Heimatkinder 20 – Heimatroman - Kathrin Singer - E-Book

Heimatkinder 20 – Heimatroman E-Book

Kathrin Singer

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Beschreibung

Die Heimatkinder verkörpern einen neuen Romantypus, der seinesgleichen sucht. Zugleich Liebesroman, Heimatroman, Familienroman – geschildert auf eine bezaubernde, herzerfrischende Weise, wie wir alle sie schon immer ersehnt haben. "Mami, guck mal! Ist die Burg net schön, die ich gebaut hab'?" Die Hose über und über voll Sand, lief Bastian auf seine Mutter zu. "So, eine Burg hast du gebaut?" fragte Susanne lächelnd. "Ja, komm mit." Er zog sie bei der Hand. "Ich zeig's dir. Riesig groß ist sie, mit einem Burggraben rundherum." Sie setzte sich schon in Bewegung, als eine dunkle Stimme ertönte. "Hast nix bessers zu tun, als mit dem Buben zu spielen?" meinte Susannes Vater mißmutig, der gerade in diesem Augenblick aus der Stalltür trat.

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Heimatkinder –20–

Zwei, die sich nach Liebe sehnen

Eine junge Mutter, ihr Kind – und keine Zukunft?

Roman von Kathrin Singer

»Mami, guck mal! Ist die Burg net schön, die ich gebaut hab’?« Die Hose über und über voll Sand, lief Bastian auf seine Mutter zu.

»So, eine Burg hast du gebaut?« fragte Susanne lächelnd.

»Ja, komm mit.« Er zog sie bei der Hand. »Ich zeig’s dir. Riesig groß ist sie, mit einem Burggraben rundherum.«

Sie setzte sich schon in Bewegung, als eine dunkle Stimme ertönte. »Hast nix bessers zu tun, als mit dem Buben zu spielen?« meinte Susannes Vater mißmutig, der gerade in diesem Augenblick aus der Stalltür trat.

»Geh, Vater, ich muß mir doch anschauen, was der Bastian gebaut hat. Er ist doch so stolz auf sein Werk.«

»So, er ist stolz auf sein Werk«, brummte der Alte. »Und du bist stolz auf ihn, gell?«

»Ja, Vater«, sagte Susanne leise und bestimmt. »Vergiß net, er ist mein Sohn.«

»Und wo ist der Vater von dem Kind?«

Susanne lief vor Zorn rot an.

Bastian hörte dem Gespräch der Erwachsenen aufmerksam zu. »Mein Vater ist unterwegs«, meinte er trotzig. »Er will ein neues Zuhause für uns suchen. Die Mutter hat’s mir erzählt.«

»Ja, Bastian. Er wird sicher bald zurückkommen.« Susanne nahm den Kleinen in ihren Arm.

»Warum erzählst dem Buben eine solche Mär?«

»Bastian, geh wieder in den Sandkasten. Ich komm’ auch gleich und schau mir deine Burg an.«

»Kommst du auch ganz bestimmt?« Bastian sah sie traurig an. »Ich möcht’s dir doch so gern zeigen.«

»Ich komm’ ganz bestimmt! Doch nun geh. Baust halt noch einen Stall dazu.«

»Auf einer Burg gibt’s doch keinen Stall«, rief Bastian empört. »Eine Burg ist doch kein Bauernhof.«

»Ja, mein Kleiner.« Sacht strich Susanne ihrem Sohn über die feinen blonden Haare. »Aber eine Kemenate gibt’s, dort leben die Burgfräuleins.«

»Ja, Mami, ich bau’ noch so eine Matte. Jetzt fahr’ ich mit dem Auto zum Sandkasten.« Das Geräusch eines Autos nachahmend, lief er davon.

Franz Reindl, Susannes Vater, sah ihm stirnrunzelnd nach. »Er wird seinem Vater von Tag zu Tag ähnlicher. Auch das Temperament hat er von ihm.«

»Und das ist gut so«, sagte Susanne ruhig. »Der Reinhold ist ein guter Mann. Hoffentlich wird sein Sohn so wie er.«

Franz kniff die Augen zusammen. »Hast denn vergessen, was er dir angetan hat. Denk doch nur an die Geschicht’ mit der Marianne.«

»Manchmal denk’ ich, wir haben ihm Unrecht getan«, seufzte Susanne. »Bist denn so sicher, daß er damals auch mit der Marianne ein Gspusi hatte.«

»Ich hab’s dir doch bewiesen.«

»Ja, Vater.« Susanne senkte den Kopf. Doch dann blickte sie ihren Vater fest an. »Um etwas möcht’ ich dich jetzt bitten: Laß den Bastian nie dafür büßen, daß er ein uneheliches Kind ist. Der Bub soll sich normal entwickeln. Wennst noch einmal so grantig zu ihm bist wie eben, dann verlaß ich mit Bastian den Hof.«

Franz zuckte zusammen. »Ich war doch net grantig zu dem Buben. Bist denn in der Kuchel schon mit der Arbeit fertig?« fragte er zusammenhanglos.

»Bitte, lenk jetzt net ab, Vater. Du solltest vor Bastian nicht schlecht von Reinhold sprechen. Der Bub hat sich ein Bild von ihm gemacht, ein strahlendes Bild. Sein Vater ist ein Held für ihn. Und wenn du noch einmal versuchst, dieses Bild zu zerstören, dann…«

»Aber der Reinhold ist doch kein Held.«

»Nein, das ist er nicht. Aber wenn der Junge schon seinen Vater net kennt, dann soll er sich wenigstens ein positives Bild von ihm machen können. Und noch eins: Die Arbeit auf dem Hof steht hinter der Kindererziehung. Für mich ist mein Sohn das Wichtigste auf der Welt. So, und nun geh’ ich zum Sandkasten und spiel mit ihm.«

Susanne wandte sich um und ging hinter das Haus. Auf dem kleinen Spielplatz saß Bastian gedankenverloren auf der Schaukel. Die Unterlippe weit vorgeschoben bewegte er seinen Oberkörper langsam vor und zurück.

»Bastian, du wolltest mir doch deine Burg zeigen.«

»Ach, Mami, sie war doch net so schön. Da hab’ ich sie kaputt gemacht.«

»Du hast sie zerstört?« rief Susanne. »Aber warum denn?«

»Wir können ja nie drin wohnen. Ach, wenn der Vater doch bald einen Hof finden würd’, auf dem wir alle leben könnten. Du, ich und der Vater.«

»Bastian«, fragte Susanne ruhig, »bist denn so unglücklich hier.«

»Nein.« Seine Unterlippe schob sich noch weiter vor. »Aber der Großvater ist allweil so brummig, und ich möcht’ doch auch mit meinem Vater zusarnmen sein.«

»Das wirst du auch. Paß auf, jetzt bauen wir die Burg wieder gemeinsam auf, und dann mach’ ich dir ein schönes Schmankerl zum Mittagessen.«

»Au fein, einen Eierschmarren?«

»Ja, einen Eierschmarren.«

Susanne und Bastian spielten nun im Sandkasten. Dem Buben machte das Spiel mit seiner Mutter einen Riesenspaß. Doch Susanne mußte sich zuammenreißen, daß ihre Gedanken nicht abgelenkt wurden.

»Bist auch traurig, gell, Mami?« fragte Bastian altklug.

»Nein, ich bin net traurig, mein Kleiner. Und du sollst glücklich sein. Du bist doch das Wichtigste auf der Welt für mich. Aber jetzt muß ich in die Kuchel, sonst schimpft der Großvater. Die Leut’ warten doch aufs Essen. Und du willst ja auch deinen Eierschmarren haben. Spiel noch ein Weilchen, dann kommst ins Haus und wäschst dich.«

Begeistert stürzte der Kleine sich wieder in den Sandkasten. Er wollte der Mutter eine wunderschöne Burg bauen. Dann lachte sie wieder. Und wenn seine Mami lachte, dann war auch Bastian glücklich. Er schämte sich jetzt, das erste Bauwerk zerstört zu haben. Susanne beobachtete ihn noch eine Weile liebevoll, dann ging sie ins Haus.

»Wir haben Besuch«, empfing ihr Vater sie. »Der Reisinger-

Michael ist da.«

»Was will er denn?«

»Er hat mich gefragt, ob ich ihm die Mähmaschin’ einen Tag ausleihen könnte. Aber ich glaub’, das ist nur ein Vorwand. Er will dich sehen, net mich.«

»Ach, was du nur wieder redest, Vater«, wehrte Susanne verlegen ab.

»Doch, doch, ich müßt’ mich schon arg täuschen. Der Michael ist in dich verliebt. Und er wär’ auch net der Schlechteste. Warum heiratest du ihn net?«

»Bis jetzt hat er mich noch net gefragt«, sagte Susanne kurz.

»Dann geh halt zu ihm. Er sitzt in der Stube.«

Langsam drückte Susanne den Türgriff hinunter. Eigenartig, Michael Reislinger kam in der letzten Zeit fast täglich. Ob es stimmte, was der Vater behauptete? Als Susanne die Tür langsam aufdrückte, stand er vor dem Fenster und starrte gedankenverloren auf die Bergwelt.

»Grüß Gott, Michael«, sagte das Madel leise.

Hastig fuhr er herum. »Susanne, wie freu’ ich mich, dich zu sehen.«

»Setz dich, Michael. Magst ein Stamperl Schnaps?«

»Da sag’ ich net nein.«

Schweigend saßen sie sich eine Weile gegenüber. Michael starrte sie nur an, ohne ein Wort zu sagen. Susanne meinte nach eine Weile: »Hast mit dem Vater über die Mähmaschin’ geredet, gell. Er leiht sie dir.«

Michael räusperte sich. »Ja, und ich bin ihm dankbar dafür.«

Susanne fühlte sich unbehaglich. Warum nur kam kein Gespräch mit Michael zustande? Sie stand auf. »Ich muß jetzt in die Kuchel. Die Leut’ warten aufs Essen. Kann ich noch irgendwas für dich tun?«

Er schaute sie offen an. »Ja, Susanne. Magst net... Ich mein’, magst net mit mir nächsten Samstag zum Tanz gehen?«

Sie lachte. »Um mich das zu fragen, hast so lange gebraucht. Gewiß, gern geh’ ich mit dir tanzen. Wir können nur erst nach acht gehen. Du weißt ja, der Bub muß ins Bett. Und eh er net schläft, geh’ ich net aus dem Haus.«

»Ah ja, der Bastian.«

Susanne blickte ihn verwundert an. Was war nur in den Michael gefahren? Er war doch sonst nicht so schüchtern. Sie. kannte ihn von klein auf, doch nie hatte er sich für sie besonders interessiert. Sicher, sie hatten als Kinder herumgetollt, doch später hatte Michael ihr nicht den Hof gemacht – im Gegensatz zu manch anderen Bauernsöhnen.

»Ich geh’ jetzt. Wennst noch ein Schnapserl trinken willst, die Flasche steht auf dem Tisch. Ich schick’ dir den Vater zur Unterhaltung.«

»Nein, nein.« Michael stand hastig auf. »Ich muß gehen. Bis zum Samstag also.«

»Ja.« Sie drückte ihm fest die Hand.

Michaels Rechte war schweißnaß. Ohne sich noch einmal umzudrehen, verließ er fast im Laufschritt das Haus.

Franz Reindl kam zu seiner Tochter in die Kuchel. »Na, was hat der Reislinger von dir gewollt?« fragte er neugierig.

»Zum Tanz hat er mich eingeladen. Am Samstagabend.«

»Wirst mit ihm gehen?«

»Ja, warum auch net.«

»Und sonst hat er nichts gesagt?« wollte der Bauer nun wissen.

»Nein. Was sollte er auch sagen?«

Franz wandte sich ab.

Susanne sah ihn nachdenklich an. »Vater, nun sag sehon, was du willst. Du hast doch etwas auf dem Herzen. Ich spür’s doch.«

»Du weißt, was ich möcht’«, brummte Franz. »Du sollst den Reislinger heiraten.«

»Ich kann wohl schlecht um seine Hand anhalten. Abwarten, vielleicht fragt er mich ja, und es könnte sein, daß ich net nein sag.«

Franz’ Augen leuchteten auf. »Das würd’ mich freuen, Susanne. Doch nun möcht’ ich essen. Ich hab’ Hunger.«

»Net nur du, Vater«, meinte Susanne lächelnd. »In wenigen Minuten könnt ihr euch an den Tisch setzen.«

Während sie sich eilends um die Zubereitung des Essens kümmerte, dachte Susanne noch einmal über ihr Gespräch mit Mi-chael nach.

Würd’ ich ihn denn gern heiraten? fragte sie sich fast schon zu sachlich. Lieb’ ich ihn denn? Aber der Bastian brauchte einen Vater, und es war sicher sinnlos, auf Reinholds Rückkehr zu warten.

*

Am Samstagabend, pünktlich um acht, stand Michael vor der Tür. Susanne war gerade dabei, sich ihr Sonntagsdirndl auszuziehen. Der Bastian lag schon im Bett und schlief. Sie konnte also unbesorgt das Haus verlassen.

Susanne hörte in ihrem Zimmer die Stimme des Vaters, der Michael freundlich bat, einzutreten. Kräftig fuhr sie sich mit der Bürste noch einmal durch das volle, lichtbraune Haar, bevor sie ins Erdgeschoß ging.

Von der Erregung waren ihre Wangen leicht gerötet. Es tat gut, einmal aus dem Haus zu kommen.

Michael schaute auf, als sie in die Stube trat. »Hübsch schaust aus, bildhübsch«, rief er bewundernd aus.

Ihr Vater nickte beifällig. »Brauchst dich gewiß net zu verstecken«, sagte er anerkennend. »Michael wird von den anderen Männern um dich beneidet werden. Sie gefällt dir doch, Michael, gell?«

Susanne wurde rot, als sie die deutliche Anspielung ihres Vaters hörte. »Vater, bitte«, rief sie. Ihr Ton war schärfer als beabsichtigt. Aber sie mochte nun einmal nicht die Art, wie ihr Vater sie so augenscheinlich dem Michael anpries.

»Wollen wir gehen?« fragte sie Michael lächelnd, nachdem sie ihrem Vater einen warnenden Blick zugeworfen hatte. Noch einmal eine solche Anspielung und sie war ernstlich böse mit ihm.

Doch Franz sagte kein Wort mehr. Er strich sich mit der Hand über das Kinn und schaute den beiden nachdenklich nach, als sie das Haus verließen.

Michael half Susanne galant in sein Auto. Bevor sie losfuhren, drückte er plötzlich ihre Hand. »Ich freu’ mich auf heut abend«, murmelte er. »Ich bin glücklich, dich ausführen zu dürfen.« Es klang sonderbar verkrampft.

»Weißt?« sagte Susanne leichthin. »Es tut mir gut, einmal tanzen zu gehen. Ich war zu lange an das Haus gefesselt. Ich freu’ mich. Tanzen möcht’ ich, den ganzen Abend tanzen.«

Sie hob in freudiger Erwartung beide Arme. Als sie dabei an das Wagendach stieß, lachte sie laut auf. »Für meine Energie ist dein Wagen viel zu klein, Michael.«

Fröhlich kamen die beiden in der nahegelegenen Stadt an. Michael fuhr zu einer Nachtbar. Der Oberkellner empfing sie und geleitete sie zu einem Tisch in der Nähe der Tanzfläche.

Susanne blickte sich staunend um. »Toll ist das hier. Aber ist das nicht sehr teuer?« flüsterte sie Michael zu.

»Das spielt doch keine Rolle. Eine schöne Frau braucht einen entsprechenden Rahmen. Du warst doch sicher schon öfter in einer Bar?«

»Nein, in einer so exklusiven noch net. Doch es gefällt mir sehr, das muß ich zugeben. Wie gut du doch den Geschmack einer Frau erraten kannst.«

Sie setzten sich. Der Kellner brachte die Weinkarte. Als Susanne die Preise sah, zuckte sie ein wenig zusammen. Ach, was soll’s, dachte sie dann, ich geh’ ja net alle Tage aus. Und wenn, dann soll es auch ruhig ein Fest werden.

Der Wein half Michael anscheinend ein wenig beim Auftauen. Er trank zu hastig, fand Susanne.

»Wollen wir tanzen?« fragte er plötzlich, nachdem er eine Weile schweigsam neben ihr gesessen und etliche Gläser Wein getrunken hatte.

»Gern.«

Sie glitten über das Parkett.

Susanne lag in seinem Arm wie eine Feder. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, daß ihr viele Männerblicke folgten.

Auch Michael schien es zu bemerken. Er zog sie enger an sich.

Es tat gut, in seinen Armen zu liegen. Susanne fühlte sich geborgen. Sie war einfach zu lange allein gewesen.

Als sie wieder an ihrem Tisch waren, ließ Susanne sich atemlos in ihren Sessel fallen. »War das schön«, sagte sie mit glänzenden Augen. »Ich hätte immer so weiter tanzen mögen.«

Michael setzte sein Glas ab. »Der Abend ist noch nicht zu Ende«, flüsterte er und blickte ihr tief in die Augen.

»Du solltest nicht so viel trinken«, sagte sie sachlich, um wieder Boden unter den Füßen zu spüren. »Wir haben doch den Heimweg vor uns.«