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Haiku, die glücklich machen Drei Zeilen – und manchmal blüht darin die ganze Welt. Dieses Buch versammelt 300 klassische Haiku, neu übersetzt von Lenny Löwenstern. In ihrer Kürze liegt ihre Kraft: Sie fangen Augenblicke ein, die uns berühren, zum Staunen bringen oder zum Lächeln. Leicht, verspielt, heiter – und manchmal tief wie der Himmel selbst. Du findest hier Poesie voller Wärme, Lebensfreude und liebevoller Beobachtung: von flatternden Flügeln und glitzerndem Mondlicht, vom Wunder des Alltags und dem Leuchten, das plötzlich da ist – wie ein Sonnenstrahl auf der Haut. Klein die Form. Groß das Gefühl. Ein Buch für alle, die wieder spüren wollen, was das Leben schön macht.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Haiku, die uns glücklich machen!
300 achtsame Gedichte aus Japan
Auswahl und Übersetzung: Lenny Löwenstern
Satzschrift: Garamond Premier Pro
Umschlaggestaltung: Lenny Löwenstern
Grafiken: DALL-E und Microsoft-Designer
Umschlagschrift: Bodega Sans & Serif
Edition Hoshitori Sternenvogel Verlagsgesellschaft mbH
Marktplatz 1
09557 Flöha
ISBN der Printversion: 978-3-911889-00-1
Version 1.0 / 2025
»Verwechsle nicht die Tür,
komm zu mir –
O Glücksgott!«
Kobayashi Issa
Wann hast du zuletzt die Schönheit eines Augenblicks wahrgenommen? Vielleicht ist genau heute der Moment, an dem ein neuer Gedanke dein Herz berührt. Haiku schaffen genau das. Die hier versammelten Verse sind achtsam, tierlieb, tröstend, natürlich, kindlich, humorvoll und berührend. Mindestens!
Ein Haiku bewertet weder Mensch noch Tier, weder dich noch mich. Haiku lassen uns sein und vermitteln Gelassenheit. Sie beobachten, sie bleiben im Moment. Sie legen nicht fest.
Die Spannbreite in dieser Sammlung reicht vom Wegbereiter Bashō bis zu den Reformern Shiki und Taneda. Die versammelten Autoren sind die großen Meister ihres Faches. Hat man von denen mittlerweile alles gelesen? Kaum, allein Kobayashi Issa hat über zwanzigtausend Haiku erschaffen, ein ganzes Dichterleben lang.
Haiku sind winzige Gedichte, die in nur drei Zeilen ganze Welten eröffnen können. Ursprünglich aus Japan stammend, folgt ein Haiku oft einer strengen Silbenstruktur: fünf, sieben und wieder fünf Silben. Doch das ist nur die äußere Form – der wahre Zauber steckt im Inhalt und in dem, was nicht gesagt wird. In einer hektischen Welt, überflutet von Bildern und Meinungen, bieten Haiku einen Gegenpol: Ruhe, Wahrhaftigkeit und Einfachheit. Sie lassen uns innehalten, Atem schöpfen und die Schönheit des Augenblicks und Vergänglichkeit erkennen. Das ist oft überraschend, manchmal verblüffend, weil wir die Dinge aus einer völlig anderen Perspektive sehen. Der Humor schließlich kommt nicht zu kurz. Immer wieder verschenkt ein Haiku ein Lächeln.
Die Gedichte für dieses Buch habe ich sorgfältig ausgewählt und in ein modernes, gepflegtes Deutsch übertragen. Die Übersetzungen sind frisch und bleiben am Original. Haiku übertreiben nicht und müssen nichts erzwingen. Immer geht es darum, der Versuchung zu widerstehen, das Haiku zu verkitschen und westlichen Lese- und Denkgewohnheiten anzupassen. Auf diese Weise würde man ihnen nicht gerecht werden. Der Charme und die Wahrheit liegen im Original.
Glück und Schönheit kann man überall entdecken. Im Alltäglichen, im Banalen, besonders aber in der Natur. Sie ist das ureigene Reich des Haiku. Sie jedoch sind weit mehr als Kirschblütenromantik, sie sind so etwas wie Momentaufnahmen des wahren Lebens. Leichtigkeit und Alltäglichkeit sind es, die diese klassischen Verse so zugänglich und gleichzeitig tiefgründig machen. Sie verdichten das Wesentliche: Beobachtungen, Einsichten und Gefühle. Sprachexperimente und Gesang liegen ihnen fern. Haiku folgen einem natürlichen Rhythmus. Klarer, unmittelbarer Ausdruck ist ihre Stärke, Reduktion auf das Wesentliche bildet ihren Markenkern, um es modern auszudrücken.
So schlicht diese Verse sind, so tief sind sie auch. Viele Haiku sind Jahrhunderte alt, doch sie wirken verblüffend aktuell. Sie altern nicht – allenfalls die Übersetzungen. Sie können ein schneller Energiestoß sein, eine Idee, eine neue Sichtweise. Sofort und unmittelbar.
Alles ist darauf ausgerichtet, dich in eine stille, authentische Welt mitzunehmen, die dem Lärm unseres hektischen Alltags entschieden entgegensteht.
Es gibt zehn interessante Kapitel, ohne jahreszeitliche Sortierung. Der Frühling hat ein gewisses Übergewicht.
Lenny Löwenstern, März 2025
1 – Wie ein Lächeln im Wind
Hier ist die pure Freude an der Natur und an den Dingen, die uns draußen umgeben. Es ist die Welt, aus der wir kommen, auch wenn uns das nicht immer bewusst ist.
Die ersten Kirschblüten –
zufällig heute,
so ein schöner Tag!
Matsuo Bashō
Was könnte einem Besseres passieren, als Kirschblüten zu begegnen? In voller Pracht! Das erste Mal im Jahr! Solch ein Tag im Frühling kann nur gut werden.
Bleib nicht müßig!
Die Spatzen tanzen,
die Falter flattern.
Issa, 1812
Im Frühling heißt es, raus auf die Straße und ab ins Feld. Wenn nicht jetzt, wann dann?
Augen hin und her,
die Nase nach oben –
Frühlingsblüten!
Uejima Onitsura
Die Frühlingsblumen gilt es eben mit allen Sinnen zu erfassen.
Kaum ist der Frühling da,
findet sich alles:
der Mond, die Pflaumenblüten.
Matsuo Bashō
Der Frühling beginnt gerade erst, und schon fügt sich alles unaufgeregt und harmonisch, wie selbstverständlich zusammen. Der Mond und die Pflaumenblüten stehen für die Schönheit und Zartheit der beginnenden Zeit.
Von welchem Baum die Blüte stammt, weiß ich nicht – ach, ihr Duft!
Matsuo Bashō
Hier nimmt der Dichter den Duft einer Blüte wahr, kennt aber den Baum oder die genaue Art nicht. Doch es reicht, um ihn zu berühren und in einen Moment des Staunens zu versetzen. Es ist eine Feier der unmittelbaren Wahrnehmung und der Einfachheit. Die Namen zu kennen, ist überhaupt nicht wichtig. Und, Hand aufs Herz, wem ginge es nicht so?
Rapsblütenfeld –
mittendrin kräuselt sich ein
kleiner Bachlauf.
Sōseki Natsume, 1894
In Japan ist die Kombination von Feldern voller gelber Rapsblüten und kleinen, sich windenden Bächen ein typisches Frühlingsmotiv. Diese Landschaft verkörpert die farbenfrohe Harmonie von Natur und Bewegung.
Frühlingsregen –
aneinanderdrängt unter einem Schirm für zwei.
Sōseki Natsume, 1916
Es ist mein Schnee!
Und schon wird er leichter
oben auf dem Strohhut.
Takarai Kikaku
Der Schnee bleibt derselbe, nur die Haltung zu ihm macht den Unterschied. Statt etwas als Last zu empfinden, kann es durch Akzeptanz in sein Gegenteil verkehrt werden. Schweres wird dann plötzlich zu etwas Leichtem.
Rote Rüben –
selbst das Geschirr
ist in Frühlingsstimmung.
Masaoka Shiki
Im Originaltext ist von einem Tablett die Rede, möglicherweise ist es lackiert. Ich stelle mir vor, dass es die Umgebung und das hellgrüne Licht der frischen Jahreszeit spiegelt.
Kirschblüten blühen,
Kirschblüten fallen –
dann tanzen sie.
Taneda Santōka
Selbst das Getreide
ist in Morgenlaune –
blauer Frühlingsdunst.
Issa, 1812
Der blaue Frühlingsdunst ist wie die Blaue Stunde ein Moment des Übergangs, in dem die Welt noch traumhaft verhüllt ist und wir in der magischen Morgenstimmung sanft zwischen Nacht und Tag schwingen. Nicht mehr dort, aber auch noch nicht hier.
Pflaumenblüten –
Stiehl diese hier!,
scheint der Mond zu sagen.
Issa, 1819
In der japanischen Poesie hat der Mond eine dominierende Rolle, insbesondere als Jahreszeitenwort (Kigo). Seine symbolische Bedeutung umfasst neben Vergänglichkeit und Einsamkeit vor allem auch Schönheit. Der Mond wird uns noch öfter begegnen.
Badedampf steigt auf –
in der mondhellen Nacht
wird es Frühling.
Issa, 1814
Wie blauer Himmel
der Sommerkimono,
den ich trage.
Issa, 1812
Der Sommerkimono aus Hanf ist so leicht und luftig, dass er sich anfühlt wie der Himmel selbst. Blau eingefärbt wird er wohl auch gewesem sein; dazu nutzte man seinerzeit Indigo.
Den Sommerfluss durchqueren –
was für ein Spaß!
Die Strohsandalen in der Hand.
Yosa Buson
Flache Sandalen (Zōri) aus Reisstroh, waren praktische Begleiter. Sie boten Reisenden, Bauern und einfachen Leuten Schutz. Sie waren preiswert und leicht. Schnell an- und auszuziehen, standen sie für Einfachheit und Nähe zur Natur. Die Vergänglichkeit der Sandalen, die sich bei täglichem Gebrauch rasch abnutzten, spiegelt die buddhistische Akzeptanz der Vergänglichkeit des Lebens wider.
Kann nicht anders, als zu pfeifen –
der Morgen, der Wald,
so blau!
Ozaki Hōsai, 1918
Nichts als spontane Freude und Lebendigkeit, die von der Schönheit der Natur ausgelöst wird. Das Pfeifen ist nicht geplant, sondern eine natürliche Reak-tion auf die Frische des Morgens und die strahlende Bläue des Waldes. Die Farbe Blau (vielleicht auch Blaugrün) symbolisiert hier Vitalität, Reinheit und die Energie des neuen Tages. Blau schafft eine stärkere Verbindung zum Gefühl von Klarheit, Ruhe und Reinheit.
Einige Haikudichter waren Mönche, Gelassenheit prägt viele ihrer Verse. Diese Leute hatten es nicht weit zur Gelassenheit, aber ihre Lebensumstände waren hart, nicht von dem, was wir gewohnt sind. Dennoch oder gerade deshalb kann man sich von ihnen etwas abgucken. Lesen genügt ja oft schon. Denn unternehmen muss man nicht viel, ganz im Gegenteil ...
Kein Licht entzündet,
die Fensterläden noch geöffnet –
Pflaumenblüten!
Sōseki Natsume, 1899
Eine Abendszene, die das Natürliche und Unverfälschte zu schätzen weiß, ohne Ablenkung durch künstliches Licht oder Schutz. Die Pflaumenblüte bringt in ihrer Stille Hoffnung und Schönheit in die Szene.
Geknickt wird sie,
doch in der Hand duftet sie –
die Pflaumenblüte.
Chiyo-ni
Sie mag gebeugt werden, doch ihren Duft trägt sie trotzdem in die Welt. Nicht kann das verhindern.
Das Frühlingswasser
strömt und
umarmt den Fels.
Sōseki Natsume, 1907
Ein Fluss kann auch zärtlich sein. Und wie!
Vogelsang im Bambusgras – noch zu schüchtern
für den Zaun.
Issa, 1810
Der Dichter beschreibt den zarten, unvollständigen Gesang eines Vogels im Winter, der noch nicht bereit zu sein scheint, sich auf die Bühne des Frühlings zu begeben. Er probt fast heimlich in seinem Versteck, so wie wir es auch tun würden.
Teich und Fluss
sind eins geworden
im Frühlingsregen.