Heißer Engel - Lori Foster - E-Book

Heißer Engel E-Book

Lori Foster

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Beschreibung

Heißer Engel Wie kann das sein? Früher hat Derek sie eiskalt gelassen, jetzt weckt er in Angel ein heißes Verlangen! Als sei er plötzlich ein ganz anderer Mann. Sie braucht ihn, diesen gefallenen Engel mit dem gefährlichen Geheimnis …

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Seitenzahl: 328

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Alle Rechte, einschließlich das der vollständigen oder auszugsweisen Vervielfältigung, des Ab- oder Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten und bedürfen in jedem Fall der Zustimmung des Verlages.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Lori Foster

Der Engel in meinem Bett

Roman

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2012 by MIRA Taschenbuch in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Beguiled

Copyright © 1999 by Lori Foster

erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Titelabbildung: Corbis GmbH, Düsseldorf; Thinkstock/

Getty Images, München

Autorenfoto: © by Harlequin Enterprises S.A., Schweiz / Don Schenk

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN eBook 978-3-95576-034-2

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net

PROLOG

Eine Windböe strich ihm über den Nacken. Fröstelnd klappte er den Mantelkragen hoch und schob die Hände in die Taschen. Nur mühsam widerstand er dem Drang, den Grabstein zu berühren. Das Grab wirkte so friedlich. Aber Dane Carter glaubte das nicht. Nicht eine Sekunde lang.

Die Beerdigung hatte er um fast vier Monate verpasst. Seine Familie war natürlich außer sich. Doch sie hatten ihm schon einige vergangene Verfehlungen nicht verziehen, also machte ein Fehler mehr oder weniger auch keinen Unterschied mehr. Ausgenommen für ihn selbst.

Sein Gesicht fühlte sich starr an. Aber das lag an seinen mit aller Kraft unterdrückten Gefühlen, nicht am Wind. Der Tod seines Zwillingsbruders war eine unabänderliche und harte Tatsache, die er akzeptieren musste. Auch wenn er und Derek in letzter Zeit nicht viel Kontakt gehabt hatten, fühlte es sich an, als würde ein großer Teil von ihm selbst fehlen.

Dane hatte vor ein paar Jahren seine Familie verlassen und sich auch aus der Firma zurückgezogen. In seiner Privatdetektei übernahm er seitdem bewusst Aufträge, für die er so oft wie möglich die Stadt verlassen und verreisen musste. Obwohl sein Büro nur eine Stunde von seiner Familie, von seiner Heimat entfernt war, war er nicht zu erreichen gewesen, als sein Bruder ihn am dringendsten gebraucht hätte …

Jeder schien Dereks Tod als einen Unfall zu akzeptieren. Der Familie war anscheinend nur daran gelegen, dass die schrecklichen Neuigkeiten nicht in die Medien gelangten. Schließlich musste eine Panik unter den Aktionären der Firma verhindert werden. Doch Dane konnte die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Er würde die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Er hatte einen Riecher für Intrigen, und hier stank etwas ganz gewaltig. Noch konnte er nicht benennen, was ihn störte, aber sein Instinkt war ihm in seinem Job als Privatdetektiv in den letzten Jahren immer zugutegekommen – seit dem Tag, als er das Familienunternehmen den fähigen Händen seines Bruders überlassen hatte.

Unvermittelt ging er in die Knie und fuhr mit den Fingerspitzen über das winterkurze Gras auf dem Grab. “Was zum Teufel ist passiert, Derek?” Er schluckte. “Jetzt bin ich wieder zurück in der alten Heimat, obwohl ich das nie gewollt habe – ich wollte die Firma nicht und, verflucht, meistens wollte ich nicht mal die Familie. Es gibt zu viele offene Fragen, Bruder. Fragen, auf die ich keine Antwort weiß.”

Der Wind wehte ihm ins Gesicht. Dane schüttelte den Kopf und starrte auf den Grabstein. “Was hat es zum Beispiel mit dieser Angel Morris auf sich? Ich habe einen Brief von ihr bekommen. Offensichtlich hat sie angenommen, dass du ihn erhalten würdest. Sie weiß nicht, dass du tot bist. Ich habe den Eindruck, sie will dort wieder anfangen, wo ihr beide aufgehört habt. Vielleicht will sie eure Beziehung wiederaufleben lassen? Ich weiß es nicht … Ich glaube, ich werde mich mit ihr treffen müssen und mir anhören, was sie zu sagen hat.”

In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Welche Konsequenzen hatte es, wenn er die Rolle seines toten Bruders spielte, wie die Familie es wollte? Welche Folgen zog es nach sich, wenn er sich dieser Frau gegenüber als Derek ausgab? Resigniert atmete er durch. Doch was blieb ihm andererseits schon übrig? Er wusste nicht, was geschehen war, wusste nicht, ob er Angel Morris vertrauen konnte. Also musste er sich nach allen Seiten hin absichern.

Bisher hatte er nur herausgefunden, dass Angel und Derek sich regelmäßig getroffen hatten. Bis Dereks Firma – die Firma seiner Familie – das Unternehmen, in dem sie angestellt gewesen war, übernommen hatte. Derek hatte vertrauliche Informationen genutzt, die er von Angel bekommen hatte, um die feindliche Übernahme zu erleichtern, und Angel war deshalb entlassen worden.

Diese Frau hatte allen Grund, Derek zu verachten, und er verdiente es, dass sie ihn hasste. Trotzdem wollte sie ihn nun wiedersehen. Nach so langer Zeit musste Dane sich fragen, ob sie eventuell davon ausgegangen war, dass Derek tot war. Und dass sie jetzt – da Dane zurückgekehrt war und Dereks Rolle übernommen hatte – das Gefühl hatte, dass es noch Unerledigtes zu klären gab. Immerhin hatte die Öffentlichkeit nichts von Dereks Tod erfahren.

Was die Außenwelt betraf, führte Derek Carter noch immer das Unternehmen. Nur wenige Auserwählte wussten von seinem Tod. Die Familie hatte es für richtig gehalten, Dane eine Weile für ihn einspringen zu lassen. Wenn er vorgab, Derek zu sein, würde es kein Gerede über eine Firma ohne Chef oder eine Familie mit einem Skandal geben. Alles in allem war Dane sich nicht sicher, welche der beiden Möglichkeiten seiner Mutter mehr Sorgen bereitete. Das Unternehmen war ihr Leben, und der Name Carter war für sie heilig. Sie wollte nicht, dass einem von beiden Schaden zugefügt wurde. Und falls Derek tatsächlich ermordet worden war, falls der Unfall, wie Dane fürchtete, also kein Unfall gewesen war, würden die Medien diese Geschichte mit Sicherheit aufgreifen.

Doch das war nicht der Grund, warum Dane sich bereiterklärt hatte, zurückzukommen und für seinen Bruder einzuspringen. Nein, er wollte die Wahrheit herausfinden. Um jeden Preis. Und es würde ihm gelingen.

Wenn Angel etwas wusste, wenn sie in irgendeiner Form – auch wenn es nur nebensächlich schien – mit Dereks Tod zu tun hatte, würde Dane es herausbekommen. Er mochte sich von der Familie getrennt haben, aber was die Skrupellosigkeit betraf, konnte er noch immer mit ihnen mithalten.

Dane schüttelte den Kopf. “Gleich morgen früh werde ich mich mit ihr treffen. Allein und ohne die Familie, wie sie es gewünscht hat. Ich werde dich wissen lassen, wie es gelaufen ist.” Mit dieser so sinnlosen Verabschiedung drehte er sich um und ging zurück zur Straße, wo sein Wagen stand und ihm Schutz vor dem Wind, jedoch keinen inneren Frieden bot.

Was für ein Witz. Dane Carter hatte keinen inneren Frieden mehr empfunden, seit er seine Familie verlassen hatte. Egal, was er ihnen erzählt oder was er sich selbst einzureden versucht hatte. Vielleicht konnte sich Angel, wenn sie nichts mit der Sache zu tun hatte, als nette Abwechslung erweisen, die ihn ein wenig von seinen derzeitigen Sorgen ablenkte. Schließlich hatte sein Bruder immer einen exzellenten Frauengeschmack gehabt.

1. KAPITEL

Angel bemühte sich, ruhig zu atmen und gelassen zu wirken, aber ihr Herz schlug ihr bis zum Hals hinauf und ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie hasste es, das tun zu müssen. Nach der letzten und niederschmetterndsten Zurückweisung durch diesen Mann hatte sie sich geschworen, nie wieder auch nur ein Wort mit ihm zu sprechen. Doch sie hatte keine andere Wahl.

Mit einem Schuhkarton unter dem Arm und einer Halt suchenden Hand an der Wand ging sie den Flur entlang zu Dereks Büro. Ohne ihre Krücken fühlte sie sich noch immer unsicher, aber sie wollte unter keinen Umständen Schwäche zeigen. Nicht vor diesem Mann. Als sie die offen stehende Tür erreichte, straffte sie die Schultern, zwang sich zu einem Lächeln und bemühte sich, so flüssig zu laufen, wie sie konnte.

Derek saß an seinem Schreibtisch. Seinen Sessel hatte er etwas gedreht, sodass er aus dem Fenster hinaus den Straßenverkehr an diesem Samstagmorgen beobachten konnte. Bis auf die Sicherheitsleute war das Gebäude verlassen. Genau so hatte sie es geplant.

Er war noch immer so umwerfend und körperlich unwiderstehlich, wie sie ihn in Erinnerung hatte, auch wenn er im Augenblick etwas zerzaust, ein wenig zerknittert wirkte. Ihr gefiel er so viel besser als in der Rolle des kultivierten Geschäftsmannes, die er sonst so perfekt beherrschte. Nur ein einziges Mal hatte sie ihn so entspannt wie jetzt erlebt: direkt nachdem er mit ihr geschlafen hatte.

Der Gedanke jagte einen heißen Schauer von ihrem Herzen bis in ihre Magengrube und wieder zurück, und sie musste sich räuspern.

In seinem Sessel drehte er sich zu ihr um, und sein Blick durchbohrte sie. Sie erstarrte. Sogar ihr Herzschlag schien zu stocken und einen Moment lang auszusetzen. Nur seine Augen bewegten sich, als er sie von Kopf bis Fuß musterte. Bedächtig und quälend genau betrachtete er sie, als würde er sie zum ersten Mal sehen und müsste sich alles genau einprägen. Dann trafen sich ihre Blicke – und verhakten sich ineinander. Eine Zeit lang verharrten sie so. Der brennend intensive Ausdruck in seinen Augen brachte ihren Körper zum Schmelzen. Ihre Brust hob und senkte sich schnell, während sie versuchte, mit der unerwarteten Heftigkeit ihrer eigenen Reaktion auf ihn fertig zu werden. Das hatte nicht passieren sollen; er war ihr mittlerweile egal, und sie bewunderte ihn nicht mehr. Ihre Verliebtheit war schon längst vergangen. Doch jetzt zu sehen, wie ihm das glatte braune Haar in die Stirn fiel und wie er die Ärmel seines Hemdes aufgerollt hatte, ließ ihn menschlicher erscheinen als jemals zuvor. Sein Blick wirkte leuchtender, beinahe golden. Sie umklammerte ihren Schuhkarton ein bisschen fester und rief sich in Erinnerung, aus welchem Grund sie eigentlich gekommen war.

Sie bemerkte, wie eine schwer zu entziffernde Gefühlsregung über sein Gesicht huschte, ehe er aufstand. “Angel.”

Seine Stimme klang dunkel und tief. Während er den Schreibtisch umrundete, ließ er sie nicht aus den Augen, und sie fühlte sich seltsam gefangen. Sie wich einen Schritt zurück, was seine Annäherung abrupt beendete. Verwirrt hob er eine seiner dunklen Augenbrauen.

Idiotin. Sie wollte ihn nicht abschrecken, wollte ihm ihre Nervosität nicht zeigen. Das würde sie nicht weiterbringen. Sie versuchte zu lächeln, doch er reagierte nicht darauf. Etwas langsamer kam er näher, beobachtete sie abwartend.

“Darf ich dir den Mantel abnehmen?”

Sie schloss die Augen, wollte den Nebel der Empfindungen vertreiben, der sie einhüllte. Als sie die Augen wieder aufschlug, stand er noch dichter vor ihr, musterte sie, schien jeden ihrer Gesichtszüge genau zu prüfen. Er hob eine Hand, und sie hielt unwillkürlich den Atem an. Doch er glitt mit seinen Fingerspitzen nur ganz sacht über ihre Wange.

“Dir ist kalt”, sagte er leise. Dann machte er einen Schritt zurück. “Kann ich dir eine Tasse Kaffee anbieten?”

Angel nickte und war erleichtert über dieses ganz alltägliche Angebot. “Danke. Kaffee klingt gut.” Sie ging zum Schreibtisch und stellte ihren Schuhkarton auf die Ecke. Dann schlüpfte sie aus ihrem Mantel. Ihr entgingen seine Blicke nicht, als er zwei Tassen von einem Tablett nahm. Eigentlich hatte sie es nicht ansprechen wollen, aber sie sagte: “Du bist irgendwie verändert.”

Einen Moment lang hielt er inne, ehe er sich bedächtig wieder seiner Aufgabe widmete. “Findest du? Inwiefern?”

Eine Hand auf den Schuhkarton gelegt, nutzte sie die andere, um auf seine Kleidung zu deuten. “Ich habe noch nie erlebt, dass du so leger gekleidet gewesen wärst. Oder dass du mir einen Kaffee angeboten hättest. Für gewöhnlich …”

Er unterbrach sie, indem er ihr die dampfende Tasse entgegenhielt. “Für gewöhnlich überlasse ich solche Haushaltspflichten den Frauen, ich weiß.” Er zuckte die Achseln und schenkte ihr sein wunderschönes Lächeln, mit dem er sogar an Tagen wie diesem Eis zum Schmelzen bringen konnte. “Aber du hast darauf bestanden, dass außer uns niemand hier ist, deshalb war ich auf mich selbst gestellt. Es gab also nur zwei Möglichkeiten: entweder selbst Kaffee zu kochen oder ohne welchen auszukommen.”

Angel fingerte nervös an dem Schuhkarton herum. “Du weißt, warum ich nicht wollte, dass außer uns noch jemand hier ist. Deine Familie hätte Fragen gestellt, wenn man uns zusammen gesehen hätte.”

Langsam nickte er. “Das stimmt.” Dann fragte er neugierig: “Warum bist du hier, Angel?”

Es war ihr noch nie leicht gefallen, mit einem Mann zu flirten, und gerade jetzt war es noch schwieriger für sie. Sie lächelte. “Ich habe dich natürlich vermisst. Habe ich dir nicht auch ein bisschen gefehlt?”

Einen Augenblick lang sah er sie an und stellte dann behutsam seine Tasse weg. “Und wie.” Er nahm ihr ebenfalls die Tasse aus der Hand, stellte sie neben seine, und umschloss dann mit seinen Händen ihr Gesicht. Merkwürdigerweise fühlten sich seine Hände rau statt weich an und sehr heiß. Er musterte wieder ihr Gesicht und betrachtete eingehend ihren Mund, während er mit seinem Daumen über ihre Unterlippe glitt, sie streichelte und Angel damit verwirrte. “Zeig mir, wie sehr du mich vermisst hast, Angel.”

Das war der Derek, den sie kannte und verstand. Der Mann, für den sein eigenes Vergnügen stets an erster Stelle stand, der sie körperlich immer begehrt hatte. Daran hatte sich offenbar nichts geändert. Ohne zu zögern und überrascht, wie wenig ihr die Aussicht zu schaffen machte, ihn zu küssen – und obwohl sie sich den ganzen Tag vor diesem Moment gefürchtet hatte –, legte sie den Kopf in den Nacken. Da er viel größer war als sie und ihr Bein noch zu schwach, um sich auf die Zehenspitzen zu stellen, schlang sie die Arme um seinen Nacken und zog ihn zu sich herunter.

Als ihr Mund den seinen berührte, zögerlich und scheu, spürte sie, wie er zu lächeln begann. Sie hielt die Augen geschlossen, denn sie wusste, dass er sie beobachtete, und sie fühlte sich ungeschützt, als würde er ihr Spielchen jeden Moment durchschauen. Es war so lange her, dass sie das hier getan, dass sie einen Mann geküsst hatte. Sie war vollkommen aus der Übung und darüber hinaus unglaublich nervös. Wenn die Umstände es jetzt nicht erforderlich gemacht hätten, hätte sie noch viele Monate, vielleicht sogar Jahre auskommen können, ohne einen Mann zu berühren. Vor allem diesen Mann.

Doch jetzt berührte sie ihn, und schändlicherweise musste sie sich eingestehen, dass es ihr sehr gefiel.

Sie neigte ihren Kopf, öffnete ihre Lippen nur ein wenig und küsste ihn wieder. Dieses Mal war ihr Kuss leidenschaftlicher, und sie knabberte zärtlich an seiner Unterlippe. Seine Erheiterung war verschwunden, und er atmete tief durch die Nase ein. “Angel?”

“Küss mich, Derek. Es ist so lange her.”

Dass sie das, was sie sagte, auch so meinte, verriet sie mit ihrem sehnsüchtigen Tonfall. Sie verfluchte sich dafür, dass es ihr nicht gelang, diesen Hunger zu verbergen. Das Stöhnen, das sich ihm als Antwort entrang, klang nach Überraschung und beinahe nach Verärgerung, aber er küsste sie trotzdem. Wow. Angel hielt stand, unterbrach den Kuss nicht, und war erstaunt über die Reaktion ihres Körpers auf die Feuchte, die Hitze seines Mundes, als er ihre Lippen noch ein wenig weiter öffnete und mit seiner Zunge in sie eintauchte. Sein Körper, fest und groß und stark, presste sich an den ihren. Noch nie hatte es sich so angefühlt – wie ein Angriff auf alle ihre Sinne. Ihr Herz schlug heftig in ihrer Brust, in ihrem Bauch breitete sich Hitze aus, ihre Brustspitzen richteten sich auf, und er schien sich all dessen viel zu bewusst zu sein. Jedes Mal, wenn sie einen Laut von sich gab, jedes Mal, wenn sie sich an ihn schmiegte, kam er ihr entgegen. Sie wurde nicht einfach geküsst, sie wurde verschlungen.

“Verdammt, Angel.”

“Ich weiß”, entgegnete sie, weil alles irgendwie anders war. “Ich habe das nicht … vorgehabt.”

Er hielt inne, die Lippen an ihrem Hals, und hob dann den Kopf, um sie anzusehen. Er sagte nichts, hob nur seine Hand und umschloss ihre Brust. Angel atmete scharf ein und stieß ein leises überraschtes Stöhnen aus. O nein. Ihr war nicht bewusst gewesen, dass sie so stark auf ihn reagieren würde. “Derek …”

Wieder küsste er sie stürmisch, erstickte ihren Widerspruch und drängte sie rückwärts an den Schreibtisch. Er presste sein Becken an sie, und sie spürte seine Erregung, spürte seine Größe und seine Hitze. Ihre Pläne traten in den Hintergrund. In ihrem Kopf war kein Platz mehr für wohlüberlegte Gedanken. Nicht, wenn ihr Körper sich plötzlich wieder so lebendig anfühlte und aus purem Instinkt heraus reagierte. Seine Hand glitt über ihren Po, zog sie noch dichter an ihn, er riss sie förmlich an sich. Ihr Bein protestierte, doch sie beachtete den Schmerz nicht, was ihr nicht schwer fiel, als sein Duft, seine Stärke sie nun vollkommen ausfüllten.

“Wie lange ist es her, Angel?”

Sie klammerte sich an seine Schultern, den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen, während er mit einer Hand ihre Brust streichelte und mit der anderen Hand ihre Hüfte an sich presste. Sicherlich kannte er die Antwort genauso gut wie sie, also sagte sie nur: “Eine ganze Weile.”

“Und du hast mich wirklich vermisst?” Zärtlich knabberte er an ihrem Ohrläppchen und tauchte dann seine Zungenspitze in ihr Ohr. “Warum hast du nicht angerufen?”

Selbst durch den sinnlichen Nebel hindurch erkannte sie die Falle. “Nachdem du dich beim letzten Mal so verhalten hast?” Sie war verblüfft, dass er ihr diese Frage überhaupt stellte!

Zögernd hielt er inne und fragte dann: “Was genau hast du denn von mir erwartet?”

Sie versteifte sich, als sie sich von ihm löste und zurückwich. “Jedenfalls hätte ich nicht erwartet, dass du dich verhältst, als sei dir das alles vollkommen egal! Und das, nachdem du mein Vertrauen so missbraucht hast! Du bist schuld an meiner Entlassung, du …”

“Schh.” Wieder küsste er sie, bedächtig und lang. Mit seiner Hand strich er ohne Eile über ihren Körper, umfasste ihre Taille, die glücklicherweise wieder schlank war, und folgte dann der sanften Kurve ihrer Hüfte. Ihre Gedanken und ihre Wut schmolzen dahin. Sie rang mit jedem Zentimeter, den er weiter über ihren Körper fuhr, nach Luft. Seine Finger legten sich auf ihren Schenkel, glitten unter ihren Rock und dann unterhalb des Stoffes wieder nach oben, strichen über ihre Strumpfhose. Unvermittelt umschloss er ihre intimste Stelle mit seiner Hand, überraschte, schockierte sie. Doch sie wich nicht zurück. Genauso wenig wie er. Sie versuchte, sich in Erinnerung zu rufen, dass das, was gerade passierte, genau zu dem führen würde, was sie wollte. Aber das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Dummerweise hatte sie sich noch viel mehr erhofft.

Selbst durch den Stoff hindurch fühlten seine Finger zwischen ihren Beinen sich heiß an. Er regte sich nicht, hielt sie einfach nur fest und blickte sie an. “Warum ausgerechnet jetzt, Angel? Warum hier, warum so heimlich?”

Sie beschloss, dass es fürs Erste ausreichte, ihm einen Teil der Wahrheit zu sagen. “Außer dir gibt es niemanden.”

“Und du brauchtest einen Mann, also musste ich es sein?”

“Ja.” Das war die Wahrheit. Sie wusste nicht, wem sie vertrauen konnte, wen sie fürchten sollte, doch für die Erfüllung ihrer Bedürfnisse war er der Richtige. Sie hatte nur nicht mit ihrem eigenen Verhalten gerechnet … Ihr Körper schien unabhängig von ihrem Geist zu handeln. Sie schämte sich für ihre Reaktion auf einen Mann, den sie eigentlich hätte hassen sollen. Aber das Gefühl, ihn hassen zu müssen, wurde von einem unentrinnbaren Verlangen überlagert, das sie überflutete und ihren gesamten Körper erschauern ließ. Vielleicht hatte die Schwangerschaft ihre Hormone durcheinandergebracht, aber noch nie zuvor in ihrem Leben hatte sie sich so gefühlt. Und es war wundervoll.

Sie presste die Lippen aufeinander und schloss die Augen. Ihr Körper war gespannt, erwartungsvoll. Fieberhaft beschwor sie Bilder aus der Vergangenheit in sich herauf, all die Gründe, aus denen sie ihn eigentlich verachten sollte und warum seine Berührungen nichts bedeuten konnten …

Er wirkte ein bisschen erstaunt, als sie leise stöhnte und ihre Finger in seinen Oberarm grub. Fest hielt er sie an sich gepresst. Sein eigener Atem ging schwer, während er mit den Lippen über ihre Schläfe strich. Nie hätte sie sich dieses Szenario vorgestellt. Nie hätte sie gedacht, dass sie zulassen würde, dass er sie dort noch einmal berührte, während sie halb auf seinem verdammten Schreibtisch lag und ihr Gesicht in seine Halsbeuge geschmiegt hatte. Sie konnte seinen Herzschlag auf ihrer Haut spüren, und sie ergriff sein Handgelenk, um seine Hand wegzuziehen. “Derek, nein.”

Ihre Stimme zitterte vor Scham, und einen Moment lang erstarrte er.

“Schh.” Er strich ihren Rock wieder glatt und wiegte sie sanft und beruhigend hin und her. Sie biss sich auf die Unterlippe, um nicht zu weinen, doch auch jetzt war sie sich seines Duftes, seiner Wärme schmerzlich bewusst. Und die wundervollen, unerwarteten Gefühle verschwanden nicht, nachdem er sie nun nicht mehr berührte. Sie lauerten immer noch im Hintergrund.

Angel legte eine Hand auf seine Brust und hob den Kopf. Er lächelte nicht und stellte auch keine Fragen. Sie konnte ihm nicht in die Augen blicken. “Es tut mir leid. Ich … ich weiß nicht, was mit mir los ist.”

“Habe ich mich beklagt?”

Sie schüttelte den Kopf. Nein, er wirkte zufrieden, aber nicht selbstgefällig. Nicht so, wie sie es erwartet hätte. “Das ist noch nie passiert. Ich verstehe das nicht.”

“Was ist noch nie passiert?”

“Zwischen dir und mir. Sonst war alles immer so … kontrolliert, so beherrscht. Und unbehaglich. Ich habe nie so etwas empfunden …” Seine Miene verfinsterte sich, und sie beeilte sich, es ihm zu erklären. “Ich wollte dich nicht verletzen, Derek. Du weißt doch selbst, dass der Sex zwischen uns … Na ja, du hast offensichtlich deinen Spaß gehabt, aber ich war ein bisschen enttäuscht. Nicht … nicht, dass es allein deine Schuld gewesen wäre. Es ist nur so, dass ich nicht … es war nicht …”

Den Kiefer angespannt, strich er ihr übers Haar. Er schien über etwas unentschieden zu sein. Plötzlich umschloss er ihre Taille und hob sie hoch. Er setzte sie auf seinen Schreibtisch, spreizte ungeduldig ihre Beine und stellte sich im selben Atemzug dazwischen. Schmerz durchzuckte sie. Sie keuchte auf, beugte sich nach vorn. Unwillkürlich zuckte ihre Hand in Richtung des stechenden, pochenden Schmerzes in ihrem Bein. Atemlos krallte sie die andere Hand noch fester in seinen Bizeps und klammerte sich an ihn. Derek erstarrte und knurrte: “Was zum Teufel …”

Sie biss sich auf die Unterlippe, doch es tat so weh. Viel behutsamer, als sie es für möglich gehalten hätte, nahm Derek sie auf den Arm und trug sie zur Ledercouch.

Nichts lief hier richtig. “Lass mich runter, Derek.”

“Du bist weiß wie die Wand.” Er sah sie an, während er sie vorsichtig auf das Sofa setzte. Als sie die Wut in seinem Blick bemerkte, zuckte sie zusammen. “Mir ist aufgefallen, dass du ein bisschen gehumpelt hast, als du hereingekommen bist, aber mir war nicht klar, dass du verletzt bist.”

“Bin ich auch nicht”, widersprach sie. Eigentlich hatte sie ihr Bein noch nicht ansprechen wollen. “Wirklich, ich werde einfach …”

“Du bleibst jetzt da sitzen und erzählst mir, was los ist. Ist es deine Hüfte? Dein Bein?”

Bevor sie ihm antworten konnte, hatte er schon unter ihren langen Rock gegriffen und seine Finger in das Bündchen ihrer Strumpfhose geschoben. Vorsichtig zog er sie herunter. “Derek! Was machst du da?”

Die Hände noch immer unter ihrem Rock, sah er ihr in die Augen. “Nach allem, was wir gerade beinahe miteinander gemacht hätten, bist du jetzt schockiert?”

“Verwirrt” war der passendere Ausdruck. Und “entsetzt” und “peinlich berührt” und … “Derek, bitte.” Doch er hatte ihre Strumpfhose bereits bis zu ihren Knien heruntergezogen. Sie fühlte sich furchtbar ausgeliefert und verletzlich. Er betrachtete ihre Schenkel ganz genau. Das war mehr, als sie ertragen konnte. “Es ist mein Unterschenkel”, stieß sie hervor. “Vor einiger Zeit habe ich ihn mir gebrochen, und manchmal ist er noch ein bisschen empfindlich. Das ist alles.”

Er starrte sie an, und sie wurde das Gefühl nicht los, dass er nicht ein Wort von dem glaubte, was sie sagte. “Ich befreie dich mal von deinen Schuhen.”

Sie setzte sich auf und wollte seine Hände wegschieben. “Ich will meine Schuhe nicht ausziehen, verdammt noch mal!”

“Im Moment ist es mir ziemlich egal, was du willst.” Und schnell zog er ihr die geschnürten knöchelhohen Stiefeletten aus. Die Strumpfhose folgte. Als er ihr Bein erblickte und die noch immer tiefroten Narben sah, presste er die Kiefer zusammen. “Verflucht.”

Angel wurde biestig – das war ihre einzige Verteidigungsmaßnahme gegen dieses Gefühl des Ausgeliefertseins. “Es sieht schlimm und hässlich aus, ich weiß. Wenn es dich stört, guck es dir einfach nicht an.”

Er schlang seine Finger um ihren Knöchel, hielt ihr Bein still und strich dann mit der anderen Hand behutsam über die Male, die der Bruch und die anschließende Operation hinterlassen hatten. “Eine mehrfache Fraktur?”

“Bist du jetzt auch noch Arzt?”

Er ging nicht auf ihre Provokation ein. “Hier war der Bruch, und hier haben sie die Schraube eingesetzt.” Sein anklagender Blick fiel auf ihr Gesicht.

Verstimmt, aber ohne Aussicht auf einen Ausweg aus ihrer derzeitigen Zwickmühle sagte sie: “Es geht mir gut. Ehrlich. Als du mich auf den Schreibtisch gesetzt hast, bist du nur an mein Bein gekommen und es … na ja, es hat wehgetan. Es ist noch immer ein bisschen empfindlich. Ich laufe erst seit Kurzem ohne Krücken.”

Sein Blick funkelte zornig. “Und dann läufst du heute bei Sturm und Eis in der Innenstadt herum?”

“Ich bin nicht herumgelaufen! Ich bin hierhergekommen, um dich zu treffen.”

“Weil du einen Mann gebraucht hast”, spöttelte er, und ihr platzte der Kragen.

“Mistkerl!” Mühsam kam sie hoch, befreite sich aus seiner Berührung und deutete auf den Schuhkarton, der noch immer auf dem Schreibtisch stand. “Ich bin gekommen, um dir das zu geben. Ob du es nun willst oder nicht.”

Er wandte seinen Kopf in die Richtung, in die sie wies, blieb jedoch neben der Couch knien. “Und was zur Hölle soll das sein?”

Unsicher kam Angel auf die Beine und humpelte barfuß über den flauschigen Teppich. Sie hob den Karton an und zögerte dann. Eigentlich hatte sie nicht vorgehabt, einen solchen Aufstand zu machen, ihn zu verärgern und zu verstimmen. Sie musste ihren nächsten Schritt gründlich überlegen oder sie würde alles vermasseln. Mit geschlossenen Augen sammelte sie ihre Gedanken und versuchte sich zu beruhigen. Dass er sich bewegt hatte, war ihr entgangen, doch plötzlich spürte sie Dereks Hände auf ihren Schultern. Er drehte sie zu sich herum.

“Was ist das, Angel?”

Er klang argwöhnisch, und sein Ton war bedrohlich. Ihr war immer bewusst gewesen, dass Derek respekteinflößend sein konnte, dass er einen starken Willen hatte, dass niemand seine Kraft – stellte. Doch diese Unbarmherzigkeit, diese Schonungslosigkeit hatte sie noch nie an ihm wahrgenommen. Sie erschauderte.

“Ich will dich nicht verschrecken, Derek. Und ich habe gemerkt, dass es dich nicht interessiert hat, als ich es dir erzählt habe. Aber ich hoffe, dass du inzwischen vielleicht deine Meinung geändert hast.”

Misstrauisch verschränkte er die Arme vor der Brust und verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. “Was hat mich nicht interessiert?”

Sie holte tief Luft, doch auch das beruhigte sie nicht. “Unser Baby.”

In seinem plötzlich versteinerten Gesicht regte sich keine Wimper. Es schien ihm sogar den Atem verschlagen zu haben.

“Derek?”

“Ein Baby?”

Sie nickte und grub ihre Zehen in den dicken Teppich. Leicht zitternd wartete sie ab.

“Woher willst du wissen, dass es von mir ist?”

Völlig aus der Bahn geworfen taumelte sie zurück. Seine Worte hatten sie wie ein Schlag ins Gesicht getroffen. Nach allem, was sie durchgemacht hatte, nach allem, was geschehen war, hatte sie nicht eine Sekunde damit gerechnet, dass er das Kind verleugnen könnte. Das war erbärmlich – selbst für ihn. Sie musste sich zusammenreißen, um weiteratmen zu können, und als sie Luft geholt hatte, schrie sie: “Du Mistkerl!” Sie wollte ihn schlagen, aber er packte ihre Faust, und der Karton fiel auf den Boden. Papiere und Bilder verteilten sich auf dem Teppich.

“Jämmerlicher, mieser …” Ihr Widerstand wirkte im Vergleich zu seiner Kraft kümmerlich, doch er hatte ihre letzte Hoffnung zunichte gemacht, ihr den letzten Schlag versetzt. Sie wollte ihn genau so sehr verletzen, wie sie verletzt worden war, aber er war einfach zu stark für sie. Schließlich gab sie auf. Er hatte kein Wort gesagt. Keuchend und zitternd flüsterte sie: “Lass mich los.”

Sofort löste er sich von ihr. Angel hielt ihren Kopf hoch erhoben, weigerte sich zu weinen oder über die Hoffnungslosigkeit ihrer Situation nachzudenken. Sie ging zur Couch und setzte sich. Schweigend raffte sie ihre Strumpfhose an sich und versuchte, sie zu entwirren, damit sie sie anziehen konnte.

Obwohl sie ihn nicht ansah, wusste sie, dass er noch immer mitten im Zimmer stand, reglos und stumm. Als er sich bückte, um den Inhalt des Schuhkartons aufzuheben, warf Angel ihm einen Blick zu. Seine Miene war ernst, seine Wangen gerötet. Er hob ein kleines Foto auf und starrte es an.

Angel wollte nichts mehr, als hier zu verschwinden. Ungeduldig schlüpfte sie in die Stiefeletten, schnürte sie zu und kämpfte gegen die Tränen an, die ihr die Kehle eng machten und sie zu ersticken drohten. Sie hatte sich so erniedrigt. Völlig umsonst hatte sie ihm erlaubt, sie anzufassen. Er würde das Kind nie anerkennen.

“Es tut mir leid.”

Gerade wollte sie in ihren Mantel schlüpfen und blickte auf. Derek hockte noch immer mit gesenktem Kopf auf dem Fußboden und hielt ein einzelnes Foto in der Hand.

Angel runzelte die Stirn. “Was hast du gesagt?”

Langsam sammelte er die restlichen Dinge auf dem Boden ein und erhob sich. “Ich sagte: Es tut mir leid. Das Baby sieht genauso aus wie ich.”

“Oh, ich verstehe. Ansonsten hättest du mir natürlich nicht geglaubt. In all der Zeit, die du mich schon kennst, habe ich mich ja auch als abscheuliche Lügnerin und als geschickte Manipulatorin erwiesen. Da ist es selbstverständlich klar, dass du Zweifel hast. Tja, ein Glück, dass er nicht meine Haarfarbe hat, oder? Sonst hättest du es nie mit Sicherheit gewusst.”

“Angel …” Er streckte den Arm nach ihr aus. In dieser Geste steckte eine Verletzlichkeit, die sie nie zuvor an ihm bemerkt hatte. Eigentlich war vieles an ihm anders, einiges weicher, einiges härter. War in den Monaten, die sie ihn nicht gesehen hatte, irgendetwas mit ihm geschehen?

Sie schüttelte den Kopf. Sie würde sich nicht mehr von ihm einwickeln lassen. “Die Sachen kannst du behalten. Das sind Kopien. Berichte, Fotos, eine Geburtsurkunde, auf der, wie du sicherlich bemerkt hast, der Name des Vaters fehlt.”

“Warum?”

Er klang gequält, und sie neigte stirnrunzelnd den Kopf, um ihn näher zu betrachten. “Du hattest kein Interesse, Derek, obwohl ich zugeben muss, dass ich gehofft habe, du könntest deine Meinung inzwischen geändert haben.”

“Ich habe Interesse”, knurrte er.

Sie erinnerte sich an das letzte Mal, als sie ihn angerufen hatte, erinnerte sich an die furchtbare Auseinandersetzung. “Als wir telefoniert haben, hast du mir unmissverständlich und ziemlich unsanft mitgeteilt, dass du mit dem Baby nichts zu tun haben willst. Du hast mir gesagt, dass ich komplett auf mich allein gestellt sei und nicht auf dich zählen solle.”

Bei diesen Worten zuckte er tatsächlich zusammen, schloss die Augen und schwieg. Doch sie hatte kein Mitleid mit ihm. Nicht nach allem, was geschehen war. “Das ist aber nicht der Grund, warum der Name des Vaters nicht genannt ist. Erinnerst du dich daran, was du mir über deine Familie erzählt hast? Tja, ich liebe meinen Sohn und ich will ihn an niemanden verlieren – weder an dich noch an einen deiner verdammten Verwandten.”

Seine Miene war undurchdringlich. Allmählich wuchs ihre Verärgerung. “Deine Mutter ist ein Drachen und besteht darauf, dass alle Leute sich nach ihren Regeln richten. Du meintest sogar, das sei der Grund dafür, dass dein Bruder so hart wurde und schließlich gegangen ist. Deine Familie macht mir ehrlich gesagt Angst. Vor allem dein Bruder.”

Seine goldenen Augen wirkten mit einem Mal dunkler, fast bernsteinfarben. “Das ist lächerlich.”

“Du hast gesagt, er sei der Einzige, der stark und unabhängig genug war, um die Firma ohne einen Blick zurück zu verlassen, seinen eigenen Weg zu gehen und dem Rest der Familie die Meinung zu sagen. Nach deinen Worten ist er auch der Einzige, der deine Mutter nervös machen und deine Schwester zum Weinen bringen kann. Dieser Mann kann alles erreichen, was er sich in den Kopf gesetzt hat, hast du behauptet. Und vor diesen Leuten soll ich keine Angst haben?”

“Niemand kann meine Mutter nervös machen, und meine Schwester ist eine etwas jüngere Kopie von ihr. Nichts berührt sie wirklich.”

Angel knöpfte ihren Mantel zu. “Dann hast du eben deine Meinung über ihn geändert. Für mich bedeutet das immer noch dasselbe. Ich werde nicht das Risiko eingehen, dass deine Familie versucht, ihn mir wegzunehmen. Ich will nicht, dass sie von meinem Baby wissen.”

“Von unserem …” Er hielt inne, und sie sah, wie sein Adamsapfel auf- und niederhüpfte, als er schluckte. “Von unserem Baby.”

Das war ein Punkt, der zu wichtig war, um ihn einfach zu übergehen. Sie ging zu ihm, ohne die Augen abzuwenden, auch wenn er versuchte, sie mit seinem Blick niederzuzwingen. Sie deutete auf seine Brust und zwang die Worte über ihre Lippen. “Ich weiß nicht, was für väterliche Gefühlswallungen dich auf einmal überkommen haben, aber versuch nicht, ihn mir wegzunehmen, Derek. Ich schwöre dir, dass ich so schnell verschwunden sein werde, dass du weder mich noch ihn jemals finden wirst. Ich kann das. Ich habe mir schon einen Plan zurechtgelegt.”

“Nein.”

Ungläubig sah sie ihn an. “Du kannst mir nichts befehlen! Nicht mehr. Was auch immer du für eine Macht über mich hattest – das hast du alles schon vor Monaten verspielt, als du die Schwangerschaft nicht anerkennen wolltest.”

Er schrie nicht, sondern flüsterte beinahe. Und dieses Flüstern war wirkungsvoller, als eine erhobene Stimme es hätte sein können. “Ist das so? Warum bist du dann hier?”

Sie musste gehen, jetzt, ehe sie sich selbst ein Bein stellte. Sie wandte sich zur Tür um. “Bei den Papieren und Fotos findest du eine Adresse. Ein Postfach.” Sie warf ihm über die Schulter einen Blick zu. “Ich bin mir sicher, dass du dich noch daran erinnerst. So kannst du mit mir in Kontakt treten.”

“Gib mir deine Telefonnummer.”

“Das werde ich nicht tun. Aber ich rufe dich bald an.”

“Du spielst ein Spielchen mit mir, Angel. Und das gefällt mir nicht.”

Ihre Hand lag bereits auf dem Türknauf, als Angel sich langsam umdrehte. “Das ist kein Spiel.” Als sie durch die Tür trat, sagte sie über die Schulter: “Und mir gefällt es auch nicht. Denk über das Baby nach, Derek. Denk darüber nach, was du unternehmen willst. Ich werde dich heute Abend anrufen. Wenn du dich an den Gedanken gewöhnt hast, können wir reden.”

Er machte zwei schnelle Schritte auf sie zu. “Was ich unternehmen will?” Er runzelte die Stirn. “Willst du, dass ich dich heirate?”

“Ha!” Zu diesem Witz fehlten ihr die Worte. Während sie die Tür hinter sich ins Schloss zog, entfuhr ihr leise und wütend: “Ich würde dich nicht mal heiraten, wenn du der letzte Mann auf Erden wärst.”

Und sie wusste, dass er ihre unbedachten Worte gehört hatte, denn seine Faust krachte gegen die geschlossene Tür.

Na ja, es war nicht ganz so gelaufen, wie sie es geplant hatte. Eigentlich war es überhaupt nicht so gelaufen, wie sie es geplant hatte. Sie hatte vorgehabt, ihn zu verführen, um sein Interesse wiederzugewinnen. Sie brauchte seine Hilfe, seinen Schutz, und das war der einzige Weg, der ihr einfiel, um dieses Ziel zu erreichen. Er war schon immer nur an Sex interessiert gewesen, also hatte sie sich überlegt, ihn genau damit zu ködern.

Allerdings fühlte es sich an, als wäre sie diejenige, die verführt worden war. Verdammt, warum musste er diese Wirkung auf ihren Körper haben? Sie war noch immer erhitzt und spürte ein Kribbeln an Stellen, an die sie schon lange nicht mehr gedacht hatte. Und das alles wegen eines Mannes, den sie eigentlich hatte vergessen wollen.

Eines Mannes, der sie noch nie zuvor so getroffen, so berührt hatte.

Zum Teufel mit dem launischen Schicksal und der geheimnisvollen Macht, die aus Derek Carter einen Mann gemacht hatte, den ihr Körper begehrte.

2. KAPITEL

Frustriert schlug Dane noch einmal mit der Faust gegen die Tür. Er war wütend auf sich selbst und über die Wendung der Ereignisse. Verflucht, er hatte sie nicht anfassen wollen. Er hatte vorgehabt, ihr näherzukommen, aber ganz sicher nicht so nah. Er hatte mehr über sie erfahren wollen, hatte herausfinden wollen, wie sie in die Geschichte verwickelt war und ob sie einen Hinweis auf den Tod seines Bruders liefern konnte oder nicht. Doch er hatte auch vorgehabt, seine Hände bei sich zu behalten.

Das hatte sie ihm allerdings unmöglich gemacht.

In der ersten Sekunde, als er sie gesehen hatte, war ihm klar gewesen, dass er sie wollte. Sie war sinnlich und feminin und schien Entschlossenheit und Verletzlichkeit zugleich auszustrahlen. Es hatte ihn auch überrascht, dass Angel Morris nicht wie die gelackten, selbstsicheren Geschäftsfrauen aussah, zu denen sein Bruder sich für gewöhnlich hingezogen gefühlt hatte.

Und dann hatte sie von ihm verlangt, sie zu küssen.

Ohne genau zu wissen, in welcher Beziehung Derek zu ihr gestanden hatte, hatte er nicht das Risiko eingehen können, sie abzuweisen, ohne Verdacht zu erregen. In dem Moment und angesichts all dessen, was geschehen war, hatte er sie in seiner Nähe halten und nicht vertreiben wollen.

Er hatte schon vermutet, dass sie aus einem bestimmten Grund wieder aufgetaucht war. Aber, Gott, er hätte niemals gedacht, dass es ein Kind sein könnte.

Er durchquerte das Büro, nahm den Telefonhörer in die Hand und tippte eine Nummer ein. Seine Hand zitterte, als er wählte, und wieder fluchte er unterdrückt. Noch immer konnte er ihre prickelnde Hitze auf seiner Hand spüren, noch immer nahm er ihren Duft in seinem Büro wahr. Angel mochte erregt gewesen sein – das erste Mal, dass sie so etwas mit ihm spürte; dass er sich das hatte anhören müssen! –, doch er hatte kurz davorgestanden, zu zerspringen. Nicht nur vor Lust, sondern vor einer verwirrenden Mischung von Gefühlen, die ihm beinahe die Luft zum Atmen geraubt hatte.

Wenn ihr verletztes Bein nicht gewesen wäre, hätten sie vermutlich gemeinsam eine unglaubliche Befriedigung gefunden. Er hätte mit ihr geschlafen, und sie hätte es zugelassen. Angewidert stöhnte er auf. Er hätte im Büro seines Bruders auf dem verdammten Schreibtisch mit einer Frau Sex gehabt, die er kaum kannte und deren Absichten mehr als fragwürdig waren. Und seine eigenen Absichten hielten einer genaueren Prüfung ebenso wenig stand.

“Sharpe hier.”

“Halte dich bereit”, knurrte Dane, über die Maßen frustriert. “Sie sollte jeden Moment aus dem Bürogebäude kommen.” Nach dem Erhalt von Angels Brief hatte Dane sich ihre Akte vorgenommen, um alles über sie herauszufinden, was er konnte. Das war allerdings nicht viel gewesen. Als er sich dann entschlossen hatte, jemanden auf sie anzusetzen, hatte er aus purem Instinkt gehandelt. In seinem Beruf als Privatdetektiv traf er solche Entscheidungen fast automatisch. Aber jetzt war er zusätzlich von männlicher Neugierde getrieben und von dem Verlangen, zu halten, was ihm gehörte. Sie hatte seinen Neffen. Das war ein besonderes Band zwischen ihnen, und er würde nicht zulassen, dass dieses Band durchtrennt wurde.

“Beschreibung?”

Alle seine Mitarbeiter waren sehr gut, aber Alec Sharpe, ein nachdenklicher, beinahe verschlossener Mann weniger Worte, war der Beste. Dane vertraute ihm blind.

“Blond, zierlich, humpelt vermutlich ein bisschen. Sie trägt einen langen Wollrock und einen dunklen Mantel.”

“Okay. Verstanden.”