Hard to Resist - Cannon - Kendall Ryan - E-Book

Hard to Resist - Cannon E-Book

Kendall Ryan

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Beschreibung

Kannst du ihm widerstehen?

Cannon Roth hat eine unglaubliche Wirkung auf Frauen, die nicht immer positiv endet. Als eine seiner Verehrerinnen sein Apartment kurz und klein schlägt, braucht er dringend eine Unterkunft. Seine große Schwester quartiert ihn daraufhin bei ihrer besten Freundin Paige ein. Die Paige, die Cannon seit seiner Teenagerzeit heiße Träume beschert. Als die beiden nach Jahren das erste Mal wieder aufeinandertreffen, prickelt es gewaltig zwischen ihnen. Die Leidenschaft scheint unstillbar. Doch es gibt gute Gründe, die Finger voneinander zu lassen. Aber seit wann kann die Vernunft das Herz zügeln?

"Eine unwahrscheinlich heiße Geschichte." DIRTY SOUTH BOOKS

Dieser Roman ist bereits in einer früheren Ausgabe bei LYX.digital unter dem Titel The Room Mate erschienen.


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Seitenzahl: 276

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Inhalt

TitelÜber dieses BuchProlog1234567891011121314151617181920212223242526272829303132333435EpilogDanksagungÜber die AutorinDie Romane von Kendall Ryan bei LYXImpressum

KENDALL RYAN

Hard to Resist

Cannon

Roman

Ins Deutsche übertragen von Sonja Häußler

Über dieses Buch

Kannst du ihm widerstehen?

Cannon Roth hat eine unglaubliche Wirkung auf Frauen, die nicht immer positiv endet. Als eine seiner Verehrerinnen sein Apartment kurz und klein schlägt, braucht er dringend eine Unterkunft. Seine große Schwester quartiert ihn daraufhin bei ihrer besten Freundin Paige ein. Die Paige, die Cannon seit seiner Teenagerzeit heiße Träume beschert. Als die beiden nach Jahren das erste Mal wieder aufeinandertreffen, prickelt es gewaltig zwischen ihnen. Die Leidenschaft scheint unstillbar. Doch es gibt gute Gründe, die Finger voneinander zu lassen. Aber seit wann kann die Vernunft das Herz zügeln?

Prolog

Wenn ich auf die beiden vergangenen Monate zurückblicke, kann ich mich nur fragen, wie es dazu kommen konnte, dass ich mit einem Benzinkanister und einer Schachtel Streichhölzer über ihm stand.

Das war nicht ich, das war nicht der Weg, den mein Leben einschlagen sollte, aber hier stand ich nun – mit einem Mann verstrickt, der nie der meine sein würde – und sah mich zweifelsohne mit einem waschechten Schwerverbrechen konfrontiert.

Liebe lässt einen verrückte, irrationale Dinge tun. Und auch wenn ich wusste, wie das alles enden würde, bezweifle ich dennoch, dass ich die Stärke gehabt hätte, mich nicht in ihn zu verlieben. Er hatte einfach etwas an sich, was mich ansprach. Etwas Unwiderstehliches, Urtümliches.

Selbst als ich auf seine reglose Gestalt hinunterblickte, sehnte ich mich nach ihm. Zweifellos ein seltsamer Moment, um festzustellen, dass ich ihn liebte.

Der scharfe Geruch des Benzins stach mir in die Nase und riss mich aus meinem Tagtraum. Es war Zeit zu handeln.

1

Cannon

Das Herz ist ein seltsamer und erstaunlicher Muskel. Ohne es kann man weder leben noch lieben, doch die meisten Menschen machen sich nur selten darüber Gedanken oder darüber, dass das unermüdliche, treue Organ hunderttausend Mal pro Tag schlägt. Die meisten Menschen haben wahrscheinlich keine Ahnung, dass das Herz einer Frau um etwa acht Schläge pro Minute schneller schlägt als das eines Mannes oder dass seine zwei Herzkammern Blut in jede Zelle des Körpers pumpen, nur nicht in die Hornhaut.

Und doch kann es manchmal lästig sein. Es bringt uns dazu, Dinge zu empfinden, die wir nicht empfinden wollen, und Dinge zu tun, die wir nie vorgehabt haben. Und in letzter Zeit war es der Quell all meiner Probleme. Doch in diesem speziellen Moment befasste ich mich gar nicht mit dem Herzen. Sondern mit einem Körperteil weiter südlich, viel weiter südlich.

Ich mochte Vaginen. Wirklich. Aber in eine zu schauen, die alt genug war, um meiner Großmutter zu gehören, entsprach nicht meiner Vorstellung eines aufregenden Abends. Nein, vielen Dank auch.

»Sieht gut aus, Mrs Thurston.« Mit einem schnalzenden Geräusch zog ich mir die Latexhandschuhe von den Händen; dann erhob ich mich, warf die Handschuhe in den Müll und half ihr auf dem Untersuchungsstuhl in eine sitzende Position.

Sie rückte ihre Bifokalbrille zurecht und warf mir ein verschämtes Lächeln zu. »Danke, dass Sie es so angenehm gemacht haben. Eigentlich sollte man ein Gesetz erlassen, dass alle Gynäkologen aussehen sollten wie Sie.«

Ich gluckste. »Danke. Aber ich bin kein Gynäkologe. Ich bin Medizinstudent und absolviere gerade mein Praktikum auf der Gynäkologie.«

Und das hat morgen Gott sei Dank ein Ende. Ich war in den letzten vier Wochen in mehr Vaginen als in allen vier Jahren meines Studiums zusammengenommen. Und das will was heißen, glaubt mir.

Aber nach diesem Praktikum würde ich eine ganze Zeitlang keiner mehr zu nahe kommen. Ich habe ihnen vor drei Tagen, als meine neueste Bettgenossin ausgerastet ist, vorübergehend abgeschworen.

Die wilde Art, die sie im Bett an den Tag legte, machte sie zwar zu einer hervorragenden Sexpartnerin, doch offenbar ging ihre Verrücktheit tiefer als ich gedacht hatte. Sie war der Überzeugung, dass wir Seelenverwandte wären, aber ich wusste nicht einmal ihren Nachnamen oder für welche Mannschaft sie war. Ich erklärte ihr, dass wir in den letzten paar Wochen Spaß miteinander gehabt hätten, aber dass es nun vorbei wäre.

Zwei Tage später hatte man bei mir eingebrochen, und alles, was ich besaß, war zerstört worden. Über meiner Couch, meinem Bett und meinen Kleidern war Bleichmittel ausgeschüttet, Laptop und Fernseher waren zertrümmert worden. Derzeit war sie in Polizeigewahrsam; ich übernachtete bei einem Freund auf dem Sofa und überlegte, wie es weitergehen sollte. Mein Vermieter war der Ansicht, dass ich zu viel Ärger machte, und schickte mir die Kündigung. Wenn man Zwölf-Stunden-Schichten arbeitete, blieb einem nicht gerade viel Zeit, eine Wohnung zu suchen.

Mein bestes Stück machte die Frauen verrückt. Es brachte sie um den Verstand und ließ sie ihre unsterbliche Liebe erklären und ewige Treue schwören. Diese Art von Chaos durfte ich nicht weiterhin entfesseln. Ich musste mich ins Zeug legen und mich auf mein Studium und meine Zukunft konzentrieren. Ich musste mich spezialisieren und mich für nächstes Jahr um einen Platz als Assistenzarzt bewerben, das war längst überfällig. Meine Mutter und meine ältere Schwester zählten auf mich. Und sie waren das Einzige, was wirklich von Bedeutung war, nicht die Jagd auf irgendwelche Frauen. Das verstand sich von selbst. Meine Nächte in der zartesten Stelle einer Frau, mit all ihrer seidig-warmen Vollendung, waren vorbei. Jedenfalls bis ich einen Abschluss und einen Job haben würde.

Mom und Allie hatten schon zu viel geopfert. Ich hatte hart gearbeitet, Stipendien bekommen und gute Noten geschrieben. Das durfte ich jetzt nicht alles aufs Spiel setzen … und doch hatte ich das ungute Gefühl, dass genau das passieren könnte. Ich war viel zu lange den Frauen hinterhergejagt, anstatt meine Nase in Bücher zu stecken. Klar hatte es Spaß gemacht, meinem Schwanz das Denken zu überlassen, aber es lohnte sich nicht, deshalb alles zu verlieren. Jetzt musste ich mich reinknien, meine erstklassige Ausbildung zum Einsatz bringen und hoffen, dass es noch nicht zu spät war.

Jawohl … der neue Cannon Roth würde vernünftig sein, alles im Griff haben, und vor allem würde er eins sein: keusch. Ich musste es einfach dabei belassen, das Innenleben von Siebzigjährigen wie Mrs Thurston mit einem überdimensionalen Wattestäbchen auszutupfen. Nicht annähernd so befriedigend, doch so würde ab nun mein neues Leben aussehen.

Ich setzte mich meiner Patientin gegenüber und tippte einige Anmerkungen in den Laptop. »Wenn nur alle meine Patienten so locker wären wie Sie, Mrs Thurston.«

»Haben Sie mich gerade locker genannt?« Sie zwinkerte mir zu.

»Immerhin habe ich meine Hand unter Ihren Rock geschoben, kaum dass wir uns begrüßt hatten.« Ich erwiderte ihr Grinsen. Der behandelnde Arzt riss die Augen auf, doch Mrs Thurston lachte bloß – ein tiefes, kehliges Geräusch, das mich noch mehr zum Grinsen brachte.

»Vielen Dank.« Sie reichte mir ihre faltige, von Altersflecken bedeckte Hand und drückte die meine. »Ich war schon lange bei keinem Arzt mehr, der sich die Zeit genommen hat, mich wie einen normalen Menschen zu behandeln. Sie werden einmal ein toller Arzt sein.«

Ich nahm ihr Kompliment mit einem Lächeln entgegen. Nicht zum ersten Mal sagte mir jemand, dass mein Umgang mit Patienten als angenehm empfunden wurde. Und wenn ich mit ihnen nicht mal einen Scherz machen konnte, würde ich die Zwölf-Stunden-Schichten und den Schlafmangel wohl kaum überleben. Denn das war manchmal wirklich brutal.

Als ich hinter Dr. Haslett auf den Flur hinaustrat, sagte er etwas von allgemeinen Gepflogenheiten für Vorsorgeuntersuchungen, und ich nickte. Dann zwinkerte mir eine süße Krankenschwester zu, ihr Blick glitt an meinem Arztkittel herunter und was sie sah ließ ihr bestimmt das Wasser im Mund zusammenlaufen. Ich war kurz davor, sie zu einer schnellen Nummer in die Abstellkammer zu entführen, aber da kam mein Gehirn wieder in Gang.

Verdammter Mist. Vor nur fünf Minuten hatte ich Keuschheit gelobt, und schon war ich in Versuchung, meinen Eid zu brechen. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Diese Idee war eindeutig zum Scheitern verurteilt … was bedeutete, dass ich einen Ersatz brauchte. Etwas, woran ich mich halten konnte. Ich lächelte und ging geradewegs an der Krankenschwester vorbei, während in meinen Gedanken ein neuer Plan Gestalt annahm.

Es gab drei einfache Regeln, die ich befolgen musste, wenn ich es mal wieder nötig hatte. Es durfte nur für eine Nacht sein, und weder Namen noch Telefonnummer durften ausgetauscht werden. Wenn ich diesen Regeln folgte, würde es eine einmalige Angelegenheit bleiben und die Frauen würden keine Gefahr laufen, sich anschließend in mich zu verlieben. Die hübschen Schwestern in dem Krankenhaus, in dem ich arbeitete, kamen somit schon mal nicht infrage.

Ich hatte das Gefühl, mich ein kleines bisschen mehr unter Kontrolle zu haben, straffte die Schultern und schaute auf die Uhr. Noch zwei Stunden bis zum Ende meiner Zwölf-Stunden-Schicht.

Da vibrierte mein Handy. Ich griff in die Tasche und überflog das Display, während ich Dr. Haslett zu unserem nächsten Termin folgte. Es war eine Nachricht von Allie, die einen Platz zum Wohnen für mich gefunden hatte.

Vor Erleichterung lächelte ich. Zum Glück war wenigstens eines meiner Probleme gelöst.

Dann las ich ihre Nachricht zu Ende.

Mein Lächeln verschwand. Allie wollte, dass ich mit Paige, ihrer ältesten und besten Freundin, die Wohnung teilte. Ihrer wahnsinnig heißen besten Freundin, die vollkommen tabu für mich war, auf die ich aber schon seit meinem Eintritt in die Pubertät scharf war.

Die Götter hatten sich soeben über meinen Plan schiefgelacht und mir einen Ball zugeworfen, der völlig unhaltbar war. Irgendetwas sagte mir, dass ich schon bald sehr enge Bekanntschaft mit meiner Hand schließen würde.

2

Paige

Mit achtundzwanzig fängt man als Frau an, die Dinge infrage zu stellen. Große, komplexe Dinge wie Schicksal, Bestimmung und was ich mit meinem Leben anfangen soll. Ich war mir ziemlich sicher, dass mein Lebenszweck nicht darin bestand, fünfzig Stunden pro Woche zu arbeiten und nichts Aufregenderes zu erleben, als mir freitagabends etwas beim Thai zu bestellen. Es musste mehr im Leben geben.

Doch in letzter Zeit kam es mir eher vor wie billige Unterwäsche – zuerst ganz locker, und dann ist man überrascht, wie unwohl man sich darin fühlt.

Da wusste ich noch nicht, dass das Schicksal noch so manche ironische Wendung für mich bereithielt.

Mein Handy klingelte und ich nahm es von der Theke. »Hallo?«

»Ich brauche deine Hilfe, Paige«, sagte meine beste Freundin, sobald ich mich gemeldet hatte.

Ich ließ von dem Stapel unerwünschter Post ab, den ich gerade durchgeschaut hatte, und lehnte mich an den Esstisch. Darunter schnarchte Enchilada und träumte, wovon auch immer kleine Hunde träumen.

»Schon gut. Was ist los, Allie?«

Sie zögerte und ich fragte mich, welche Art von Gefallen sie wohl im Sinn hatte. Allie war wie eine Schwester für mich; sie wusste sehr wohl, dass ich alles für sie tun würde.

»Cannon braucht eine Bleibe«, sagte sie schließlich.

Nur das nicht.

Ich unterdrückte ein plötzliches Zucken im Kiefer, zog meine hohen Schuhe aus und nahm einen Schluck aus der Wasserflasche. Cannon? Ich sollte meine winzige Wohnung mit ihrem dämlichen kleinen Bruder teilen, den ich seit Jahren nicht mehr gesehen oder gesprochen hatte? Wie unangenehm war das denn!

Ich lebte zurückgezogen und schätzte die Zeit, die ich für mich allein hatte. Deshalb hatte ich auch keine Mitbewohner und somit keine Probleme. Das war nicht die Art von Neuigkeit, die ich an einem Donnerstagabend nach einem hektischen Arbeitstag hören wollte. Allie, Cannon und ich waren früher, als wir noch Kinder waren, so ziemlich unzertrennlich gewesen, aber nachdem wir aufs College gegangen waren, hatte ich keinen Kontakt mehr mit Cannon gehalten.

»Ich weiß nicht, Allie. Meine Wohnung ist ziemlich klein.« Ich wohnte in einer fünfundfünfzig-Quadratmeter-Doppelhaushälfte und hatte theoretisch zwar ein Gästezimmer, aber darin standen lediglich ein klobiger Futon und ein Schreibtisch. Allein der Gedanke, diese Sardinenbüchse mit einer anderen Person zu teilen, bescherte mir Platzangst, daher ging ich hinüber zum Wohnzimmerfenster, um es zu öffnen. »Warum kann er nicht bei dir und James wohnen?«

Allie zögerte eine Sekunde, und ich wusste schon, dass mir ihre Antwort nicht gefallen würde. »James hält das für keine gute Idee. Er und ich leben erst seit Kurzem zusammen. Das ist ein großer Schritt, weißt du?«

Seltsam, dass eure Entscheidungen als Paar sich öfter nach seinen Wünschen zu richten scheinen als nach deinen. Dies war nur ein weiterer Grund auf der schnell wachsenden Liste von Gründen, weshalb ich ihren neuen Verlobten nicht mochte. Doch ich wollte dieses Fass nicht wieder aufmachen, deshalb knurrte ich nur unverbindlich.

Während sie versuchte, mich zu überzeugen, beobachtete ich versonnen einen Mann, der sich auf dem Gehweg meinem Haus näherte. Ich bewohnte die Hälfte eines viktorianischen Hauses, ein paar Blocks entfernt vom Campus der University of Michigan, deshalb war ich fest davon überzeugt, dass er nicht zu meinem Haus kommen würde, aber ein Mädchen darf ja wohl noch träumen. Er trug einen schwarzen Pullover mit V-Ausschnitt, dunkle Jeans und Stiefel und war groß und muskulös. Sein zerzaustes Haar war an den Seiten kurz geschnitten, aber oben lang genug, um bei wildem Sex hineinzugreifen und mich beim Ritt meines Lebens daran festzuhalten.

Ich schüttelte den Kopf, schockiert über meine unerwartet schmutzigen Gedanken. Was zum Teufel war nur in mich gefahren? Wahrscheinlich hatten Überarbeitung und Mangel an Sex diese Fantasie in mir wachgerufen. Ich schob den Gedanken beiseite und konzentrierte mich auf mein Telefonat.

»Seine Wohnung wurde geplündert, und jetzt ist er praktisch obdachlos«, erklärte Allie in flehendem Tonfall.

»Ich werde darüber nachdenken«, sagte ich in dem Versuch, hart zu bleiben.

Der Typ draußen blieb vor meinem Haus stehen und betrachtete die Hausnummern. An meinem Platz im Obergeschoss war ich so gut wie verborgen vor seinen Blicken und konnte hinter den schweren Vorhängen hervorlinsen.

Jetzt, wo er näher gekommen war, konnte ich grüne Augen, umrahmt von dichten schwarzen Wimpern, sowie einen Bartschatten auf der markanten Kieferpartie ausmachen. Er war einfach perfekt.

Sein Mund bildete eine feste Linie, sein Gesichtsausdruck war emotionslos. Wer diesen Mann durchschauen wollte, musste sich zuerst durch seine stählerne Reserviertheit hindurcharbeiten.

»Er studiert Medizin im letzten Jahr, und in etwas mehr als zwei Monaten zieht er weg, um eine Stelle als Assistenzarzt anzutreten. Es wäre also wenig sinnvoll, wenn er einen neuen Mietvertrag abschließen würde. Bitte, Paige?«

Uh. Schon gewonnen. Ihre Welpenaugen waren praktisch durchs Telefon zu hören.

»Na schön. Zwei Monate.«

Allie kreischte dankbar, aber ich hörte schon nicht mehr zu. Diese langen Beine trugen den Mann weiter vorwärts, und zwar direkt die Treppe vor meinem Haus hinauf.

Mist! Er kam an meine Tür. Mein Herz schlug schneller und mein Mund wurde vollkommen trocken.

»Ich muss los, Allie.«

»Danke, Paigey! Du hast was gut bei mir«, trällerte sie.

Ich warf das Telefon auf den Couchtisch und eilte zur Tür. Im Flur erhaschte ich einen Blick in den Spiegel und war erleichtert, dass ich von der Arbeit noch ganz passabel aussah. Schwarzer Bleistiftrock, weiße Seidenbluse, mein blondes Haar zu einem langen Pferdeschwanz zusammengefasst.

Das selbstbewusste Klopfen an meiner Haustür ließ Schmetterlinge in meinem Bauch aufflattern. Meine Finger schlangen sich um den Türknauf, und als ich die Tür öffnete, stockte mir der Atem bei dem, was ich sah. Ich hatte schon vorher gedacht, dass er attraktiv war, doch nichts konnte mich auf den Anblick aus der Nähe vorbereiten. Er überragte mich – er war mindestens eins neunzig, so kam es mir vor –, und seine Muskeln wiesen auf viele Stunden Fitnessstudio hin. Sein Duft beraubte mich meiner Sinne. Es war kein Eau de Cologne. Es war etwas Subtileres, vielleicht Duschgel, und trotzdem war es so frisch und maskulin, dass einem das Wasser im Mund zusammenlief.

»Paige?«, fragte er.

Verdammt, sogar seine Stimme war tief, sonor und ausdrucksstark.

Und was noch wichtiger war: Mr Wandelnder-Sexgott kannte meinen Namen.

Ich sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an, mein Mund klappte auf, nur um sich lautlos wieder zu schließen. Erkenntnis dämmerte an den Rändern meines Gehirns.

»C–Cannon?«, stammelte ich mit atemloser, belegter Stimme.

Sein Mund verzog sich zu einem glücklichen Grinsen, und er streckte die Hand aus. »Gott, das ist Jahre her.«

»Mindestens fünf«, sagte ich, während ich ihm meine Hand reichte. Seine war warm und kräftig, und die Berührung jagte ein Prickeln durch meinen Körper. Meine Nippel wurden hart und richteten sich unter meinem BH zu Spitzen auf, während meine Eierstöcke einen kleinen Freudentanz veranstalteten. Es war Monate her, seit ich einen Mann bei mir zu Hause gehabt hatte, und mein ganzer Körper war gewappnet und bereit.

»Du siehst gut aus«, sagte er, wobei er mich weiterhin angrinste. Und meine Hand hielt.

»Du bist groß geworden«, war alles, was ich herausbekam. Himmelherrgott, wie auch nicht.

Er war nach Yale aufs College gegangen, wo er seinen Abschluss frühzeitig absolviert hatte. Danach war er nach Pensylvania gezogen, um Medizin zu studieren. Irgendwann letztes Jahr war er nach Michigan gekommen, aber ich wusste nicht so recht, warum. Allie gab mir gelegentlich ein Update, was sein Leben betraf, aber er und ich standen uns nicht mehr nahe, jedenfalls nicht so wie damals, als wir noch Kinder waren. Er war ihr kleiner Bruder; es gab keinen Grund, weshalb ich intime Details über sein Leben wissen sollte. Doch wie er nun auf der Schwelle meines kleinen Hauses vor mir stand, fühlte sich irgendetwas an diesem Moment sehr intim an.

»Du auch.« Sein Blick wanderte an mir herunter und verweilte ganz kurz auf meinen Brüsten – die sich noch nie so schmerzhaft und voll angefühlt hatten. Ich unterdrückte meine Enttäuschung, als er meine Hand schließlich losließ.

Verdammt … das war Cannon. Und da stand er nun und starrte auf meine Brüste. Mein Gehirn hatte Mühe zu verarbeiten, was da gerade vor sich ging.

Er war immer irgendwie ernst gewesen. An der Highschool mochte er Naturwissenschaften lieber als Partys im Freien und fühlte sich als Leiter des Debattierclubs wohler, als er sich als Kapitän des Footballteams gefühlt hätte. Er war intelligent und wissbegierig und rechtfertigte sich nie für seine Interessen. Nicht dass er auf der Beliebtheitsskala gesunken wäre, nur weil er ein bisschen anders war. Er war der Typ, der sich mit Leichtigkeit zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Kreisen bewegte und mit Nerds ebenso herumhing wie mit Sportlern. Aber seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, hatte er sich eindeutig zu einem ganzen Kerl gemausert.

Auch wenn er noch relativ jung war, vierundzwanzig im Gegensatz zu meinen achtundzwanzig Jahren, sprachen doch aus seinem Blick Weisheit und Reife. Dieser neue Cannon hatte Manieren, war scharfsinnig, kultiviert und sah umwerfend aus. Ich konnte nicht so recht benennen, was sich alles geändert hatte, aber seine körperliche Präsenz machte einen großen Teil davon aus.

Allein in seiner Nähe zu sein ließ mein Herz schneller schlagen. In meinen Fingerspitzen prickelte das Verlangen, die Hand auszustrecken und ihn zu berühren. Im Ernst jetzt, was passiert da gerade mit mir? Das war Cannon Roth, verdammt noch mal. Bald Dr. Cannon Roth. Das klang echt beeindruckend.

Ich schüttelte den Kopf, um das plötzliche Verlangen zu vertreiben, mit ihm Doktorspiele zu veranstalten, und rief mich zur Ordnung. Er war Allies Bruder, mit anderen Worten, er gehörte praktisch zur Familie. Und Allie würde mir garantiert in den Hintern treten, wenn zwischen uns etwas passieren würde. Sie war schon immer eine Glucke gewesen und hatte gegenüber allen, die sie mochte, überzogene Beschützerinstinkte an den Tag gelegt, aber das meiste davon hatte ihr kostbarer kleiner Bruder abbekommen.

»Ich weiß, dass du mit Allie gesprochen hast, aber ich wollte selbst vorbeikommen und mich vergewissern, ob das für dich in Ordnung ist.«

Nur neben ihm zu stehen rief bei mir Gedanken an von Sex zerraufte Laken, den Geruch von Latex und Schuldgefühle am nächsten Morgen hervor.

Der kleine Bruder meiner besten Freundin war gar nicht mehr so klein. Und er war soeben in mein Leben hineingeplatzt und brachte mich vollkommen durcheinander. Schöner Mist!

»Natürlich«, log ich.

3

Cannon

Paige sagte nicht die Wahrheit.

Irgendetwas bereitete ihr Unbehagen an der Tatsache, dass ich hier wohnen würde. Vielleicht lag es an der starken körperlicher Anziehung, die ich deutlich zwischen uns spürte. Ihr Duft war berauschend – zart, feminin und dezent. Ich hatte keine Zeit für Ablenkungen und mir gerade selbst geschworen, dass ich keine sinnlosen Affären mehr beginnen würde. Doch all das gehörte in der Sekunde, in der mein Blick auf Paige fiel, der Vergangenheit an.

Die verstohlenen Blicke auf ihre Brüste, als ich vierzehn war, hatten meine lebenslange Vorliebe für diese weiblichen Körperteile entfacht. Ihr honigfarbenes Haar war der Grund dafür, weshalb ich schon immer Blondinen bevorzugte. Und obwohl ich im Lauf der Jahre immer Mal wieder im Social-Media-Netzwerk meiner Schwester einen Blick auf sie geworfen hatte, war sie von Angesicht zu Angesicht einfach … wow.

»Komm rein«, sagte sie und machte die Tür weiter auf.

Ich gehorchte und folgte ihr.

Jetzt, wo ich hier in ihr persönliches Reich eingedrungen war, ihre kaum merkliche Reaktion auf mich registrierte und ihr Unbehagen spürte, hätte ich mich am liebsten davongemacht.

Ich hatte Paige seit Jahren nicht gesehen, und ich will verdammt sein, wenn sie sich nicht zu einer bildschönen Frau entwickelt hatte. Straffe Beine unter einem gut sitzenden Rock, die verlockende Kurve eines wohlgeformten Hinterns, die sanfte Schwellung der Brüste, versteckt unter einem seidigen Oberteil.

Als Teenager hatte ich in Bezug auf sie mehr schmutzige Fantasien gehabt, als ich je zugeben wollte. Sie war die beste Freundin meiner Schwester, was bedeutete, dass sie Hunderte von Malen bei uns übernachtet hatte und Dutzende von Malen mit uns schwimmen gegangen war. Als Kind war ich ihr und meiner Schwester auf dem Fahrrad hinterhergejagt und hatte geweint, wenn sie mich nicht dabeihaben wollten. Als Teenager hatte ich meiner Schwester zwar nicht mehr dauernd am Rockzipfel gehangen und mehr Zeit mit meinen Freunden verbracht, doch Paige war mir nie ganz aus dem Kopf gegangen.

All meine tosenden Hormone waren in ihrer Gegenwart in Wallung geraten. Ich hatte sie durch die Wand von Allies Zimmer kichern gehört, wenn sie sich über Jungs unterhielten, und hatte gewünscht, ich könnte sie auch so zum Lachen bringen, gewünscht, ich wäre einer dieser Jungen, auf die sie stand. Wenn ich sie im Badeanzug, einem Tanktop oder auch nur einer engen Jeans sah, bekam ich immer einen Ständer. Wenn wir zusammen auf dem Sofa saßen und einen Film anschauten, sehnte ich mich danach, sie am Knie zu berühren oder meinen Schenkel an ihren zu pressen, doch ich konnte nur wie gelähmt vor nervösem Verlangen sitzen bleiben und hätte Allie am liebsten den Kopf abgerissen, wenn sie mich damit aufzog, dass ich so still war.

Als Allie vorgeschlagen hatte, für den Rest des Semesters bei Paige zu wohnen, hatte mein Schwanz interessiert gezuckt. Die alten, geheimen Fantasien hatten nur geschlummert, waren nie abgeklungen. Doch nichts hatte mich darauf vorbereiten können, tatsächlich hier zu sein, Paiges Puls an ihrem Hals pochen zu sehen, ihren warmen, femininen Duft einzuatmen, ihre Reaktion auf mich zu spüren. Als inzwischen erwachsener Mann kannte ich die Wirkung, die ich auf Frauen hatte. Ich war groß, adrett, und es gab immer ein paar Köpfe, die sich nach mir umdrehten. Aber das hier war Paige … sie durfte ich eigentlich nicht begehren, oder?

»Wer ist denn das?«, fragte ich und grinste auf das winzige Hündchen hinunter, das um ihre Fesseln strich.

Paige schaute nach unten, als hätte sie die übergroße Ratte, die angerannt kam, gar nicht bemerkt. »Das ist Enchilada«, sagte sie beinahe entschuldigend.

Echt schräger Name für einen Hund, aber wer bin ich schon, mir da ein Urteil zu erlauben? Vielleicht war sie ja ein Fan der mexikanischen Küche.

Sie schob dem Hund die Hand unter den Bauch und hob ihn an ihre Seite, dann strich sie ihm mit der anderen über das Feld.

»Dann hat dich Allie einfach damit überfallen, oder war das in Ordnung für dich?«, wollte ich wissen; ich fragte mich, wie ehrlich sie sein würde.

»Tatsächlich hat sie mich gerade angerufen, als du hier aufgetaucht bist.« Paige wurde ein wenig rot bei diesem Geständnis, aber ich hatte keine Ahnung, weshalb sie das in Verlegenheit brachte.

Verdammt, Allie. Meine große Schwester konnte manchmal so gedankenlos sein. Aber wahrscheinlich wusste Paige das genauso gut wie ich, und wir liebten sie trotzdem.

»Dann musst du also die Wohnung wechseln?«, fragte Paige, während sie das Hündchen neben uns abstellte, wo es sich mit einem Schnaufen hinsetzte.

Ich nickte nur, weil ich nicht kundtun wollte, dass meine Ex meine Wohnung verwüstet hatte. Eine lange Liste labiler Ex-Freundinnen war nicht gerade etwas, das einen als Mitbewohner qualifizierte.

»Es ist nur so, dass meine Wohnung ziemlich klein ist …« Sie verstummte, die Hände ineinander verschränkt.

Sie hatte sorgsam manikürte Fingernägel, die hellblau lackiert waren. Eigentlich war alles an ihr sorgfältig gepflegt, angefangen von ihrem langen, schimmernden Haar, das ich am liebsten um meine Faust gewickelt hätte, bis hin zu ihren vollen rosafarbenen Lippen; ich hätte gern gesehen, wie sie sich um meinen Schwanz schlossen und ihn tief in ihren warmen Mund saugten. Ich wusste, dass ich eigentlich eine Sex-Pause einlegen sollte, aber sie erweckte in mir den Wunsch, all meine Regeln über Bord zu werfen und Scheiß drauf zu sagen.

»Verstehe.« Ich steckte die Hände in die Hosentaschen und wiegte mich auf meine Fersen zurück. »Wir haben uns lange nicht gesehen, sodass es sich merkwürdig anfühlen würde, zusammenzuwohnen.«

Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum und sah dabei unsicher und absolut reizend aus. Ich wollte ihr damit einen Ausweg anbieten, doch stattdessen schüttelte Paige den Kopf, und Entschlossenheit spiegelte sich in ihren Zügen.

»Tut mir leid. Das war unhöflich. Wenn du einen Platz zum Schlafen brauchst, bist du natürlich willkommen.«

»Nur wenn du sicher bist, dass es keine Umstände macht.«

Paige räusperte sich. »Es macht keine Umstände. Komm, ich zeige dir alles.«

Ich nickte und folgte ihr in die Kombination aus Wohn- und Esszimmer. Sie hatte eine Couch und einen Sessel, die beide mit hellbrauner Mikrofaser bezogen waren, sowie zwei Beistelltische. Auf der Couch stapelten sich Deko-Kissen in Creme- und Blautönen. An der Wand gegenüber den Fenstern hingen gerahmte Schwarzweiß-Naturfotografien. Am anderen Ende des Zimmers standen ein runder Esstisch aus Glas und zwei Polsterstühle. Alles in allem war es klein, aber gemütlich.

Die enge Küche war alles andere als modern, aber sie war sauber und gut organisiert. Paige öffnete die Tür zum Vorratsschrank und sagte, dass sie auf den Regalen Platz für meine Lebensmittel schaffen würde.

Von einem kurzen Flur gingen ein Badezimmer mit Duschkabine und zwei Schlafzimmer ab. Paiges Zimmer war das größere von beiden, und als ich eintrat, knarrte der Boden unter meinen Füßen. Ihr Bett war makellos gemacht, mit einer grauen Decke und blassrosa Laken mit geometrischem Druck, auf dem passende kleine Deko-Kissen lagen. Auf dem Nachttisch befanden sich ein Stapel Bücher und eine Leselampe. Die Tür zu ihrem Kleiderschrank stand offen und erlaubte einen Blick auf ihre Kleidung, die in ordentlichen Reihen hing.

»Hübsche Wohnung«, bemerkte ich, während ich ihr wieder hinaus in den Flur folgte.

»Und hier ist das Gästezimmer.« Paige öffnete die Tür zu einem Zimmer, das kaum Platz für ein Bett bot. Darin standen ein Futon und ein in die Ecke geschobener Schreibtisch.

»Tut mir leid, ich weiß, das ist nicht viel …«, begann sie.

»Das ist perfekt. Ich mache gerade mein praktisches Jahr, deshalb lebe ich mehr oder weniger in der Klinik. Eigentlich brauche ich zu Hause lediglich ein Bett.« In meiner letzten Wohnung hatte ich so gut wie nie gegessen – die meisten Mahlzeiten hatte ich mir in der Krankenhaus-Cafeteria einverleibt. Ich wandte meinen Blick von dem Zimmer ab und ließ ihn wieder zu Paige wandern. »Wahrscheinlich bekommst du mich nicht oft zu Gesicht.«

Sie nickte. »Normalerweise komme ich um halb sechs von der Arbeit, und manchmal gehe ich zum Mittagessen nach Hause.«

Enchilada, der uns gefolgt war, nieste und schüttelte sich, dass seine silbernen Hundemarken klirrten. Paige bückte sich und hob das hellbraun-graue Fellbündel erneut hoch.

Ich blieb neben der Haustür stehen und sah auf ein Paar rosa Laufschuhe mit orangefarbenen Schnürsenkeln hinunter.

»Ich habe einen Ersatzschlüssel, den ich dir überlassen kann. Wann meinst du …« Paige ließ den Satz unvollendet und sah wieder verlegen aus.

»Wann ich einziehe?«

Sie nickte.

»Heute Abend, wenn es dir nichts ausmacht. Ich habe die letzten paar Nächte bei Freunden auf dem Sofa geschlafen.«

Sie gab ein leises ersticktes Geräusch von sich, doch sie nickte. »Klar.«

»Ich habe so ziemlich alles verloren, deshalb muss ich heute Abend erst mal einkaufen, um das Notwendigste zu besorgen. Das könnte ein paar Stunden in Anspruch nehmen. Ist es okay für dich, wenn du die Tür nicht abschließt? Ich verspreche auch, spätestens um zehn zurück zu sein.«

Sie nickte. »Sicher. Dann bis später.«

Irgendetwas sagte mir, dass dieses neue Arrangement all meine Grenzen ausloten, wenn nicht gar überschreiten würde.

4

Paige

Nachdem ich ihn zur Tür begleitet hatte, legte ich die Hand auf mein hämmerndes Herz und fragte mich, was zum Teufel da gerade passiert war. Wie war es möglich, dass ich eben noch einen ruhigen Abend allein verbringen wollte und mich dann unversehens auf einen neuen Mitbewohner einstellen musste? Und zwar nicht auf irgendeinen Mitbewohner, sondern den sexy Bruder meiner besten Freundin, der absolut tabu war … Cannon Roth, Gott steh mir bei.

Ich sog einen tiefen Atemzug in meine Lungen und schüttelte die Gedanken ab. Ich mochte mich vielleicht von ihm angezogen fühlen, aber ich würde mir auf keinen Fall erlauben, dem nachzugeben. Daher spielte es keine Rolle, wie attraktiv, wie dominierend und wie sexy er war. Ich würde einfach einen kühlen Kopf bewahren, ruhig bleiben, vernünftig sein und das Beste aus den nächsten zwei Monaten machen. Ja, all das, und dann würde ich ein paar Ersatzbatterien für meinen getreuen Dildo kaufen.

Unwillkürlich ging ich über den Flur zu dem Gästezimmer, das ich Cannon erst vor ein paar Minuten gezeigt hatte. Es war nur durch eine dünne Wand von meinem Schlafzimmer getrennt. Ich fragte mich, ob ich ihn wohl hören würde, wenn er sich einen runterholte. Würde er Mädchen mit nach Hause bringen, während ich gezwungen war zuzuhören, allein in meinem Bett? Ich könnte ein Sex-Verbot aussprechen, um zu vermeiden, dass ich irgendwelche peinlichen Affären ertragen müsste. Aber dann würde er bestimmt einen Weg finden, dies gegen mich zu verwenden, indem er behauptete, ich wäre eifersüchtig.

Vielleicht hatte ich diese neue Wohnsituation noch nicht gut genug durchdacht.

Ich ging in die Küche, nahm die halbvolle Flasche Chardonnay aus dem Kühlschrank und schenkte mir ein Glas ein. Mit bebenden Fingern führte ich es an meine Lippen und nahm einen winzigen Schluck. Und noch einen. Als ich nach Hause gekommen war, hatte ich das Gefühl gehabt, kurz vorm Verhungern zu sein, doch jetzt war mir der Appetit vergangen.

Ich nahm meinen Wein mit ins Wohnzimmer, schaltete den Fernseher ein und machte es mir auf dem Sofa bequem.

Cannon hatte nichts von Miete gesagt. Wenn er glaubte, er könnte hier umsonst wohnen, nur weil er der Bruder meiner besten Freundin war, dann hatte er sich gewaltig getäuscht. Ich sollte zumindest für die Unannehmlichkeit entschädigt werden, meine Wohnung teilen zu müssen.

Ein paar weitere Schlucke Wein, und meine Muskeln fingen an, sich zu entspannen. Enchilada sprang neben mir aufs Sofa und schmiegte sich an meinen Arm. Ich nahm seine ganzen zweieinhalb Kilo und setzte sie mir auf den Schoß.

»Tut mir leid, Kumpel. Sieht so aus, als wärst du jetzt nicht mehr der Mann im Haus«, murmelte ich, während ich sein samtweiches Fell streichelte. So richtig diese Feststellung auch war, hatte ich doch keine Ahnung, wie kompliziert mein Leben demnächst werden würde.

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Cannon

Im Einkaufszentrum besorgte ich Socken, Unterwäsche, Jeans und ein paar langärmelige Pullis. Auch ein zusätzliches Paar Schuhe legte ich mir zu. Als meine Wohnung verwüstet wurde, war ich gerade in der Klinik gewesen, das heißt, alles, was mir geblieben war, waren die Sachen, die ich anhatte, sowie mein Rucksack und mein Laptop. Freunde hatten mir ein paar Sachen geliehen, und auch wenn die Versicherung noch nicht gezahlt hat, war es an der Zeit, mir das Wichtigste zuzulegen.

Ich ging in eins dieser Mega-Center, die vierundzwanzig Stunden geöffnet haben, und kaufte dort Kissen, Bettwäsche, Handtücher, Shampoo, Duschgel, ein paar Einwegrasierer und eine neue elektrische Zahnbürste. Als ich an einem Regal mit frischen Blumen vorbeiging, kam mir eine Idee. Ich nahm einen großen Strauß Wildblumen und machte mich dann auf die Suche nach der Abteilung für Tiernahrung. Ich warf eine Packung Hundeleckerli in den Wagen und grinste schief. Vielleicht tat ich das alles, um mich als guter Mitbewohner zu erweisen. Andererseits sehnte ich mich vielleicht mehr danach, sie flachzulegen, als ich mir eingestehen wollte. Ich schüttelte diese Gedanken ab und ging zur Kasse.