Grundausbildung von Gangpferden - Kirsti Ludwig - E-Book

Grundausbildung von Gangpferden E-Book

Kirsti Ludwig

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Beschreibung

Die Ausbildung eines Pferdes ist immer eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe, liegt doch das Schicksal eines Lebewesens in unseren Händen. Handelt es sich um ein Gangpferd, steigt der Anspruch an den Ausbilder. Es gilt, nicht nur drei, sondern vier oder sogar fünf Gänge zu sortieren, womit ein störanfälligeres Gleichgewicht einhergeht. Das weit verbreitete System "Führen – (ausgebunden) Longieren – an das Reitergewicht gewöhnen" wird insbesondere den Ansprüchen, welche die Ausbildung eines mehrgängigen Pferdes stellt, nicht gerecht. Dieses Schema ist zu "grob", und die Lücken des Systems sind Ursachen möglicher Probleme. Es "muss" unnötig viel Kraft eingesetzt werden, um die mangelnde Vorbereitung/das mangelnde Verständnis des Pferdes auszugleichen – Stress entsteht. Dieses Buch zeigt, dass es anders geht. Mittels der Bodenarbeit am Kappzaum sowie dem geraderichtenden Longieren ist es möglich, die Zeit vor dem eigentlichen Einreiten sinnvoll und effektiv zu nutzen, um das Pferd geradezurichten, zu lösen und zu stärken und es so optimal auf das Reiten und die Spezialgänge vorzubereiten. Alles baut in kleinen Schritten aufeinander auf, wobei ein Schritt völlig selbstverständlich aus dem vorigen ergibt. Die Stellung ist die kleinste Einheit in dieser Ausbildungsphilosophie, auf sie baut alles auf. Sie ist der rote Faden, nicht nur beim Erarbeiten einer reellen Dehnungshaltung und der Seitengänge, sondern auch auf dem Weg zu einem Tölt über den Rücken. Qualitätsvolle Ausbildung spart entgegen der landläufigen Meinung Zeit, schützt vor Sackgassen und chronischen Schwierigkeiten. Sie bringt Freude und verleiht sprichwörtlich Flügel.

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Kirsti Ludwig

GRUNDAUSBILDUNGVON GANGPFERDEN

GERADERICHTUNG VON ANFANG AN

Autorin und Verlag haben den Inhalt dieses Buches mit großer Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Für eventuelle Schäden an Mensch und Tier, die als Folge von Handlungen und/oder gefassten Beschlüssen aufgrund der gegebenen Informationen entstehen, kann dennoch keine Haftung übernommen werden.

SicherheitstippsAchten Sie bitte immer auf entsprechende Sicherheitsausrüstung: Reithelm, Reitstiefel/-schuhe, Reithandschuhe und gegebenenfalls eine Sicherheitsweste beim Reiten.

Bitte vergessen Sie nicht, dass auch gut ausgebildete Pferde Fluchttiere sind und bei Gefahr instinktiv reagieren. Übernehmen Sie Verantwortung für Ihr Pferd und Unbeteiligte und arbeiten Sie niemals ohne entsprechende Sicherheitsvorkehrungen.

IMPRESSUM

Copyright © 2016 Cadmos Verlag, SchwarzenbekSatz: Georg LehmacherLayout: www.ravenstein2.deCoverfoto: Claudia SchönFotos im Innenteil: Namay Dolphin, Kathrin Eberl,Beate Keller, Claudia Schön, Phillip WeingandLektorat der Originalausgabe: Almut Schmidt

Konvertierung: S4Carlisle Publishing Services

Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

eISBN: 978-3-8404-6432-4

INHALT

Würdigung

Einleitung

Entwurf eines Traumpferdes

Theoretische Grundlagen zur Ausbildung des Pferdes

Voraussetzungen zum Anreiten eines Pferdes

Die Natur des Islandpferdes

Geraderichtung und Dehnung durch Stellung und Biegung

    Die Stellung

    Geraderichtung

    Dehnungshaltung

Die praktische Grundausbildung des Pferdes: Bodenarbeit

Die vorbereitende Schulung am Boden

Vertrauen und Gehorsam

Vom richtigen Zeitpunkt

Ausrüstung: der Kappzaum

    Longieren mit Halfter, Kappzaum oder Trense?

    Passform des Kappzaums

    Welcher Kappzaum?

    Die Gerte

Das Führen am Halfter

    Vorbereitung im Stand

    Erste Führübungen

Stillstehen

Spazierengehen

Freiarbeit

    Auf den Zirkel schicken

    Grundposition

    Gangarten

    Durchparieren

    Zulegen und Abfangen

    Handwechsel

(Foto: Claudia Schön)

Bodenarbeit mit dem Kappzaum

    Dehnung im Stand

    Stellung im Stand

    Führen in Stellung

    Zirkel verkleinern und vergrößern

    Führen auf Distanz

    Longieren

    Schenkelweichen/Übertreten

    Schulterherein

    Travers

Die praktische Grundausbildung des Pferdes: Reiten

Die ersten Schritte bis zum Aufsteigen

    Auftrensen

    Satteln

    Aufsteigen

    Der Reitersitz

Die ersten Reitstunden

    Ganze Parade und wieder anreiten

    Eine Biegung reiten

    Erstes Alleinreiten

    Die Ecken: Erste Stellung und Biegung

    Einhalten von Linie und Tempo/Takt

Die nächsthöhere Gangart (Trab oder Tölt)

Tölt und Galopp: Zwei Gangarten, eine Problematik

Galopp!

Der Tölt

    Voraussetzungen zum Eintölten

    Wie tölte ich ein Pferd ein?

Schultervor, Schulterherein, Travers

Ausreiten

Umgang mit Angst beim Pferd

Fazit

Danksagung

WÜRDIGUNG

(Foto: Namay Dolphin)

Alois Podhajsky hat ein wunderbares Buch mit dem Titel „Meine Lehrmeister die Pferde“ geschrieben. Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Pferden bedanken, die mich bis hierher begleitet haben, allen voran bei Blika, meiner Islandponystute, und Brilhante, meinem Lusitano. Sie und unzählige andere Pferde sowie meine Schüler mit ihren Pferden haben den Stoff für dieses Buch geliefert. Oft bin ich nach einer Reitstunde heimgekommen und habe mich sofort an den Laptop gesetzt, um eine interessante Erfahrung oder Beobachtung aufzuschreiben.

Ebenso möchte ich den Reitlehrern danken, die meinen reiterlichen Werdegang geprägt haben. Als Erste wäre Brigitte Karmus zu nennen, früher eher gefürchtet („Du sitzt auf dem Pferd wie ein Klecks Butter auf einer heißen Kartoffel“), später vor allem bewundert wegen ihres schönen Reitstils.

Gereon Wimmer vermittelte uns in seinen Kursen schon vor 20 Jahren den Nutzen der Gymnastizierung, als diese in der Islandpferdeszene noch wenig verbreitet war. Ich freue mich sehr, dass er auch mein zweites Buchprojekt mit seinem Gastbeitrag zum Thema „Lernen“ aufwertet.

An Hans-Jürgen Neuhauser schicke ich in Gedanken immer ein kurzes „Danke“; der Freiarbeitskurs hat mich in etwas schwierigeren Fällen schon oft gerettet.

Natalie Huttarsch vermittelte mir die Bedeutung von Dehnung und Stellung, danke dafür.

Momentan überwacht Barbara Berkau die Minimierung meiner Hilfengebung mit Adleraugen.

Und zu guter Letzt − meine Begeisterung für die Bodenarbeit habe ich Marius Schneider zu verdanken.

(Foto: Namay Dolphin)

EINLEITUNG

(Foto: Claudia Schön)

Entwurf eines Traumpferdes

Ein Jungpferd kann man mit einer weißen Leinwand vergleichen. Beide sind unbeschrieben, offen für alles.

Die Ausbildung des Pferdes beginnt mit einer Vorstellung, einem Wunschtraum: mein eigenes Pferd, selbst ausgebildet.

Eine Skizze entsteht, zunächst mit Bleistift. Ab und an müssen wir radieren. Manchmal entwickelt sich alles anders als geplant und dennoch lieben wir das Ergebnis, denn wir haben es selbst geschaffen.

Es kann aber auch passieren, dass man vor dem fertigen Bild steht und feststellen muss, dass es mit der ursprünglichen Traumvorstellung nichts gemeinsam hat. Doch die Farbe ist aufgetragen, Radieren ist unmöglich geworden, oberflächliche Ausbesserungsarbeiten machen alles nur noch schlimmer.

Ähnliche Auswirkungen hat der Versuch, ein Pferd mit Kraft oder Hilfszügeln korrigieren zu wollen. In solchen Situationen hilft nur eines: ehrlich mit sich selbst zu klären, warum das Ergebnis so geworden ist, eventuell Hilfe holen und mit einem besseren Plan von vorn beginnen. Alles auf Anfang, in Gedanken erneut mit einer weißen Leinwand beginnen, einen Bleistiftstrich an den nächsten setzen. Bis man mit der Skizze zufrieden ist und das Bild genussvoll ausmalen kann.

Nur der feine Strich eines Bleistifts vermag es, Details anzulegen, erlaubt Korrekturen, die später unsichtbar sind. Vergleichbar damit ist die Arbeit mit dem Kappzaum. Sie ist die entscheidende Vorbereitung und grundlegend für das Gelingen der Pferdeausbildung wie auch die Korrektur bereits gerittener Pferde.

Durch sie habe ich die Möglichkeit, mein Pferd zu stärken, geradezurichten und damit in Balance zu setzen, bevor ich es mit meinem Gewicht belaste.

Mit einem guten Plan und freundlichen Erklärungen kooperieren Pferde gern.(Foto: Namay Dolphin)

Es lohnt sich deshalb auch für den Gangpferdereiter, über den Tellerrand zu schauen. Seien Sie offen für neue Erfahrungen und Ansichten, sehen Sie sich in der Reiterwelt um und nehmen Sie das mit, was zu Ihnen und Ihrem Pferd passt.

So habe ich in der akademischen Reitkunst ein wunderbares System der Bodenarbeit gefunden, das in Teilen meinen Weg perfekt ergänzt. Kleine, logisch aufeinander aufbauende Schritte machen die Arbeit für das Pferd verständlich und sorgen für eine entspannte Lernatmosphäre.

Ähnlich sollte es ja auch in der Schule funktionieren. Die Kinder beginnen mit dem Abc und setzen dann die einzelnen Buchstaben zu Wörtern zusammen; eins baut logisch auf das andere auf.

Die herkömmliche Ausbildung eines Pferdes besteht dagegen oft nur aus drei Schritten: Halfterführigkeit, ausgebundenes Longieren, dann Reiten.

Diese Form der Ausbildung weist meines Erachtens Brüche auf. Es wird mit Wörtern, wenn nicht sogar ganzen Sätzen mit Ausrufezeichen dahinter begonnen. Die Pferde haben nicht gelernt, was „Hilfen“ bedeuten, bis zu dem Augenblick, in dem sie das erste Mal geritten werden. Das muss zu Missverständnissen und Frustration bei allen Beteiligten führen.

Es ist eine große Verantwortung, ein Pferd selbst auszubilden.(Foto: Phillip Weingand)

Wäre es nicht toll, wenn das Pferd vor dem ersten Aufsitzen bereits mit den grundlegenden Dingen vertraut ist? Wenn es durch Dehnung gelernt hat, wie es mit dem Reitergewicht zurechtkommen kann, wenn es dank Gymnastizierung locker und geschmeidig ist, wenn geraderichtende Arbeit ihm zu einer passablen Balance verholfen hat? Wenn es schon erste Zügelhilfen kennt, Stellung und Biegung und sogar Seitengänge wie Schulterherein und Travers zum Alltag gehören? Klingt das nicht sinnvoll und schön?

Ich lade Sie ein – auf einen entspannten, aber äußerst effektiven Weg der Ausbildung und Korrektur von Gangpferden.

Noch ein Hinweis: Die im Buch beschriebenen Elemente der Ausbildung sind für mich die wichtigsten, die „Basics“; es gibt aber zahlreiche weitere Möglichkeiten und Variationen, die je nach Pferd und Situation sinnvoll und notwendig sein können.

THEORETISCHE GRUNDLAGEN ZUR AUSBILDUNG DES PFERDES

(Foto: Phillip Weingand)

Voraussetzungen zum Anreiten eines Pferdes

Es ist wunderbar, wenn man sein Pferd zum Anreiten nicht weggeben muss. Ein Stallwechsel ist für viele Pferde eine Belastung, die man nicht unterschätzen sollte.

Für eine erfolgreiche Ausbildung sollte der Reiter folgende Voraussetzungen erfüllen:

– Absolut zügelunabhängiger SitzDas ist die Grundvoraussetzung! Kleine Buckler oder abrupte Übergänge vom Tölt in einen schwungvollen Trab oder spontanes Angaloppieren dürfen kein Grund sein, mit den Beinen zu klemmen oder mit der Hand hängen zu bleiben.Extrem wichtig ist, dass der Reiter stets mit seinen Händen den Nickbewegungen des Pferdes folgt und sein Becken geschmeidig auf die Rückenbewegungen eingeht. Ansonsten kann bereits beim Einreiten eine Verschiebung zum Pass stattfinden.

– Ein ausgereiftes BewegungsbildUm jemanden zu schulen, ganz gleich ob Mensch oder Pferd, ist es wichtig, die gewünschte Bewegung/das gewünschte Verhalten klar vor Augen zu haben. Nur so kann man einerseits analysieren und korrigieren und andererseits dem Pferd diese Bilder mental übermitteln.

– Körperliche FitnessWir verlangen von unseren Pferden einiges an Fitness und Koordination. Möchte man einem Jungpferd eine vielseitige, solide Grundausbildung angedeihen lassen, ist eine gewisse Kondition auch beim Ausbilder Voraussetzung. Nicht nur die Bodenarbeit verlangt ausreichend Puste, auch um längere Spaziergänge sollte man sich nicht drücken. Das ist wichtig zum Beziehungsaufbau, außerdem wird das spätere Ausreiten entspannter.Ungünstig ist ein Ausbilder mit Rückenschmerzen beziehungsweise eigener „Schiefe“ im Körper − derartige Probleme und Spannungen übertragen sich auf das Pferd.

Ihr Pferd hat andere Ideen? Ärgern Sie sich nicht und bleiben Sie geduldig.(Foto: Namay Dolphin)

– Geduld, Einfühlungsvermögen und Liebe zur KreaturNicht nur körperlich, auch seelisch wird ein Jungpferd durch respektloses, liebloses, ungeduldiges oder gar grobes Handeln schnell aus seinem Gleichgewicht gebracht. Ein ungeduldiges Gurten, wobei womöglich das Fell eingezwickt wird, ein liebloses Abtrensen, eine ungerechtfertigte Bestrafung auf eine Angstreaktion ... All dies merkt sich das Pferd.Pferdeausbildung verlangt einen ausgeglichenen Charakter und viel Geduld.

„Um ein Lebewesen zu beherrschen, muß man sich selbst beherrschen lernen. Zum Reiten braucht man gute Laune und Gelassenheit. Furcht, Ungeduld und Zorn sollte ein Reiter nie fühlen.“ (Udo Bürger: Vollendete Reitkunst, Müller Rüschlikon, 1982)

Last but not least dürfen die äußeren Bedingungen für eine gelungene Pferdeausbildung nicht unterschätzt werden. Wichtige Faktoren sind Folgende:

– ReitplatzFür die Pferdeausbildung ist ein unebener, nicht befestigter Platz oder ein Grasplatz schwierig.Gefälle, holpriger Boden, Pfützen etc. sind der Taktfindung nicht zuträglich, besonders beim Gangpferd nicht.Ein junges Pferd vernünftig ohne Ausbinder vorwärts-abwärts auf einer Grasbahn zu longieren, ist kaum möglich. Einerseits möchte man erreichen, dass das Pferd sich dehnt, andererseits darf es aber nicht stehen bleiben und fressen.

– AusrüstungAn der Ausrüstung eines Jungpferdes darf nicht gespart werden! Das rächt sich, sei es in gesundheitlichen Problemen, reiterlichen Problemen oder sogar Verhaltens-auffälligkeiten. Mit einem engen, schlecht sitzenden Sattel kann kein Pferd eine gute Rückenmuskulatur ausbilden.

Gras auf dem Reitplatz ist ungünstig; es lenkt das Pferd ab.(Foto: Beate Keller)

GASTBEITRAG

Gereon Wimmer: Wie Pferde lernen

Das Verhalten von Säugetieren ist eine Mischung aus angeborenem (= „Instinkt“) und erlerntem, anerzogenem Verhalten (= „Erziehung“). Nachdem durch eine artgerechte Aufzucht die ersten „erzieherischen“ Maßnahmen im Sozialverband der Herde stattgefunden haben, soll das Pferd durch bestimmte „Techniken“ auf seinen Verwendungszweck vorbereitet werden.

Die Arten des Lernens:

Prägung (irreversibel): Unter Prägung versteht man eine erste spezielle Form des Lernens in der frühesten Lebensphase eines Säugetieres, die irreversibel ist. In diesem genetisch festgelegten Zeitabschnitt wird die Mutter-Kind-Bindung hergestellt, die für die weitere Entwicklung des Fohlens im sozialen Herdenverband unerlässlich ist. In dieser Phase auf das Fohlen Einfluss zu nehmen, gilt als sehr umstritten (Gefahr der Fehlprägung).

Nachahmung („Lernen am Modell“, reversibel): Eine weitere, einfache Form des Lernens ist das „Lernen am Modell“. Dabei eignet sich das Tier durch Beobachtung eines Artgenossens Verhaltensmuster an. Z. B. lernt das Fohlen das Grasfressen, indem es die diesbezügliche Verhaltensweise der Mutter kopiert.

Gewöhnung (Habituation, reversibel): Wird das Pferd wiederholt einem Reiz (meistens ein Umweltreiz) ausgesetzt, der weder eine positive noch eine negative Auswirkung hat, nimmt die Stärke der Reaktion ab. Die Gewöhnung als Lernmethode kann man sich zunutze machen, wenn Pferde z. B. sensibel auf Motorengeräusche reagieren, indem man sie mit diesem Geräusch wiederholt konfrontiert (z. B. Koppel an der Straße).

Klassische (Pawlowsche) Konditionierung (reversibel): Hierbei wird ein neuer Reiz in den Auslösemechanismus für ein bestimmtes Verhalten aufgenommen, das heißt, ein neues Signal (= Reiz) wird mit einer vertrauten Aktion (= Reaktion) verbunden.

„Es gibt ‚unkonditionierte Reflexe’ (ungelernte Reaktionen), die normale Reaktionen des Körpers sind. Dazu gehören der Kniesehnenreflex und der Lidschlagreflex. Fällt helles Licht auf die Augen, erhöht sich die Frequenz des Lidschlags (unkonditionierter Reiz ist das Licht; unkonditionierte Reaktion ist der Lidschlag).

Ertönt beim Einschalten des Lichtes eine Glocke, reicht bald die Glocke allein, um den Lidschlag auszulösen. Die Glocke ist jetzt der konditionierte Reiz, der Lidschlag auf den Glockenklang die konditionierte Reaktion.“ (M. Kiley-Worthington: Pferdepsyche – Pferdeverhalten. Müller-Rüschlikon, 1993).

Unmittelbar verbindend muss eine „Verstärkung “ (= Belohnung) stattfinden, damit aus dem unkonditionierten Reiz (= Licht) ein konditionierter Reiz (= Glocke) entsteht. In dem genannten Beispiel ist die Verstärkung (Belohnung), dass das Auge durch das Licht nicht geblendet wird.

Operante („instrumentelle“) Konditionierung („Lernen durch Versuch und Irrtum“ oder das „Lernen am Erfolg“): Das ist die wohl wichtigste Form des Lernens in der Pferdeausbildung. Durch die instrumentelle Konditionierung erlernt das Pferd die Koppelung einer bestimmten Verhaltensweise an einen Reiz. Die unmittelbar erfolgte Verstärkung bei einer „richtigen“ (= erwünschten) Reaktion führt dazu, dass das Pferd eine bestimmte Handlung freiwillig ausführt.

•  Positive Verstärkung: Belohnung durch etwas Angenehmes, z. B. Futter, beziehungsweise als sekundär positive Verstärkung: Verbindung des Futters mit Stimme und/oder Klopfen/Kraulen. So funktioniert auch das sogenannte „Clickertraining“.

•  Negative Verstärkung: Belohnung durch Beenden von etwas Unangenehmem beziehungsweise in der Folge Belohnung durch Vermeidung von etwas Unangenehmem.

•  Bestrafung: Die Bestrafung muss von der negativen Verstärkung klar unterschieden werden. Die Bestrafung folgt nach einer unerwünschten Reaktion des Pferdes auf einen Reiz, wohingegen eine negative Verstärkung eine gewünschte Reaktion belohnt, indem sie nicht mehr stattfindet, wenn die entsprechende Reaktion gezeigt wird. Wenn Bestrafung überhaupt einen Sinn haben soll, dann muss sie unbedingt so erfolgen, dass sie als Resultat die gewünschte Reaktion auslöst, also die Bestrafung in eine negative Verstärkung umgewandelt wird! Sonst dient sie ausschließlich dem kurzfristigen Aggressions- und Frustabbau des Menschen und nicht der Ausbildung des Pferdes.

Beispiel: Erlernen der treibenden Hilfen

Wenn der Reiz des Gertenimpulses (primärer Reiz) mit der gewünschten Reaktion des Losgehens wiederholbar ist und somit konditioniert wurde, kann man an die Entwicklung eines sekundär konditionierten Reizes (= Schenkelimpuls) herangehen.

„Entscheidend für das Lernen ist das richtige Verständnis von Verstärkung. In der Pferdeausbildung werden sowohl positive (Belohnungen) als auch negative (etwas Unangenehmes oder die Vermeidung von etwas Unangenehmem) Verstärkungen angewendet. Die beste und schnellste Methode, erwünschte Verhaltensweisen zu konditionieren, ist häufig eine Kombination aus beiden.“ (M. Kiley-Worthington: Pferdepsyche – Pferdeverhalten. Müller-Rüschlikon, 1993).

Die konsequente Koppelung und die korrekte Ausführung des Gerten-Schenkel-Impulses führen dazu, dass die Gertenhilfe mit fortschreitender Ausbildung nicht mehr notwendig ist. Die gewünschte Reaktion kann in Zukunft allein durch den Schenkel ausgelöst werden.

Im nächsten Ausbildungsschritt (man könnte von tertiärer Konditionierung sprechen) lassen sich daraus weitere Differenzierungen, wie z. B. der „seitwärtstreibende“ oder „verwahrende Schenkel“, erarbeiten beziehungsweise konditionieren.

Das erklärt nunmehr auch, dass nicht die tatsächliche Stärke des Schenkelimpulses, sondern der wiederholte, ständig treibende, keine Reaktion abwartende Schenkel das Pferd auf die Hilfe abstumpft! Dasselbe gilt übrigens in uneingeschränktem Maße für die Zügeleinwirkung.

Umso klarer diese Basisarbeit (genaue Koppelung Reiz-Reaktion-Verstärkung) durchgeführt wird, desto einfacher ist es, daraus die komplexe „Sprache der Hilfen“ zu entwickeln und dem Pferd z. B. verständlich zu machen, dass es „antölten“ oder eine Galopptraversale durchführen soll.

Dabei spielt die Methode oder die Art des Reizes, der die Reaktion auslöst, für das Pferd keine oder nur eine untergeordnete Rolle. So könnte man das Pferd auch darauf konditionieren, rechts anzugaloppieren, wenn man es am rechten Ohr zieht. Ob das praktisch im Reitalltag ist, ist eine andere Frage. Dieses Beispiel soll nur erklären, warum sich unterschiedliche Reit- und Ausbildungsmethoden entwickelt haben. Eines eint alle Ausbildungswege: Sie greifen in ihrer Basis bewusst oder unbewusst auf diese verhaltenspsychologischen Gesetzmäßigkeiten zurück.

Beim weiter ausgebildeten Pferd reicht allein der Schenkelimpuls, die Gerte wird überflüssig.(Foto: Beate Keller)

Die Natur des Islandpferdes

Bei der Ausbildung des Islandpferdes sollte Rücksicht auf dessen (körperliche) Besonderheiten genommen werden. Isländer sind erst im Alter von frühestens fünf Jahren völlig ausgewachsen, einige sogar erst mit acht Jahren. Leider sehen sie in jungen Jahren oft schon sehr stark aus – ein Trugschluss. Aus dem Leistungssport bei uns Menschen ist bekannt, dass eine zu starke Belastung des noch wachsenden Körpers bleibende Schäden hinterlässt. Das ist beim Pferd nicht anders. Deshalb sollte in der Ausbildung folgender Leitgedanke gelten: „Früh fördern – spät fordern.“

Unter „fördern“ verstehe ich geraderichtende, stärkende Bodenarbeit und Longieren ohne Reiter, ruhig ein halbes Jahr oder länger.

Das späte Fordern hat handfeste Gründe: Um belastbar zu werden, benötigen Muskeln etwa neun Monate, Knochen ein Jahr und Sehnen und Gelenke sogar zwei Jahre. Das Kreuzbein, das viel Gewicht tragen und Kraft aus der Hinterhand aufnehmen muss, verknöchert erst komplett, wenn das Pferd ausgewachsen ist.

Vermeiden Sie also Kinderarbeit und lassen Sie sich ab dem ersten Aufsitzen sehr viel Zeit. Steigern Sie die Anforderungen nur in Minutenschritten. Ihre Gedud zahlt sich später aus.

Zu berücksichtigen ist außerdem, dass sich durch die Zucht das Exterieur des Isländers verändert hat. Früher war der Isländer der Prototyp des kleinen stämmigen Pferdes. Aufgrund des kurzen Rückens, den starken Röhren und der breiten Brust sprach man ihm eine überdurchschnittliche Tragfähigkeit zu. Heute sind einige Isländer sehr langbeinig und schmalbrüstig, was die Balancefindung nicht leichter macht.

Zudem muss dem Hals Beachtung geschenkt werden. Gerade kleine schmale Pferde brauchen ihn dringend als Balancestange, ein Verkürzen des Halses, z. B. im Tölt, sollte tabu sein.

Auch wenn das Erscheinungsbild des Isländers heute größer und eleganter ist, so bleibt er in Relation ein kleines, kurzes Pferd, das oft eine erhebliche Schiefe aufweist. Diese Tatsache, gemeinsam mit der Gangveranlagung, fordert den Reiter umso mehr, sein Pferd zu gymnastizieren.