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Sie leben in zwei verschiedenen Welten – können sie einander trotzdem lieben?
Der finale Band der mitreißenden Millionaire Romance-Reihe
Melanie und Elias könnten nicht unterschiedlicher sein: Sie muss für ihr Glück kämpfen, er genießt den Wohlstand. Doch als sich ihre Wege kreuzen, entfacht trotz aller Gegensätze eine unwiderstehliche Anziehung. Es dauert einige Zeit, bis sie sich erneut begegnen und plötzlich ist Elias wie verwandelt. Der früher so unbekümmerte Charmeur steht völlig neben sich und weist Meli kalt zurück. Diese denkt aber nicht daran aufzugeben und hält an ihren Gefühlen fest. Ist sie diejenige, die hinter Elias abweisende Fassade blicken kann?
Dies ist eine überarbeitete Neuauflage des bereits erschienenen Titels Der Sturm unserer Herzen.
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Verborgene Anziehung (ISBN: 9783987789076)
Verliebt in den besten Freund meines Bruders (ISBN: 9783987789724)
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Erste Leser:innenstimmen
„Diese Billionaire Romance hat mich von Anfang bis Ende in ihren Bann gezogen!“
„Die Anziehung zwischen Meli und Elias ist so intensiv, dass man das Buch einfach nicht aus der Hand legen kann. Opposites Attract at ist finest!“
„Wunderschönes Finale der Millionaire Romance-Reihe.“
„Ein Liebesroman genau nach meinem Geschmack. Die Chemie zwischen den Charakteren ist einfach magisch.“
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Seitenzahl: 556
Veröffentlichungsjahr: 2024
Melanie und Elias könnten nicht unterschiedlicher sein: Sie muss für ihr Glück kämpfen, er genießt den Wohlstand. Doch als sich ihre Wege kreuzen, entfacht trotz aller Gegensätze eine unwiderstehliche Anziehung. Es dauert einige Zeit, bis sie sich erneut begegnen und plötzlich ist Elias wie verwandelt. Der früher so unbekümmerte Charmeur steht völlig neben sich und weist Meli kalt zurück. Diese denkt aber nicht daran aufzugeben und hält an ihren Gefühlen fest. Ist sie diejenige, die hinter Elias abweisende Fassade blicken kann?
Dies ist eine überarbeitete Neuauflage des bereits erschienenen Titels Der Sturm unserer Herzen.
Überarbeitete Neuausgabe Juni 2024
Copyright © 2024 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten
E-Book-ISBN: 978-3-98778-975-5 Taschenbuch-ISBN: 978-3-98998-167-6
Copyright © 2021, Anja Langrock Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits 2021 bei Anja Langrock erschienenen Titels Der Sturm unserer Herzen (ISBN: 978-3-75340-511-7).
Covergestaltung: Herzkontur – Buchcover & Mediendesign unter Verwendung von Motiven von shutterstock.com: © Wongsakorn Dulyavit, © Wisiel, © LayerAce.com, © Phatthanit Korrektorat: Katharina Pomorski
E-Book-Version 29.07.2024, 09:20:54.
Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.
Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
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Endlich war das Glück ihr hold! Mit ihrem Ferienjob während der Semesterferien hatte Melanie einen Volltreffer gelandet. Sie hatte es ihrer Freundin Luise zu verdanken, bei Familie Reinhardt als Nanny arbeiten zu dürfen, statt wieder mitten in der Nacht auf dem Großmarkt Ware auszupacken.
Während sie den Blick gedankenverloren durch den beeindruckenden Raum mit den imposanten Kronleuchtern schweifen ließ, musste sie schmunzeln. Als sie vor zwei Wochen das imposante Gebäude das erste Mal betreten hatte, war sie vor Ehrfurcht fast erstarrt. Allein die Eingangshalle war wahrscheinlich größer als die Wohnung ihrer Eltern. Sie hatte sich eisern beherrschen müssen, nicht auf dem Absatz wieder kehrtzumachen. Niemals hätte sie gedacht, den Anforderungen der Familie gerecht zu werden. Und dann war alles ganz anders gekommen.
Familie Reinhardt hatte sich als herzlicher und offener Arbeitgeber entpuppt, was sie schnell vergessen ließ, dass sie lediglich als Angestellte fungierte.
Michael und Ariane hatten ihr schon zu Beginn das Du angeboten und die beiden Kinder Magdalena und Franziska waren entzückende Geschöpfe, die sie von Anfang an ins Herz geschlossen hatten.
Gerade befand Melanie, die von fast allen nur Meli genannt wurde, sich auf dem Weg ins Spielzimmer der beiden, um sie zum gemeinsamen Abendessen zu holen. Darauf legte die Hausherrin größten Wert. Sie war vor Kurzem nach Hause gekommen und auch Michael würde bald eintreffen. Beide arbeiteten im familieneigenen Unternehmen.
Nachdem Meli sich kurz Zeit genommen hatte, das Rollenspiel der Mädchen anzusehen, forderte sie die beiden Kinder auf: „Räumt ihr dann bitte noch auf? Es gibt gleich Abendessen.“ Ohne zu diskutieren folgten sie ihrer Anweisung, was Meli immer wieder verblüffte. Ihre eigenen Geschwister waren nicht halb so folgsam.
Kurz darauf saß die ganze Familie am Tisch und auch Meli nahm Platz. Anfänglich hatte sie sich dagegen gesträubt. Sie wusste ja nicht mal das Besteck in der richtigen Reihenfolge zu benutzen. Ariane und Michael hatten ihre Proteste einfach im Keim erstickt und gemeint, dass sie eine Freundin von Luise garantiert nicht in der Küche essen lassen würden.
Mittlerweile hatte Meli sich damit arrangiert, aber an den Luxus, beim Essen bedient zu werden, würde sie sich wohl niemals gewöhnen. Der Aufenthalt bei Familie Reinhardt kam ihr mehr wie ein Urlaub als Arbeit vor, was ein schlechtes Gewissen in ihr hervorrief, da sie überdurchschnittlich gut bezahlt wurde.
Die Kinder waren pflegeleicht und Melis Aufgaben beschränkten sich nur auf die Betreuung der Kleinen. Somit waren ihre Tage nicht allzu anstrengend und sie konnte den weitläufigen Park für Spaziergänge nutzen und nebenbei für ihr Studium lernen. Da ihr ein wunderschönes Zimmer zur Verfügung gestellt worden war, fiel auch die Fahrtzeit von über einer Stunde zwischen ihrem Arbeitsplatz und ihrem Zuhause weg. Meli würde es niemals offen zugeben, aber sie genoss es, ein paar Wochen abseits ihrer Familie zu leben. Ihre Mutter hatte sie nur ungern gehen lassen, wollte ihr die Chance aber nicht kaputtmachen. Mit fünf jüngeren Geschwistern war die Mutter regelmäßig auf Melis Hilfe angewiesen und Meli musste oftmals im Haushalt und bei der Kinderbetreuung einspringen. Zeit für ihre eigenen Bedürfnisse fand sie selten und war ihrer Mutter dankbar, dass sie diese Chance nutzen durfte. Immerhin verdiente Meli in den vier Wochen bedeutend mehr Geld, als ihre Mutter im Friseursalon erhielt.
Nachdem das Essen serviert worden war, erkundigte sich Ariane nach den Erlebnissen der Kinder. Während sie den aufgeregten Schilderungen ihrer Töchter lauschte, warf sie Meli einen dankbaren Blick zu. Meli hatte schnell erkannt, dass Ariane permanent ein schlechtes Gewissen gegenüber ihren Kindern hatte, weil sie sich beruflich nicht einschränken wollte. Ihre Arbeitgeberin hatte ihr in einem vertraulichen Moment gestanden, dass sie zu Hause bei den Kindern nicht glücklich wäre, auch wenn Michael sich das anfänglich gewünscht hatte.
Meli nahm das delikate Fischgericht in kleinen Happen zu sich, weil sie Angst hatte, eine Gräte zu übersehen und sich ganz undamenhaft zu verschlucken.
Plötzlich öffnete sich die große Flügeltür und ein junger Mann betrat das Esszimmer.
„Sorry, ich weiß, dass ich wieder mal zu spät bin. Ariane, verzeih mir bitte meinen Fauxpas, aber diesmal bin ich wirklich unschuldig. Unser Flug hatte wetterbedingt Verspätung.“
Meli wäre fast die Gabel aus der Hand gerutscht, als sie den fröhlichen Kerl näher betrachtete, der so selbstverständlich den Raum betreten hatte. Ihr Herz machte einen raschen Hüpfer und sie musste tief durchatmen. Himmel, sah der Typ gut aus. Sie schätzte ihn auf ihr Alter, Mitte bis Ende zwanzig, blondes Haar, das er relativ kurz trug, nur vorne fiel es etwas länger aus und war sehr akkurat gestylt. Wie lange er wohl vor dem Spiegel zubrachte, um so auszusehen? Seine Gesichtszüge waren wie in Stein gemeißelt. Sein sympathisches Lächeln verhinderte, dass Meli aus Angst vor seiner optischen Perfektion in Ohnmacht fiel. Dennoch musste sie sich eindringlich zurechtweisen, ihren Mund zu schließen, als sie seinen belustigten Blick bemerkte, der auf ihr ruhte und sie sofort gefangen nahm.
„Elias, dir kann ich doch nie böse sein. Irgendwie schaffst du es immer, meinen Unmut mit deinem Charme auszulöschen.“
Ariane lächelte ihn an und er trat auf sie zu, um sie mit Wangenküsschen zu begrüßen. Michael hingegen klopfte er respektlos auf die Schulter.
Wieder fixierte er Meli, während er zu dem Paar sagte: „Wenn ich gewusst hätte, dass ihr Besuch habt, hätte ich euch natürlich Bescheid gegeben, dass ich mich verspäte.“
Meli rutschte unter seinem eindringlichen Blick nervös auf dem Stuhl herum. Ihr Herz pochte heftig und sie befürchtete, dass sie gleich knallrot wurde.
Jetzt wandte sich ihr auch noch Michael zu und erklärte: „Darf ich vorstellen? Das ist Melanie, eine Freundin von Luise Andersen, sie passt auf die Zwerge auf.“
„Wir sind keine Zwerge, Papa“, empörte sich die kleine Franzi, ehe Meli antworten konnte.
Elias lachte und wuschelte ihr durchs Haar. „Und was seid ihr dann?“, fragte er sie schließlich ganz ernsthaft.
„Kinder“, gab sie verständnislos zurück. „Was denn sonst?“ Ihr Tonfall implizierte, dass sie ihn für ziemlich beschränkt hielt.
Alle am Tisch lachten und die Kleine sah beleidigt von einem zum anderen.
Meli hatte Mitleid mit ihr. „Erwachsene sind manchmal komisch. Natürlich hast du recht, Süße.“
Nun sah Franzi alle Anwesenden der Reihe nach Beifall heischend an, was Meli lächeln ließ. Wieder spürte sie Elias' forschenden Blick auf sich ruhen, aber sie wagte es nicht, ihn zu erwidern, sondern trank hastig einen großen Schluck Wasser.
„Melanie, darf ich dir meinen jüngsten Bruder vorstellen? Elias“, klärte Michael sie nach der Unterbrechung endlich auf.
Nun sah sie ihn doch an und erkannte leichte Ähnlichkeit zwischen den Geschwistern. Obwohl Michael einige Jahre älter und etliche Kilogramm schwerer war, waren beide gut aussehende Männer.
Unter Elias’ charmantem Lächeln schmolz sie fast dahin. Mittlerweile hatte er ihr gegenüber Platz genommen und Meli hatte keine Ahnung, wie sie in seiner Anwesenheit auch nur einen einzigen weiteren Bissen herunterbekommen sollte. Da sie noch nie gut im Small Talk gewesen war, beschränkte sie sich darauf, ihm ein kurzes Lächeln zu schenken.
„Ich freue mich, dich kennenzulernen.“
Sein freundlicher Blick schien ehrlich gemeint zu sein. Dennoch war sich Meli sicher, dass er das aus reiner Höflichkeit sagte. Was sollte er auch sonst sagen? Sie war bestimmt nicht die Sorte Mädchen, mit der er sich normalerweise abgab. Auch wenn sie sich beileibe nicht hässlich fand, war sie realistisch genug, um einschätzen zu können, dass Elias in einer anderen Klasse spielte. Er bewegte sich in der Bundesliga und sie war allenfalls Kreisliga. Außerdem stammte er aus einer alteingesessenen Hamburger Familie und sie war nur eine unbedeutende Angestellte seines Bruders.
Wieder brachte sie kein vernünftiges Wort über die Lippen. Verdammt, sie musste sich endlich zusammenreißen. Wenn sie schon optisch nicht punkten konnte, sollte er sie nicht auch noch für debil halten. Wieder kam ihr Elias zuvor.
„Ich hoffe, meine bezaubernden Nichten halten dich nicht allzu sehr auf Trab. Arbeitest du mit Kindern?“ Elias schob sich hungrig eine übervolle Gabel in den Mund, während er sie eingehend betrachtete, als ob ihn ihre Antwort tatsächlich interessieren würde.
Dankbar ergriff sie den Strohhalm. Seine simple Frage verhalf ihr zu etwas Sicherheit und sie antwortete: „Nein, eigentlich studiere ich, aber in den Semesterferien habe ich Zeit.“ Sie lächelte den Kindern zu und ergänzte rasch: „Franzi und Lena sind wirklich bezaubernd. Ich wohne gern hier und passe auf die beiden auf.“
Elias sah sie ein wenig nachdenklich und fast kritisch an. „Mich wundert nur, dass mein Bruder dich ohne pädagogische Kenntnisse eingestellt hat.“
Michael räusperte sich lautstark. „Jetzt übertreib doch nicht immer so maßlos.“
Seine Aussage bemüßigte Meli zu erklären: „Ich habe fünf jüngere Geschwister, ich bin wahrscheinlich kompetenter als jede Fachkraft.“
Elias entglitten seine Gesichtszüge. „Dann seid ihr zu sechst zu Hause? Ich habe zwei ältere Brüder, das hat mir voll und ganz gereicht. Du Ärmste. Mein Mitleid hast du.“ Das sagte er mit solcher Inbrunst, dass Meli endgültig ihre Scheu verlor.
„Du hast anscheinend nicht richtig zugehört. Ich bin die Älteste, also sind die anderen zu bedauern.“
„Ach, so ist das. Du bist also die Tyrannin. So hätte ich dich gar nicht eingeschätzt.“
Diesmal wurde sie rot unter seinem Blick, der sie abschätzend scannte. Sie spürte, wie ihr heiß wurde und am liebsten hätte sie sich Luft zugefächelt.
Ariane legte ihr einen Arm um die Schulter. „Meli ist die sanfteste und liebevollste Person, die ich kenne. Nicht wahr, Michael?“
Ihr Mann nickte zustimmend und Meli wäre vor Scham am liebsten im Erdboden versunken. Mit Lob konnte sie noch nie gut umgehen.
Elias legte das Besteck zur Seite, stützte die Ellenbogen auf dem Tisch ab, als ob er ihr näherkommen wollte und grinste plötzlich breit. „Was anderes hätte ich bei deinem liebreizenden Anblick auch nicht vermutet.“
Meli starrte das Tischtuch an und verdammte sich für ihre Unfähigkeit, schlagfertig zu antworten. Machte er sich über sie lustig oder hatte er das ernst gemeint?
Zum Glück rettete sie die kleine Lena aus der Bredouille. „Liest du mir vorm Schlafengehen noch die Geschichte vom kleinen Eisbären vor? Bitte, liebe Meli?“ Sie klimperte gekonnt mit den Wimpern.
„Schätzchen, Meli isst doch noch. Ich kann dir später eine Gutenachtgeschichte vorlesen.“ Ariane rügte ihre Tochter freundlich, aber bestimmt.
Lenas Augen füllten sich mit Tränen, aber sie sagte nichts.
„Ich habe sowieso keinen Hunger mehr. Das Dessert kann ich mir doch für morgen aufheben.“ Lächelnd erhob sich Meli und das Leuchten in den Augen des Kindes erfüllte sie mit reinem Glück.
Elias stand ebenfalls auf, um sie zu verabschieden und meinte augenzwinkernd: „Schade, ich hätte gerne noch ein wenig mit dir gequatscht, damit du mir mehr von deinen Abenteuern als älteste Schwester erzählen kannst. Aber das holen wir nach.“
Wieder lächelte sie ihm nur unsicher zu und während sie mit den Kindern das Zimmer verließ, bereute sie es ein wenig, Lenas Wunsch nachgegeben zu haben. Andererseits hatte er das bestimmt nur so daher gesagt. Immerhin bestand nicht die Gefahr, dass sie sein Angebot annahm, nachdem sie Lena schon versprochen hatte, ihr das Buch vorzulesen. Bevor sie die Tür hinter sich schloss, konnte sie sehen, wie Elias eine angeregte Unterhaltung mit seinem Bruder begonnen hatte. Anscheinend hatte er sie schon vergessen.
Sie sollte zusehen, dass sie diesen Schönling schleunigst von ihrer Festplatte löschte, auch wenn das bei seinem charmanten Auftreten ein schwieriges Unterfangen darstellen würde. Aber sie sollte sich ins Bewusstsein rufen, dass er lediglich zuvorkommend zu ihr war, mehr nicht. Und ehe sie sich versah, würde er ihr unglücklich den Kopf verdrehen.
Ein halbes Jahr später
„Jetzt komm schon. Wach auf! Du bist ja völlig hinüber, hör endlich mit dem Scheiß auf.“
Die eindringliche Stimme gelangte ganz langsam in seine Wahrnehmung und marterte seinen dröhnenden Kopf empfindlich. Noch weigerte sich sein Körper, dem Befehl nachzugeben. Am liebsten würde er wieder in den gnädigen Zustand des kompletten Black-Outs sinken. Aber wie es aussah, war jemand dagegen. Eine Person, deren Penetranz Elias zunehmend nervte.
Der Störenfried begnügte sich nicht, ihn mit Worten zu belästigen und ihm mit der Hand ins Gesicht zu klatschen. Nachdem er erneut weggedämmert war, packten ihn zwei Arme unter den Achseln und rissen ihn zurück in die Wirklichkeit. Laut schnaufend zerrte ihn jemand durch die Wohnung. Er wehrte sich, wollte einfach in Ruhe gelassen werden, aber im fast bewusstlosen Zustand blieb seine Gegenwehr erfolglos.
Als Elias ein kalter Wasserschwall mitten ins Gesicht traf, entfuhr ihm ein Aufschrei und er riss die Augen auf. Wieder wollte er die Hände abwehren, die ihn piesackten, aber jede Sekunde, die sein wehrloser Körper gequält wurde, ließ seinen Geist reger werden.
Endlich schaffte er es, dem Widersacher den Duschkopf aus der Hand zu schlagen. Daraufhin stellte Michael rasch das Wasser ab, um nicht das gesamte Badezimmer zu überfluten.
„Was soll der Scheiß? Spinnst du jetzt vollkommen?“, schrie Elias seinen Bruder wutentbrannt an, nachdem er ihn endlich in seinem desolaten Zustand identifiziert hatte.
Michael warf ihm wortlos ein Handtuch zu, das er reflexartig auffing, da ihm mittlerweile das Wasser aus den Haaren ins Gesicht tropfte. Während Elias sich notdürftig abtrocknete, was bei seinen nassen Klamotten ein hoffnungsloses Unterfangen darstellte, antwortete sein Bruder mit ruhiger Stimme: „Die Frage ist, ob du nicht derjenige bist, der spinnt. Du hast dich fast ins Koma gesoffen oder hast du etwa noch anderes Zeug eingeworfen?“
Elias ließ von dem Versuch ab, sein Haar trocken zu rubbeln und kniff die Augen zusammen, während er seinen revoltierenden Magen zu beruhigen versuchte. Wenn er seinem Bruder jetzt vor die Füße kotzte, würde es Michael nur in seinem negativen Bild über ihn bestärken.
„Was geht's dich an?“, zischte er gefährlich leise.
„Was es mich angeht?“ Jetzt schwoll auch Michaels Stimme an und von seiner Zurückhaltung blieb nicht mehr viel übrig.
Währenddessen kauerte Elias auf dem Boden und lehnte sich an der Badewanne an, da sich das Zimmer immer noch im Kreis drehte. Er hatte Schwierigkeiten, seinen Bruder deutlich zu sehen, der sich gerade bedrohlich vor ihm aufbaute. Auch ein mehrmaliges Zwinkern verhalf ihm nicht zu mehr Seeschärfe, deshalb gab er es auf und schloss die Augen.
„Seit Wochen bist du völlig neben der Spur. Elias, ich erkenne dich einfach nicht wieder. Und ganz sicher sehe ich nicht dabei zu, wie du dich umbringst.“
Er sah bei Michaels Worten auf. Verachtung spiegelte sich in Elias’ dunklen Augen, die im krassen Kontrast zu seinem hellblonden Haar standen.
„Ich kann mich nicht erinnern, dich darum gebeten zu haben.“ Mühsam rappelte er sich auf, verlor das Gleichgewicht und stützte sich reflexartig auf dem ausgestreckten Arm seines Bruders ab. Für einen kurzen Moment gestattete er sich, Michael in die Augen zu sehen. Der besorgte Ausdruck darin gab ihm fast den Rest. Kurzzeitig überfiel ihn Ekel vor sich selbst und sein Magen drehte sich nicht nur aufgrund der Alkoholmenge fast um. Er riss seine Hand zurück, als hätte er sich an Michaels Arm verbrannt und taumelte ins Schlafzimmer, um sich neue Klamotten zu holen. Dabei stolperte er über den Wäscheberg am Boden und wieder war es Michael zu verdanken, dass er nicht hinfiel.
„Lass mich los.“ Rüde wehrte Elias ihn ab und durchforstete seinen Kleiderschrank nach frischen Klamotten. Vergebens. Augenblicklich ging ihm auf, dass es ein Fehler gewesen war, ins Schlafzimmer zu gehen und Michael somit auf das offensichtliche Chaos in seinem Leben zu stoßen. Grummelnd hob er eine schon benutzte Hose und ein halbwegs sauberes T-Shirt vom Boden auf und zog sich umständlich die nassen Klamotten aus.
Sein Bruder sah ihm fassungslos dabei zu und ließ anschließend den Blick durch den Raum schweifen. „Du lebst wie ein Penner. Du hast nicht einmal was zum Anziehen.“ Dabei schüttelte er immer wieder den Kopf, als könne er einfach nicht glauben, was er unbarmherzig vor Augen geführt bekam.
„Hau doch einfach ab“, knurrte Elias, „und vergiss nicht, deinen Schlüssel dazulassen. Auf einen weiteren Überraschungsbesuch verzichte ich dankend.“
Michael schwieg und sah ihn so lange an, dass ihm unwohl wurde. Er hatte ein enges Verhältnis zu seinem ältesten Bruder gehabt, trotz des Altersunterschieds. Michael war als Kind ein Vorbild gewesen, zu dem er aufgesehen hatte. Was dachte sein Bruder nun über ihn? Sein Geist war so verwirrt, er war so durcheinander, wie sollte er bei diesem Kuddelmuddel, das in seinem Kopf herrschte, einen klaren Gedanken fassen? Elias rieb sich mit der Hand über die Stirn.
„Was ist los mit dir? Jetzt rede doch endlich mit mir. Du hast dich komplett verändert. Von einem auf den anderen Tag. Dafür muss es doch einen Grund geben.“ Michael sah ihn flehentlich an.
Elias wollte einfach nur seine Ruhe haben. „Verpiss dich doch einfach und kümmere dich um deinen eigenen Scheiß. Wenn dir dein Leben zu langweilig ist, dann such dir doch eine heiße Affäre. Das hält dich davon ab, mich zu nerven.“
Die wütenden Blicke, die ihm sein Bruder mit zusammengekniffenen Augen zuwarf, ignorierte Elias gekonnt, genauso wie jedes noch so kleine Quäntchen Gefühl in sich.
„Du hast sie doch nicht mehr alle. Wage es ja nicht, meine Familie mit Dreck zu bewerfen. Wie tief bist du eigentlich gesunken? Am liebsten würde ich dich hier in deiner eigenen Kotze liegen lassen, aber hast du auch nur einmal an unsere Mutter gedacht? Die heult sich die Augen aus, weil du dich so egoistisch aufführst und ihr so viel Kummer bereitest. Denk doch einmal nicht nur an dich. Und dann nimmt sie dich auch noch in Schutz. Keine Ahnung, womit du das verdient hast. Wahrscheinlich wurde das kleine Nesthäkchen viel zu sehr von ihr verwöhnt.“ Michaels höhnische Stimme überschlug sich fast, während er wild gestikulierte. Wahrscheinlich fehlte nicht viel, dann würde er ihm in seinem Zorn eine verpassen.
Elias ließ es einfach über sich ergehen. Er würde seinem Bruder nicht sagen, was der Grund für seinen Absturz war. Niemals. Genauso wie er niemals die Kraft besitzen würde, sich wieder aus dem Sumpf zu ziehen. Wozu auch? Es gab für ihn keinen einzigen Grund mehr zu kämpfen. Aus und vorbei!
Elias ließ sich bäuchlings aufs Bett sinken und alle Versuche seines Bruders, zu ihm durchzudringen, prallten einfach wie Geschosse an einer Eisenmauer ab.
Irgendwann herrschte wohltuende Stille. Michael hatte wohl aufgegeben. Elias war zu fertig, um nachzusehen. Er hoffte es einfach.
Er war wohl eingeschlafen, denn kurze Zeit später schreckte er mit wild pochendem Herzen auf, weil ihn ein Geräusch geweckt hatte. Da nahm er eine Gestalt neben sich wahr.
„Du bist ja immer noch da“, brummte er, als er endlich wieder Luft bekam.
Wortlos stellte Michael ein Tablett mit zwei belegten Broten, einer Tasse Kaffee und einem Blister mit Kopfschmerztabletten auf seinem Nachttisch ab.
„Falls du jemanden zum Reden brauchst, ich bin für dich da. Und iss was, du bist ja bald nur noch Haut und Knochen.“ Michael warf ihm einen letzten eindringlichen Blick zu, bevor er sich verabschiedete.
Als er weg war, musste Elias sich mühsam einen Anflug von Schuldgefühlen verkneifen, die ihn unvermittelt marterten und es schafften, für einen kurzen Moment den großen Schmerz, der in ihm tobte, zu durchbrechen.
Meli schürzte ein wenig abfällig die Lippen, während sie sich im Spiegel betrachtete. Sie sah so unglaublich langweilig aus. Nullachtfünfzehn. Absoluter Durchschnitt. Nicht, dass sie ein besonderer Makel auszeichnen würde. Denn das würde sie gleich wieder interessant erscheinen lassen. Nein, ihr Gesicht war einfach so alltäglich, dass kaum jemand einen weiteren Blick riskierte. Okay, das war jetzt auch wieder übertrieben, aber sie war es gewohnt, in der breiten Masse zu verschwinden. Sie beugte sich nach vorne, um ihren Teint zu begutachten, der rein und rosig aussah.
„Dann werden wir mal sehen, was sich herausholen lässt“, sagte sie zu ihrem Spiegelbild und musterte es weiterhin kritisch. Gedankenverloren kämmte sie ihr dichtes, braunes Haar, das zwar einen langweiligen Farbton hatte, aber immerhin schön glänzte und weit über ihre Schultern reichte.
Sie öffnete eine Schublade und holte ihr Schminkzeug heraus. Viele Auswahlmöglichkeiten besaß sie nicht. Wimperntusche, einen Kajalstift und einen Lipgloss, das war es auch schon. Sie hatte weder Talent noch die nötige Geduld, sich zu schminken. Praktisch war wohl das treffendste Wort, das sie passend beschrieb. Dennoch fühlte sie sich anschließend besser. Ihre Augen wurden eindrucksvoll betont und sie war jedes Mal überrascht, wie sehr sie sich veränderten. Ihre großen mandelförmigen Augen waren auch das einzig Sehenswerte an ihr. Sie lebte einfach im falschen Land. Unter einer Burka versteckt würden sich die Männer um sie reißen. Meli schüttelte belustigt den Kopf. Sie sollte aufhören, so wirres Zeug zu denken.
„Meli. Hilf mir“, kreischte es lautstark durch die Wohnung und Tumult war zu hören. Sie schrak zusammen und schon riss ihre kleine Schwester die Badezimmertür auf.
„Sven will mich hauen, weil ich sein Flugzeug kaputtgemacht habe“, heulte Johanna lautstark.
Meli bückte sich, um die Kleine zu trösten. Ihre Eltern waren noch nicht zu Hause. Ihr Vater hatte zwei Jobs, um die Familie über Wasser zu halten und ihre Mutter war noch im Friseursalon.
„Wie ist das denn passiert?“
Die Siebenjährige sah sie schuldbewusst an und biss sich auf die Unterlippe. „Ich wollte es mir nur ansehen. Dann hat Sven losgebrüllt und ich habe es fallenlassen.“
Innerlich rollte Meli mit den Augen, dem geliebten Lego Technik ihres Bruders durfte man nicht zu nahekommen.
„Wo ist denn Jürgen? Er soll doch auf euch aufpassen“, sagte Meli misstrauisch. Sie wollte sich in einer halben Stunde mit Luise treffen und ihr Bruder sollte bei den jüngeren Kindern bleiben, bis ihre Mutter nach Hause kam.
„Der ist nicht da.“ Johanna hob kurz die Schultern und heulte anschließend wieder los, als sie ihren aufgebrachten Bruder erblickte, der sich auf sie stürzen wollte. „Sag ihm, dass ich das nicht wollte.“
„Sven, hör auf. Sie hat es nicht mit Absicht getan. Du kannst das doch ratzfatz wieder zusammenbauen.“ Sie nickte ihm aufmunternd zu und der Zehnjährige zog murrend ab.
In ihrem Inneren brodelte es, auch wenn sie sich bemüht hatte, es die Kleinen nicht spüren zu lassen. Warum war Jürgen nicht zu Hause? Sie verstand, dass er mit seinen knapp achtzehn Jahren Besseres vorhatte, als auf kleine Kinder aufzupassen, aber er konnte doch wohl einmal für sie einspringen.
Abwesend beruhigte sie die immer noch jammernde Johanna und schickte sie zurück zum Spielen. Kurz darauf betrat sie ihr Zimmer und holte ihr Handy, um Jürgen anzurufen. Angespannt wartete sie ab. Als ihr klar war, dass er nicht drangehen würde, sprach sie ihm eine harsche Ansage aufs Band. Frustriert warf sie ihr Handy aufs Bett, nur um es anschließend wieder an sich zu nehmen, um Luise Bescheid zu geben.
Als sie auch Luise nicht erreichen konnte, schickte sie ihr eine Nachricht und hoffte, dass sich die Freundin noch nicht auf den Weg gemacht hatte.
Wieder einmal verzweifelte sie an ihrer Unfähigkeit, Nein zu sagen. Sonst wäre sie schon vor Jahren ausgezogen. Aber ihre Mutter wäre aufgeschmissen ohne ihre Hilfe. Sie beneidete ihre jüngere Schwester. Sandra hatte es richtiggemacht. Als sie ihre Ausbildung zur Hotelfachfrau begonnen hatte, war sie direkt ins Hotel gezogen und wohnte dort auch heute noch. Sandra hatte den Absprung geschafft und lebte ihr eigenes Leben, während Meli die Befürchtung hegte, noch bis in alle Ewigkeit zu Hause zu wohnen.
Frustriert bereitete sie das Abendessen vor. Der Klingelton ihres Handys riss sie aus den Gedanken.
„Sorry, ich habe gerade erst deine Nachricht gelesen. Hast du deinen Bruder zwischenzeitlich erreicht?“, fragte Luise.
Meli schüttelte genervt den Kopf, bis ihr einfiel, dass Luise sie nicht sehen konnte. „Nein, das macht er doch mit Absicht. Der bekommt was zu hören, wenn er nach Hause kommt“, schimpfte Meli.
„Wir können uns gerne später treffen“, schlug Luise vor.
Meli seufzte. „Die Schicht meiner Mutter endet heute erst um 21 Uhr, dann muss sie noch aufräumen und mein Vater hat Nachtschicht. Bis ich dann loskomme, wird es wohl zu spät werden. Lass es uns lieber verschieben.“ Sie konnte nicht verhindern, dass sie geknickt klang.
Anscheinend hatte es auch ihre feinfühlige Freundin wahrgenommen, denn sie erwiderte: „Dann komme ich einfach bei dir vorbei.“
Im ersten Moment wusste Meli nicht, was sie antworten sollte. Es war ihr peinlich, Luise in diesem Chaos zu empfangen. Das Wohnzimmer sah aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen und die Küche, als wäre sie sechs Wochen nicht mehr aufgeräumt worden. Was sollte Luise nur denken? Dann schlug sie ihre Bedenken in den Wind. Es war ihr wichtig, ihre Freundin zu sehen, ihr eigenes Zimmer war akkurat aufgeräumt, der Rest war doch egal. Schließlich war sie nicht die persönliche Putzfrau ihrer Eltern.
„Gern. Aber bitte setz deine Brille nicht auf.“
„Was denn für eine Brille? Ich trage doch gar keine“, meinte Luise verwirrt.
Meli lachte und erklärte: „Die Bude meiner Eltern strahlt nicht gerade im reinsten Glanz, wenn du verstehst, was ich meine.“
„Das stört mich nicht“, winkte Luise ab.
Als ihre beiden jüngsten Geschwister im Bett waren, legte sich Meli auf ihr Bett und schloss die Augen. Ihre Freundin würde erst in einer halben Stunde auftauchen, bis dahin wollte sie sich kurz ausruhen. Erschöpft ließ sie ihre Gedanken fließen. Fast wäre sie eingeschlafen, als eine Erinnerung sie ruckartig die Augen aufreißen ließ.
Überraschend hatte gestern Ariane angerufen und gefragt, ob sie als Babysitter einspringen könnte. Die Nanny war krank geworden und sie benötigten dringend Ersatz. Sofort war ihr Elias wieder in den Sinn gekommen, obwohl sie ihn seit Monaten nicht gesehen hatte. Melis Herz hatte wie verrückt geklopft, denn es war zweifelhaft, ob sie ihn überhaupt sehen würde und eigentlich hatte sie gar keine Zeit. Die Semesterferien endeten bald und ihre kleinen Geschwister hatten zudem gerade Osterferien, aber sie wollte Ariane nicht im Stich lassen und würde zusehen, es neben dem Studium zu organisieren. Nächste Woche begann die Schule wieder, dann waren Arianes Kinder vormittags sowieso im Kindergarten und ihre Geschwister in der Schule betreut, die nachmittäglichen Kurse könnte sie notfalls auch mal schwänzen. Allerdings hatte sie es ihrer Mutter noch nicht beigebracht und der Gedanke ließ auch Elias in den Hintergrund treten. Meli ärgerte sich über sich selbst. Warum konnte sie ihr schlechtes Gewissen nicht einmal ausschalten? Warum konnte sie nie zuerst an sich denken? Sie hoffte inständig, dass die Aussicht auf das leichtverdiente Geld ihre Mutter besänftigen würde. Immerhin trat Meli einen Großteil davon an die Haushaltskasse ab.
Sie spannte sich an, ballte ihre Hände zu Fäusten und erstmals spürte sie, dass sie Kampfgeist entwickelte. Falls ihre Eltern etwas dagegen hätten, würde sie sie mit schlagkräftigen Argumenten davon überzeugen, dass es unvernünftig wäre, Familie Reinhardt zu verärgern. Am Ende wäre es das letzte Mal, dass sie so eine Chance erhielt. Sie musste ihnen ja nicht auf die Nase binden, dass Ariane schon Verständnis geäußert hatte, falls sie so kurzfristig keine Zeit fände. Aber Meli wollte unbedingt Elias wiedersehen. Und die einzige Chance, ihm zu begegnen, war bei seinem Bruder, den er häufig besuchte.
Was bin ich nur für eine hoffnungslose Romantikerin? Als ob Elias ernsthaftes Interesse an mir hat. Wem will ich da etwas vormachen? Wir sind nicht bei Aschenputtel. Aus mir macht auch ein wunderschönes Kleid keine Prinzessin.
Ihr Magen krampfte sich unangenehm zusammen, als Meli sich ausmalte, wie sie sich vor Elias blamieren würde. Bestimmt hatte er schon bei ihrer ersten Begegnung gemerkt, wie beeindruckt sie von ihm war.
Obwohl sie wusste, dass es unvernünftig war, ihn wiederzusehen, hoffte sie es inständig. Sie wollte herausfinden, ob er wirklich nur höflich gewesen war oder doch hinter ihre Fassade geblickt hatte. Und was genau soll er da entdecken? Meli, hör doch endlich auf herumzuspinnen!
Die Türklingel riss sie aus den wirren Gedanken und sie sprang erleichtert auf. Ein wenig Ablenkung würde ihr guttun. Wobei sie schon jetzt wusste, dass sie Luise von dem Angebot erzählen würde. Sie brannte förmlich darauf, ihrer Freundin die Neuigkeiten mitzuteilen.
Gott, war ihm schlecht. Wieder einmal hatte er zu tief ins Glas geschaut. Vorsichtig versuchte er die Augen zu öffnen. Ein kurzer Blick genügte, um zu erkennen, dass er es nicht einmal in sein Bett geschafft hatte. Seine Kehle fühlte sich vollkommen ausgedörrt an, was eigentlich ein Witz war, wenn er bedachte, wie viel er gestern getrunken hatte. Aber im Augenblick sehnte er sich nach einem Schluck Wasser. Als er erneut einen Blick riskierte, stellte er verblüfft fest, dass er sich überhaupt nicht in seiner Wohnung befand. Momentan befand er sich auf irgendeiner fremden Couch. Er tastete mit der Hand neben sich und hielt sogleich inne, als er warme Haut spürte.
Fuck, was war gestern passiert? Er konnte sich an rein gar nichts mehr erinnern.
Seit dem demütigenden Erlebnis mit seinem Bruder bemühte sich Elias, sein Leben in den Griff zu bekommen. Zumindest um nach außen dieses Bild zu vermitteln. Tief in ihm sah es noch genauso düster aus wie an jenem Tag, an dem er sich an seinem persönlichen Tiefpunkt befunden hatte. Damals war es ihm völlig gleichgültig gewesen, dass Michael ihn so erlebt hatte. Zwar fühlte er sich immer noch genauso desorientiert und verzweifelt, aber etwas hatte sich geändert. In ihm war der Wunsch aufgekeimt, die anderen nicht merken zu lassen, wie es in ihm aussah. Er wollte nicht darüber reden, seine Familie sollte ihn in Ruhe lassen und das war nur möglich, wenn er sie durch ein falsches Bild beruhigte. Ansonsten würden sie ihn permanent mit ihrer Fragerei nerven und das wollte er unter allen Umständen vermeiden. Elias konnte nicht über etwas sprechen, das er selbst erst realisieren musste. Er hatte keine Ahnung, was diese Erkenntnisse für sein zukünftiges Leben bedeuteten.
Verächtlich lachte Elias auf. Zukünftiges Leben, das ich nicht lache. Was soll das denn noch für ein Leben sein?
Ganz vorsichtig riskierte er einen Seitenblick und war erleichtert, dass neben ihm eine halbwegs attraktive Frau lag, soweit er das in seinem desolaten Zustand beurteilen konnte. Leise, um sie bloß nicht aufzuwecken, stand er auf und sammelte seine Klamotten ein, die überall im Zimmer und Hausflur verteilt lagen. Anscheinend hatten sie es ziemlich wild getrieben. Angewidert hob er ein benutztes Kondom auf und warf es in den Abfall. Auf der einen Seite erleichterte es ihn, dass sie im Eifer des Gefechts daran gedacht hatten, zugleich überfiel ihn der gewohnt zynische Gedanke, dass es sowieso keine Rolle mehr spielte. Er schlug sich mit der Handfläche gegen die Stirn, aber auch das half seinem Erinnerungsvermögen nicht auf die Sprünge.
Er wusste einfach nicht weiter. Anvertrauen konnte er sich niemandem. Nicht einmal seinen besten Freund hatte er bisher eingeweiht. Der einzige Weg, den er momentan sah, war das gnädige Vergessen im Drogen- und Alkoholrausch. Völliges Vernebeln der Sinne. Nichts mehr spüren und keine Ängste mehr ertragen müssen. Aber es war eine Gratwanderung, diesen Weg zu verfolgen, ohne die anderen misstrauisch zu machen.
Endlich hatte er es geschafft, sich anzuziehen und strich sich gedankenverloren durchs Haar.
Seit er sich wieder halbwegs zivilisiert verhielt, hatte auch Michael akzeptiert, dass er nicht darüber reden wollte. Es schien ihn zwar wahnsinnig zu machen, dass sein kleiner Bruder sich nicht helfen ließ, aber Michael begriff eben nicht, dass er damit nichts bewirkte. Helfen konnte ihm niemand. Er wollte keine ratlosen oder gar mitleidigen Blicke. Er wollte einfach nur vergessen. Diesen gottverdammten Tag vergessen, der sein Leben zerstört hatte. Benommen griff er ins Leere, als er sich an der Wand festhalten wollte. Er stolperte zwei Schritte vorwärts und landete mit der Schulter am Türstock. Endlich konnte er sein Gleichgewicht wiedererlangen.
Seit jenem verhängnisvollen Moment hatte er keinen Tag mehr nüchtern zugebracht. Er hatte keine Ahnung, welche Auswirkungen das hatte, aber es war ihm auch egal. Das Einzige, was er momentan empfand, war Wut. Grenzenlose Wut! Und die ließ sich am besten mit Drogen und Alkohol einsam und alleine aushalten. Mittlerweile war er vermehrt dazu übergegangen, Gute-Laune-Pillen einzuwerfen und Joints zu rauchen, das fiel weniger auf, als wenn er mit Dauerfahne herumlief. Am liebsten würde er zu härteren Mitteln greifen, aber eine letzte Restvernunft hielt ihn davon ab.
Gestern hatte er seine aufgestellten Regeln gebrochen und sich wieder einmal vollkommen abgeschossen.
Bevor er die Wohnung verließ, musste er etwas trinken, sonst würde er sterben. Zum Glück war die Wohnung übersichtlich und er fand rasch die Küche. Durstig trank er zwei Gläser und schaffte es anschließend tatsächlich unbemerkt aus dem Haus.
Eigentlich fand er diesen benebelten Zustand bisher ganz angenehm, aber auf die negativen Begleiterscheinungen wie Übelkeit und Kopfschmerz könnte er gut und gerne verzichten. Außerdem war ihm gerade schlagartig eingefallen, dass er seinem Bruder versprochen hatte, sich mit ihm zu treffen. Verdammt! Rasch warf er einen Blick auf die Uhr. Noch drei Stunden. Bis dahin musste er wieder einen halbwegs passablen Zustand erreichen.
Jetzt musste er erst mal herausfinden, wo er sich überhaupt befand. Umständlich zog er sein Handy aus der Hosentasche und ortete sich über Google Maps. Auf dem Weg zur Haltestelle suchte er das nächstbeste Café auf, weil er dringend ein paar Liter Kaffee benötigte, um wieder halbwegs bei Verstand zu sein. Das Koffein in seinen Adern würde hoffentlich die Lethargie und Benommenheit vertreiben. Während er Platz nahm, schnüffelte er möglichst unauffällig an seinen Klamotten, aber die rochen zu seiner Erleichterung lediglich nach Rauch. Langsam kehrten auch seine Erinnerungen wieder zurück. Gestern Abend war ihm die Decke auf den Kopf gefallen. Er hatte es zu Hause nicht mehr ausgehalten. Zudem war ihm der Stoff ausgegangen. Eigentlich hatte er vorgehabt, lediglich für Nachschub zu sorgen, aber dann war er im Klub hängen geblieben und die Kleine hatte ihn mit nach Hause genommen. Ein Hauch schlechten Gewissens überfiel ihn, als ihm einfiel, wie verliebt das Mädel gewirkt hatte. Sie hatte ihn ziemlich angehimmelt und ihr Vorschlag, mit zu ihr zu gehen, hatte ihn kurz aus der Bahn geworfen, weil er ihr so viel Forschheit gar nicht zugetraut hatte.
Aber was erwartete sie denn, wenn sie sich ihm so an den Hals warf? Wohl kaum die große Liebe. Elias schnaubte sarkastisch. Aber dennoch war es nicht die feine Art gewesen, am Morgen heimlich zu verschwinden. Aber eine Szene wäre das Letzte gewesen, was er mit seinem Kater vertragen hätte.
Elias trank einen großen Schluck von dem gerade gebrachten Kaffee und bestellte eine Portion Rührei und Speck. Die Kleine würde schon drüber hinwegkommen. Er konnte nicht mehr zählen, wie viele Frauen er in den letzten Wochen abgeschleppt hatte. Unverbindlicher Sex war ein weiteres willkommenes Mittel, um zu vergessen.
Elias wusste um seine Wirkung auf Frauen, aber seit er anscheinend diese Verruchtheit ausstrahlte, war er noch beliebter als zuvor. Die Mädels rissen sich um seine Aufmerksamkeit, obwohl er sich nicht sonderlich viel Mühe gab, nett zu ihnen zu sein. Sogar die Bedienung hatte es gerade nicht unterlassen, mit ihm zu flirten.
Er schüttelte den Kopf, als würde ihn diese Tatsache immer noch erstaunen. Vielmehr wunderte er sich immer noch über sein kaltes und hartes Auftreten den Frauen gegenüber.
In seinem alten Leben war Elias ein Charmeur gewesen, der den Frauen gerne Komplimente machte. Ein aufmerksamer Zuhörer, der den Mädels das Gefühl gab, der Mittelpunkt des Geschehens zu sein.
Elias war nie der typische Aufreißer gewesen. One-Night-Stands gab es bei ihm selten. Zwei längere Beziehungen hatte er hinter sich. In Singlezeiten führte er lieber lose Affären, als jede Nacht eine neue Frau zu beglücken.
Und dann war da Meli, die er unverhofft vor einigen Wochen bei seinem Bruder getroffen hatte. Irgendwie hatte es ihm das schüchterne Mädel gleich angetan. Sie war keine Modelschönheit, aber Perfektion empfand Elias sowieso als langweilig. Meli hatte unheimlich eindrucksvolle Augen und er hatte noch nie so lange Wimpern gesehen. Als sie gelächelt hatte, war das ganze Zimmer erstrahlt. Auch wenn er es sich nicht hatte anmerken lassen, sie hatte ihn ziemlich beeindruckt und er hätte sich gewünscht, noch öfter der Grund für ihr Strahlen zu sein. Er hatte sich fest vorgenommen, sie wiederzusehen. Aber dazu war es nicht mehr gekommen. Nun war er erleichtert, dass es in seinem unsteten Leben als Pilot untergegangen war. Dennoch hatte sich die Frau mit den wunderschönen Augen wiederholt in seine Gedanken geschlichen. Er hatte vorgehabt, Michael nach ihrer Handynummer zu fragen, aber irgendetwas war immer dazwischengekommen. Und dann war der Tag gekommen, der den Beginn seines persönlichen Albraumes eingeläutet hatte. Da war er froh gewesen, es nie geschafft zu haben. Er hatte die leise Ahnung, dass es schwierig geworden wäre, Meli etwas vorzuspielen. Sie hätte in die Tiefe gebohrt, an Stellen, die schmerzten, die ihn hätten aggressiv werden lassen. Und nichts lag ihm ferner, als sie zu verletzen. Deshalb zog er es lieber vor, fremde Frauen zu benutzen und anschließend wie minderwertige Ware abzulegen.
Als er die Wohnungstür aufsperrte, stockte er einen Augenblick. Was war das für ein Geruch? Er hob den Kopf und schnüffelte ein paar Mal. Nein, er hatte sich nicht getäuscht. In seiner Bude roch es wie in einer Wäscherei. Normalerweise erschlug ihn jedes Mal das abgestandene, muffige Aroma, gegen das er wie eine Wand rannte, sobald er seine Wohnung betrat.
Er warf die Tür ins Schloss. Das konnte doch nicht wahr sein. Seine Mutter hatte es anscheinend wieder einmal nicht unterlassen können, ihm eine Putzfrau vorbeizuschicken. Oder sie hatte selbst die Putzfee gespielt, das würde er ihr glatt noch zutrauen. Er hätte nicht nur seinem Bruder, sondern auch seiner Mutter den Ersatzschlüssel abnehmen sollen. Aber da er als Pilot häufig unterwegs war, hatte er einige Schlüssel verteilt, damit die Leute entweder nach dem Rechten sahen oder die Wohnung als Übernachtungsmöglichkeit anbieten konnten, bevor sie ständig leer stand. Außerdem wusste er genau, dass er es nicht übers Herz brachte, diesen Schritt zu gehen, denn sie meinte es schließlich nur gut. Immerhin waren seinen Eltern die einzigen Menschen, die eingeweiht waren. Wenn auch unfreiwillig.
Elias’ Blutdruck schoss in beängstigende Regionen, wenn er an den Verrat dachte, der sein Geheimnis ans Licht gebracht hatte. Diesmal war sein Vater zu weit gegangen. Sorge hin oder her. Damit hatte er eine Grenze überschritten, die er ihm so schnell nicht verzeihen konnte.
Trotzdem würde er seine Aggressionen nicht an seiner Mutter auslassen. Das hatte sie nicht verdient, auch wenn sie ihm mit ihrer Übergriffigkeit ziemlich auf den Sack ging.
Ein kurzer Blick in den Kühlschrank sagte ihm, dass er die nächsten Tage nicht verhungern würde. Auch die Waschmaschine lief munter vor sich hin. Er sollte froh sein, sich darum nicht kümmern zu müssen. Seufzend ging er ins Badezimmer, um noch rasch zu duschen und sich umzuziehen, bevor er sich mit Michael traf. Als das Wasser wohltuend über seinen Kopf floss, fiel ihm ein, dass er mit ihm zum Tennis spielen verabredet war. Verdammt, wie hatte er das vergessen können? Tennis! Sport! Das waren Wörter, die momentan in seinem Sprachgebrauch keine Verwendung fanden. Jetzt war es zu spät, um abzusagen. Elias knirschte mit den Zähnen, während ihn das kalte Wasser munter machte. Das Duschen hätte er sich somit auch sparen können. Das erste Mal seit Wochen verflog die gesamte Last für einen Moment und er musste grinsen. Nur ein Idiot würde vor dem Sport duschen. Das durfte er seinem Bruder nicht erzählen, ansonsten hielt er ihn endgültig für verrückt.
Nachdem er endlich unter zahlreichen Flüchen seinen Schläger gefunden hatte, verließ er die Wohnung, um zu seinem Auto zu gehen. Kurz hielt er inne, bevor er den Schlüssel ins Schloss steckte und zögerte, den Motor zu starten, dann vertrieb er die Bedenken. Das kurze Stück würde er schon schaffen. Wie er allerdings das Match überstehen sollte, wusste er noch nicht. Vielleicht sollte er beginnen, wieder mehr auf seine Fitness zu achten. Manchmal konnte er die höhnische Stimme nicht ganz unterdrücken, die ihm zuraunte, sich verdammt noch mal zusammenzureißen und endlich aufzuhören, sich so gehen zu lassen. Aber meistens schaffte er es schnell, sie wieder verschwinden zu lassen.
„Hätten wir uns nicht auf einen Kaffee treffen können?“, murrte Elias, als er seinen Bruder mit Handschlag begrüßt hatte.
„Sagt derjenige, der mich früher regelmäßig vom Platz gefegt und kein Erbarmen mit einem alten Mann gezeigt hat.“
Michaels eindringlicher Blick sagte ihm, dass es die falsche Frage gewesen war. Jetzt hatte er ihn erneut misstrauisch gestimmt. Normalerweise trieb es Elias mit seinem sportlichen Ehrgeiz zu weit und kannte kein Pardon.
Gerade hatte er wieder bewiesen, dass er nicht der Alte war.
Er winkte eilig ab. „War doch nur Spaß. Ich war heute Nacht unterwegs und bin nicht alleine aufgewacht.“ Er grinste seinen Bruder an und zwinkerte ihm zu. Zwar fühlte es sich unglaublich falsch an, Michael weiszumachen, dass er eine Menge Spaß gehabt hatte, aber zu seiner Erleichterung konnte er ihn täuschen.
Michael schlug ihm auf die Schulter. „Ich werde kein Mitleid mit dir haben. Selbst schuld.“
Nachdem sie ein paar Bälle hin und her gespielt hatten, stellte Elias fest, dass es um seine Koordinationsfähigkeit besser bestellt war als gedacht. Wider Erwarten bereitete ihm das Spiel richtig Spaß und trotz seiner schlechten Verfassung hatte sein älterer Bruder keine Chance gegen ihn. Elias spürte, wie gut ihm der Sport tat. Er fühlte sich normal. Sorglos. Unbesiegbar.
Bis er ans Netz rannte, um einen fiesen Stoppball aus dem Lauf heraus zu erreichen. Er stolperte über seine eigenen Füße und stürzte. Er hatte so viel Schwung drauf, dass er sich einmal um die eigene Achse drehte. Kurz blieb er auf den Rücken liegen, weniger, weil er sich verletzt hatte, als vielmehr aus dem Grund, dass ihm gerade der Schock den Atem raubte. Sein Herz raste so schnell, wie es das gesamte Match nicht hatte arbeiten müssen. Michael sprang über das Netz und kam auf ihn zu. Er reichte ihm die Hand und als Elias nach einem kurzen Zögern auf die Beine sprang, fragte er verblüfft: „Was war das denn? Du musst gestern ja einiges gebechert haben, wenn du gleich über deine Füße fliegst.“
Elias wurde wieder einmal vor Augen geführt, dass sein Hochgefühl eine Momentaufnahme war, die nicht der Realität entsprach oder zukünftig nicht der Realität entsprechen würde.
Während Elias um seine Fassung rang, musterte Michael ihn so intensiv, dass er sich völlig entblößt fühlte. Er musste zusehen, dass er sich wieder in den Griff bekam. Und zwar schleunigst. Aber sein Puls raste und er fühlte sich wie im freien Fall. Panik drohte ihn zu überrollen. Ihn einzulullen und ihn nie wieder aus ihren eisernen Fängen zu entlassen. Er zwang sich, zur Bank zu laufen, um eine Trinkflasche aus seiner Tasche zu holen. Durch diese profane Tätigkeit würde er hoffentlich seine Fassung zurückerlangen.
Tatsächlich ging es ihm langsam besser, während das Wasser seine Kehle hinabfloss. Kraftlos ließ er sich auf die Bank fallen. „Sorry, ich bin wohl doch etwas ausgeknockt. Lass uns ein anderes Mal weiterspielen.“
Michael öffnete den Mund, sagte aber nichts. Wahrscheinlich kannte er seinen Bruder besser als gedacht. Ihm war klar, dass Elias ihm keine bessere Erklärung liefern würde.
„Okay“, war schließlich alles, was er entgegnete.
Während sie zur Umkleidekabine liefen, brach Michael plötzlich das Schweigen. „Hast du dich verletzt?“
Elias zuckte zusammen und erst jetzt bemerkte er, dass er das rechte Bein ein wenig hinterherzog. Er war so sehr in seinen Gedanken gefangen gewesen, dass es ihm gar nicht aufgefallen war.
„Ein wenig, aber halb so schlimm“, wiegelte er schnell ab. Jedes einzelne Wort wollte ihm kaum über die Lippen, sosehr schockierte ihn gerade die Tatsache, dass sein Bein wie eingeschlafen zu sein schien.
Michaels Vorschlag, noch auf ein Getränk zusammenzusitzen, lehnte er ab. Er wollte einfach nach Hause, um sich dort zu vergraben. Jetzt musste er nur noch irgendwie die Autofahrt hinter sich bringen.
„Meli, ich freue mich so, dass es geklappt hat.“ Ariane umarmte sie erleichtert, kaum dass sie das Wohnzimmer betreten hatte. Frau Melchior, die nette Hausangestellte, hatte sie zu ihr und den Kindern geführt. Die Mädchen saßen schon an der gedeckten Kaffeetafel und Ariane erklärte entschuldigend: „Eigentlich wollten wir auf dich warten, aber die Kinder waren so hungrig und haben es nicht mehr ausgehalten.“
Sie verdrehte die Augen und Meli verkniff sich ein Lachen. Schließlich wusste sie, wie wichtig Ariane gemeinsame Essenszeiten waren.
„Kein Problem, das macht doch nichts. Kennt ihr mich noch?“, wandte sie sich an die Kleinen, als sie an den Tisch trat, wo die beiden sie mit schokoladenverschmierten Mündern ansahen.
„Natürlich, du warst schon mal unsere Nanny“, gab Franzi, die Ältere, ein wenig altklug von sich. Lena hingegen sprang ihr entgegen und schlang ihre pummeligen Arme um ihre Taille.
„Lena, du machst Meli ganz schmutzig“, rügte Ariane ihre Tochter. Meli fing einen entschuldigenden Blick von ihr ein.
„Ich habe doch Wechselsachen dabei. Zwar muss ich ein- oder zweimal in den kommenden Wochen auf meine kleinen Geschwister aufpassen, aber ansonsten werde ich hier sein.“ Sie strich der Kleinen liebevoll über den Rücken und versprach, gleich nachher mit ihr zu spielen.
Während Ariane ihr einen Platz anbot und Frau Melchior ihr einen frisch zubereiteten Cappuccino und ein Stück Kuchen brachte, sagte ihre Arbeitgeberin dankbar: „Zum Glück konnte dich deine Mutter entbehren. Es wäre sonst schwierig geworden. Ich muss geschäftlich für einige Tage verreisen und Michael kann auch nicht kürzertreten.“ Sie verstummte kurz, um an ihrem Wasser zu nippen, dann fügte sie hinzu: „Und die Großeltern sind leider überfordert mit der Betreuung der Kinder.“
„Meine Großeltern haben uns nie zu sich genommen“, warf Meli ein, um Ariane aufzuzeigen, dass sie damit nicht allein war. „Meine Eltern mussten schon immer alles alleine hinbekommen.“ Den Zusatz und das ganz ohne Nanny konnte sie sich gerade noch rechtzeitig verkneifen. Es wäre Ariane gegenüber ungerecht, ihr ihren Wohlstand vorzuhalten. Und Meli war ihr unglaublich dankbar für die Chance, die sie ihr bot. Nicht jeder würde einer ungelernten Kraft die eigenen Kinder anvertrauen. Ariane sprach weiter und riss sie aus ihren Gedanken.
„Ein Tag nehmen sie sie gern, aber für einen längeren Zeitraum möchte ich sie nur im äußersten Notfall bitten. Wenn Elias sie ein wenig unterstützen würde, sähe es anders aus, aber er ist gerade einfach zu unzuverlässig.“
Meli war dabei, sich ein Stück Kuchen in den Mund zu schieben. Jetzt ließ sie die Gabel achtlos wieder sinken und starrte Ariane an. Ihre Arbeitgeberin sah ein wenig schuldbewusst aus, als wäre ihr etwas über die Lippen gekommen, was sie lieber hätte verschweigen sollen.
Sollte sie darauf reagieren? War es unverschämt nachzufragen, was sie damit meinte? Oder wirkte es uninteressiert, wenn sie es nicht täte? Solche Situationen waren Meli zuwider. Momente, in denen sie nicht wusste, wie sie sich verhalten sollte, machten sie linkisch und unsicher.
Zum Glück nahm Ariane ihr die Entscheidung ab, indem sie sich vorbeugte und vertraulich flüsterte: „Das ist mir so rausgerutscht. Bitte vergiss, was ich gesagt habe.“
Eine klare Ansage, mit der Meli umzugehen wusste. Zwar hatte dieser eine Satz nun in ihrem Kopf ein unerbittliches Gedankenkarussell in Gang gesetzt, aber sie respektierte natürlich den Wunsch und nickte zustimmend. Ariane fragte sie ein wenig über die letzten Monate aus, denn auch wenn sie sich gut verstanden, ging der Kontakt nicht über ein Arbeitsverhältnis hinaus.
Meli berichtete von ihrem kommenden Semester und wieder betonte Ariane ihre Dankbarkeit. Natürlich konnte Meli ihr nicht ins Gesicht sagen, dass ihre Mutter das leicht verdiente Geld gelockt hatte, denn es würde ein falsches Bild vermitteln. Ihre Eltern taten alles, damit sie ihren Kindern ein gutes Leben ermöglichen konnten. Aber Ariane wäre bestimmt entsetzt, wenn sie erfuhr, dass Meli zwei Drittel ihres Lohnes an ihre Eltern abtrat, die sowieso kaum über die Runden kamen. Sie wollte nicht, dass ihre Arbeitgeberin dachte, ihre Eltern beuteten sie aus. Denn wozu benötigte sie so viel Geld? Sie wohnte noch zu Hause und natürlich unterstützte sie ihre Eltern, indem sie Miete bezahlte.
Ariane und Michael waren herzensgute Menschen, die ihr gegenüber keinerlei Ressentiments gezeigt hatten, aber sie kamen aus gänzlich unterschiedlichen Lebensmodellen, da konnte sie nicht erwarten, dass Ariane Verständnis aufbringen würde.
Sie verbannte die Gedanken an ihre Familie und beschloss, sich nun voll und ganz auf die Kinder zu konzentrieren, die unbedingt eine Fahrradtour mit ihr machen wollten. Meli wechselte einen Blick mit deren Mutter, und als Ariane nickte, stimmte sie lächelnd zu.
Verdammt, sie war spät dran. Aber ihre Mutter war wieder einmal unpünktlich aus dem Friseursalon gekommen, obwohl sie heute schon mittags Feierabend hatte und Meli hatte zu Hause wie auf glühenden Kohlen gesessen. Ursprünglich wollte sie den restlichen Tag zum Lernen nutzen, aber dann hatte Ariane panisch angerufen, dass für heute ein wichtiges Meeting einberufen worden war, bei dem sie nicht fehlen durfte und sich somit nicht um die Kinder kümmern konnte. Nun hatte sie die Kinder bei ihrer Haushälterin gelassen, die aber mit der Kinderbetreuung hoffnungslos überfordert war.
Meli rannte die letzten Meter von der Bushaltestelle bis zum Anwesen der Reinhardts. Völlig außer Puste bat sie am Tor um Einlass, während sie ihre Haare im Nacken anhob, damit die frische Luft ihn kühlen konnte. Sie wischte sich über die verschwitzte Stirn und befahl sich zum hundertsten Mal, endlich mal wieder Sport zu treiben. Aber irgendwie siegte der innere Schweinehund immer.
Sie lief durch den Park, um zum Haupteingang zu gelangen. Ariane hatte sie gerügt, als sie das erste Mal den Lieferanteneingang benutzen wollte, um die Kinder in Empfang zu nehmen. Lautes Kreischen stoppte ihren Weg und sie wäre beinah gestolpert, als sie das Bild wahrnahm, das sich ihr bot. Die Mädchen rannten schreiend durch den Garten und für einen winzigen Moment war Meli irritiert. Sollte Michael nicht das Meeting leiten? Dann sah sie genauer hin und bemerkte, dass sie sich getäuscht hatte. Der Mann war zwar ebenfalls blond und groß gewachsen, aber viel schlaksiger. Melis Herz stoppte für eine Sekunde. Elias! Was tat er hier? Warum hatte Ariane sie nicht vorgewarnt? Hastig strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und warf einen Blick an sich herunter. Ein entsetztes Stöhnen konnte sie nicht ganz unterdrücken, als ihr aufging, wie sie aussah. Aber wie konnte sie auch ahnen, dass er heute hier wäre? Am liebsten hätte sie sich in Luft aufgelöst, so peinlich war Meli ihr Aufzug. Sie trug eine bequeme, ausgeleierte Leggins, die ihrer Figur nicht gerade schmeichelte, darüber ein übergroßes Sweatshirt ihres Bruders, da sie durch das intensive Lernen und die Betreuung der Kinder einfach nicht zum Wäschewaschen gekommen war. Darüber hatte sie sich einen Parka geworfen, der die besten Jahre hinter sich hatte. Ihre neue Softshelljacke hatte sie bei den Reinhardts vergessen.
Vielleicht schaffte sie es, sich unbemerkt vorbei zu schleichen, um sich umzuziehen. Wie erleichtert war sie nun, dass sie schon einen Koffer bei Familie Reinhardt deponiert hatte. Zwar war Meli alles andere als eitel, aber in diesem Aufzug konnte sie doch unmöglich Elias gegenübertreten. Elias, der bestaussehende Mann, den sie jemals getroffen hatte. Sogar auf die Entfernung konnte sie erkennen, dass er auch heute topgestylt aussah.
Sie zwang sich, ihren Blick loszureißen und endlich loszulaufen. Leise und möglichst unauffällig schlich sie sich zum Eingang.
Erleichtert sprang sie die Stufen hinauf, als sie eine Stimme aufhielt.
„Meli, wir sind im Garten. Spielst du mit uns fangen?“
Prima, Franzi hatte sie erwischt. Ganz langsam drehte sie sich um, in der Hoffnung, dass Elias eine Fata Morgana gewesen war und winkte den Kindern zu. Schon tauchte Elias hinter einer Hecke auf und kam auf sie zu.
Wieder strich sich Meli hektisch eine Haarsträhne weg, die ihr der auffrischende Wind ins Gesicht gepustet hatte.
„Wo willst du denn hin? Gib’s zu, du wolltest dich drücken. Das ist unfair. Ich musste auch schon unter sämtliche Büsche kriechen.“ Elias lächelte sie an und sofort stob eine Horde Schmetterlinge in ihrem Bauch auseinander und brachte sie gehörig durcheinander.
„Was machst du hier?“, fragte sie nicht besonders geistreich, als ihr bewusst wurde, dass sie ihn nicht ewig anstarren konnte, auch wenn sie nichts lieber als das täte.
„Michael hatte mich angerufen, da es einen Notfall in der Firma gab und da ich zufällig nichts zu tun hatte, bin ich eingesprungen.“
„Elias, wo bist du? Du sollst mich suchen“, hörten sie Lenas jammernde Stimme, die beide wohl ganz vergessen hatten.
Während sie sich aufmachten, das Mädchen zu suchen, antwortete Meli: „Mich hat Ariane angerufen, anscheinend haben die beiden sich nicht abgestimmt.“ Sie lächelte schüchtern, und als sich ihr Blick mit seinem traf, sah sie rasch zu Boden. Sie war froh, dass sie einer Beschäftigung nachgehen konnte, indem sie die Kleine suchte, ansonsten würde ihre Verlegenheit bestimmt noch viel mehr auffallen. Sie entfernte sich von Elias und bemerkte erst jetzt, wie sehr sie seine Nähe aus dem Konzept gebracht hatte.
„Hab dich“, rief sie ausgelassen, als sie Lena endlich fand. Das Mädchen kreischte und wollte noch eine Runde spielen. Meli wandte sich an Elias: „Du kannst jetzt gerne gehen. Ich übernehme, schließlich werde ich dafür bezahlt.“
Na prima, wie klang das denn jetzt? Als ob sie nur des Geldes wegen auf die Kinder aufpasste. Warum bin ich nur so unfassbar spröde?
Unter seinem eindringlichen Blick wurde sie natürlich rot, was ihm ein amüsiertes Lachen entlockte. Meli wurde sich ihrer Unzulänglichkeit wieder voll bewusst, als sie diese geballte Ladung Selbstbewusstsein abbekam. Gerade wünschte sie sich nichts sehnlicher, als dass er ihrer Aufforderung nachkam und verschwand.
„Willst du mich etwas loswerden?“, erdreistete er sich auch noch zu fragen.
Meli atmete hörbar ein und aus. „Nein, das hast du falsch verstanden. Ich dachte nur, falls du noch was vorhast …“
Elias fuhr sich durch die Haare, was ihn noch unwiderstehlicher aussehen ließ und Meli konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, ihn anzufassen. Ihm durch sein Haar zu streichen, seine Hand zu nehmen, ihn zu küssen …
Sie war gerade dabei, ihren Verstand zu verlieren. Himmel, wie konnte er nur so eine umwerfende Wirkung auf sie haben und wie konnte sie so unfassbar dumm sein, es auch noch zuzulassen?
„Ich habe nichts Wichtiges vor und da ich dachte, dass ich meine Nichten noch ein paar Stunden betreuen muss, habe ich mir nichts vorgenommen. Ich spiele gern mit euch noch eine Runde Verstecken.“ Er zwinkerte ihr zu und wandte sich an die Mädels. „Was haltet ihr davon, wenn wir nun gemeinsam Meli suchen?“
Zwei Stunden später war Elias immer noch da und tollte ausgelassen mit den Kindern durch den Garten. Wenn Meli nicht schon vorher für ihn geschwärmt hätte, dann spätestens jetzt. Es sah zu süß aus, wie er mit den Kindern fangen spielte. Gerade hatte er sich von den Mädchen zu Boden reißen lassen und ließ sich durchkitzeln. Völlig hingerissen beobachtete sie die heimelige Szene. Erst als sie seine Rufe wahrnahm, riss sie sich zusammen.
„Meli, rette mich vor den gefährlichen Monstern. Bitte!“
Lachend trat sie auf ihn zu und nach kurzem Zögern griff sie nach seiner ausgestreckten Hand und zog ihn nach oben. Wie gut sich das anfühlte, so vertraut, als hätte sie ihn schon unzählige Male berührt. Er stand so dicht vor ihr, dass sie das Glitzern in seinen Augen sehen konnte. Erst jetzt erkannte sie, dass er braune Augen hatte, die in diesem Moment fast schwarz wirkten, was im krassen Kontrast zu seinen blonden Haaren stand. Ihr Herz sprach gerade zwei Sprachen, die im vollkommenen Widerspruch zueinanderstanden. Am liebsten hätte sie die Welt stillstehen lassen, damit dieser magische Moment niemals enden würde, und gleichzeitig musste sie sich beherrschen, nicht davonzurennen, um seiner Aura, seinem Charisma zu entfliehen. Wenn sie sich seinem Einfluss auch nur eine Sekunde länger aussetzen würde, dann wäre es endgültig um sie geschehen. Das musste sie verhindern. Egal wie. Sonst wäre sie rettungslos verloren. Sie hatte doch schon bei ihrem ersten Aufeinandertreffen erkannt, dass er in einer anderen Liga spielte. Er wollte nur nett sein, mehr nicht. Aber warum zum Teufel ließ er eigentlich nicht endlich ihre Hand los?
Elias beugte sich etwas vor und Melis Herz raste. So schnell, dass es gleich zu einer Kollision kam. Herz gegen Kopf.
„Einen Penny für deinen Gedanken.“
„Was?“ Entgeistert schreckte sie zusammen.
Elias lachte und sie fühlte sich augenblicklich wieder einmal wie der letzte Trottel.
„Du fixierst mich nun schon seit einer gefühlten Ewigkeit und mich würde interessieren, was du gerade denkst.“
Melis Gedanken drehten sich im Kreis und sie konnte nach ein paar Atemzügen nach einem greifen und stieß hervor: „Und warum lässt du eigentlich meine Hand nicht los?“
Wieder blitzte es in seinen Augen und Meli schwante Böses.
„Vielleicht, weil ich den Eindruck hatte, dass es dir gefällt?“
„Mir ist kalt, können wir einen Kakao trinken?“
Danke, danke, danke, Franzi, du bist die Beste. Erleichtert wandte sie sich den Kindern zu und entzog dabei Elias möglichst unauffällig ihre Hand.
„Klar, lasst uns reingehen. Magst du auch eine Tasse?“, brachte sie hervor, als sie sich zu Elias umsah, der im Garten stehen geblieben war.
„Sorry, aber ich muss los.“
Seine Miene sah ein wenig bedauernd aus, aber das bildete sie sich sicherlich nur ein.
„Ariane und dein Bruder sind bestimmt gleich da. Magst du nicht wenigstens so lange noch bleiben?“ Meli staunte selbst über ihre verwegene Frage. Was war denn nur in sie gefahren? Anscheinend wollte sie Elias mit allen Mitteln dazu bewegen, noch einen Moment dazubleiben.
Obwohl sie mittlerweile ein paar Meter trennten, erkannte sie, wie er die Stirn runzelte und die Augen zusammenkniff. Ihr Magen hob sich und der Druck trug nicht gerade dazu bei, dass sie sich wohlfühlte.
„Nein, danke. Ich muss jetzt wirklich los. Habe schon viel zu viel Zeit vertrödelt“, brummte er in seinen nicht vorhandenen Bart. „Mädels, wir sehen uns. Ich komme bald mal wieder vorbei.“ Nun verzog sich sein Mund zu einem Lächeln und er sah wieder nahbarer aus. Dann drehte er sich einfach um und ging ohne ein weiteres Wort des Abschieds. Meli starrte ihm für einige Sekunden nach, bis sie Lenas Hand spürte, die ihre auffordernd drückte.
Sie schüttelte ungläubig den Kopf und ging dann mit den Mädels hinein, um ihnen den gewünschten Kakao zuzubereiten.
Was bitte war das gerade gewesen? Erst tollte er stundenlang ausgelassen mit ihnen durch den Garten, behauptete, nichts anderes vorzuhaben und dann tat er so, als hätte er lediglich eine lästige Pflicht erfüllt und müsste dringend gehen. Vielleicht war er gar nicht wegen ihr geblieben, sondern wollte das Versprechen nicht brechen, das er Michael gegeben hatte. Vehement schüttelte sie den Kopf, sodass ihre Haare wild flogen. Sie würde Elias aus ihrem Gehirn verbannen. Die Betreuung der Mädchen war alles, was zählte. Nur deshalb war sie hier.
Michael ließ sich beim Essen entschuldigen, da er immer noch in der Firma war und Ariane hatte ein wenig säuerlich dreingeblickt, als sie Meli erklärte, dass sie ohne ihn beginnen würden.
Natürlich würde sich Meli nicht anmaßen nachzufragen, um welches Problem es sich handelte, dafür befand sie sich eindeutig nicht in der entsprechenden Position. Manchmal musste sie sich daran erinnern, dass sie lediglich eine Angestellte und nicht eine Freundin der Familie war, so herzlich verhielten sich die Eltern der Mädchen ihr gegenüber. Dennoch hegte sie die untrügliche Befürchtung, dass Ariane es als aufdringlich empfinden würde. Ihre Arbeitgeberin sah müde und angespannt aus, deshalb bot sie an, die Kinder ins Bett zu bringen.
Ariane winkte hastig ab. „Nein, das mache ich selbst. Ich bin dir von Herzen dankbar, dass du die Kinder heute Nachmittag übernommen hast. Du musst jetzt bestimmt lernen. Ich habe ein ganz schlechtes Gewissen, dich davon abzuhalten.“