Hautnah und immer näher - Anne Marsh - E-Book

Hautnah und immer näher E-Book

Anne Marsh

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Beschreibung

Es ist der verrückteste Tag in Harpers Leben: Die aufstrebende Bankerin lässt sich nach einer fiesen Trennung ihr erster Tattoo stechen, und dann macht ihr auch noch der gefährlich gut aussehende Tattookünstler und Biker Vik ein unanständiges Angebot. Soll sie es annehmen und mit ihm schlafen? Einfach so? Vik ist jedenfalls höllisch anziehend. Als Harper sich traut, eröffnen sich ihr faszinierend neue erotische Welten, und sie gerät in einen Strudel der Emotionen. Doch um keinen Preis darf sie Vik zu nahe kommen, zu viel für ihn empfinden - denn er liebt die Freiheit und fühlt sich nur in seinem finsteren Bikerclub zuhause …

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Seitenzahl: 287

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MIRA® TASCHENBUCH

Copyright © 2018 by MIRA Taschenbuch in der HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

© 2018 by Anne Marsh Originaltitel: „Inked“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: BLAZE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./SARL Übersetzung: Rainer Nolden Coverabbildung: GettyImages_zegers06

ISBN E-Book 9783955769512

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E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

WIDMUNG

Für Jimmy, den Kuchen-Experten

Die besten Männer sind zweifellos die,

die für ihre Frauen backen, ihnen Cupcakes mitbringen

und auch sonst – nicht nur im Schlafzimmer – auf sie achten.

Vielen Dank, Jungs!

1. KAPITEL

Vik

Noch ehe ich ihre samtweiche, schimmernde Haut berühre, verspüre ich bereits den dringenden Wunsch, ihr den Po zu versohlen und mein Brandzeichen auf ihr zu hinterlassen. Ich will sie besitzen. Ich will diesen herzförmigen Hintern berühren und ihre süßen, dunklen Geheimnisse erkunden. Es spielt keine Rolle, dass sie einen züchtigen weißen Baumwollslip trägt, der zwar viel verdeckt, aber einen Mann umso eher auf den Gedanken bringt, aus einem anständigen Mädchen ein unanständiges zu machen. Sie hat das Höschen ein wenig nach unten geschoben, damit ich Platz zum Arbeiten habe. Sehr aufmerksam, nicht wahr? Ich kann den Blick nicht von der Tätowierungsliege abwenden, auf der sie sich ausgestreckt hat, um darauf zu warten, dass ihr Körper von mir verschönert wird. Ich bin der Erste, der das bei ihr machen darf; alles, was mein begieriges Auge wahrnimmt, ist unberührte, jungfräuliche Haut.

Und ich habe schon befürchtet, der Abend würde langweilig werden.

Mein Tattoostudio „Ink Me“ liegt an einer verkehrsreichen und auch ein bisschen schmuddeligen Straße im Osten von Las Vegas. Hier arbeite ich immer, wenn ich mich nicht um meinen Motorradclub kümmere. Die meisten Leute, die zu mir kommen, entscheiden sich aus einer Laune heraus für ein Tattoo. Durch das große Schaufenster meines Ladens können Passanten und Spaziergänger ungehindert beobachten, wen ich gerade behandele. Vielleicht ist es meiner neuesten Kundin egal, dass die Fußgänger Stielaugen machen. Vielleicht törnt sie das sogar an. Ich würde das nie verurteilen. Schließlich liest sich meine eigene Liste von unanständigen Vergnügungen wie eine Enzyklopädie der Laster. Ich werde mich dafür weder entschuldigen noch rechtfertigen. Ich weiß, was ich mag, und ich sorge dafür, dass ich es bekomme. Ich bin ein Genussmensch und kein verdammter Heiliger, und diese hübsche Schnitte zu behandeln, ist das dringend benötigte Sahnehäubchen auf einem ziemlich misslungenen Sonntag.

Die Leute bewegen sich gern in Gesellschaft, wenn sie sich sündigen Ausschweifungen hingeben. Auch die Besitzerin dieses jungfräulichen Arsches hat eine Begleiterin dabei, und die scheint eine ausgesprochen kompetente Gesellschaft zu sein. Das knappe schwarze Cocktailkleid, die Schuhe mit den endlos hohen Absätzen und das enge rote Lederhalsband lassen darauf schließen, dass man mit ihr eine Menge Spaß haben kann. Die Frisur – halblange, geglättete Haare, die sich wie ein Vorhang an den Kopf schmiegen – verrät eine gewisse Eleganz, die hier im rauen Ostteil von Las Vegas eher selten anzutreffen ist. Jemand, der ein Auge für die Verpackung hat, wird den Inhalt umso mehr zu schätzen wissen. Wahrscheinlich lässt sie sich die Bikinizone waxen oder trägt sogar den Hollywood Cut und hat eins dieser Piercings in der Klitoris, mit denen meine Zunge so gerne spielt. Normalerweise wäre Blondie genau das Geschenk, das ich nur zu gern auspacken würde, um sie anschließend an dem engen Lederhalsband durchs Zimmer zu führen, aber der fantastische Hintern auf meiner Liege übertrumpft heute Abend alle anderen Attraktionen.

„Na, Mädels, was kann ich denn für euch tun?“ Ich nicke der Blondine zu. Der Duft von Erdbeerdaiquiri schießt mir in die Nase. Ich hoffe bloß, dass die Frau, die sich vor mir ausgestreckt hat, nüchterner ist. Es ist nicht gut, jemandem ein Tattoo zu stechen, der mehr Alkohol als Blut in den Adern hat.

„Harper möchte ein Tattoo“, verkündet Blondie.

Was für ein Name ist das denn?! Harper! Er klingt verklemmt und sehr sauber, viel zu sauber für das verlockende Paar Beine, das sie mir auf meiner Liege präsentiert. Obwohl: Zu der Kleidung passt der Name irgendwie. Die weiße Baumwollbluse, die sie am Rücken hochgeschoben hat, passt zu dem weißen „Rühr-mich-bloß-nicht-an“-Slip … Und ihr Rock, den sie aufgeknöpft und dessen Reißverschluss sie heruntergezogen hat, damit ich besseren Zugang habe, ist wie gemacht für vornehme geschäftliche Meetings. Wenn du so viele Frauen flachgelegt hast wie ich, dann kennt man sich ganz gut mit Mode aus. Dolce & Gabbana sind verdammt teure Klamotten. Dass sie nicht minderjährig ist, ist allerdings ein Pluspunkt. Solange sie ihre Brötchen nicht als Anwältin oder Richterin verdient, passt es schon.

Oder eben nicht. Dann hat das Mädel halt Pech gehabt.

Die weiße Bluse, das ebenso schneeweiße Höschen und der Business-Rock sind zweifellos Requisiten aus dem Kleiderschrank eines braven Mädchens. Aber ihre Schuhe sind der Wahnsinn. Absolut sexy. Schwarzes, durchbrochenes Wildleder, aus dem niedliche Zehen hervorlugen. Vor meinem geistigen Auge stelle ich mir ihre gefesselten Füße vor und überlege, dass ich auch für den restlichen Körper ein paar Stricke verwende, um ihr zu zeigen, wie prickelnd es sich anfühlen kann, wenn man ein bisschen pervers ist.

Eine Frau, die sich von Kopf bis Fuß für den Erfolg zu kleiden versteht und einen Mann um den Verstand zu bringen weiß, wenn sie ihm ihre Füße hinstreckt, muss man einfach bewundern. Sie hat verdammt lange Beine – und die Absätze machen sie weitere zehn Zentimeter größer. Ich bin ziemlich groß, aber sie reicht mir problemlos bis zur Schulter. Außerdem ist sie nicht zu dünn, Gott sei Dank. Ordentlich ausgestattet überall dort, wo eine Frau ordentlich ausgestattet sein muss – nicht so ein empfindliches Blümchen, das beim ersten Stoß zusammenknickt.

„Fang bei ihrem Po an und arbeite dich nach oben vor“, befiehlt Blondie.

Mit Vergnügen.

So habe ich das mein ganzes Leben lang gemacht. Hatte eine ziemlich krasse Jugend mit meinem alten Herrn. Der fuhr Motorrad in einem Club in der Nachbarschaft und verschaffte mir ein Dutzend Patenonkel, die mir den Rücken freigehalten und mir ordentlich den Kopf gewaschen haben, wann immer ich es brauchte. Das erste Bier mit zwölf, die erste Frau mit fünfzehn, der erste Roller mit sechzehn. Da ich nicht der Hellste war, habe ich die Schule nur mit Ach und Krach geschafft. Das Leben auf der Straße und die willigen Muschis haben mir viel zu viel Spaß gemacht, als dass ich mir viele Gedanken über meine Zukunft gemacht hätte.

Meinem alten Herrn ging das mächtig gegen den Strich, aber das Recht, mich deswegen zusammenzuscheißen, verlor er an dem Tag, als ich achtzehn wurde und im örtlichen Rekrutierungsbüro meine Unterschrift unter die Bewerbung zur Marine setzte. Ein paar Jahre auf hoher See haben aus mir einen anderen Menschen gemacht. Na ja, fast einen anderen. Ich war zwar nicht zum Berufssoldaten geboren, aber die Zeit mit Onkel Sams Knaben hat mich einiges gelehrt: Disziplin, Training, die Lust am Tätowieren und die Fähigkeit, einen draufzumachen, sobald wir Landgang hatten.

Mein Motto lautete: Das Leben ist eine Party. Ich habe mich durch ein Dutzend verschiedene Häfen gesoffen und gevögelt und in jedem meine Duftmarke hinterlassen.

Und das Schönste: Die Party hat nie aufgehört.

Als ich mit einundzwanzig Jahren nach Hause kam, haben mein alter Herr und ich ein Bier getrunken und unbeholfenen Small Talk gemacht. Mein Dad war keineswegs kleiner oder älter geworden – aber er erschien mir einfach nicht mehr so groß. Ich weiß nicht, woher ich meine Gene habe, aber meine Kumpels vom Hard Riders Motorclub nennen mich den „Wikinger“ – aus mehr als einem Grund. Ich kämpfe nicht nur wie ein Berserker; ich sehe auch aus wie einer. Mein hübsches Gesicht ist nur die Verpackung auf einem tödlichen Paket. Mädels, ich habe euch gewarnt!

Die Schönheit auf meiner Liege rutscht ungeduldig hin und her. „Können wir mal anfangen?“

Mein Blick wandert zum Kopf der Süßen. Ich sollte nicht dauernd auf ihren Arsch starren. Sie hat dunkles glänzendes Haar – so dunkel, dass es fast schwarz ist. Im Nacken hat sie es zu einem langen glatten Pferdeschwanz gebunden. Ich habe das Gefühl, sie hat mich durchschaut und kennt inzwischen alle meine Fantasien. Wenn wir alleine wären, würde ich die langen weichen Haare um meine Faust wickeln, während ich sie von hinten bumse.

Ich brauche schmutzigen und wilden Sex. Nett und sanft stehen nicht in meinem Wörterbuch.

„Dann erzähl mir mal erst, was du möchtest. Ich weiß nicht, ob die Lady am Empfang das auf die Reihe gekriegt hat.“ Gia ist süß, aber mit dem Organisieren hat sie es nicht so. Eigentlich müsste ich sie feuern, aber das würde bedeuten, dass ich mich um eine Neue für vorn im Laden kümmern muss. Außerdem hat sie ein strahlendes Lächeln und mich noch nie verarscht. Und es wäre auch nicht leicht für sie, einen neuen Job zu finden, denn sie hat einen zweijährigen Sohn und muss ziemlich viel für die Ganztags-Kita bezahlen.

„Ein Tattoo.“ Ungeduldig trommelt sie mit ihren Fingernägeln, die genauso lackiert sind wie die Fußnägel, als wäre sie die Königin von Saba. Eigentlich sollte ich ihren Befehlston abtörnend finden, aber ich mache mir nichts vor. Ich vögle alles, was mich anlächelt. Ich bin nämlich nicht gern allein. Nur Verpflichtungen oder Affären, die zu lange dauern, mag ich gar nicht gern.

„Tätowier mich genau hier.“ Sie nimmt den Arm nach hinten und deutet auf eine Stelle oberhalb ihrer niedlichen Arschbacken.

Ich greife nach dem Musterbuch auf meinem Rolltisch. „Willst du irgendwas Bestimmtes? Gibt es irgendeinen besonderen Anlass?“

Ich frage sie, damit sie weiterredet. Frauen wie sie, die wie aus dem Ei gepellt sind und sich hier im Osten der Stadt eine Prise Unterschichtenleben reinziehen, wollen gewöhnlich einen Regenbogen oder Blumen. Sie mögen harmlose, winzige Tattoos und nichts in Lebensgröße. Manchmal möchten sie den Namen ihres Lovers oder Freundes in die Haut gestochen haben. Tote und Verflossene sind ebenfalls beliebt. Entweder feiert man die Lebenden auf Teufel komm raus oder betrauert ihren Verlust. Ich habe kein Problem damit, einer Frau ihren Besitzanspruch auf den Arsch zu stechen. Ganz und gar nicht. Problematisch wird es erst, wenn sie eine Woche oder einen Monat später wieder auftaucht und von mir verlangt, „etwas Nettes“ über das Tattoo zu stechen. Sex ist nicht nett, wenn man ihn mit echter Liebe verwechselt, und echte Liebe ist so selten wie ein Einhorn, das es mit einem Dodo treibt.

„Dieser Idiot“, zwitschert Blondie.

Na toll. Heute Abend feiern wir also einen Tod und den Deppen, der seine Chance endgültig in den Wind geschossen hat.

Ich lasse mich auf meinen rollbaren Stuhl fallen und schiebe mich näher heran. Während Blondie riecht, als sei sie in ein Fass mit Erdbeerdaiquiri gefallen, muss ich meine Nase fast bis an die Schulter meiner Kundin bringen, ehe ich etwas von ihr erschnuppere. Ein flüchtiger, zurückhaltender Duft, mit dem sich die Mädels aus den Nachtclubs schon in der Parfümerie einsprühen, weil sie sich eine ganze Flasche davon niemals leisten können. Die Haut meiner Schönen riecht nach Vanille und Kokosnuss – eine unwiderstehliche Aufforderung, sie zum Nachtisch zu vernaschen.

Auf meinem Stuhl sitze ich hinter ihr und erhasche einen Blick auf ihr Gesicht, das sich im Schaufenster spiegelt. Wie zufällig berühre ich ihre Schulter mit meiner, als ich ihr die Hand gebe. „Vik. Schön, dich kennenzulernen, Harper.“

Meine Hände sind groß, rau und rissig. Auf die Knöchel habe ich kyrillische Buchstaben tätowiert, sodass kaum weiße Haut zu sehen ist. Ich bin hier geboren, aber mein alter Herr ist als Zwanzigjähriger aus Russland rübergekommen. Er hat eine Menge Mist gebaut, bevor er Mitglied im Motorradclub geworden ist. Außerdem hat er mich mit ein paar einschlägigen Typen bekanntgemacht, nachdem ich mein Gastspiel bei der Navy beendet hatte. Bekanntschaften, die bei mir Spuren hinterlassen haben.

„Kannst du ein bisschen konkreter werden? Was genau möchtest du denn?“

„Keine Blumen und keine Herzen“, antwortet sie entschlossen. „Bloß nicht so einen Mist. Heute war ein schlimmer Tag.“

„Dann erzähl Doktor Vik doch mal alles“, schnurre ich.

„Ich bin von der Arbeit nach Hause gekommen“, antwortet sie. „Hört sich nicht besonders aufregend an, nicht wahr? Hab meine Schuhe ausgezogen, mir etwas zu essen aufgewärmt, bin in die Wanne gestiegen und hinterher ins Bett gefallen.“

Fast unmerklich verschleift sie ein paar Konsonanten. Sie ist also auch nicht ganz nüchtern. Im Geiste ergänze ich die Lücken in ihrem Bericht. Eine andere Frau in ihrem Bett, ein „Wir müssen reden“-Moment, ein Streit … Entweder etwas davon oder eben alles zusammengenommen. Die Schönheit macht nicht gerade einen wehmütigen Eindruck. Andererseits sieht sie auch nicht aus wie eine Frau, die sich normalerweise tätowieren lässt.

Ich fische nach dem schmalen Edding in meiner Gesäßtasche und ziehe die Kappe ab.

„Er hat mich rausgeschmissen.“

Er. Der Idiot. Ihr Ex.

„Scheißkerl“, kommentiere ich mitfühlend und schiebe ihr den Pferdeschwanz über die Schulter.

„Das kannst du laut sagen“, pflichtet sie mir bei. „Er hat meine Sachen von einem Umzugsdienst einpacken und in die Garage stellen lassen. Ich konnte nicht mal bestimmen, welche Teile aus unserem Leben ich behalten kann. Er hat nur auf die Sachen gezeigt, die wildfremde Typen dann in Kisten verpackt haben. Und er hat meine Katze behalten.“

„Ich könnte ihm einen Besuch abstatten und ihn in den Arsch treten. Sozusagen eine kleine Revanche für dich.“

Ein schiefes Lächeln huscht über ihre Lippen. „Hört sich gut an. Da könnte ich glatt in Versuchung geraten.“

„Das Angebot steht.“ Als ich mit der Hand über ihre Haut streichle, zuckt sie zusammen. „Es gehört zu meinem Job, dich zu berühren. Und dein Job ist es, mir zu sagen, was du willst.“

Im Bett, außerhalb des Betts, stehend an der Wand – ich tue, was sie mir befiehlt.

„Irgendwas zur Feier des Tages, dass ich ihn los bin – wenn auch nicht zu meinen Bedingungen“, verlangt sie.

„Wie viel hast du heute denn schon getrunken, Sweetheart?“

Sie zieht die Augenbrauen zusammen und streckt ihre Finger aus. An ihrem Handgelenk baumelt ein Armband, ein hübsches kleines Spielzeug mit einem Herzen und einem Schlüssel daran. Ein Geschenk von dem Mistkerl, oder hat sie es sich selbst gekauft? „Vier. Nein – fünf Drinks.“

„Vertraust du mir?“

„Ganz und gar nicht“, erwidert sie. Sie ist also genauso clever, wie sie aussieht. „Sag mir, an was du denkst.“

„An einen Feuervogel.“ Ich fahre mit dem Edding über ihre Haut und zeichne das Bild, das mir vorschwebt. Vielleicht weiß sie eine russische Märchenfigur auf ihrer Haut nicht zu schätzen, aber ich sollte sie nicht unterschätzen. Sie weiß, was sie will. Kräftige schwarze, orangefarbene und rote Linien scheinen genau das Richtige zu sein für ihren Rücken, unter dessen Haut sich ihre Muskeln abzeichnen.

„Du redest nicht viel, Vik.“ Sie schließt die Augen und atmet lange aus.

„Schlaf mir bloß nicht ein.“

Sie schüttelt den Kopf. „Dann langweile mich nicht.“

„Kleines Miststück“, sage ich humorvoll. „Der Feuervogel ist ein Dieb und schwer zu fangen. Er wäre fast erwischt worden, als er die Äpfel des Königs gestohlen hat, weil der König seinen Söhnen befohlen hatte, jeden zu fangen, der sein Land betritt. Ivan bekommt ihn zu fassen, aber alles, was er festhalten kann, ist eine Feder. Der Rest des Vogels entwischt ihm, und Ivan verbringt den Rest seines Lebens damit, ihn zu jagen.“

„Das ist die ganze Geschichte?“ Gähnend vergräbt sie das Gesicht im Leder.

„Ich tätowiere nur einen Teil davon, okay?“

„Okay.“

Ich spüre den vertrauten Adrenalinstoß, während ich fortfahre, den Vogel auf ihre untere Rückenpartie zu skizzieren. Er hat die Flügel ausgebreitet, um in die Freiheit zu fliegen. Der nach unten gebogene Schwanz, lockend und flirtend, ist ein spöttischer Gruß an den Mann, den er im Obstgarten des Königs zurücklässt. Das ist meine Haut, mein Stück Leinwand, das ich tätowiere, mir aneigne und ihr zurückgebe, wenn ich darauf die Geschichte erzählt habe, die wir miteinander geteilt haben. In diesem Moment gehört sie mir voll und ganz. Sie entspannt sich unter meiner Berührung. Meine rissigen Finger fahren vorsichtig über ihre Haut, bereiten sie vor.

Ich pfeife auf die Regel, Abstand vom Kunden zu halten. Ich beuge mich ganz nahe an ihr Ohr und flüstere ihr zu: „Jetzt wird’s ganz schön wehtun.“

2. KAPITEL

Harper

Vik erinnert sich nicht an mich.

Der heißeste Typ, den ich jemals angefasst habe – und Gott sei Dank habe ich ihn angefasst –, stellt sich vor, als wäre ich eine Fremde. Als hätte er mich niemals geküsst, nie seinen Schwanz in mich hineingeschoben, mich nie dazu gebracht, Millionen Sterne zu sehen, weil er sich so verdammt gut in mir anfühlte. Ein Klassentreffen, eine Kiste Bier und eine ausschweifende Party haben offenbar dafür gesorgt, dass er all das vergessen hat.

Selbst durch die Gummihandschuhe, die er trägt, spüre ich seine Stärke und die Hitze, die mich versengt. Seine leichte Berührung hat etwas seltsam Verführerisches. Vielleicht bin ich aber auch einsamer, als ich dachte, wenn ich schon die bloße Berührung seiner Finger auf meiner Haut als etwas Tröstliches empfinde. Ich bezahle ihn für diesen Kontakt, und ich bin viel betrunkener, als man in einem Tattoostudio sein sollte.

Dieser Tag – dieser Abend – ist ein Tag für Premieren.

Das blonde Haar fällt ihm ins Gesicht, während er summend die Nadel über meinen Rücken führt. Die erste Berührung ist ein Stich, heftig und ungeschützt, der sich zu etwas Intensiverem, Dunklerem entwickelt. Ich presse mich tiefer auf die Liege, um diesem schmerzhaften Brennen zu entkommen, aber es gibt keinen Ausweg für mich. Warum bin ich eigentlich hier?

Weil der Mann, den du zu heiraten glaubtest, dich abserviert hat.

Weil du immer wieder dasselbe tust und eigentlich etwas anderes willst.

Weil du dein ganzes Leben auf einmal an die Wand gefahren hast.

Ich stoße einen Laut aus, der ein Zeichen von peinlicher Wehleidigkeit ist. Ich muss das hier nicht tun. Ich kann jederzeit gehen. Jetzt hat er eine neue Hautpartie mit seiner Nadel entdeckt, und ich jammere.

„Atme gleichmäßig.“ Mit einer Hand hält er mich fest wie in einem Schraubstock. Ich sollte aufstehen. Ich sollte ihm sagen, dass ich meine Meinung geändert habe. Ich hatte keine Ahnung, dass es so wehtut. Wenn er mit seiner Nadel über meine Haut kratzt, entstehen dünne, üble Linien, die er so tief in mich hineinschabt, dass ich sie überall spüre. Wie um mich zu beruhigen, reibt er sanft mit seinem Daumen über die unberührten, untätowierten Stellen meiner Haut.

Ich drehe den Kopf, um Brooklyn anzuschauen. „Du bist schuld.“

Sie lacht meckernd und zieht ihr Handy aus der Jackentasche. Statt Mitgefühl zu zeigen, dokumentiert sie den Augenblick für die Ewigkeit auf Facebook. „Du hast gesagt, du willst nach vorn schauen. Und etwas Mutiges und Verrücktes tun, um dich immer an diesen besonderen Moment in deinem Leben zu erinnern.“

„Das habe ich nach zwei Dirty Martinis gesagt“, protestiere ich lahm.

Summend beugt Vik sich tiefer über mich. Er tut mir weh. Einerseits würde ich Brooklyn am liebsten in den Hintern treten, weil sie mich dazu überredet hat; andererseits möchte ich, dass Vik mir immer näher kommt. Dass er mich noch intensiver berührt, um das Stechen zu mildern, das er mit seinen großen Händen verursacht. Vielleicht ist es aber auch die besonnene Kraft, mit der er mich festhält, mit der er mich tröstet und mir wehtut und aus dem Schmerz etwas Wunderschönes hervorzaubert.

Glücklicherweise lenkt Brooklyn mich ab. „Gilt trotzdem.“

„Sie ist Steuerfachfrau“, murmele ich, während Brooklyn mir einen Vogel zeigt. Sie steht kurz davor, wegzudösen. Die Augen hat sie bereits halb geschlossen.

Hinter mir höre ich Viks verächtliches Schnauben. „Echt?“

„Brooklyn sieht nicht wie eine Wirtschaftsprüferin aus, aber glaub mir: Du solltest dir wirklich Sorgen machen, wenn sie jemals auf die Idee kommt, deine Bücher durchzuchecken. Sie spürt jedes Geheimnis auf, das du irgendwo zu verstecken versuchst.“

„Du hättest zu mir auf die dunkle Seite rüberkommen können“, krächzt sie. „Aber nein. Du musstest ja mit den Typen vom Investmentbanking abhängen, die all dieses schöne Geld scheffeln. Für dein Bankkonto hättest du diesen Idioten wirklich nicht gebraucht. Ich hoffe für dich, dass er wenigstens einen gigantischen Schwanz hatte.“

Die Nadel brummt, und der Schmerz wird heißer und intensiver, während Vik mit seiner Arbeit fortfährt. Ich hole tief Luft und beginne, durch die Wellen des Schmerzes zu zählen, um mich abzulenken. Es gelingt mir ziemlich gut.

Vik

„Erzähl mir mehr von diesem gigantischen Schwanz.“ Harper verspannt sich, während ich mit der Nadel über ihre Haut fahre. Trotzdem breitet sich ein Grinsen auf ihrem Gesicht aus.

„Er war hübsch“, antwortet sie. „Überall.“

Blondie – Brooklyn – zieht eine Augenbraue hoch. „Hat er denn gewusst, was er mit seinem Joystick machen muss? Andernfalls ist das Ding nämlich nur ein Griff, an dem du ihn herumführen kannst.“

Harper kichert. „Der Mann konnte stundenlang damit spielen. Er hat es immer bis zum Bonuslevel geschafft – und was seine Treffer angeht, ist er Spitzenreiter.“ Erneut kichert sie. „Das meine ich übrigens wörtlich.“

„Das sagst du nur, weil du es noch nicht mit mir zu tun hattest“, bemerke ich.

Vielleicht sollte ich besser die Klappe halten. Ich denke ein paar Sekunden über diese Option nach, bevor ich sie verwerfe. Warum sollte ich mich zurückhalten?

„Du nimmst wohl kein Blatt vor den Mund, wie?“ Harpers Hände zucken auf der Liege, sie verkrampft die Finger und löst sie wieder, während ich ihren Rücken bearbeite. Sie will noch mehr sagen, doch dann stöhnt sie leise, zieht scharf die Luft ein und erstarrt zur Salzsäule. Das ist der Moment, an dem manche Leute aufgeben und von meiner Liege klettern. Andere meckern und fluchen. Man muss die Schmerzen aushalten, ihren Rhythmus erspüren und sich in jede Welle hineinfallen lassen. Dann kommt irgendwann der magische Moment, wenn man wieder auftaucht aus dieser Welle, und auf einmal befindet man sich wie durch ein verdammtes Wunder an einem ganz anderen Ort.

Ich tätowiere eine neue, tiefere Linie in ihre Haut. „Man muss das Eisen schmieden, solange es heiß ist“, kontere ich.

„Hast du denn viel mit heißen Eisen zu tun?“ Harpers Stimme klingt ebenso rauchig wie belustigt, aber unter der Oberfläche spüre ich einen Hauch von Unbehagen. Auf eigenartige Weise zieht sie mich unheimlich an. Ich sollte mich besser nicht über sie beugen und jede Linie küssen, die ich in ihren Rücken geritzt habe. Ihre gerade Wirbelsäule, die sich unter ihrer Haut abzeichnet, so lange lecken, bis sie unter mir zerfließt. Sie ist eine Kundin, und egal, was für verfickte Gedanken mir durch den Kopf gehen – sie haben gefälligst da drin zu bleiben.

„Eher mit heißen Öfen“, antworte ich mit rauer Stimme. „Ich fahre Motorrad. Ich bin Mitglied beim Hard Riders MC.“

„MC?“ Sie dreht den Kopf, um mir ins Gesicht sehen zu können.

„Motorradclub.“

„Ist das nicht illegal?“

„Kommt drauf an, wen du fragst, Sweetheart. Und auch darauf, was wir gerade vorhaben. Meistens sind wir brav wie Pfadfinder. An Weihnachten machen wir sogar eine Parade.“ „Und an den anderen Tagen?“

„Kümmern wir uns um unser Geschäft.“

Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, mit dem Daumen über ihre Wirbelsäule zu fahren. Die Frau hat mehr Knoten auf dem Rücken als das Makramé-Zeugs, das mein Bruder Cord im Gefängnis zu knüpfen gelernt hat. Es sollte eine Therapie sein und für Entspannung sorgen. Was für Cord erst dann funktionierte, als er mit seinen neuen Fähigkeiten ein paar Stripperinnen gefesselt und ihnen die hohe Kunst des Bondage beigebracht hat, nachdem er wieder auf freiem Fuß war.

„Mach weiter.“ Blondies Worte sind leise und schleppend. Sie hat vollkommen recht. Wenn Harper diesen Trottel vergessen will, bin ich der richtige Mann, ihr dabei zu helfen.

Harper zuckt zusammen, als ich mit meiner Nadel einen besonders empfindlichen Punkt treffe. „Wann sind wir denn endlich fertig?“

„Sweetie“, sage ich, mein Mund ganz nahe an ihrem Ohr, „wir haben ja noch nicht mal richtig angefangen.“

Ich weiß es aus eigener Erfahrung, wie es sich anfühlt, wenn die Nadel in die Haut sticht und dass der Schmerz nie wirklich ganz nachlässt. Die Scheiße tut echt weh. Das Leben auch. Aber dieser Schmerz ist selbst gewähltes Schicksal, und er führt zu einem fantastisch schönen Ergebnis, wenn ich meine Arbeit ordentlich mache. Auf Harpers Rücken nimmt mein Feuervogel allmählich Gestalt an – zuerst die Flügel, dann der Kopf. Ich verliere mich in den Linien, der Zeichnung und den Farben, hole etwas aus ihrem Inneren hervor und bringe es nach außen, sodass es für jeden sichtbar wird.

Lange Zeit bleibt Harper ganz still. Ich beuge mich tiefer zu ihr hinunter, um sicherzugehen, dass sie nicht eingeschlafen ist. Nicht, dass sie besonders viel redet, aber hin und wieder ein Lebenszeichen wäre nicht schlecht. Ihre Augen sind geschlossen und ihre Lippen leicht geöffnet, aber ich brauche sie hellwach und ganz bei mir.

„He! Alles in Ordnung?“ Ich fahre mit den Fingerknöcheln über ihre Wange und verfluche den Latex zwischen meiner und ihrer Haut.

Langsam öffnet sie die Lider. Sie hat sehr schöne, sanfte Augen. „Es schmerzt.“

„Ein guter oder ein schlechter Schmerz?“

Sie runzelt die Stirn, als hätte sie meine Frage nicht verstanden. Es sieht niedlich aus. „Ein guter Schmerz?“

„Ja. Die Art von Schmerz, in dem du verbrennst. Wo du dich einfach nur dem Gefühl hingeben und es irgendwie überleben musst. Spürst du mich?“

Die Falten auf ihrer Stirn werden tiefer. Deshalb zeige ich ihr, was ich meine. Ich ziehe eine neue Linie. Sie windet sich auf der Liege hin und her und drückt ihre Muschi gegen das Leder, als ob es sich öffnen und ihr einen Fluchtweg erlauben würde.

„Du hast dir das selbst ausgesucht“, erinnere ich sie. „Du hast deinen süßen kleinen Arsch ganz freiwillig auf meine Liege befördert. Entweder hältst du den Schmerz aus, oder du lässt ihn los und verlierst dich in ihm. Versuch’s einfach. Ich glaube, das könnte dir gefallen.“

Ich ziehe meinen Daumen über ihre Wirbelsäule und versuche dabei, einen der Knoten zu lösen. Investmentbanking ist nicht gerade ein verdammter Spaziergang, und ihr Körper scheint mir recht zu geben. Sie ergibt sich meiner Berührung, und der Muskel unter meiner Fingerkuppe entspannt sich. Dann windet sie sich wieder auf der Liege.

„Wenn du dich dabei besser fühlst, ist es gut“, sage ich barsch. So gut wie die Farbe der Tinte, die ich in ihre Haut hineinspritze. Die purpurroten Federn scheinen fast von ihrem Rücken abzuheben; sie wirken ziemlich realistisch. „Und du hast gute Gefühle verdient, hörst du?“

„Ja“, antwortet sie so leise, dass ich sie kaum verstehen kann. „Habe ich wirklich.“

Blondies Kopf schlägt mit einem dumpfen Schlag gegen die Schaufensterscheibe. Ich weiß nicht, ob sie ohnmächtig geworden oder eingeschlafen ist, aber ihre Freundin sieht sehr besorgt drein.

„Warte mal kurz.“ Ich lege mein Werkzeug beiseite und streife die Handschuhe ab. „Schneewittchen braucht meine Hilfe.“

„Schneewittchen?“ Harper dreht den Kopf und betrachtet ihre Freundin, die halb auf und halb neben dem Stuhl am Fenster sitzt. Eigentlich könnte sie mir vollkommen schnuppe sein, aber sie ist nun mal mit Harper gekommen.

Ich wische mir die Hände an meiner Hose ab. „Brauchst du einen Anstandswauwau?“

Harper prustet los. „Willst du Brooklyn irgendwo verstecken?“

„Nee.“ Kopfschüttelnd gehe ich hinüber zu Blondie. Harper beobachtet mich misstrauisch, da sie nicht weiß, was ich vorhabe. Ich nehme ihre Freundin auf die Arme. „Ich werde sie umbetten. Auf der Couch liegt sie bequemer.“

Ich bringe sie ins Vorzimmer und lege sie auf das Ledersofa. Gia ist in ein Spiel auf ihrem Handy vertieft und schaut gar nicht hoch. Der Raum ist kühl von der Klimaanlage, die fast den ganzen Tag gelaufen ist. Deshalb ziehe ich meine Lederjacke aus und lege sie über Harpers Freundin. Die Nippel, die sich durch ihr paillettenbesetztes Tanktop abzeichnen, zeigen deutlich, dass der Lady kalt ist. Es ist zwar August in Las Vegas, aber auch zwei Uhr morgens. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, und ich will nicht, dass sie erfriert – oder aufwacht –, ehe ich mit Harper fertig bin.

Harper begrüßt mich mit einem Lächeln, als ich ins Studio zurückkomme. Immer noch auf meiner Liege ausgestreckt, wartet sie darauf, dass ich meine Hände auf sie lege. Bei dem Anblick kriege ich sofort einen Ständer. Aber eigentlich törnt mich alles an dieser Frau an, egal, in welcher Situation.

„Du bist ein netter Kerl.“ Sie klingt überrascht. Wahrscheinlich glaubt sie selbst nicht so recht daran, dass Biker nur Mist im Kopf haben. Wir haben auch noch andere Hobbys. Chaos zu veranstalten ist nur eines von meinen vielen Talenten.

„Mich lieben alle.“ Ich zwinkere ihrem Spiegelbild im Schaufenster zu. „Erzähl mal, Harper: Was macht eine Investmentbankerin eigentlich so den ganzen Tag?“

„Ich mache Geld für andere Leute.“

„Und bist du gut in deinem Job?“ Harper erscheint mir nicht wie jemand, der sich damit begnügt, eine Sache nur halbherzig zu machen.

„Die Beste.“ Um ihre Mundwinkel spielt ein kleines selbstzufriedenes Lächeln. Ich würde auch jede Wette eingehen, dass sie die Beste ist. Eigentlich sollte ich es bleiben lassen, aber ich drücke meine Finger ein wenig fester gegen ihre Haut und ziehe sie auseinander, damit ich die kleinen Schauer spüren kann, wenn die Nadel in ihre Haut sticht – und auch den Moment, wenn sie sich wieder entspannt. So würde sie sich auch fühlen, wenn ich tief in ihr drinstecke und sie zum Höhepunkt bringe.

„Ich auch.“ Entweder du stehst zu dem, was du tust, oder du lässt es besser bleiben, und ich bin der beste Tätowierer in ganz Vegas. Und ich weiß auch, dass das heutige Tattoo mein allerbestes wird. Der Feuervogel sieht abflugbereit aus. Er fliegt bis hinauf in den Himmel – oder bleibt einfach, wo er ist, denn einen angenehmeren Ort für einen Aufenthalt als Harpers geschwungener Rücken ist kaum vorstellbar.

„Jetzt kommt der harte Teil“, warne ich sie.

Sie versucht sich zusammenzureißen, während ich die Federn steche, aber sie kann ein Stöhnen nicht unterdrücken.

„Du brauchst dich vor mir nicht zu verstellen“, sage ich ihr. Das meine ich auch so. „Tu einfach das, wonach dir der Sinn steht.“

Sie nickt – und dann streckt sie den Arm aus und greift nach mir. Fuck! Mein Schwanz hofft einen Moment lang auf einen Handjob, doch sie umklammert meinen Oberschenkel und kneift mich. Ziemlich fest sogar. Dank meiner Jeans bekommt sie jedoch nicht viel von mir zu fassen – und weil ich die Figur eines Wikingers habe. Nur stahlharte Muskeln. Kein schlaffes Fleisch.

Die Frau ist wirklich erstaunlich.

Dennoch muss ich ihr klarmachen, dass sie hier nicht das Kommando hat. „Wenn du das nochmal tust, versohl ich dir den Arsch.“

Nicht das Klügste, was ich sagen konnte, denn es überschreitet nicht nur eine rote Linie, sondern lässt eine Menge Bilder in meinem Kopf explodieren.

„Du hast gesagt, ich soll tun, worauf ich Lust habe.“ Ist sie etwa rot geworden? Es ist schon lange her, dass ich mit einer Frau zusammen war, die verlegen wurde.

„Schon.“ Ich lege ihre Hand neben ihren Kopf und halte sie fest. „Aber wenn du mich so erschreckst, dass ich in die Luft gehe, hast du am Ende einen mutierten Feuervogel. Was jetzt kommt, schmerzt am meisten.“

„Wie lange dauert es denn?“ In ihrer Stimme kann ich die Tränen hören. Das haut mich um. Harper ist fürs Lächeln gemacht, nicht fürs Weinen.

„Nicht lange. Wenn du tapfer bist, küss ich dir den Schmerz weg.“

Sie geht nicht darauf ein. „Wie lange?“

Ich muss noch viel Haut stechen. Das wird weder schnell gehen noch leicht sein. „Vierzig Minuten.“

„Willst du mich verarschen?“ Sie rutscht beiseite, und ich trete einen Schritt zurück.

„Denk an die Küsse“, erwidere ich. „Alles wird gut, wenn du bei der Stange bleibst.“

Ich könnte mich ohrfeigen für die Zweideutigkeit meiner Antwort. Aber sie hat andere Sorgen. „Hast du denn magische Küsse?“ Jetzt klingt sie beschwipst. Die Worte versickern in einem unsicheren Lachen, mit dem sie ihre Tränen zurückhält.

„Das kannst du ja herausfinden.“

„Ich weiß schon, wie du küsst“, verkündet sie. Das Rot auf ihren Wangen wird dunkler. „Wir kennen uns nämlich.“

Scheiße. Ich zermartere mir das Hirn beim Versuch, mich an sie zu erinnern. Was Frauen angeht, ist mein Leben eine Drehtür. Ich hätte es allerdings bestimmt nicht vergessen, wenn ich Harper gevögelt hätte. Vielleicht macht sie auch bloß Witze. Es wäre nur fair, denn offenbar kann sie in meiner Miene lesen, dass ich immer noch fieberhaft überlege, wie ich ihr dieses süße weiße Baumwollhöschen abstreifen kann.

„Wirklich? Wir haben schon mal im selben Bett gelegen? Sind eine Runde Rodeo geritten?“ Ich beginne bei der Haut über ihrer Wirbelsäule.

„Ist doch egal.“ Sie zuckt mit den Schultern, als sei ihr die Erinnerung daran ziemlich schnuppe, und ich versetze ihr einen Klaps auf den Hintern.

„Nicht bewegen“, ermahne ich sie. „Oder ich rutsche von der Linie ab. Und während du meinen Anordnungen folgst, erzähl mir ein bisschen mehr von dem, was wir zusammen getan haben.“

„Nö.“ Jetzt bekomme ich das Lächeln, das ich mir früher gewünscht hätte – ein verschmitztes Grinsen, das ihr ganzes Gesicht noch verschönert.

„Einen Hinweis“, bettele ich.

„Wir haben uns in der Highschool kennengelernt“, verrät sie.

Hm. Ich überlege, während ich weitertätowiere. Die Highschool gehörte nicht zu den besten Zeiten meines Lebens. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, wütend auf die Welt zu sein, um irgendetwas zu lernen. Ich habe meine Fäuste, meinen Mund und meinen Schwanz benutzt – was immer meinem Publikum am besten gefallen hat. Schon möglich, dass auch Harper mal auf meinem Schwanz gesessen hat.

„Erzähl mir alles.“

„Das kannst du vergessen“, wiederholt sie. Im Schaufenster sehe ich, wie sie die Augen verdreht. Ich verzichte darauf, ihr den Hintern zu versohlen, weil es jeder sehen könnte, der am Laden vorbeikommt. Ich kann auf das Gemecker vom President unseres Clubs verzichten, wenn dessen Anwälte mich nach einer Anklage wegen Körperverletzung ausschließen würden. Stattdessen gebe ich erst einmal auf. Mit meiner Zunge kann ich wahre Wunder vollbringen, wenn ich sie erst einmal zwischen ihre Beine schiebe. Wenn ich mich hingebungsvoll mit ihrer Klitoris beschäftige, wird sie mir schon erzählen, was ich wissen will.

An eine solche Situation scheint sie sich allerdings nicht zu erinnern.

„Du wirst doch nicht den Typen gegen dich aufbringen, der die Nadel in der Hand hält, Sweetheart.“

Sie kneift die Augen zusammen. „Ich bezahle dich. Du hast zu tun, was ich sage.“

Da muss ich aber lachen. „Sehe ich etwa aus, als würde ich mich an Regeln halten? Sag’s mir.“

Sie verdreht die Augen. „Du bist unmöglich.“

„Aber du magst mich.“

„Und du erinnerst dich nicht“, kontert sie. „Kein bisschen.“

„Ich war der Beste, stimmt’s? So fucking fantastisch, dass dein Ex-Trottel keine Chance hatte? Kein Vergleich, was?“ Mit meiner freien Hand drücke ich ihre Schulter. Unter dem Seidenstoff ihres Tops fühle ich den BH-Träger. Ich schiebe ihn ein bisschen hinunter, um sie zu ärgern. „Nein, verrate es mir nicht. Ich möchte es herausfinden.“

3. KAPITEL

Harper

„Nimm die Hand weg, oder du hast eine Klage an der Backe.“