind und Wolken wichen vor der Göttin, Ihr zu Füssen schmiegte glatt das Meer sich, Und der Himmel ward voll milden Glanzes.Schwül war bald die Luft von Lenz und Liebe: Brünstig stürzten sich die Weidethiere In des Stromes eisbefreite Wogen, Schwammen froh von Trift zu Trift hinüber. Brünstig tauchten Vögel ihr Gefieder In die Flut, und brünstig aus ihr schnellte Der Delphin empor. Es quoll des Äthers Liebeskraft in linden Regenschauern Auf die neu erweichte Scholle nieder. Hehr erneute Juno, wie alljährlich, Mit dem Göttervater der Vermählung Jubelfest auf des Olympus Gipfel, Mit der Venus Gürtel neu sich schmückend.

Paphos stand, die Rosenstadt, im jungen Grün und Purpur meerbespülter Gärten, Und der Liebesgöttin Tempelzinnen Ragten leuchtend hoch hinauf in's Blaue. Aber in des Tempels hohen Hallen, Weiten Höfen wogte Festlust rauschend. Fast begraben unter Blumen, Kränzen, Waren Stadt und Menschen, Hymnen schollen, Weisser Opferthiere Hörner glänzten Hell vergoldet in dem Strahl der Sonne, Weihrauchdüfte wehten und von fernher, Wenn dem Eiland sich ein Segler nahte, Drang ihm Duft der Rosen mit des Weihrauchs Duft vermischt auf hoher See entgegen, Kunde bringend ihm, bevor er Paphos' Zinnen schaute, dass der Kypris Hochfest Jubelnd eben dort das Volk erneu're. Selbst des Xereus Brut, die schönbefloss'te,Witterte den Duft und tanzte freudig In den Wogen ringsher um die Insel. Wettspiel, Hymnensang und Tanz und Reigen Tollte Tag und Nacht, und aller Freuden Pomp entfalteten die Weihestunden, Wechselnd, lärmvoll: sinnenfroher Taumel Warf den Zügel ab, warf ab den Schleier. Alle Schönheit war nur eine Blume Unter andern Blumen, welche pflücken Fromm sich liess, im Dienst, zum Schmuck der Göttin.

Aber unter all' den Schönheitsblüten, Unter all' den opferfreud'gen Jungfrau'n, Welche bei Gesang und Reigentanze Und im Tempelhaus der hohen Göttin Prangen sah das rosenduft'ge Paphos, Fehlt die eine, fehlt der Jungfrau'n Krone, Cyperns schönstes Kind, des Priester-Königs Jüngstes Töchterlein, die holde Psyche.

Süss herangeblüht zur Festtheilnahme Scheint mit diesem Lenz sie; aber seltsam Ist ihr Sinn geartet: ferne bleiben Möchte sie der Lenz- und Liebesfeier, Fern dem wilden Festgedräng' und Reigen, Wo man, folgend uralt-heil'gem Brauche, Sich in's andere Geschlecht verkleidet, Fern dem Schönheitswettkampf holder Frauen; Und sogar das Heiligthum der Göttin Weckt ein heimlich Grau'n ihr im Gemüthe, Denn die scheue, zarte Jungfrau'nseele Schreckt der Tempeldienst der Hierodulen, Schreckt das Opfer magdlich reiner Blüte,Fromm nach Landesbrauch im Haus der Göttin Dargebracht gleich andern Weihgeschenken. Schamhaft-eigenwillig birgt sie still sich Hinter dem Altar vertrauter Götter, Welcher heut verlassen steht, verödet, In dem innersten Gelass des Hauses. Doch sie wird gesucht, sie wird gefunden, Dem Versteck entführt; mit heft'gem Vorwurf Schilt sie der Erzeuger, Cyperns König, Höchster Priester auch der Landesgöttin: «Fürchtest du,» so ruft er, «nicht der Herrin Zorn für dich und uns? soll Cyperns altes,Edles Königshaus, das in der Göttin Gunst geblüht seit so viel hundert Jahren, Jetzt verhasst durch dich der Hohen werden? Soll das eigne Kind des Priesterkönigs, Lau im Götterdienst ein unfromm Beispiel Geben, Ärgerniss dem ganzen Volke?»

So zu Psyche spricht er und gebeut ihr, Unverweilt den Schwestern sich gesellend, Theil zu nehmen an dem Götterfeste. Flüchten will zur Mutter sich das Mägdlein: Aber diese, insgeheim erglühend, Offenbart zu seh'n dem ganzen Volke Diesen Ausbund aller Lieblichkeiten, Ihres Schoosses hold erblühten Sprössling, Streichelt sanft der Weinenden die Schläfe, Spricht: «Mein Kind, gehorche den Erzeugern, Bleibe hold den Menschen, lieb den Göttern!»

Es gehorchte die betrübte Psyche, Und den beiden Schwestern sich gesellend, Mischt sie sich in Festgedräng' und Reigen. Kaum erscheint sie, neigt vor ihrer Schönheit Das erstaunte Volk sich, preis't als Schönste Sie vor Allen, findet, dass die Rosen Holder Scham auf Psyches zarten Wangen Lieblicher noch als der Freude Rosen Auf den Wangen all' der andern Schönen. Frohbegeistert streut ein schöner Jüngling Blumen auf den Weg ihr – andre folgen, So dass strauchelt bald und stockt ihr Fusstritt, Und bewundernd grüsst man sie mit Zuruf, Jauchzt ihr Worte zu aus Preisgesängen,Die man erst der Göttin zugesungen, Und bald nennt man im verzückten Schwarme Götterjungfrau sie und junge Venus. Und man huldigt ihr gleichwie Cytheren, Und so wenig als an diese selber Wagt die fest- und schönheitstrunk'ne Menge An dies holde Mädchenbild zu rühren. Aber Psyche steht im Kreise zagend, Ängstigt sich vor diesen Huldigungen, Ängstigt sich vor dieser scheuen Ehrfurcht, Welche man ihr zollt gleichwie der Göttin, Fleht die Schwestern an, sie fortzuführen. Diese, zürnend halb, halb eifersüchtig, Werfen einen Schleier ihr um's Antlitz Und geleiten heim zur Königsburg sie. Aber ob entzogen auch den Blicken, Lebt ihr Bild doch fort in Aller Herzen, Und in aller Mund der Name Psyche.

Solches hörend, schauend, zittert ängstlich, Ängstlicher als er zuvor gezittert, Vor der Göttin Groll der Priester-König. Und damit nicht gar, unschuldig-schuldig, Dieses Kindes Haupt herabbeschwöre Auf sein ganzes Inselvolk die Rache, Sinnt er zu vermählen in die Fremde Bald das Mägdlein, und es nah'n gerufen, Ungerufen, bald unzähl'ge Freier, Königssöhne, jung und schön und mächtig. Standhaft aber weigert Cvperns Perle Sich mit Thränen, Bitten, in die Fremde Einem ungeliebten Mann zu folgen.Leer und schal und ohne Liebe schleichen Ihr die Monde hin, indess die Schwestern Schon vermählt als Königinnen sitzen Auf den Thronen naher Inselreiche.

Weiter aber dringt von Psyches Reizen Stets der Ruf, die frevelhafte Kunde, Dass erschienen eine neue Venus, Welche nicht vom Schaum des Meer's geboren, Nein, auf Cyperns Eiland, unter Blumen Hold entsprosst der dunklen Erdenscholle. Fremder Küsten leicht erregte Neugier Kommt gepilgert, anzuschau'n das Wunder, Und wem es geglückt, zu schau'n die Holde, Wird zum Herold ihr vor allem Volke, Gleich an Reiz der Göttin sei der ihre, Noch verklärt durch magdlich holden Zauber.

Lässiger im Dienst der Schaumgebornen Wird das Volk, es kargt mit Weihgeschenken, Kargt mit Festgelagen, ihr zur Ehre, Unbekränzt steh'n ihrer Bilder manche, Wochenlang, und kalte Aschenreste Ruh'n auf manchem ihrer Steinaltäre.

Unmuth regt im Herzen sich der Göttin, Der olympischen, der gold'nen Venus, Und verhasst schier wird ihr Cyperns Eiland Durch des Volkes frevelhafte Thorheit, Welches, der Unsterblichen vergessend, Göttlich ehrt ein sterblich Kind des Staubes.

Gram dem Festland, hält sie eben wieder Lustfahrt auf den Wellen des ihr holden, Des ihr theuren Meeres. Strahlend heiterIst die Salzflut, wenn sie trägt die Herrin, Stiehlt sein schönstes, hellstes Blau dem Himmel, Und die ungeheure, Schreckenschwang're, Die dämonenreiche Meerestiefe Ist so glatt, als wollte sie zur Stunde Nichts sein, als der Göttin blanker Spiegel, Und so weich, als wollte sie nichts Andres Sein zur Stunde als ihr Ruhekissen.

Eine Riesenmuschel, farbig schillernd In der Iris siebenfachem Lichte Wiegt die hohe, zauberschöne Göttin. Lächelnd ruht zu Füssen ihr die Meermaid; Andre flechten Kränze aus des Schaumes Weissen Rosen, oder Perlenketten Aus den sprüh'nden Tropfen. Um das Fahrzeug Schwärmt Tritonenvolk; darunter stemmend Seine schupp'gen Schultern, trägt es spielend, Scherzend Schiff und Göttin durch die Wellen.

Nicht gefiel es heut der gold'nen Kypris, Zuzuseh'n mit ihrem himmlisch-holden Lächeln diesem Treiben, noch dem Sohne, Einen Pfeil zum Spiele, wie er pflegte, Unter diese Meeresbrut zu schleudern, Oder sich in knabenhaftem Muthwill Rittlings über eines Delphins Rücken In des Nereus wildem Schwarm zu tummeln.

Schmeichelnd drückt an sich den holden Knaben Seine holde Mutter, streichelt zärtlich Ihm die Wangen, träufelt duft'gen Nektars Thau ihm auf die Locken, auf die Flügel. Hebt dann an zu klagen, von BethörungSeien jetzt beherrscht die Erdgeschlechter, Sündlich fabelnd, eine schön're Venus Sei entsprosst dem schnöden Erdenstaube, Schöner, als die aus dem Schaum des grossen, Heiligen Okeanos geborne! «Psyche nennt sie sich, die neue Kypris, (Sprach die Göttin), Töchterchen des würd'gen Priester-Königs, welcher herrscht auf Cypern: Ein entartet Reis von edlem Stamme. Störrig meinem Dienste sich entzogen Hat sie sich, und spröde, eigenwillig, Hasst sie, Amor, dich, verachtet Hymen. Gross genährt durch Schmeichelei der Menge, Die mit Blindheit schlug der Göttervater,Ward des Mägdleins Trotz und kind'sche Einfalt. Lerne denn sie, und mit ihr die Menschen, Dass vergeblich kämpft mit Überird'schen Ein vergänglich Kind der dunklen Scholle. Weil zu niedrig ihr die Königssöhne Aller Länder weit und aller Inseln, Werde sie dem Niedrigsten zur Beute! Auf, mein Sohn, und räche deine Mutter! Dort im Rosenhag, dem duftig-holden, Welcher schliesst an Cyperns Königsburg sich, Weilt zu dieser Frist sie, Blumen pflückend. Hebe dich auf deinen gold'nen Schwingen Unsichtbar, und wenn du sie gefunden, Über ihr in eines Baumes Wipfel Harre, und bereit den Bogen halte, Bis vorüber irgend geht ein Bettler Am Geheg, ein Wicht, entstellt von Aussatz, Oder wen zum Elenden, zum Scheusal, Stempelt sonst ein irdisches Gebreste: Und sobald sein Bild sich malt in Psyches Augstern, schleud're stracks in's Herz den Pfeil ihr! Auf, mein Söhnlein – säume nicht!» So spricht sie, Streichelnd ihm die Wangen und die Locken.

Willig hebt auf gold'nen Schwingen Amor Sich in's Blau der Luft, und späht, bis Cyperns Dünen glitzernd aus der Woge tauchen; Und wo zwischen Königsburg und Tempel Sich erstreckt der Blumenhag, der duft'ge, Bald entdeckt er mit dem Aug' des Falken Seiner Pfeile schönstes Ziel. Er schwingt sich Ungesehn in eines Baumes Wipfel,In den Wipfel eines Apfelbaumes, Dran bereits die Sommerfrüchte reifen. Und vorerst den Bogen in Bereitschaft Setzt der Gott, nimmt aus dem Perlenköcher Eines jener Pfeilchen, die geflügelt Wie er selber sind, und welche fliegen Von dem Himmel bis zur Erde nieder, Von der Erde bis hinauf zum Himmel, Bald in Honigseim getaucht die Spitzen, Bald in Gift und Galle. Statt des Bogens Handhabt manchmal eine kleine Fackel Der beschwingte Knabe, wirft von dieser Kleinen Fackel wohl auch eine Schnuppe, Wenn es ihm beliebt, in Götterherzen, Selbst in's Herz des Sonnengott's, der spielend Seines Wagens Flammenrosse bändigt, Aber bebt vor Amors Flackerflämmchen. Denn er achtet, voll des Muthwills, Götter Nicht, noch Menschen, und wie Kinder pflegen, Greift er im Olymp nach aller Andern Haus- und Handgeräth: nach Speer und Leier, Dreizack, selbst nach wucht'gen Donnerkeilen, Zerrt sie weit mit sich umher in tollem Spiel, versteckt sie, schädigt sie, zerbricht sie. Lieb' entzündet er, doch Hass nicht minder, Ist der Ehen Feind, ein Unfriedstifter. Ihn verzog die zauberschöne Mutter, Ihn verzärtelten die heitern Grazien, Ihn verhätscheln selbst die ernsten Musen, Die den tollen Jungen unterrichten: Aber er vergisst, was sie ihn lehrten,Sie behalten, was er sie gelehret. Fisch und Vogel sind ihm zu geschwind nicht, Nicht zu träg Schildkröten, drauf zu reiten. Jegliches Gethier, so wild' als zahmes, Liebt ihn, dient ihm; Meeresungeheuer Bieten ihm den Rücken, Löw' und Tiger Trägt ihn willig, selbst des Göttervaters Adler sträubt vor Wonne das Gefieder, Schwingt er sich auf den beflaumten Bug ihm. Prunkend schlägt sein schönstes Rad der Juno Pfau vor ihm, und nur Minervens Eule Hasst ihn, denn er neckt sie, mit der Fackel Plötzlich ihr in's gelbe Glotzaug' flunkernd.Auf den Bogen jetzo legt den Pfeil er, Harrend still des rechten Augenblickes, Um der Jungfrau Herz damit zu ritzen.

Und in's Aug' nunmehr fasst er sie selber, Sieht sie Kränze winden, Falter jagen, Sieht sie wieder sinnen dann und träumen, Nach dem Zug der weissen Wolken spähend. Länger so das holde Kind betrachtend, Lauernd wie ein Jäger: «Welch' ein Püppchen,» Spricht er bei sich, «welche wunderfeinen, Seideweichen Strähne, goldig schimmernd, Ähnlich einem Bündel Sonnenstrahlen! Traun, aus ihren träumerischen Augen Blüht ein Reiz, ein stiller, den ihr neiden Müssen selbst olymp'sche Götterfrauen! All' ihr Wesen, all' ihr Thun ist Seele!»

Näher sie an sich heranzulocken. Wirft herab er aus des Baumes Wipfel Ein paar Äpfelchen, rothbackig-frische. Psyche springt herbei, sie aufzulesen, Meint, dass sie der Wind herabgeschüttelt. Und in munt'rer Laune wirft der Knabe Neue Früchte in den Schooss ihr, rothe, Runde, seiner schönen Mutter heilig, Vielbedeutsam drob verliebtem Volke.

Plötzlich, durch der goldnen Kypris Schickung, Hinkt vorüber an dem Gartenzaune Schmutzig und zerlumpt, mit einem Höcker, Hässlich, krüppelhaft, ein Betteljunge, Streckt nach einer Gabe seine Hand aus. Mitleid malt in Psyche's Blick sich; Amor,Mütterlicher Weisung sich erinnernd, Zielt auf Psyche, sendet flugs den Pfeil ab; Doch in der Verwirrung fehlt das Ziel er, Und der goldne Pfeil, die Luft durchschwirrend, Haftet in dem Rasen; aus dem Köcher Einen andern Bolz zieht rasch der Knabe, Aber in der Hast den eignen Finger Ritzt er, und vom Thaue seiner Adern Netzt ein Tropfen weisse Lychnisblüten, Deren Sprossen in des Ichors Farben Blüh'n seither für alle Zeit gesprenkelt. Und der Gott, von eigner Wehr verwundet, Er entbrennt in Liebe heiss für Psyche.

Bald als Taube sitzt er, bald als Möve, Bald als Wendehals und bald als Sperling In des Gartens Bann, wo Psyche weilet, Oder auf des Königsschlosses Zinnen, Seiner Mutter Blick und Nähe meidend, Spähend immer nach dem holden Kinde.

Ganz sein schönes Götteramt versäumt er Bei den Menschen, in Verfall gerathen Lässt er, was des Erdelebens Schönstes. Niemand mehr entbrennt in Liebesgluten, Ungeküsst und ungeworben wandeln Selbst die rosigsten der Erdentöchter, Hymens heil'ger Altar selbst erkaltet. Was des Sohnes Lässigkeit begonnen, Das vollendet bald der Zorn der Mutter. Grollend meidet sie ihr schönes Cypern, Oftmals rollt sogar, Verwüstung drohend, Sie den Schwall des ihr ergeb'nen MeeresÜber das Gestad', ihr einst so theuer.

Angst befällt das Volk, befällt den König, Und vergebens mit Gebet und Opfern Trachten sie die Göttin zu versöhnen. Und zuletzt, sich keinen Rath mehr wissend, Nach dem uralt-heiligen Orakel Des Apollo zu Milet entsenden Boten sie. Und diese, mit dem Spruche Kehren heim betrübt sie: «Führen sollst du, Cyperns König – dies entbeut der Gott dir – Eh' noch dreier Morgen Frist verstrichen, Dein geliebtes Kind, die holde Psyche, Angethan mit bräutlichen Gewanden, Unter hochzeit-festlichem Geleite, Auf des öden Meerstrand's rauhsten Felsgrat! Ausgesetzt dort soll sie einsam harren Des Gemahls, den ihr bestimmt das Schicksal, Und der kommen wird, sie heimzuholen. Nicht aus sterblichem Geschlecht entsprossen Ist er; ein geflügelt Ungeheuer, Durch die Luft verderbendrohend schwirrt er, Drachenhaft, mit Erz und Flamme wüthend, Unheil bringend über Meer und Erdkreis!»

Laut von Klagen widerhallte Cyperns Königsburg, als diese Götterbotschaft Kam vom heiligen Milet herüber. Wehe, wenn des Götterzornes Geissel Über Ländern dräut und über Völkern! Aufschub gönnt sie nicht, nicht Überlegung. Traurig nach des dritten Tages Anbruch, Angethan mit bräutlichen Gewanden,Steht die Königsmaid, die todesblasse. Leidvoll stumm zerrauft sein Haar der König, Staub und Asche streut er auf das Haupt sich, Jammernd schlägt die Königin die Brüste, Schluchzend drängen sich heran die Schwestern. Flöten tönen, doch wie Klageweisen. Und der Hymenäus wird gesungen, Aber wie ein Grabgesang erschallt er, Heiss mit Thränen netzt die Braut den Sehleier. Trauer herrschet auf dem ganzen Eiland, Aber wertlos bleibt sie – denn gelernt hat Cyperns Volk, zu zittern vor dem Zorne, Vor der Eifersucht der goldnen Kypris. Mit verhalt'nem Mitleid, feuchten Blicken Sieht man aus des Königshauses Thoren Hochzeitlich, doch ernst, das Festgeleite, Flötenspiel vorauf und Fackelschimmer, Langsam wandeln hin zum öden Meerstrand, Wo am rauhesten die Felsenhöhe Seewärts abfällt, von der Flut umbrandet.

Als erreicht nun war die Felsenzinke, Stand die Jungfrau, ihres Schicksals harrend, Einer Liljenblume zu vergleichen, Die gesprosst an eines Abgrunds Rande. Schmerzlich in der Runde klang ein Seufzen, Und das Elternpaar begann zu jammern: «Trautes Kind, wie schwer für deinen Liebreiz Musst du büssen! welch' ein arger Fluch ist Götterschönheit für ein Kind des Staubes!» –

«O, nicht so!» versetzt die holde Jungfrau, Sanften Tons; «nicht so, ihr Vielgeliebten! Nimmer war ich schön, ich schlichtes Mägdlein War' ich schön gewesen, nimmer hätten Götter mir gezürnt um einer Gabe Willen, die sie selber mir verliehen! Nein, sie zürnten, weil das Volk, verblendet, Unverdient mich pries wie eine Göttin! O, warum nicht habt ihr es geduldet, Dass ich fern mich hielt dem lauten Feste? Wie so gerne war' ich, ach, in stiller, Glücklicher Verborgenheit geblieben!» –

Schmerzlicher erscholl der Eltern Klage, Da sie dachten eigener Verschuldung. «Weh' uns!» rief die Königin, die ArmeWie zum Schutze rankend um die Tochter, Und mit Grausen in die Tiefe blickend: «Sicher ist's ein Ungethüm der Salzflut, Dem mein armes Kind sich soll vermählen! Einer etwa vom Geschlecht des Phorkys Und der Keto! Weh' dir! weh' uns Armen!» – «Sterben lieber würd' ich,» sagte Psyche, «Als in hässlicher Gemeinschaft leben! Und ich bin gewiss, o theure Mutter, Nicht ein hässlich Ungethüm, der Tod nur Ist's, der mir als Bräut'gam ward verkündet! Ist er nicht ein Unhold auch? ein Dämon? Naht er sich nicht flügelschnell den Menschen? Tobt er nicht im Krieg mit Erz und Flammen, Über Meer und Land Verderben bringend? – O gewiss, gewiss, es ist der Tod nur, Traute Mutter, nicht ein schlimm'res Scheusal, Welches um mich freit! nur sterben werd' ich, Nicht in hässlicher Gemeinschaft leben!»

Aber schmerzlicher nur schluchzt die Mutter. Und der König spricht, Gebete murmelnd: «Wär's unmöglich, hohe Göttin Kypris, Dass Gehorsam, fromme Unterwerfung Nicht zuletzt noch deinen Zorn besänftigt, Gnädig uns dich stimmt und unserm Kinde? Gieb ein Zeichen, hohe Göttin Kypris!» –

Ehern, stumm blieb Himmel, Meer und Erde. – Abschied nehmen unter Thränen, Küssen Von der Theuren Eltern und Geschwister, Immer wiederkehrend, immer wieder Abschied nehmend unter Thränen, Küssen.Plötzlich rollt in ferner, kaum bemerkter Wolke dumpf ein Donnerschlag – Entsetzen Fasst das Festgeleite – seine Fackeln Löscht es leidvoll, wagt nicht mehr zu zaudern, Führt von hinnen den betrübten König, Und die Königin, die schmerzzerriss'ne.

Einsam sieht sich auf dem Felsen Psyche, Schwindelnd; ihr zu Füssen schlägt ein Blitzstrahl Züngelnd in die See; still schwebt der Armen, Ausgestoss'nen Seele, weltverlassen, Weltverloren zwischen Erd' und Himmel.

Zweiter Gesang

Psyche hebt den thränennassen Schleier, Welcher weiss umwallt ihr bleiches Antlitz, Und aufs Meer hin wendet sie die Blicke. Breite Wogen wälzen, flutend, ebbend, Sich heran, die Sandbank knirrscht und knistert, Und die gischt-umschäumten Felsen dröhnen. War' es etwa doch ein Meeresunhold, Welcher kommen wird, sie heimzuholen? Sie erschrickt vor jedem weissen Segel, Welches in der Ferne zieht, vor jeder Möve, die den Klippenstrand umflattert, Jede rollende Woge scheint ein Unthier, Welches nach ihr schnappt; ein Grausen fasst sie, Schnellt ein Meerfisch aus dem Wasserspiegel. Doch das wilde Meer hat Mitleid selber Mit dem Kinde, das auf rauhem Felsen Einsam schmachtend steht. Aus weissen SchäumenLugt manch' Nereidenhaupt voll Neugier, Und zuweilen aus dem Braus der Wogen Tönend weckt, ermuth'gend, ein gekrümmtes Muschelhorn den Widerhall der Felskluft.

«O ihr Götter, Göttinnen der Wogen», Flüstert Psyche, «mächtiger Neptunus, Schöne Meeresfürstin Amphitrite, Selige Leukothea, du, trauter Meergreis Nereus, freundlichster den Menschen, Könnt ihr all' nicht schützen mich, nicht retten? Ach sie schweigen, bleiben fern! o käme Doch, wenn alle Götter taub, ein starker Held des Weg's, ein kühner Lindwurmtödter, Der sich mein erbarmte, der das Unthier, Wenn es naht, erlegte, mich erlösend! Ach, nicht mehr sich selber angehören, Preisgegeben einer fremden, finster'n, Grausen Macht, verschmachten, das ist schlimmer Wohl als Nichtsein selbst! O Jammerschicksal, Vor dem Bund schon zitternd mit Gemeinem, Angekettet an ein Scheusal werden, Träumen sich den holdesten der Gatten, Wie ihn nimmer trägt die weite Erde, Und dem Hässlichsten zur Beute werden!» –

Also klagt das Mägdlein. Da zerreissen Plötzlich über ihr die Wolkenschleier, Unter'm Anhauch eines leisen Zephyrs, Welcher lind und warm und blütenschwanger Über's Meer herüberweht. Was ist das? Stärker wird des Hauch's Gewalt, und Psyche Fühlt sich wie von unsichtbaren ArmenSanft umfasst und leicht emporgehoben. Über's Meer trägt der beschwingte Windgott Die Erschrock'ne: aus den Fluten tauchen Schaarenweis' die Nymphen, sich verwundernd: Die sie, mitleidsvoll, auf rauhem Felsen Einsam sah'n und wie gefesselt schmachten, Seh'n mit Neid sie nun, selbst an ihr feuchtes Reich gebannt, im blauen Äther schweben. Wie ein Silberwölklein weht ihr Schleier, Und die bräutlichen Gewande bauschen Doppelt schimmernd sich im gold'nen Glänze. Doch sie selbst, sie schaut nicht Meer noch Himmel, Wähnt sich todt schon, auf dem Weg zum Hades, Mit geschloss'nen Augen, bis sie plötzlich, Abwärts sinkend, sich von Blumendüften Würzig fühlt umwallt und hingebettet In das Kräuticht eines Blüteneilands, Welches einsam grünt im Schooss des Meeres.

Weisse Lämmer ruhten auf den Wiesen, Silberschwäne segelten auf Weihern, Schlanke Rehe, liebliche Gazellen Wandelten im Hain. Das Grün der Fluren, Und des Himmels Blau war sinnberückend, Ganz durchwebt von überird'schem Glaste. Alle Farben hatten, alle Töne, Einen Schmelz von unnennbarem Zauber. Jedes Falters Flügel, jedes Käfers Schuppe blendete das Aug' mit Schimmer. Jedes Sandkorn war und jeder Felsblock Edelstein, durchsichtig, farbig funkelnd. Ein Juwel war jedes kleinste Thierlein,Jeder Wassertropfen eine Perle, Jeder Grashalm ein smaragd'nes Wunder. Alles Kriechende war hier geflügelt, Tonbegabt geworden alles Stumme. Vögel sangen, sprangen, hüpften zierlich, Tanzten wie berauscht von Lieb' und Wonne. Aus dem Giessbach stäubten ohne Röhren Himmelhoch empor die Silbertropfen, Jauchzend in des Lichts gesammten Tönen. Melodie war selbst der Lüfte Wehen: In des Westes Hauche klang ein Rauschen, Wie von Harfentönen, langgezogen, Machtvoll schwellend, leise dann verhallend. Alles was des Daseins hier sich freute, War gepaart: Goldkäferchen und Falter Schwirrten liebewerbend um einander; Tief im Laub die Vögelchen, die Fischlein In der Flut, und drüber die Libellen, Alles liebte, Alles schwärmte, girrte, Schnäbelte. Der Sonnenstaub der Blumen Flog und sank, vom Lenzeshauch getragen, Taumelnd auf die gold'nen Blütennarben Nieder, die sich liebend ihm erschlossen.

In des Gartens Mitte stand mit gold'nen Zinnen ein Palast. Durch offne Pforten Trat das Mädchen: weite Prunkgemächer Thaten ihr sich auf, von Gold und Silber, Elfenbein und Edelsteinen strahlend. Wonnedüfte wehten ihr entgegen, Purpurkissen luden sie zur Rast ein.

Eins nur fehlte in den Wunderräumen:Eine Menschenseele: stumm war Alles. Allgemach gelüstete nach Labung Psyche: da enttaucht dem Grund ein Tischchen, Vollbesetzt mit Speisen, köstlich duftend. Unverweilt erquickt daran sich Psyche, Schlürft den Saft von goldnen Hesperiden, Nippt aus goldnem Becher Purpurwein auch, Welcher glänzt wie flüssige Granaten.

Als sie so gelabt sich, hört sie plötzlich Neben sich ein Stimmchen, silbertönig, Wie des Heimchens, fragend, ob nach And'rem Noch ihr Herz verlange? ob vielleicht sie Mit Musik sich wünsche zu ergetzen? Erst erschrickt vor diesem körperlosen Laut das Mädchen, doch bald fasst sich's wieder, Denn gar zart und traut, Zutrau'n erweckend, Klang das helle Zirpen. Und so ruft sie Fröhlich gleich: «Ach ja, Musik! wie lieb' ich's, Holdem Klang zu lauschen!» Horch, da säuselt's Unverweilt in schmelzend-süssen Tönen Wundersam. Und Silberstimmen mischen In der Lauten Klang sich und der Flöten Und des Cymbals gellendes Gedröhne. Und als Psyche sich in Harmonieen Vollgesogen ganz von süsser Unruh', Und der Töne Schwall ihr wie ein gold'ner Bienenschwarm durchs Ohr ins Herz geflogen, Fragt es auch schon wieder: «Was begehrst du?» Und es mehren sich die Heimchenstimmen, Und ein ganzer Schwarm von unsichtbaren Dienern drängt, so scheint's, sich in der Runde. Und so wünscht sie Dieses denn und Jenes, Fröhlich lacht sie, wenn, was nur sie heische, Flugs vollzogen wird von Zauberhänden. «Bringt mir einen Strauss von jenen Blumen!» Ruft sie; oder: «Jenen gold'nen Falter Hascht mir, dass ich besser ihn betrachte!» Oder: «Fangt mir jenes traute Täubchen, Dass ich kosend es mit Händen streichle!»

«Ach warum,» so fragte sie die Heimchen, «Ach warum doch sind hier alle Wesen, Blumen, Käfer, Falter, Vögel, Alles, Gar so schön, so wunderbar, so herrlich?» «Weil sie lieben!» klang es ihr zur Antwort.«Brautschmuck ist der Glanz, in dem sie prunken, Liebesglut durchsonnt, verklärt sie alle, Führt sie auf des Daseins höchsten Gipfel!»

So die Heimchen. Und nun luden freundlich Psyche sie: «Noch lang nicht, Traute, kennst du All' die Wunder dieser Zauberinsel!» Willig folgte sie, umhergeleitet Von den Holden, die sie zwar nicht schaute, Deren Stimmchen aber unablässig, Plaudernd, kosend, scherzend um sie klangen.

Und sie wiesen jenen, diesen Quell ihr, Der begabt mit selt'nen Zauberkräften; Wiesen einen Quell ihr des Vergessens, Wiesen einen Born ihr der Verjüngung, Wiesen einen Bronnen ihr, in dessen Nass, wenn man damit sich wusch die Lider, Lag die Kraft, ein blindes Auge sehend, Und ein sehend Auge blind zu machen. Einen Quell auch, welcher reichlich strömte, Wiesen sie, geheissen Quell der Thränen: Dieser sprudelte in zwei verschied'nen Strahlen, deren Flut verschieden schmeckte: Bitter war des einen Nass wie Wermuth, Süss wie Honigseim war das des andern. Liessen auch durch eine dunkle Öffnung Psyche schau'n in eine Wundergrotte, Wo es hold von Nebelbildern wogte, Wo man sah, was nur ein Herz ersinnen, Wünschen, hoffen mochte und erträumen: Paradiesesau'n, auf ihnen wandelnd Traute Huldgestalten, freundlich winkend.«Willst du etwa hier in dieser Grotte,» Sprach der Heimchen munt'rer Schwarm zu Psyche, «Irgend eines Jünglings Bild erblicken? Wünsche nur, und dir erscheinen wird er Stracks in dieser Grotte Zauberspiegel!» – Psyche sann ein Weilchen, doch vergebens: Wusste sich auf keinen zu besinnen. «Keines Jünglings Bild zu schau'n begehr' ich,» Sprach sie, «aber euch zu schau'n verlangt mich: Lieb gewann ich euch schon wie Geschwister; Warum bleibt versagt mir euer Anblick? Seid ihr wirklich Heimchen? das vermuth' ich Nach dem Klange eurer süssen Stimmchen!»

«Tu der That», versetzten drauf die Genien, «Zart wie Heimehen sind wir, Bübchen, Mägdlein, Flügelchen wir tragen an den Schultern; Wie wir heissen, müssen wir verschweigen!» «Also Kinderchen?» rief Psyche freudig. «Gern euch küssen möcht' ich,» sprach sie weiter. «Hasch' uns!» klang es lachend ihr zur Antwort. Und nun suchte Psyche sie zu haschen, Tummelte mit ihnen sich im Garten. Neckend liessen stets die Heimchenstimmen Dicht an ihrer Seite sich vernehmen, Dass es Psyche schien, sie brauche haschend Nur die Hand nach ihnen auszustrecken, Aber stets in leere Luft nur griff sie, Silbern aus der Ferne scholl das Lachen.

Müd und ungeduldig flehte Psyche: «Wahrlich, grausam seid ihr, mich zu quälen!» Sprachen drauf die Kleinen: «Streng versagt jaWard es uns von unserm Herrn und Meister, Anders dir, als unsichtbar, zu dienen!» «Euer Herr und Meister, ei, wer ist der?» Fragte Psyche; und ihr ward die Antwort: «Der Beherrscher dieser Zauberinsel, Eigner, Pfleger dieses Wundergartens, Unser Aller Meister, Herr, Gebieter, Ist ein schöner, wunderbarer Jüngling. Herrlich, schön und wunderbar ist Alles, Wie du siehst, worüber er gebietet: Denk', wie reizend sein muss gar er selber!iUnd nicht schön allein, auch mächtig ist er, Mächtiger als alle andern Herrscher; Wunderbar sind seine Zauberkünste! Eben jetzt in fremden Landen weilt er, Doch er kehrt zurück nun bald: alltäglich Sind, allnächtlich, seiner wir gewärtig!»

Andres von des Jünglings Macht und Schönheit Noch erzählend, führten jetzt die Heimchen Tiefer in des Haines Schatten Psyche. Denn die Luft war schwül und müd' getollt auch Hatte sich im Haschespiel das Mägdlein. Sieh, da fand sich, unter blüh'nden Sträuchern Tief versteckt, ein reizend Felsenbecken, Voll von klarem, lieblichem Gewässer, Aus dem Felsenborn sich stets erneuernd. Wie bekränzt erschien der Rand des Beckens: Aus der hellkristall'nen Welle hoben Lotosblumen sich und Wasserrosen, Breitbeblättert, farb'ge Kelche wiegend. Herzerquickend-klar bis tief zum Grunde War die Flut gleich einem Demantsteine, Gar nicht satt an dieser diamant'nen Klarheit konnte Psyches Aug' sich schauen, Und mit lindem, wonnigem Gefühle Hub sie an, zu plätschern sacht, wie kosend, In der sammt'nen Welle mit den Händen.

«Ach, wer ganz sich, da hinunter tauchend, Wiegen könnt' in diesen Zauberfluten!» Ruft's, und eh' sie dessen sich versehen, Fühlt sie schon von ihrer Dienerinnen Unsichtbaren Händen sich entkleidet.«O wie zart, holdselig, o wie lieblich!» Hört sie rings im dichten Laube flüstern. Vor der eignen schleierlosen Schönheit Schlägt sie fast bestürzt die Augen nieder, Und mit jener Scham, der magdlich spröden, Die den Zorn gereizt der goldnen Kypris, Schmiegt sie kauernd sich in sich zusammen. Dann mit ihren zarten Liljenfüsschen In die weiche Welle niedergleitend, Birgt den Reiz sie hinter dem Geblätter, Welches breit bedeckt den Wasserspiegel.Selber scheint sie eine Wasserblume, Rein im reinen Element sich wiegend.

Als erfrischt sie dann entsteigt dem Bade, Sind bereit auch schon die Dienerinnen, Trocknen sie mit seideweichen Blättern, Salben sie mit Säften, wonnig duftend.

Golden flogen unvermerkt die Stunden Im Gespräch von wunderbaren Dingen; Und als über all' die Pracht des Eilands Mälig breitete die Nacht den Schleier, Spät geleitete zum Schlaf'gemache Ihrer Treuen Schaar die müde Psyche. Purpurn auf dem goldenen Gestelle, Traumumwittert, winkten ihr die Kissen, Weich gefüllt mit zarten Mohnes Blättern. Frisch gewebt aus Rosen war der Vorhang, Der die holde Ruh'statt halb verhüllte.

«Schlumm're süss!» erklang der Heimchen Nachtlied, «Schlumm're süss, o Psyche, holde Seele, Längst vermisst, ersehnt in diesem Eden!»

Einsam drinnen auf den Pfühl sank Psyche, Und nun überkam sie erst das volle Nachgefühl des wunderbaren Tages, Der so grausenhaft für sie begonnen, Und der sich gewendet dann so herrlich. Doch ihr Herz beschlich nun auch die Sorge; «Was wird fürder nun mein Schicksal werden?» Denkt sie still bei sich. «Wer war der Kühne, Welcher mich entführt dem Ungeheuer, Mich versetzt in dieses Wundereiland? War er selbst es, jener Zauberjüngling,Dieser Insel Eigner und Gebieter, Dessen Macht die Genien mir geschildert? Und wenn er es war, der mich entführte, Wird er nicht auch bald vor mir erscheinen? War' er noch so schön und noch so herrlich, Ach, ich zittre, zage vor dem Fremdling, Und ein Grau'n erfasst mich, denk' ich, dass er Mit Gewalt vielleicht mich hier zurückhält, Mit Gewalt mich macht zu seiner Gattin!»

Scheu erhebt sie sich vom Purpurlager, Flüchtet sich hinaus aus dem Gemache, Und je mehr zu flieh'n sie scheint die Liebe, Desto mehr drängt überall die Liebe Sich auf ihrer Spur. Es sprüht, es glitzert Zwischen dem Gesträuch – Glühwürmer fliegen, Meeresleuchten bricht sich am Gestade, Und es hat sogar das Herz des Äthers Seine Gluten, seine Liebesfunken. Eine duft'ge Blume pflückend, findet In dem Kelche Psyche einen Falter, Herz an Herzen schlummernd mit der Blume.

«Alles liebt! Ach, wenn so schön, so selig Alles hier in diesem Zauberhaine, Weil es liebt, wie jene Kleinen sagten, Nimmer hoffen darf ich Unglücksel'ge, Auch so schön, so selig auch zu werden! Ach, warum flieht dieses Herz die Liebe! Bin ich würdig denn, in dieser Fülle All' des Schönen, Herrlichen zu leben?» – Also klagte Psyche, sinnend, träumend, Und zurück zum Lager endlich kehrend,Fühlt gemach von einem leichten Schlummer Ihre müden Glieder sie bewältigt. Da sprach traulich, zärtlich eine leise Stimm' im Traum zu ihr: «Was klagst du, Mädchen? Grössern Zauber, traun, als du hier findest, Bringst du, Holde, mit auf dieses Eiland! Dir beschieden ist zu ruh'n noch süsser, Trauter, wonniger, als jener Falter In der Blume Kelch! In deinem Herzen Schlummert einer Flamme Keim, die heil'ger, Als die Glut des Würmchens, des beschwingten, Als das nächt'ge Glanzgeleucht der Welle! Deine magdlich reine Seele, Liebchen, Eine Wundergrotte ist sie, reicher, Noch weit Schön'res bergend, als die Grotte, Die hier liegt im Bann des Zaubergartens!» –

So zu Psyche sprach im Traum die Stimme, Und sie kam aus eines Knaben Munde, Dessen holdes Bild nur wie ein Blitzstrahl Flüchtig leuchtete vor Psyches Augen, Aber zündete in ihrem Herzen.

Aus dem Traum erwacht mit einem Seufzer Psyche, doch ein wunderbares Sehnen Ist in ihrer Brust zurückgeblieben: Jenes Knaben, jenes zarten Jünglings Bild in holder Wirklichkeit zu schauen, Jenes Knaben, jenes zarten Jünglings Bild, das sie berührt gleich einem Blitzstrahl, Allzurasch für ihr geblendet Auge, Ganz ihn aufzunehmen, festzuhalten, Doch nicht allzurasch, um nicht im FlugeZündend ihr die Seele zu versehren.

Westwärts sank des Bären Sterngebilde, Vor den Mond zog sich ein Wolkenschleier, Dunkle Nacht umschattete das Eiland: Horch, da ging ein Wehen durch die Wipfel, Ging ein Rauschen durch den Wundergarten, Alle Bäume neigten ihre Kronen, Alle Bronnen flüsterten, die Vögel Schlugen wonneträumend mit den Flügeln, Silbertönig jubelten die Heimchen ...

Und in diesem selben Augenblicke,Angeweht von einem Götterhauche, Träumte Psyche, dass sich an ihr pochend Herz, gehüllt in Nacht, der Knabe schmiegte, Der vordem so traut zu ihr gesprochen – Er, der Herr auch dieses Wundereilands, Der gewalt'ge Held, der zauberkund'ge, Welcher sie entführt dem rauhen Felsen, Welcher sie entrückt in diese Heimat Aller holden Dinge, dieses blüh'nde Zauberreich der Schönheit und der Liebe, Und der jetzo den Vermählungskuss ihr Drückte auf die magdlich zarten Lippen, In sein Herz sie schloss und in sein Wesen, Dass sie fortan eines andern Herzens Herz war, Seele einer andern Seele.

Aber als der Tag begann zu grauen, Da erwacht aus wonnereichem Schlummer Psyche. Sie erschrickt, allein sich findend. Und in Thränen bricht sie aus, und Seufzer Ringen los aus der gepressten Brust sich: «Ach, ein Traum nur war's, ein süsser Traum nur! Nur ein Traum mein Glück, ein Traum der Gatte! Spurlos ist dahin, was mich beseligt! Hundert Helden kamen, mich zu freien: Keinen könnt' ich lieben; und der Eine, Den ich liebe, dem ich ward zu eigen, Ist ein Schatten nur, ein Traumgebilde!»

Leidvoll so erging sie sich in Klagen. Plötzlich aber klang die traute Stimme Tröstend ihr ins Ohr: «Kein leerer Traum war, Süsses Kind, dein Glück, kein Traum der Gatte!Ich, der Eigner dieses Wundereilands, Habe dir mich an vermählt für immer! Aber in dem Schooss der heil'gen Nacht nur Werden uns'res Glückes Loose ruhen: Kommen werd' ich, wenn die Sonne scheidet, Werde scheiden, wenn sie wiederkehret! Muth, mein Seelchen! wenn du, still begnadet, Treu gehorchst dem unsichtbaren Gatten, Siehst in Götterschönheit einst unsterblich Du erblüh'n den Sprössling uns'rer Liebe; Sterblich aber, wenn du wagst zu rütteln An des Schicksals Fügung, welche mächtig, Mächt'ger ist als meine Zauberkünste! So ertrag' es denn, du Frommgesinnte, Nicht zu schau'n den Liebsten, und nicht grolle, Dass du auf die Liebe musst verzichten, Wenn das heil'ge, heit're Licht dir leuchtet, Und das Licht sich hüllt in dichte Schleier, Wenn sich labend zu dir neigt die Liebe!»

«Dich nicht schau'n?» rief Psyche, «o, mein Liebster, Kann denn eine Nacht so schwarz, ein Dunkel Je so tief sein, dass ich dich nicht schaute, Nicht ein Bild von dir im Herzen trüge, Wie es aufgeleuchtet mir im Traume, Hold ergänzt von liebenden Gedanken? Mir genügt's, und überselig bin ich, Dass du lebst, dass du kein leeres Wahnbild, Dass du treu, wär's auch im Traum der Nacht nur, Wiederkehrst zu deiner trauten Psyche! – Schwinde nicht hinweg noch! Einen kurzen Augenblick noch bleib'! – Sieh, mit dem Rand erstTaucht ja aus der Flut die Sonnenscheibe» ... So noch weiter flehend, lieblich plaudernd, Lieblich lächelnd, steht wie festgewurzelt Sie, hinhorchend nach des unsichtbaren Liebsten Stimme: doch verstummt war diese, Und verstummt mit ihr die Nachtigallen: Laut nur in der klaren Morgenfrische Scholl der muntern Sperlinge Gezwitscher.

Dritter Gesang

Jede Nacht wie diese kam der Gatte. Wie der blasse Mond am Tageshimmel, Wandelte, so lang die Sonne glänzte, Psyche liebeskrank und blass und schmachtend. «Holde Nacht!» so seufzte sie, «um wie viel Bist du reicher doch an Glück und Wonne, Als der laute Tag! Wie solltest du nicht Lieb mir sein, die du so viel mir bringest, Und wie soll mir nicht verhasst der Tag sein, Der so viel mir raubt! o, dass es ewig Nacht doch blieb' einmal, und keine Trennung Fürder drohte mir und meinem Liebsten!»

Also seufzte sie. Der Vielgeliebte Brachte jede Nacht ihr holde DingeZum Geschenk und liess zum Angedenken Sie zurück, vor Morgengrau'n entschwindend. Bunte Muschelchen, Korallen, Perlen Bracht' er, Edelsteine, zaubrisch funkelnd, Auch wohl wunderbare, fremde Blumen, Vögelchen mit schimmerndem Gefieder Und noch andre traute, kluge Thierlein; Und mit diesen koste sie, den einsam- Langen Tag hindurch, des Liebsten denkend.

Aber noch ganz And'res ward verlieh'n ihr Durch die Gunst des unsichtbaren Gatten. Schöner täglich blühte mit verklärtem Liebreiz sie, gleich all' den andern Wesen In dem Bann des weiten Zaubergartens. Und wie staunte nun erst Psyche freudig, Als sie eines Tages in des Weihers Wellen sah ihr Spiegelbild und merkte, Dass ihr Flügelchen gesprosst im Nacken, Falterfiügel, bunte, goldberändert!

Sinnend auf den Pfaden, die ein ew'ger Lenz mit Blüten überschneite, wandelnd, Sprach im Hain sie oft mit den Gazellen, Sprach mit weissen Lämmern auf den Triften, Sprach mit Vögeln auf den grünen Zweigen. Bald verstand sie aller Wesen Sprache, Und verständlich diesen war die ihre. Von dem Liebsten sprach sie, und sobald sie Klagte, dass er so sie einsam lasse, Dass sein Antlitz er vor ihr verberge, Trösteten die Thierlein sie und sagten: «Sieh, auch wir nicht schauen ja sein Antlitz,Lassen uns an seinem Hauch genügen, So von ihm durchdrungen und beseligt!» Und die Blumen sagten: «Auch zu uns kommt In der stillen Nacht er nur, und lässt uns Perlen hold zurück, mit welchen freudig Wir dann funkeln in der Morgensonne!»

So getröstet ward die holde Psyche. Eine Schwalbe aber kam geflogen Manchmal, und die sang ihr immer wieder, Wenn sie einsam, von vergang'nen Tagen, Sang ihr von der trauten Kindesheimat, Sang ihr von den Eltern und Geschwistern, Und vom Leid, das diese weinend trügen Um die Frühverlorne, Todtgeglaubte. Träumend lauschte Psyche, bat das Schwälblein, Gruss gen Cypern über's Meer zu tragen. Einst als Nachts der Gatte kam zu Psyche, Fand er feucht von Thränen ihre Wangen, Und er fragte nach dem Grund des Leides. «Ach,» versetzte Psyche, «wie beseligt Deine Liebe mich, du Vielgetreuer! Aber eine Schwalbe singt mir oftmals, Wenn ich einsam, von den fernen Lieben, Von den trauten Eltern und Geschwistern, Die sich härmen um die Todtgeglaubte! Werd' ich sie denn niemals wiedersehen? O mein Liebster, dürft' ich doch nur einmal Einmal nur auf eine kurze Stunde Herbescheiden meine trauten Schwestern, Dass sie Zeugen meines Glückes würden!»

Mit den Locken ihr hinweg die Thränen Trocknend von den Wangen, sprach der Gatte: «Psyche, Herzenskind, mein trautes Seelchen, Gern erfüllen würd' ich dein Verlangen; Doch ein schwer Geschick bedroht uns beide, Wenn den Weg zu dir die Schwestern finden; Bald entschwinden müsst' ich dir auf immer!»

«Lieber hundert male sterben wollt' ich,» Gab zur Antwort Psyche, «als dich missen, Dich verlieren, Liebling meiner Seele! Auf ein Stündchen nur gieb mir die Schwestern, Dass sie sich nicht länger um mich härmen!» Und so lang mit Küssen, holden Worten, «Süsser Gatte! Seele deiner Psyche!» Schmeichelt sie dem liebeswarmen Liebsten, Bis er spricht mit traurig-ernster Stimme: «Liebst du noch mich nicht so warm und innig,Dass du gern entbehrest all' die Andern, So geschehe denn nach deinem Willen! Aber sei besonnen und verschwiegen!»

Also sprach er, und den beiden Schwestern Nahten Träume nächtlich, die sie spornten, Hinzugeh'n nach jener Felsenklippe, Wo in bräutlichen Gewanden Psyche Ausgesetzt ward auf Befehl des Gottes; Wiedersehen würden, dahin kommend, Sie die theure Schwester, die verlor'ne.

Zu dem Uferfels, dem Traumgott folgend, Eilt das Schwesternpaar und späht nach Psyche. Plötzlich hebt der Zephyr sie vom Boden,Trägt sie fort auf seinen leichten Schwingen; Nach den wunderbaren Zaubergärten Bringt er sie im Flug, wo Jene hauset. Staunend seh'n sie da sich um und rufen Nach der Schwester, und herbeistürzt Psyche, Wirft sich freudig an die Brust der Theuren, Rufend: «Sehet hier, die ihr betrauert!» Welch' ein Küssen gab's, Umarmen, Schwatzen! Liebreich dann, in kind'scher Freude hastend, Führt umher sie Psyche, weiset ihnen Alle Wunder dieses Zaubergartens, All' die Herrlichkeiten des Palastes, Die Kleinodien auch und Prunkgewänder. Und all' dieser wunderbaren Dinge Herr sei ihr Gemahl, erzählt sie, rühmend Seine Macht, sein übermenschlich Wesen, Seine Lieb' und Güte. Diener ruft sie, Unsichtbare Stimmen geben Antwort, Und was sie gebeut, im Nu vollzogen Wird's von Geisterhänden. Nun erfrischt sie Durch ein köstlich mildes Bad die Schwestern, Und bewirthet reich mit lecker'n Speisen Sie auf Tischen, die von selbst erscheinen. Zitherspieler dann und Flötenbläser Ruft sie, Sänger auch, unsichtbar alle, Und gespielt, geflötet wird, gesungen, Rauschend in bezaubernd süssen Tönen. Allgemach in beider Schwestern Herzen Regt der Neid sich schon; neugierig fragen Sie, wer er denn sei, der mächt'ge Gatte, Aller dieser Dinge Herr und Eigner.Antwort gibt verwirrt und zögernd Psyche, Sagt, ein Jüngling sei's, gar schön und stattlich, Blondgelockt, das Barthaar schön gekräuselt, Fern vom Hause pfleg' er oft zu weilen, Mit der Meute jagend durch die Wälder. Doch da jene weiter in sie dringen, Mahnt zum Aufbruch sie, dieweil es dunkle, Und entlässt sie reich beschenkt mit Gaben, Die empfangen aus des Liebsten Hand sie. Und auf ihren Wink entführt der Westwind Rasch die Schwestern, die, bevor sie scheiden, Wiederkehr versprechen ungebeten.

Aber auf dem Heimweg, sich ereifernd, Sprachen zu einander so die Beiden: «Seht nur,» spricht die eine, «diese Jüngste Von uns Dreien, diese Halberwachs'ne, Fast ein Kind noch, welcher noch vor Kurzem Schien zu droh'n das grausenvollste Schicksal, Wie sie jetzt mit ihrem Loos sich brüstet! Sahst du, wie es dort von Prunkkleinoden Nur so wimmelt, wie die Edelsteine Liegen dort umher gleich Sand am Wege? Ihr Gemahl ist wohl ein mächt'ger Dämon, Halbgott oder Gott. Und scheint nicht selber Zu betrachten sie sich schon als Göttin ? Wie um sich in ihren Prunkgewanden Stolz sie blickt, das kind'sche Ding, sich stellend Auf die Zeh'n, als eine Frau, die Stimmen Hat zu Mägden, Winden selbst gebietet! Welches Loos ward uns, den altern Schwestern? Mir zu Theil geworden ist ein Griesgram,Ungeschlacht, ein Knauser, der das ganze Haus versperrt mit Schlössern und mit Riegeln!» –

«Mir,» so fährt die Andre fort, «ein Männchen, Siech, betagt, ein Schatten, nicht ein Gatte! Pflegen muss ich ihn des Nachts, muss reiben Ihm die von der Gicht gekrümmten Finger, Muss mit Salben mir die Hand besudeln! Und das jüngste Schwesterlein geht müssig, Lebt in Saus und Braus! O, mir zur Qual war's, Anzuhören ihre Prahlereien! Immer dies: «O seht! ist das nicht herrlich?» Und nachdem sie sich genug gebrüstet,Und ein Weniges von ihren Schätzen Zugeworfen uns wie Bettlern, eilig Schickte sie uns wieder fort – das ging so, Hui! wie fortgezischt und fortgeblasen! Nun, wir sehn wohl noch und wir ergründen's, Wie's bestellt mit ihren Herrlichkeiten! Wir beschämen's noch, das eitle Seelchen; Wachsam öfter bei ihr einzusprechen, Wollen wir uns schwesterlich bemühen!»

So die neid'schen Furien. Aber Psyche, Einsam wieder lebend ihre Tage, Sann nun oft und öfter nach dem dunklen Räthsel ihres Glückes, ihrer Liebe. Und zuweilen bei sich selber sprach sie: «Würde doch beschieden mir ein Kindlein! Dieses würde seine Züge tragen, Ich besässe sein verjüngtes Nachbild, Ihm zum Trotze wüsst' ich, wie er aussieht!» –

Manchmal, wenn des Nachts an ihrem Busen Schlief der Gatte, dachte wach im Stillen Sie zu bleiben und in ihren Armen Ihn zu halten, bis der Morgen graute, Dass er nicht vermöchte zu entrinnen, Und der Tag sein Antlitz ihr enthüllte. Doch wie fest sie ihn auch hielt umschlungen, Wie ein Dunstgebild aus ihren Armen Schwand er weg, bevor ein Strahl sich zeigte. Einst, ein Herz sich fassend; sprach sie kosend Zu dem Liebsten, ruhend ihm zur Seite, Zärtlich seinen süssen Kuss erwidernd: «Nur dein Aug' – nichts weiter als dein Auge,Möcht' ich schau'n einmal! darnach am meisten Trag' ich heimlich Sehnen. Aug' in Auge Dir zu schau'n, in deiner Seele lesend, Lieber wäre Solches, traun, und süsser, Wonniger als Kuss mir und Umarmung!» –

Auf die Stirn sie küssend, sprach der Gatte: «Eingetroffen, ach, geliebte Seele, Ist, was warnend ich voraus verkündet! Allzuviel gehört auf jene Schwalben Hast du, die geschwätzig ein sich schlichen Unter dieses Gartens Nachtigallen! Hüte dich! sie werden wiederkehren, Vollzufüllen dir das Mass des Unheils!» «Ist's genug nicht,» flüstert Psyche schmollend, «Dass du deinen Anblick mir verweigerst? Soll ich auch der Schwestern Anblick missen, Die ich liebe, die mich wiederlieben? Nimmer würd' ich ja, auch wenn ich's wrüsste, Nimmermehr verrathen dein Geheimniss! – Und warum, ach, soll ich selbst nicht wissen, Nimmer es erfahren, ich die Gattin, Deine Psyche, wer du bist, Geliebter?»

«Wer ich bin?» entgegnet drauf der Liebste; «Ich bin du – und du bist ich, mein Seelchen! Eins sind wir – vereint in Liebe – selig! Kind, was willst du mehr? lass dir's genügen! Denn so lang nur mit des Geistes Augen Du mich schauen wirst, bin ich der Deine, Bleib' ich immerdar dir unverloren; Aber schaust du mich mit Leibes Augen, Schaust du mich als Aussending und -Wesen,Kind, dann hast du mich nicht mehr– verlieren Wirst du mich, verlieren mich auf immer: So, Geliebte, will es das Verhängniss!» –

Also sprechend und an's Herz sie schliessend, Fügt er scherzend noch hinzu, zum Trost ihr: «Blind, mein Tausendschönchen, sei die Liebe! Gern erscheint sie mit verbund'nen Augen, Schliesst die Augen gern, wie Tod und Schlummer!» –

Von des Zephyrs Zauberhauch getragen, Wiederkehren bald die neid'schen Schwestern. Freude heucheln sie bei Psyches Anblick, Und der zarten Glieder Fülle musternd, Rufen sie: «Ei, Mütterchen wird bald wohl Unser zartes Seelchen! o wie freu'n wir Uns von Herzen auf das goldne Püppchen! Sicherlich ein kleiner Gott ja wird es!» Dann von Neuem fragen, forschen schwatzend Sie nach dem Gemahl: wie er gestaltet, Ob gedrungen er, ob schlank? wie alt er? Leichthin Psyche sagt: «Nicht allzu jung mehr Ist er, grau schon halb das Haar gesprenkelt, Aber stark und heldenhaft von Anseh'n!»

«Ei,» versetzen höhnisch drauf die Schwestern, «Sagtest du nicht jüngst, ein stattlich schöner Jüngling sei's, mit goldig blonden Locken? Ist so rasch seither ergraut der Blonde?»

Psyche schweigt erröthend, und da mehr nur In die Enge sie die Schwestern treiben, Immer mehr mit Fragen sie bedrängen, So entschlüpft das Wort der in Verstellung Ungeübten, nie bisher gesehenHabe selbst sie den Gemahl: im Dunkel Komm' er nur, das Lager mit ihr theilend, Und mit grausem Unheil sie bedrohend, Wenn sie sich erzwänge seinen Anblick.

Hier bedeutsam sah'n sich an die Schwestern, Sprachen dann zu Psyche: «Liebe Schwester, Denkst du denn so gar nicht des Orakels? Nicht des Gatten, der durch Götterspruch dir Ward verkündet, und für den du bräutlich Ausgesetzt wardst auf dem Fels am Strande? Sprach er nicht von einem Ungeheuer, Einem Unhold vom Geschlecht der Drachen?Wisse: letzte Nacht, da sah'n im Traum wir Beide dieses Unthier: und ein Drache War es wirklich, giftgeschwellt, in vielen Knoten grausenhaft sich windend, scheusslich, Bauch und Hals blutrünstig aufgedunsen! So gestaltet ist dein Mann in Wahrheit; Und zur Welt auch bringen einen Drachen Würdest du, zur Mutter durch ihn werdend!»

Schaudernd Psyche lauscht; verkündet ward ihr Zum Gemahl – so ist's! – ein Ungeheuer. Nebelhaft – sie kann's nicht leugnen – formlos Schien des Gatten Leib ihr, wenn er ruhte Nächtlich neben ihr. Und war's nicht möglich, Dass durch böses Zauberwerk verblendet, Bei dem Unhold ruhend, eines Menschen Wohlgestalt sie zu umarmen wärmte? Und wie er als Traumgebild erschienen Augenblendend ihr und herzversehrend, War es mehr denn eben als ein Traumbild? Ach, warum verbarg er ihr sein Antlitz, Wenn es menschlich, schön, und liebenswürdig? –

«Lass dir rathen, Kind; es ist ein Drache!» Huben Jene wieder an. «Den Dolch hier Nimm, und nächste Nacht im Vorgemache, Eh' zur Ruh' du gehst und dir gesellt sich Hat das Scheusal, birg ein brennend Lämpchen! LTnd in's Öhl wirf etwas hier von diesem Kraut, durch dessen Zauber bei der Lampe Schein sich zeigt in seinem wahren Wesen, Was durch schnöden Zauber ward venvandelt. Liegt dann Jener tief in Schlaf gesunken,Schlüpfe du gemach herab vom Lager, Schleiche dich in's Vorgemach, vorsichtig, Nimm die Lampe, tritt vor's Bett des Drachen, Und das blanke, scharfe Messer schwingend, Rasch durchschneide den gekröpften Hals ihm!»

So die tück'schen Schwestern, und nachdem sie Viel geschwatzt, geraunt noch und geflüstert, Ganz in bösen Rath die reinste Seele, Ganz in Misstrau'n geifernd eingesponnen, Eilen sie hinweg; zurück bleibt einsam Psyche, schwankend zwischen Grau'n und Liebe. Und sie sinnt und sinnt und kann's nicht fassen. «Er ein Ungethüm? es ist nicht möglich! Allzuhold erklang mir seine Stimme Wird ein Gott mir's in die Seele legen, Allzusüss beseligte sein Kuss mich! – Doch des Gottes Stimme, das Orakel, Sprach es nicht von einem Ungeheuer?» – Unentschlossen bringt sie so den Tag hin, Unentschlossen bringt sie hin den andern. In der Nacht träumt sie von Schreckgestalten Ihres Gatten, fährt an seiner Seite Aus dem Schlaf empor, mit angst-erpresstem Schrei, und endlich schmiegt sie, zitternd, enger Sich an ihn, den Liebsten, gleich als wollte Schutz vor ihm sie suchen bei ihm selber. Aber zu sich spricht am dritten Tag sie: «Warum sollt' ich es nicht doch versuchen Mit der Lampe? Zeigen wird ihr Glanz mir, Ob er wirklich ein so grauser Unhold. Und gewahr' ich, dass er ist ein Unhold, Wird ein Gott mir's in die Seele legen,Ob ich folgen soll dem Rath der Schwestern, Zücken soll mit diesen schwachen Händen Gar den Dolch auf ihn ... Nein – nie vermöcht' ich's!

Aber dichter stets sinkt bösen Zweifels Mehlthau nieder auf ihr schönes Eden, Und ihr junges Herz, es schrumpft zusammen, Wie, von einem Raupenknäu'l umkrochen,