Happy Burnout - Liz Corneel - E-Book

Happy Burnout E-Book

Liz Corneel

4,8

Beschreibung

Liz auf Ihrem heiteren Weg durch die Reha! Freiheitsliebend wie sie ist, hat ihr Sohn zunächst Mühe, sie überhaupt zur Anmeldung zu bewegen. Dann aber beginnt ihre Reise durch die bizarre Welt einer Rehabilitationsmaßnahme. Mit Ironie und Sarkasmus kämpft sie sich durch unzählige Maßnahmen wie Sport, Ergotherapie, Gruppen- und Einzeltherapie. In vielen kleinen Anekdoten verfolgen wir, wie Liz sich allmählich selbst erkennt und begreift, dass es für ihr Umfeld auch nicht unbedingt einfach ist, mit ihr fertig zu werden. Wir erfahren, was uns das Leben beschert, erwischen uns selbst und sehen, wie wir lachend damit umgehen können. Ein spannendes, witziges und belebendes Buch, das gute Laune macht.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 173

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,8 (18 Bewertungen)
15
3
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über die Autorin:

Liz Corneel, in den besten Jahren, schreibt seit vielen Jahren Anekdoten und veröffentlicht hiermit ihr erstes Buch.

Vorwort

Die Reise beginnt!

Burnout, Rehabilitation! Zwei Begriffe, die mir heute

ein Lächeln auf die Lippen zaubern!

Was ist Burnout überhaupt? Gibt es das wirklich?

Oder haben wir nur den Humor verloren?

Ernsthaftigkeit und Verzweiflung beiseite!

Vorhang auf für Frohsinn und Spaß am Leben!

Das ist die Devise!

Mit einer gehörigen Portion Selbstkritik, Sarkasmus

und Ironie, sämtliche „Du bist krank!“-Kommentare

betrachten und sich selbst erleben und gut finden!

Mein Dank geht an meine Familie, insbesondere

meine Kinder, und an meine Freunde, die mich so

behalten wollen, wie ich bin!

Und so will ich auch bleiben!

Wir alle haben unsere Macken und Besonderheiten!

Diese gehören zu uns und sind liebenswert.

Liebe Kathleen,

Du bist zwar gerade erst fortgefahren, doch die heutige doppelte Dosis Kaffee führt beinahe zwingend dazu, mich an einem Brief an Dich auszutoben.

Zum Glück wird der Klinikarzt nichts davon erfahren. Du wirst mich wohl nicht verpetzen, oder etwa doch? Bitte nicht, sonst bekomme ich noch einen Eintrag ins Klinikbuch, und so weit möchte ich mein vorbildliches Auftreten nun doch nicht zurückschrauben, dass ich geistig wieder in der siebten Klasse lande!

Da ich keinen Collegeblock oder ähnliche Blöcke zur Verfügung habe, erweise ich Dir die Ehre, ein paar Blätter aus meinem Tagebuch zu reißen. Die Seiten für die nächsten Tagebucheinträge habe ich abgezählt und dann errechnet, dass für Dich immerhin noch 40 Seiten zur Verfügung stehen. Ich hätte auch das Briefpapier aus meiner Mappe nehmen können, aber die Seiten sind klein und 10 Seiten mit Briefumschlag kosten 10 Euro. Für das Geld könnte ich schon fast jemanden engagieren, um meine Reha-Memoiren zu schreiben.

Außerdem braucht es heutzutage erhebliche Anstrengungen, um ordentliches, schönes Briefpapier aufzutreiben!

Nun gilt es noch, in diesem kleinen Örtchen an einem großen See einen geeigneten Briefumschlag für die vielen Zeilen an Dich aufzutreiben. Wahrscheinlich gibt es die Umschläge nur im Zehnerpack! Das werde ich dann aber auch ausnutzen und Dir alle schicken, in jedem ein paar Blättchen.

Hmmm…!? Wenn ich es mir recht überlege, wäre ein Päckchen womöglich günstiger, es kommt auf das Porto an. Das Porto nach England ist teuer! Warum musstest Du auch unbedingt dorthin ziehen? Verräterin!

Als gute Kauffrau werde ich alles knallhart durchkalkulieren! Da kannst Du mal sehen, wie viel Überlegungen Du mir wert bist!

Anderen würde ich diese Menge an Geschreibsel als Flaschenpost zusenden oder an einen Luftballon hängen und darauf hoffen, dass irgendein Trottel es aufnimmt, den Briefumschlag kauft, ca. 50 Briefmarken draufklebt und es an Dich abschickt.

Meine Güte, deshalb also schreiben die Leute heute E-mails!

Obgleich es nicht erklärt, warum in E-mails nur noch abgehackte Sätze stehen oder Blümchen, Herzen, Smileys usw. anstelle von Wörtern.

Wenn es nichts kostet, kann doch erst recht mehr geschrieben werden!

Die Welt ist verrückt!

Nun schau doch mal, wie viele Gedanken und Sätze bereits in der Versandüberlegung stecken.

Und das ist doch wohl keineswegs unwichtig!

Vorab möchte ich mich für etwaig unsaubere Schrift entschuldigen. Ich werde auf dem Bett liegend schreiben oder so wie jetzt mit geknautschten Beinen im Sessel. Naja, die Gebrechen fangen erst mit 50 Jahren an, da habe ich noch zwei Wochen Zeit, also schneller schreiben!

Vielleicht versuche ich auch mal im Stehen zu schreiben, das tue ich hier nämlich am Wenigsten, also „stehen“ meine ich. Hoffentlich falle ich bei dieser banalen Übung nicht um, das ist ja etwas für Anspruchslose.

Bitte entschuldige auch Schokoladenflecke, die sich womöglich auf dem einen oder anderen Blatt festigen werden.

Schokolade ist unberechenbar, das kennst Du ja auch. Es beginnt damit, dass eben noch 100 g auf dem Tisch lagen und plötzlich ist sie weg, die Schoki! Man fühlt sich kein Stück satter als vorher und freut sich nur noch über die Tatsache, dass nicht 500 g dort lagen…

Tückisch, sage ich Dir, meine liebe Schokoladenmitgenossin!

Erst kürzlich habe ich in einem Anfall von Schwäche in zusammengeknautschter Sesselhaltung Unmengen an Schokolade vertilgt, in aller Eile, kurz vor einem Termin. Marie, eine Freundin, die ich hier kennenlernte, war so freundlich, mich auf die Schokiflecke an meinem Hintern hinzuweisen. Es gibt neben der unerfreulichen Gewichtszunahme, also auch noch peinliche Auswirkungen!

Übrigens habe ich das alles schon geschrieben, ohne ein Stück Schokolade zu essen. Tapfer, oder? Obwohl….gerade läuft mir das Wasser im Mund zusammen.

Nun denn, bei all meinen Süchten bin ich ganz froh darüber, dass sie mir hier vor allem meine Arbeitssucht abgewöhnen wollen. Bestimmt ist diese der Grund für alle anderen Süchte, ich werde es mir einfach so einreden.

So, wo war ich noch? Ach ja, ich will Dir einen Brief schreiben. Mit dem Vorwort bin ich wohl durch!

Wie bereits bei unserem heutigen Kaffeeklatsch erwähnt, habe ich hier bei meiner Ankunft sofort die „Liz-show“ hingelegt. Wir (Tim und ich) fuhren auf das Klinikgebäude zu und ich bat ihn auf der Stelle umzukehren, aber Tim hat gemeint, ich solle wenigstens mal reinschauen.

Wie ein störrischer Esel stand ich sodann vor dem Eingang, mit in den Asphalt geschlagenen Absätzen (Du kennst ja meine Stöckelschuhe, die müssen jetzt zum Schuster) und mein lieber Sohn Tim hat Beachtliches leisten müssen, um mich über die Türschwelle zu ziehen. Er war gnadenlos! Dabei hatte er sich schon meinem Verbot, überhaupt zu parken, widersetzt! Dieser Bengel. Dem ziehe ich noch die Ohren lang, seine arme, alte, angeschlagene Mutter setzt er in diesem Heim aus! Es roch überall nach Krankenhaus! In der Lounge saßen seltsame, neugierige Gestalten, nicht ein Mensch sah so aus, als dass ich mich mit ihm gern unterhalten hätte, und alle trugen Turnschuhe!!!!! Aber Tim war gnadenlos! Das hat man nun davon! Den Kindern jahrelang den Popo abgewischt, sie gefüttert, hin- und hergefahren, sich von Lehrern allen möglichen Blödsinn angehört usw. usw. Schöne Aussichten.

Und als ich heulte wie ein Schlosshund und um Erbarmen bettelte, fing er an, mir den Speisesaal anzupreisen, der mich an Armenfütterung erinnerte! Dies führte zu einer erneuten, schwereren Heulattacke.

Das Begrüßungskomitee der Klinik reichte mir daraufhin eine riesige Packung Tücher, mit den Worten, dass diese überall in ausreichender Menge herumstehen. „Frau Corneel! Das kennen wir hier!“

Halleluja! Leider hatte ich Tim schon verabschiedet, sonst hätte er mich bei dem darauffolgenden jämmerlichen und bitterlichen Weinkrampf, sicher sofort wieder nach Hause mitgenommen.

Es half alles nichts, die haben mich interniert!

Auf die Schnelle habe ich noch erwähnt, dass ich im Vergleich zu den anderen Neuankömmlingen viel zu wenig Gepäck dabei habe, nur zwei Koffer, einen Kosmetikkoffer, eine Tasche mit Schuhen, ein Korb und eine Plastiktüte und deshalb nicht bleiben kann. Nö! Keine Chance! Saubande, die! Anscheinend ist mir beim Übertreten der Türschwelle jegliche Autorität abhanden gekommen.

Dies zeigte sich auch an dem Terminplan, der mir in die Hand gedrückt wurde. Eine Menge Uhrzeiten mit einer Menge Etagen und Räumen. Und es sollte sofort losgehen! Ich kannte mich erstens nicht aus und zweitens, wie Du weißt, habe ich keine Uhr! In der Firma erinnert mich entweder der Computer oder ein Kollege. Also Brille und Handy (mit Uhrzeit) raus. „Liz, Du benötigst dringend eine Uhr!“ Das hatte ich zuhause geahnt, aber dazu später.

So sah es erst mal aus:

13.00 Uhr Arzt, 14.30 Uhr Begrüßungsrunde

Ich muss allerdings sagen, dass die Begrüßungsrunde sehr angenehm war.

Nicht etwa die Pflegekraft, die uns erklärte, Rauchen sei nur außerhalb des Geländes erlaubt, Alkohol gar nicht (0,5 Promillegrenze). Es werden Tests durchgeführt und eine Abmahnung wird beim Überschreiten der 0,5 Promillegrenze gegeben, im Wiederholungsfall geht es nach Hause. Anwesenheitspflicht um 23 Uhr, bitte keine Kurschatten usw. usw., aber das Pflegepersonal steht uns immer hilfsbereit zur Seite! Lach nicht!

Nein, die nicht, aber alle, die an diesem Tag im April angekommen sind, waren sehr nett! Ein Lichtblick! So habe ich Marie kennengelernt.

Ein Blick zwischen uns und dann:

Marie: „Sag mal, hast Du auch einen Schreck bekommen, als Du ankamst?“

Ich: „Ja! Und wie!“

Marie: „Findest Du die Menschen hier auch seltsam?“

Ich: „Ja!“

Marie: „Ich habe erstmal geheult! Und Du?“

Ich: „Ja, ich auch!“

Marie: „Wollen wir einen Kaffee zusammen trinken?“

Ich: „Ja!“

Hast Du jemals von mir so oft ein „Ja“ gehört? Mensch war ich froh, Marie getroffen zu haben! Und so hingen wir dann auch beständig zusammen und auch mit den anderen Mitankömmlingen! Wir wurden zusammen ein festes Team und haben uns am nächsten Morgen einen Tisch im Speisesaal organisiert und in Beschlag genommen. Dazu später mehr!

Moment mal, ich ziehe ins Bett um!

Hier bin ich wieder, bewaffnet mit Schokoladeneiern in Glitzerpapier (noch von Ostern!) Vielleicht bestücke ich dieses Pamphlet auch noch mit ein paar Schnipseln dieses herrlichen, glitzernden, rosa-, blau-, grün- und gelbschimmernden, völlig unnötigen Papierchens. Ich tue alles in meiner Macht stehende, liebste Freundin, um Dein Herz zu erfreuen.

Wo war ich stehengeblieben? Terminpläne, genau!

Kaum hatte ich einen Haufen Termine pflichtbewusst und voller Tatendrang absolviert, nahm ich mir das nächste Blättchen vor und bereits der erste Termin darauf, versetzte mir einen Schock, der sogar meine Tränen gefrieren ließ!

6.45 Uhr – jahaaaa!!! – 6.45 Uhr!!! Das allein war bereits grausam! „Leute“, dachte ich „Ich bin zur Erholung hier!“ Und das bedeutet im Normalfall, bis mindestens 10.00 Uhr im Nachthemd rumzulaufen!

Aber dann kam es: Blutabnahme! Nicht ich entnehme irgendjemandem sein Blut, sondern die entnehmen mir mein Blut!!!

Schreck lass‘ nach! Ein paar Sekunden lang schoss mir durch den Kopf, lieber nicht zu duschen usw., sondern tatsächlich im Nachthemd den Termin wahrzunehmen. Erfahrungsgemäß – und so war es auch – zapfen die einem nämlich so ungefähr alles Blut ab, das in einem Körper fließt, zumindest fühlt es sich so an, an die vier bis sechs Liter.

Und wenn ich dann schon deswegen ins Krankenhaus transportiert werden muss, dann doch am besten gleich im Nachthemd, sonst habe ich wieder Malesche damit, jemanden zu finden, der mir mein benötigtes Zeug bringt. Vielleicht gleich noch die Zahnbürste und Zahnpasta mitnehmen. Sicher ist sicher!

Tim z.B. bringt mir die Zahnbürste ins Krankenhaus, aber vergisst die Zahnpasta, so letztes Mal geschehen! Einmal hat er die Unterwäsche vergessen, auf die Schnelle hat er im Supermarkt um die Ecke, es war kurz vor Ladenschluss, ein paar Slips gekauft, die ich dann noch kurz im Waschbecken ausspülen konnte, und es waren keine Stringtangas, sondern die Marke „Liebestöter“! Wie Du weißt, kommt in einem Krankenhaus bei jedem Besuch der Schwestern und der Ärzte der Slip zum Vorschein, weil dauernd jemand auf dem Bauch rumdrücken will. Toll! Und dann habe ich ein Zelt an! Ich nehme an, Du kannst meinen Horrorvorstellungen folgen!

Noch schlimmer ist, dass Tim so überlebenswichtige Gegenstände wie sämtliches Schminkzeug vergisst und den kleinen Koffer mit allem Notwendigen für meine Haare! Du weißt schon: Haartrockner, 4 Rundbürsten, eine kleine Drahtbürste, ein Kamm, zwei verschiedene Schampoos, Haarkur, Haarfestiger, Haarcreme, Haarspray, Haarspangen usw. Am liebsten hätte ich meinen Friseur Erik immer dabei, der einzige, der außer mir überhaupt an meine Haare darf! Der war immerhin so lieb und geistreich, mir ein kleines Carepaket mit Haarpflegemitteln hierher zu senden. Auf manche Menschen ist Verlass und die können mein divenhaftes Benehmen verstehen.

So und nun weiß ich auch, warum ich niemals nur mit Handgepäck reisen könnte, denn schon das oben beschriebene Sortiment füllt den Handgepäckkoffer. Und selbst wenn ich mich entschließen könnte, was völlig abwegig ist, auf die 10 Paar Schuhe und die Tonnen an Klamotten zu verzichten, nützt es mir rein gar nichts, weil die 100ml Flüssigkeit, die ich im Flieger mitnehmen darf, bei Weitem überschritten würde.

Wer, in Gottes Namen, hat sich bloß diesen Blödsinn mit dem Handgepäck ausgedacht? Muss ein älterer Herr gewesen sein, der braucht nur ein Paar Schuhe, einen Anzug und Haare hat er sowieso kaum noch auf dem Kopf, sondern in den Ohren und in der Nase! So’n Nasenhaartrimmer passt ja auch in jede Westentasche und fürs Köpfchen reicht ein Stück Kernseife.

Siehst Du! All das, dieses gruselige, grauenhafte, gigantische Drama, wird in meinem Kopf einzig und allein durch den Begriff „Blutentnahme“ ausgelöst!

Darauf könnte die Klinikleitung doch kommen und solche Scherzitäten unterlassen, warum nicht nur „Untersuchungstermin“ schreiben. Herrschaftszeiten! Die denken sich: „Mit den Bekloppten in der Klinik kann es gelassen gesehen werden.“

Von wegen! Hilflosigkeit machte sich breit und nur zum Spaß (??!!) habe ich den Termin wahrgenommen, geduscht, gefönt und in anständiger Kleidung.

Nur um die zurück zu ärgern, habe ich mir im Sitzen statt im Liegen Blut abnehmen lassen (dabei falle ich üblicherweise vom Stuhl). Und weißt Du was? Nix ist passiert. Absolut nix!

Die haben mir ein paar Ampullen Blut abgezapft und ich bin nicht in Ohnmacht gefallen oder irgendwas anders Schreckliches zur Rache, obwohl mein Blutdruck, der zum Glück vor der Blutabnahme gemessen wurde, irgendwo bei 68 zu irgendwas lag.

Trotz zahlt sich halt nicht aus.

Nicht zu vergessen ist, dass ich durch die Aktion des Wiegens endgültig auf dem Boden der Tatsachen gelandet bin. Das Wiegen war nicht angekündigt, endlich ein cleverer Schachzug, denn spätestens das Wort „Wiegen“ hätte mich zum Widerstand gebracht. Vor der Klinik wäre ich mit einem Schild mit der Aufschrift „Ich lasse mich nicht wiegen. Jedem sein eigenes Gewicht!“ im Kreis herumgelaufen. Es kam so schlimm, wie ich befürchtete. Zuhause stelle ich mich nie auf eine Waage, sondern messe mein Gewicht stets daran, wie viel Mühe ich damit habe, mich in eine Jeans oder einen Rock hineinzuzwängen. Ich werde das Gewicht hier auch nicht nennen, es ist eines der größten Geheimnisse auf der Welt und ich hätte besser überlegen sollen, als ich die Klinik mit meiner Unterschrift berechtigte, meine Daten elektronisch zu verarbeiten. Das Gewicht lag höher als ich dachte. Kurzerhand habe ich das Gewicht der Turnschuhe, der Hose und des T-shirts abgezogen (lockere 500 Gramm) aber wirklich viel hat das nicht bewirkt.

Es bleibt noch das Argument, dass Muskelmasse nun mal viel wiegt, aber ich kann diesen Gedanken, wenn ich sehr ehrlich zu mir selbst bin, nicht weiter verfolgen, denn ich sehe, dass es sich eindeutig um Fett handelt!

Es folgte eine Reihe von Terminen, um Termine für eine Terminvergabe zu besprechen, z.B. beim Bewegungstherapeuten, bei der Ergotherapeutin etc. Diese Vorgehensweise ist mir, Dir vermutlich ebenso, aus dem Berufsleben bekannt. Du fliegst von Hamburg nach Paris, um dort abzusprechen, Dich in New York mit den anderen wiederzutreffen, um Dich dort wiederum auf Hamburg als geeigneten Besprechungsort zu einigen und alle Teilnehmer kommen aus Norddeutschland. So ist es! Es gibt ja Gründe dafür, dass es Unmengen an psychosomatisch Erkrankten gibt. Bei allen Terminen, den Vorterminen und Vorvorterminen war ich noch ganz brav und gelassen, aber dann…..!

Warte mal kurz, denn ich hole den Terminplan, um den Wahnsinn abzuschreiben.

8.15 Uhr

Gymnastik (30 Minuten)

8.50 Uhr

Spaziergang mit Jacke (30 Minuten)

Ok, bloß nicht die Jacke vergessen!

9.30 Uhr

Schwimmen (30 Minuten, Umziehen nicht eingerechnet)

9.30 Uhr bedeutet nicht in der Umkleidekabine, sondern im Schwimmbad! – hetzt – mir hängt die Zunge raus – von Badekleidung wurde nichts erwähnt, beinahe war ich der festen Überzeugung, wir schwimmen nackt, immerhin gibt es gleich nebenan eine Sauna und sonst wird doch auch alles detailliert beschrieben.

Vorsichtshalber habe ich den Badeanzug mitgenommen, das war auch richtig, aber die Badelatschen habe ich in der Hektik vergessen!

11.10 Uhr

Einzeltherapie (50 Minuten)

Es stand nicht dabei, dass ich trockene Haare haben oder überhaupt irgendwie normal aussehen soll. Die sind hier anscheinend Kummer gewohnt, was diese Aneinanderreihung von Terminen überaus verdeutlicht, denn wie zum Teufel soll ich bis 10.00 Uhr schwimmen, danach in die Umkleide, duschen, Haare waschen, mich anziehen, querfeldein zurück in mein Zimmer rennen, mich ordentlich (!) anziehen, Haare trocknen, schminken und um 11.07 Uhr damit fertig sein und zur Einzeltherapie laufen?

Es fehlte nicht viel und ich wäre im Badetuch rüber gelaufen – jawohl! Aber da wir durch den Park ins andere Haus rennen müssen, war es schwierig, denn ich hatte ja keine Badelatschen dabei und Turnschuhe – immerhin zwei Paar, 1 x für die Gymnastik drinnen und 1 x für den Spaziergang draußen – fand ich zum Bademantel nicht kleidsam genug, obwohl es wohl kaum einer hier überhaupt bemerkt hätte! Nur nochmal so am Rande: Den gesamten Krempel muss ich auch immer mitschleppen und ich frage mich ernsthaft, warum beim Spaziergang nicht stand: mit Jacke und Trolley!!!

12.00 Uhr

Mittag (1 ganze Stunde)

Na gut, etwas weniger, denn um 13.00 Uhr war schon der nächste Termin.

13.00 Uhr

Tiefenmuskelentspannung (25 Minuten)

Die Therapeutin muss wirklich Nerven haben.

Da kommen haufenweise Leute mit Schweißperlen auf der Stirn, hochrotem Kopf, Blutdruck ca. 180 / 120, Bauchschmerzen, weil das Mittagessen in Rekordzeit vertilgt wurde, denn der eine oder andere brauchte doch mal 5 Minuten, um zuhause Bescheid zu sagen, dass er noch am Leben ist, vom vielen Sport Schmerzen in Armen und Beinen, von den tosenden Kopfschmerzen kurz abgesehen!

Und die Frau, also die Therapeutin, fängt an zu quatschen, sagt – im Zeitlupentempo – du sollst dich entspannen, in dich hineinfühlen, deinen Kopf –wie an einem Faden aufgehängt-(in der Tat! Aber eher ein Strick!) , deine Füße, Beine, Hände und Arme spüren, um mit einem Mal dieselben anzuspannen – nur ganz kurz - um anschließend zu spüren, wie herrlich das Entspannungsgefühl ist.

Gott sei Dank sollte ich nicht meinen Bauch anspannen, der tat ganz schön weh!

Ja, ist die denn des Wahnsinns fette Beute? Meine Füße und Beine spürte ich ohnehin schon deutlich genug und noch mehr Schmerz darauf zu bringen, konnte von meinen Kopfschmerzen auch nicht ablenken. Und was heißt hier „kurz anspannen und wieder entspannen“? Ein Muskelkater war in Sicht, ein heftiger, da an- und entspannte sich gar nichts mehr!

Stell Dir das mal vor! Die darf sich glücklich schätzen, dass kaum jemand in der Lage war, sich überhaupt noch zu bewegen, sonst wäre sie gelyncht worden!

13.30 Uhr

Gruppentherapie (1 ½ Stunden – wir steigern uns!)

Völlig entspannt ging es nun also in die Gruppentherapie. Von diesen 1 ½ Stunden weiß ich so gut wie gar nichts mehr. Ich saß da, hörte eine Menge Leute reden, irgendwer – ich glaube, es war die Therapeutin – bat mich, meinen Namen zu sagen, der mir wider Erwarten noch bekannt war, und sie forderte mich auf zu erzählen, warum ich in der Reha bin.

„Selbstmord“ schoss mir durch den Kopf! Das hier ist mein Selbstmord, auch wenn ich es vorher noch gar nicht wusste, doch es soll Entscheidungen geben, die absolut unbewusst getroffen werden. Einen Tag zuvor hatte ich nämlich die Frage beantworten müssen, ob ich Suizidgedanken habe, diese Frage konnte ich gestern noch mit einem klaren „Nein“ beantworten, heute würde die Antwort eventuell anders ausfallen.

Nun denn, irgendwas werde ich wohl in der Gruppentherapie geantwortet haben und es war wohl zufriedenstellend, denn es folgten keine weiteren Fragen und den Rest der Zeit verbrachte ich mit den Gedanken an meine Muskeln, meinen Kopf und damit wie lange es brauchen würde, meinen geschundenen Körper als endgültig geheilt ansehen zu können. Sicherlich ein Thema, dass diesen Brief begleiten wird „Was wird hier aus mir?“

15.20 Uhr

Bewegungsgruppe (30 Minuten)

Vier Mal Sport am Tag, warum nicht? Ich freue mich darauf! Was soll’s! Zugegeben, 30 Minuten lang Badminton zu spielen, war nach diesem Tag ein ganz klein wenig anstrengend.

Nein! Es war zu viel, zu viel für meine Nerven, extrem zu viel, meinen Körper spürte ich glücklicherweise gar nicht mehr.

Und so sank ich nach dem Abendbrot um 18.00 Uhr erschöpft ins Bett. An Aufstehen war angesichts der schweren Bettdecke sowieso nicht zu denken.

Tim habe ich übrigens sofort durch die Gegend gejagt, damit er mir meine Bettdecke von zuhause bringt, die mindestens ein Kilogramm leichter ist! Bei der Gelegenheit hat er mir auch noch mehr Turnschuhe und Trainingshosen gebracht. Warum ich ihm die High Heels, die hier unnötigerweise rumstehen, nicht sofort wieder mitgegeben habe, weiß ich nicht genau. Ich vermute, der Ausdruck „Die Hoffnung stirbt zuletzt!“ passt in diesem Fall recht gut.

Dies alles ist meines Erachtens absichtlich eingefädelt. Früher gab man den Patienten Beruhigungs- und Schlafmittel sowie andere Drogen, damit sie die Klappe hielten und nach 19.00 Uhr nicht mehr rumliefen, heute gibt es das

„Wir machen sie fertig-Prinzip“!

Und warum eigentlich nicht gleich als Termin 11.07 Uhr setzen? Wir haben 8.05, 8.50,9.30, 11.10, da wäre eine Abwechslung nicht schlecht.

Meiner Erfahrung nach sind solche Angaben nicht schlecht! Wann immer ich einen Termin um 13.03 Uhr setze, kann ich sicher sein, dass die Kollegen rechtzeitig erscheinen. Dahinter steckt wohl ein Wettbewerbsgedanke, nach dem Motto: „So, der zeigen wir es jetzt mal, bestimmt ist sie selbst erst um 13.05 anwesend!“ Und dann stehen sie da, mit der Stoppuhr in der Hand.

Ruhig und gelassen wollte ich das Thema „Wahnsinnsterminplan“ bei meiner Therapeutin ansprechen. Ich war streng genommen aufgrund von Überlastung, dank meines unruhigen Wesens, und zur Erholung bzw. um zur Ruhe zu kommen, in die Reha verfrachtet worden.

Zu dumm, dass von ruhig und gelassen keine Rede sein konnte, kaum saß ich, flossen die Tränen.

Miss Psych allerdings, reichte mir sodann ruhig und gelassen die Box mit Kosmetiktüchern, die hier als Taschentücher verwendet werden.