H. C. Andersens Märchen - Hubert von Karavan - E-Book

H. C. Andersens Märchen E-Book

Hubert von Karavan

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Beschreibung

"Krass anders, Andersen!" – Die abgefahrenste Neuauflage von H. C. Andersens Märchen, die es je gab! Vergesst alles, was ihr je über Märchen gehört habt. Hier gibt's die volle Ladung Andersen, aber diesmal im rotzfrechen Proll-Stil. "Das hässliche Entlein", "Däumelinchen" oder "Des Kaisers neue Kleider" – jetzt endlich in einer Sprache, die knallt, die rockt, die lebt. Lies, was passiert, wenn Däumelinchen plötzlich in 'ner Großstadt-Bude abhängt, oder der Kaiser merkt, dass er komplett verarscht wurde – und zwar von seinen eigenen Leuten! Von "Die Prinzessin auf der Erbse" bis hin zum abgefuckten Mistkäfer, der meint, er wäre der King – hier bleibt garantiert kein Auge trocken! Egal, ob Märchenfan, Comedy-Junkie oder einfach nur neugierig: Diese respektlose Neuinterpretation macht aus H.C. Andersen die fetteste Lachnummer des Jahres. Das perfekte Geschenk für alle, die glauben, Märchen sind was für brave Kids – falsch gedacht, Alter! Jetzt kaufen – bevor's dein Nachbar tut!

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Seitenzahl: 197

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Hubert von Karavan

 

 

H. C. Andersens

Märchen

 

 

In zeitgemäßer Schreibe

© 2025 by Buchverlag Samwald, Lohnsburg

eBook Amazon ASIN: B0F83X47G4

eBook Epub ISBN:

Band 2 der Reihe: Klassiker zeitgemäß entkalkt

 

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Der Inhalt dieses eBooks ist urheberrechtlich geschützt und enthält eventuell technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Die Nutzung unserer Werke für Text- und Data-Mining im Sinne von § 42h UrhG behalten wir uns vorerst explizit vor. Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen. Auslegung des Textes ist frei erfunden, historisch belegte Daten, Persönlichkeiten sowie der Öffentlichkeit bekannte Ereignisse und Institutionen aus Geschichte und Gegenwart sind weitgehend authentisch.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung verweisen. Ein Wort noch zum sogenannten Gendern: Da sich unsere Sprache über viele Jahrhunderte entwickelt hat und ganz bestimmt nicht mit dem Ziel, eines der Geschlechter zu unterdrücken, lehnen wir als Verlag die Gendersprache ab. (Hinweis: Bei Gefahr und in der Not bringt der Mittelweg den Tod.)

 

Lektorat: Sam Wood

Produktion: Strange Brew Books

Umschlaggestaltung: Karl Ingram / Odd Lot

Illustationen unter Verwendung von Ideogram

Umfang: Ca. 40’ Wörter, Slab Romana

Vlg. Kennung: 2025-hub-kar-andersen

 

Für Fragen und Anregungen:

 

[email protected]

 

 

 

 

 

 

Es gibt immer mindestens zwei Geschichten: Die offizielle Geschichte, also Lügen, und dann die geheime Geschichte, in der man die wahren Ursachen der Ereignisse findet.

 

Honore de Balzac

 

 

 

 

 

 

Die irrigste Annahme ist die, dass das Ziel der öffentlichen Bildung darin besteht, die Jugend mit Wissen zu bereichern und ihre Intelligenz zu wecken und sie so dazu zu befähigen, die Pflichten der Bürger auf aufgeklärte und unabhängige Weise zu erfüllen. Nichts könnte ferner von der Wahrheit sein, Leute! Das Ziel der öffentlichen Bildung ist überhaupt nicht, Aufklärung zu verbreiten; es ist ganz einfach, so viele Menschen wie möglich auf das gleiche sichere Niveau zu bringen, eine standardisierte Bürgerschaft heran zu züchten und auszubilden, Dissens und Originalität zu unterdrücken. Das ist ihr wirkliches Ziel in den Vereinigten Staaten, was auch immer die verlogenen Prahlereien von Politikern, Pädagogen und anderen solchen Quacksalbern sein mögen, und das ist ihr Ziel auch überall sonst auf dieser Welt.

 

H. L. Mencken

Inhalt

 

Wie's der Alte macht, ist's immer richtig

Die alte Straßenlaterne

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Ein Blatt vom Himmel

Der Bischof auf Börglum und seine Sippe

Der böse Fürst

Das Bronzeschwein

Das Mädchen, das auf das Brot trat

Zwei Brüder

Das stumme Buch

Der Buchweizen

Däumelinchen

Was die Distel erlebte

Elfenhügel

Der Engel

Im Entenhof

Das hässliche junge Entlein

Die Prinzessin auf der Erbse

Das Feuerzeug

Der Floh und der Professor

Die Glocke

Der Goldschatz

Das alte Haus

Der Sohn des Hauswarts

Die Hirtin und der Schornsteinfeger

Hofhahn und Wetterhahn

Die Blumen der kleinen Ida

Das Judenmädchen

Des Kaisers neue Kleider

Der kleine Klaus und der große Klaus

Der fliegende Koffer

Gute Laune

Der Krüppel

Der letzte Tag

Der Mistkäfer

Die Nachtigall

Die roten Schuhe

Hätte durchaus von H. C. Andersen sein können...

Zur Proll Sprache

Was ich persönlich von der Schule halte

Über H. C. Andersen

Über den Autor

Mehr Lesefutter

Wenn Du uns ein Manuskript senden möchtest...

Wie's der Alte macht, ist's immer richtig

 

 

 

Weißt du eigentlich, wie's der Alte macht? Der hat’s immer richtig gemacht, egal was. Ich erzähl dir mal 'ne Geschichte, die ich als kleiner Rotzlöffel gehört hab. Jedes Mal, wenn ich daran dachte, wurde sie schöner. Wie guter Whiskey, der wird auch mit den Jahren besser. So läuft das eben mit guten Geschichten.

Du kennst das, so 'n altes Bauernhaus, irgendwo auf’m Land. Strohdach, krumm wie der Rücken von 'nem alten Hund, Moos drauf und Kräuter, die sich einfach ihren Platz nehmen. Oben aufm Dach 'n Storchennest, weil der Storch da einfach hin gehört. Die Fenster so niedrig, dass du dich bücken musst, um raus zu glotzen, und eins, das du überhaupt öffnen kannst. Und der Backofen – sieht aus wie 'n fetter Bauch, der aus der Wand ploppt. 'N Fliederbaum hängt über'n Zaun, darunter 'n kleiner Tümpel, wo 'ne Ente 'rum watschelt. Und natürlich der Köter, der alles ankläfft, was sich bewegt.

Genau so ein Haus stand irgendwo da draußen auf dem Land, und darin lebten zwei alte Knacker, 'n Bauer und seine Frau. Die hatten nicht viel, aber da war dieses Pferd. Das fraß sich durchs Leben, mampfte das Gras am Straßenrand und kam so durch. Der alte Sack ritt damit in die Stadt, und die Nachbarn liehen sich das Vieh auch manchmal aus, wenn sie was zu erledigen hatten. Aber am besten wär’s wohl gewesen, das Pferd einfach zu verkaufen oder gegen irgendwas anderes einzutauschen, was nützlicher wäre.

Aber was? Tja, das wusste keiner so genau.

„Du weißt das schon, Alter!“ sagte die Alte zu ihm. „Heute ist Jahrmarkt, also ab in die Stadt, verkauf den Gaul oder tausche ihn gegen was, was uns mehr bringt. Egal was du machst, das passt schon. Hau rein!“

Sie bindet ihm sein Halstuch um, doppelt geschlungen, weil er’s allein nicht gebacken bekommt. Dann glättet sie seinen alten, verbeulten Hut mit der Hand und drückt ihm 'nen Kuss auf den Mund. Der Alte sitzt auf, das Pferd schnaubt und ab geht’s. Sonne knallt vom Himmel, kein Schatten weit und breit. Staubig, verdammt heiß, und alle rennen zum Jahrmarkt. Pferde, Kühe, Leute, alle auf einem Haufen.

Da kommt einer den Weg entlang mit 'ner Kuh am Strick, fette Euter, die wahrscheinlich Milch spucken wie ein Feuerwehrschlauch. „Verdammt, das wär doch was“, denkt der Alte. „Eine Kuh wär’ besser als dieses alte Pferd.“

„He, du da mit der Kuh!“ ruft er. „Lass uns tauschen. Das Pferd ist mehr wert, aber scheiß drauf, mir bringt die Kuh mehr. Deal?“

„Klar, machen wir“, sagt der Typ und so tauschen sie. Der Alte hätte sich umdrehen und heimgehen können, aber hey, er wollte zum Markt und trabte weiter mit seiner Kuh.

Weiter geht’s, und schon sieht er den nächsten, der ein Schaf vor sich her scheucht. Dick und flauschig, ein richtiges Wollknäuel auf Beinen. „Das wäre besser“, denkt der Alte. „Es frisst Gras, passt perfekt. Wir können es im Winter in der Stube halten. Tausch?“

„Na klar“, sagt der andere und schwupps, das Schaf gehört dem Alten.

Unser Mann marschiert weiter mit seinem Schaf, und da kommt schon der nächste um die Ecke, eine Gans unterm Arm. Fett und voll mit Federn, das Ding würde sich richtig gut am Teich machen.

„Das wäre was für die Alte“, denkt der Bauer. „Die würde sich totlachen.“ Er sagt: „Wie wär’s, ich geb dir das Schaf und nehm deine Gans?“ Kein Problem, sagt der andere, und der Deal ist durch.

Nun ist der Alte schon fast in der Stadt, Menschenmassen überall, Vieh und Leute durcheinander, die Straße voll, Leute klettern sogar über Zäune. Da sieht der Alte 'nen Schlagbaumwärter, der mit 'nem Huhn rummacht, das an einer Schnur festgebunden ist. „Kluck, Kluck!“ macht das Huhn, und der Alte denkt: „Verdammt, das ist das schönste Huhn, das ich je gesehen hab. Das wär doch was.“

„Tausch gegen die Gans?“ fragt der Alte.

„Sicher“, sagt der andere, und der Alte hat sein Huhn.

Mittlerweile ist der Alte müde und durstig, er sieht das Wirtshaus und denkt, da könnte 'n Schnaps und 'ne Kleinigkeit zum Beißen nicht schaden. Er geht rein, trifft den Hausknecht an der Tür, der 'nen Sack schleppt.

„Was ist da drin?“ fragt der Alte.

„Äpfel, verschrumpelte Dinger, Futter für die Schweine“, sagt der Knecht.

„Verdammt, die Alte würde sich freuen. Letztes Jahr hatten wir nur einen mickrigen Apfel, und der ist dann auch noch verfault. Jetzt bring ich ihr 'nen ganzen Sack. Was willst du dafür?“

„Gib mir das Huhn, und du kriegst den Sack“, sagt der Knecht.

Der Alte übergibt das Huhn, nimmt den Sack Äpfel und latscht in die Schankstube. Die Gäste sind am Saufen, ein paar Engländer mit dicken Taschen voll Gold sind auch da. „Was stinkt denn da so?“ – die Äpfel fangen an zu faulen... Der Alte erzählt seine ganze Geschichte vom Pferd bis zu den Äpfeln, und die Engländer lachen sich tot.

„Alter, deine Frau wird dich windelweich kloppen, wenn du nach Hause kommst!“

„Mich knuffen? Quatsch, die wird mich küssen und sagen: Wie’s der Alte macht, ist’s immer richtig“, sagt der Alte.

„Wetten wir?“ fragen die Engländer, „um Tonnen von Gold!“

„Mir reicht ein Sack voll“, sagt der Alte und die Wette läuft.

Sie fahren zum Haus des Alten, und als sie ankommen, ruft er: „Guten Abend, Alte! Der Tausch wäre gemacht!“

„Ja, du verstehst deine Sache“, sagt die Alte und schert sich einen Dreck um die Äpfel oder die Fremden.

„Ich hab 'ne Kuh für das Pferd gekriegt.“

„Super, Alter! Milch, Butter, Käse! Besser geht’s nicht!“

„Aber dann hab ich die Kuh gegen ein Schaf eingetauscht.“

„Das ist noch besser! Wollsocken, Käse, Strümpfe. Du denkst an alles!“

„Und das Schaf hab ich gegen 'ne Gans getauscht.“

„Herrlich! Die Gans fressen wir Weihnachten!“

„Dann hab ich die Gans gegen ein Huhn eingetauscht.“

„Das Huhn legt Eier! Wir kriegen Küken, wir kriegen 'nen ganzen Hof!“

„Aber das Huhn hab ich für einen Sack verschrumpelte Äpfel eingetauscht.“

„Was? Du bist der Beste!“ Die Alte küsst ihn. „Ich hab heut' Morgen Schnittlauch gebraucht und die Schulmeisterfrau war zu geizig, auch nur 'nen Apfel herzugeben. Jetzt hab ich mehr Äpfel als sie! Das ist zu gut!“

Die Engländer platzen fast vor Lachen. „So was gibt’s auch nur hier!“ Und dann zahlen sie dem Alten wohl oder übel das Gold aus, weil er die Wette gewonnen hat.

Ja, manchmal muss man einfach wissen, dass der Alte schon alles richtig macht. Egal was. Manchmal ist alles genau richtig so, wie es ist. Oder?

 

---

 

Leute, so klingt heutzutage ein Märchen: Roh, schnoddrig und direkt, ganz im Sinn und Geist des alten, versoffenen Dichters aus San Francisco, der so gern auf Pferderennen ging und der sich zeitlebens von nichts und niemandem unterkriegen ließ. Nehmt euch ein Beispiel dran!

Die alte Straßenlaterne

 

 

 

Kennst du die Story von der alten Straßenlaterne? Wahrscheinlich nicht, aber scheiß drauf, hier ist sie trotzdem. Kein Witz, kein Drama, nix Aufregendes, aber ein bisschen was fürs Herz – so wie ein alter Lumpen, der bald auf dem Müll landet. Die Laterne hatte jahrzehntelang wortlos ihren Job gemacht, jeden Abend an derselben Ecke herum geleuchtet, und jetzt sollte sie abserviert werden. Letzter Abend, letzte Runde. Fühlt sich an wie 'ne abgehalfterte Tänzerin, die ihre letzten Pirouetten dreht, bevor sie in 'nem muffigen Dachboden verstaubt. Morgen früh geht's ab zum Rathaus, und da wird entschieden, ob sie noch 'n bisschen weitermachen darf oder ob’s ab in den Schmelzofen geht. Vielleicht kriegt sie ja noch 'nen Platz auf irgendeiner Brücke oder in 'ner Fabrik, aber wer weiß das schon?

Der Gedanke daran zerfrisst sie: Was, wenn sie umgeschmolzen wird? Was, wenn sie vergisst, dass sie mal 'ne verdammte Straßenlaterne war? Das wäre die Hölle. Und dann der Wächter und seine Alte – die zwei hatten sie behandelt wie Familie, wie einen festen Bestandteil ihres traurigen kleinen Lebens. Damals, als sie alle noch jung und knackig waren, hat die Alte die Laterne nur abends angeschaut, wenn sie vorbeiging, und tagsüber ignoriert. Aber dann wurden sie alle drei alt, so richtig abgewrackt, und die Alte fing an, sie zu pflegen, den Ruß abzukratzen und das Öl nachzufüllen. Sie haben die Laterne nicht mal um einen Tropfen betrogen. Ehrlich waren sie, wie ’ne Flasche Schnaps an einem miesen Montagmorgen.

Also, der letzte Abend, morgen ist Schluss. Die Laterne leuchtet, als ob ihr Leben davon abhängt. Und während die Nacht sich hinzieht, denkt sie an all die Dinge, die sie gesehen hat. Das war so ein hübscher Kerl damals, der einen Brief von seiner Liebsten gelesen hat, rotes Papier, goldener Rand, und der Vollidiot küsst das Ding zweimal, guckt zu ihr hoch und säuselt: „Ich bin der glücklichste Mensch der Welt.“ Sie war die Einzige, die wusste, was da drin stand. Und dann die andere Geschichte – eine Beerdigung, voll mit Blumen und Fackeln, alle gucken nur auf die tote Braut im Sarg. Als das ganze Spektakel vorbei war, stand da ein Typ, allein und verheult, und blickte zu ihr hoch mit Augen, die man nicht vergisst.

Die Laterne hat so viele Geschichten gesehen, aber ihr Nachfolger? Den kannte sie nicht. Konnte ihm nicht mal sagen, wann’s regnen würde oder von welcher Ecke der Wind pfeift. Sie stand da, allein in der Dunkelheit, und sah drei Möchtegern-Kandidaten auf sich zukommen: ein Heringskopf, 'n Stück faules Holz und 'ne verdammte Glühwürmchen-Mücke. Die dachten doch echt, sie hätten 'ne Chance. Der Heringskopf glaubte, er könnte für null Komma nichts leuchten und so die Stadt reich machen. Das faule Holz? Auch nicht besser. Und der Wurm? Der leuchtet nur, wenn er Bock hat, also was will er? Die Laterne dachte sich ihren Teil: „Keiner von euch taugt was, um meinen Job zu machen.“

Dann kam der Wind um die Ecke, blies durch ihren Schornstein und sagte: „Letzter Abend? Gut, dann kriegst du was von mir.“ Und zack, erfrischte er ihr Gedächtnis. Jetzt konnte sie sich nicht nur an alles erinnern, was sie gesehen und gehört hatte, sie konnte auch alles sehen, was erzählt wurde. Richtig abgefahren. „Das ist mal 'n Geschenk“, dachte sie. „Solange ich nicht eingeschmolzen werde.“

Der Wind lachte: „Noch nicht, altes Mädchen, noch nicht.“ Dann kam der Mond hervor, aber der hatte keinen Bock, was Vernünftiges beizutragen. „Ich leuchte nur für mich selbst“, sagte der Mond und verschwand wieder hinter den Wolken. Dann tropfte plötzlich Wasser von irgendwo runter, klatschte auf den Schornstein und meinte, das wäre das beste Geschenk: „Ich mach dich zu Rost, wann immer du willst.“ Die Laterne fand das ziemlich scheiße und der Wind auch. „Was für ’n Müll, gibt’s nichts Besseres?“ fragte der Wind laut. Und da kam 'ne Sternschnuppe runter und leuchtete einmal hell auf.

„Heilige Scheiße“, rief der Heringskopf. „Das war wohl 'n Star-Auftritt!“ Und dann machten sie alle Abgang, einer nach dem anderen. Aber die Laterne, die leuchtete plötzlich stärker als je zuvor. „Das ist das Geschenk!“ sagte sie. „Jetzt kann ich alles, was ich sehe und mich dran erinnere, für die, die ich liebe, sichtbar machen.“ Doch der Wind warnte sie: „Aber nur, wenn 'n Wachslicht in dir brennt, sonst sieht kein Schwein was.“

Am nächsten Abend lag die Laterne im Sessel – und wo? Im Keller des alten Wächters. Der Typ hatte sich für seine Dienste bei der Stadt das alte Ding gewünscht und bekommen. Die Leute lachten, aber was soll's. Die Laterne war jetzt fast so breit wie der verdammte Stuhl und stand da, als gehöre sie zum Inventar. Der Wächter und seine Frau glotzten sie immer wieder an, als wäre sie ein Teil der Familie, und erzählten sich ihre alten Geschichten von Regen, Schnee und Sommernächten.

„Gibt’s doch nicht“, dachte die Laterne. „Ich kann all das sehen, was er erzählt, als wäre es gestern gewesen.“ Sie war gerührt, aber auch frustriert. „Wachslicht, verdammt nochmal!“ seufzte sie. „Ich hab all diese Fähigkeiten, aber ohne Wachslicht kann ich’s keinem zeigen.“ Die alten Leute hatten nur Öl und billige Kerzen, und die reichten nicht.

Eines Tages kamen dann Wachslichtstücke in den Keller, aber kein Schwein kam auf die Idee, eins in die Laterne zu packen. Also stand sie da, sauber geputzt, in der Ecke und wartete vergeblich.

Dann träumte sie, dass sie endlich eingeschmolzen wurde und zum schönsten Leuchter überhaupt geformt wurde. Sie sah sich als Engel mit Wachslicht auf einem Dichterschreibtisch, leuchtend über Bücher und Bilder. Der Raum verwandelte sich in Wälder, Meere, und sie dachte nur: „Das wär’s!“

Aber nein, das sollte nicht sein. Sie blieb bei den Alten, die sie liebten, wie sie war, und irgendwie fand sie Frieden damit. Die alte Straßenlaterne, ein verstaubtes Relikt, das am Ende doch nur auf seine Bestimmung wartete.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

 

 

 

Da war mal 'ne alte Burg mit 'nem modrigen Graben drumherum, und 'ne Zugbrücke, die öfter hochgezogen war als runter gelassen. Weil, ganz ehrlich, nicht jeder, der anklopft, ist 'n gern gesehener Gast. Die Mauern hatten Schießscharten, um Pfeile raus zuhauen oder kochendes Wasser und flüssiges Blei auf irgendwelche Idioten zu kippen, die zu nah kamen. Drinnen waren die Räume hoch, aber das half wenigstens, den Rauch vom nassen Holz irgendwie abziehen zu lassen. Die Wände waren voll gehängt mit Gemälden von Rittern in Rüstungen und Frauen, die in ihren steifen Kleidern steckten wie in 'ner Zwangsjacke. Die Krönung? Mette Mogens, die einzige, die hier lebendig durch die Bude stiefelte – und sie war die Chefin.

Eines Abends tauchen ein paar Räuber auf, hauen drei von ihren Leuten um und den Kettenhund gleich mit. Dann schleppen sie Mette in die Hundehütte und ketten sie dort fest. Die Typen setzen sich oben in den Saal, saufen sich besoffen mit Wein und Bier aus ihrem Keller. Mette steht unten an der Hundekette, unfähig zu bellen, stumm wie ein Fisch. Aber dann kommt der Knecht der Räuber, schleicht sich zu ihr, leise, ganz leise, weil sonst hätten sie ihn totgeschlagen.

„Mette Mogens“, sagt der Typ. „Weißt du noch, wie mein Vater auf dem hölzernen Pferd ritt, als dein Mann hier der Boss war? Du hast für ihn gebeten, aber es hat nix gebracht. Er sollte sich da zu Tode schaukeln. Aber du bist damals nachts runter geschlichen, genau wie ich jetzt, und hast ihm 'nen Stein unter die Füße gelegt, damit er 'ne kleine Pause hat. Keiner hat's gesehen, oder sie haben so getan, als hätten sie nix gesehen, weil du die junge Herrin warst. Mein Vater hat's mir erzählt, und ich hab’s nie vergessen. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Deshalb löse ich jetzt deine Ketten, Mette.“

Die beiden schnappen sich 'n paar Pferde und reiten durch Sturm und Regen, um Hilfe bei Freunden zu suchen.

„Das war die beste Bezahlung für das bisschen, das ich damals getan habe“, sagt Mette.

„Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, murmelt der Knecht.

Die Räuber? Die haben nicht so viel Glück. Die hängen bald am Galgen.

Die Burg steht immer noch, aber jetzt gehört sie 'ner anderen feinen Familie. Heute scheint die Sonne auf die vergoldete Turmspitze, und drumherum liegen kleine Inseln im Wasser wie Blumensträuße. Schwäne ziehen ihre Runden, und im Garten wachsen Rosen. Die neue Herrin ist 'ne feine Lady, das zarteste Rosenblatt von allen, und ihre Freude strahlt wie ein beschissener Sonnenstrahl ins Herz, aber nicht in die Welt.

Jetzt verlässt sie die Burg und geht zu 'nem kleinen Häuschen draußen auf dem Feld. Da wohnt ein armes, von Gicht geplagtes Mädel, das aus dem Nordfenster nur auf 'nen Haufen Dreck starrt. Aber heute scheint die Sonne, weil die Herrin ein neues Fenster einbauen ließ, wo vorher nur 'ne Mauer war. Die Kranke sitzt da, sonnt sich, sieht Wald und Strand und findet die Welt plötzlich schön und groß. Alles wegen einem kleinen Wort von der Schlossherrin.

„Das Wort war so leicht, die Tat so klein“, murmelt das Mädel. „Aber die Freude ist riesengroß.“

Die Schlossherrin denkt an alle, die traurig sind, egal ob arm oder reich, und hilft im Stillen. „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, sagt sie, und der liebe Gott wird's ihr irgendwann danken.

In der Stadt steht ein altes Haus, aber wir bleiben in der Küche. Da ist es warm und sauber, Kupfergeschirr glänzt, der Tisch blinkt, als wäre er frisch poliert. Alles hat ein einziges Mädel gemacht, sauber, als ob sie gleich in die Kirche wollte. Sie trägt 'ne schwarze Schleife an der Haube – Trauer. Für wen, weiß keiner so genau, denn sie hat niemanden mehr. Keinen Vater, keine Mutter, keinen Liebster. Aber es gab da mal einen, und sie liebten sich, zwei arme Schlucker.

„Wir haben beide nix“, sagte er. „Die reiche Witwe drüben hat mich mit warmen Worten umgarnt. Sie will mich reich machen. Aber du bist in meinem Herzen. Was soll ich tun?“

„Mach, was dich glücklich macht“, sagte sie. „Sei gut zu ihr. Aber wir sehen uns nie wieder.“

Jahre vergingen, dann sah sie ihn wieder. Krank, kaputt, und doch sagte er: „Reich bin ich und gut geht’s mir. Aber du bist in meinem Herzen. Bald ist’s vorbei. Wir sehen uns beim lieben Gott.“

Heute stand's in der Zeitung: Er ist tot. Deshalb trägt sie Schwarz. Der Geliebte ist tot, betrauert von seiner Frau und ihren drei Kindern. Klingt wie 'ne kaputte Glocke, aber es ist die Wahrheit. Die Trauer ist da, und sie wird nicht gehen. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Drei Geschichten, drei Blätter an einem verdammten Stengel. Willst du mehr? Die Blätter im Buch des Herzens sind nie zu Ende.

Ein Blatt vom Himmel

 

 

 

 

Da oben, in der dünnen, klaren Luft, flog mal ein Engel rum, mit 'ner Blume aus dem Himmelsgarten. Mit einem Kuss drückte er sich dran, und ein kleines, winziges Blatt löste sich und fiel runter auf die nasse Erde, mitten in den Wald. Da lag es nicht lange, bildete Wurzeln und fing an zu sprießen, zwischen all den anderen verdammten Kräutern, die sich keinen Scheiß um was Neues scheren.

„Was für ’ne merkwürdige Pflanze“, sagten die anderen. Weder Distel noch Brennnessel wollten irgendwas mit ihr zu tun haben. „Sieht aus wie 'n Gartengewächs“, frotzelten sie und machten sich über das Ding lustig. Aber die Pflanze wuchs einfach weiter, ließ sich nicht bremsen, streckte ihre Zweige wie Ranken weit in alle Richtungen aus.

„Wo willst du hin?“ keiften die stacheligen Disteln. „Du hast keinen Halt, keinen Bock auf Unterstützung. Wir können nicht einfach rumstehen und dich tragen, klar?“ Der Winter kam, und die Pflanze wurde vom Schnee zugedeckt. Doch der Schnee fing an, von innen heraus zu leuchten, als würde die Sonne drunter hocken und ihn anstrahlen. Im Frühling stand da 'ne Blume, schön wie nix anderes im Wald.

Ein Professor kam vorbei, so ein botanischer Besserwisser mit ’nem obskuren Zeugnis in der Tasche, das beweisen sollte, dass er alles wusste. Wie es halt heute so üblich ist. Er guckt sich die Pflanze an, beißt in ein Blatt, und doch: Das Ding war in keinem seiner schlauen Bücher zu finden. Er konnte das Teil nicht einordnen.

„Ein Irrläufer“, brummte er. „Nicht im System.“ Und die Disteln und Brennnesseln plärrten hinterher: „Nicht im System, nicht im System!“ Die großen Bäume drumherum hörten es, guckten sich das Ding an und sagten nichts. Klug war das auch, wenn man keine Ahnung hat.

Dann kam ein unschuldiges, armes Mädchen durch den Wald, ein Herz rein wie Wasser, das nie einen Tropfen Alkohol gesehen hat. Sie hatte nur eine alte Bibel, die das Einzige war, was sie besaß. Die Geschichten darin sprachen zu ihr, gaben ihr den Glauben, auch wenn die Menschen es scheiße mit ihr meinten. „Denk an Joseph“, sagte die Bibel, „und denk an den, den sie ans Kreuz nagelten.“