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Ein poetisches Wintermärchen von Marilia Grossmann Wenn die Nächte still werden und der Schnee die Welt zum Schweigen bringt, beginnt irgendwo zwischen Himmel und Erde eine leise Geschichte: Ein kleines Licht fällt vom Himmel – zart wie ein Atemzug, warm wie eine Erinnerung. Es landet auf einer Schneewehe am Rand des Waldes und beginnt eine Reise voller Wunder, Begegnungen und Geheimnisse. Helia, das kleine Licht, sucht nach seinem Namen – und nach dem Ort, an dem es leuchten darf. Auf seinem Weg begegnet es dem alten Fuchs, der Eule mit den Sternenaugen, dem Bach, der träumt, und dem Kind am Fenster, das an das Licht glaubt. Jede Begegnung wird zu einem Stück Erkenntnis – über Mut, Freundschaft, Stille und das Leuchten, das in allem wohnt. Dieses Buch ist mehr als eine Geschichte – es ist ein poetisches Erlebnis für Herz und Seele. Ein Märchen für Kinder und Erwachsene, das an langen Winterabenden Wärme schenkt und daran erinnert, dass jedes Licht seinen Namen findet – auch in der dunkelsten Nacht.
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Seitenzahl: 55
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Autorin: Marilia Grossmann
Diese Ausgabe ist EPUB3-kompatibel und für den Kindle Viewer optimiert. Erstveröffentlichung 2025 – Alle Rechte bei der Autorin.
Marilia Grossmann Rua Severino Antônio da Silva, 168 Condômino Vila Nova, Bloco B, Apto 306 Muribara São Lourenço da Mata – PE – Brasilien CEP 54723085 E-Mail: [email protected]
Heiner & Marilia Grossmann Große Waldstr. 43 39307 Genthin Deutschland
Marilia Grossmann
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© 2025 Marilia Grossmann – „Helia – Das Licht, das seinen Namen suchte“
In einer Winternacht, still und klar, fiel ein kleines Licht vom Himmel. Es war nicht größer als eine Walnuss, und doch trug es in sich eine Wärme, die an Sommerabende erinnerte, an das weiche Streicheln von Sonnenstrahlen auf Wangen und an das Lachen, das manchmal ganz ohne Grund aus einem Herzen hüpft. Niemand bemerkte, wie das Licht aus dem dunklen Blau herausgleitete, als hätte ein Stern einen zarten Seufzer gelassen und dabei eine funkelnde Träne verloren. Das Licht taumelte durch das Schweigen der Höhe, drehte sich, schwebte, glitt wie eine Feder – bis es, ganz leise, auf einer Schneewehe am Rand eines Waldes landete.
Es lag einen Augenblick still da und horchte in die Welt hinein. Alles klang so weit und doch so nah: das weiche Pfeifen des Windes, das Rascheln von trockenen Gräsern unter der Schneedecke, das Knistern von Eis, das in der Stille arbeitete. Das Licht blinzelte, wenn ein Licht blinzeln kann, und stellte fest, dass es nichts wusste. Nicht, woher es kam. Nicht, wohin es sollte. Nicht einmal seinen Namen.
„Wer bin ich?“, flüsterte es, und der Schnee antwortete nicht, denn Schnee kennt keine Namen. Nur die Tannen standen da, schwarz und groß, und hielten die Nacht aufrecht, damit sie nicht in sich zusammenfiel.
Das Licht rührte sich. Es war, als hätte es kleine, unsichtbare Füße, die es über den Schnee trugen, als könnte es springen, schweben, rollen, ohne Spuren zu hinterlassen. Es beschloss, seinen Namen zu suchen, denn etwas in ihm sagte: Ein Name ist wie ein Zuhause. Man kann ihn verlieren, aber man findet ihn wieder, wenn man den Mut hat, zu fragen.
Der Mond war ein dünnes Segel am Himmel. „Entschuldige“, rief das Licht hinauf, „weißt du, wie ich heiße?“ Der Mond drehte sein blasses Gesicht, als lausche er, und schwieg. Der Mond hat schon so viel gesehen, dass er vorsichtig geworden ist mit Worten.
Also machte sich das Licht auf den Weg. Es glitt zwischen die Tannen, wo der Schnee blau schimmerte wie ein leises Geheimnis. Ein Fuchs kam aus seinem Bau. Sein Fell war rotbraun, seine Schritte leicht. Er blinzelte dem Licht entgegen, und das Licht blinzelte zurück.
„Was bist du für ein Funken?“, fragte der Fuchs und legte den Kopf schief.
„Ich weiß es nicht“, sagte das Licht. „Ich suche meinen Namen.“
Der Fuchs schnupperte. „Man sagt, im Winter riechen die Dinge deutlicher. Kälte macht ehrlich. Komm, ich schnuppere einmal nach deinem Namen.“ Er schloss die Augen, zog die Luft ein und blies sie in kleinen weißen Wolken wieder aus. Dann nickte er langsam. „Dein Geruch ist warm wie Brot, wenn die Kruste knackt. Er ist auch weich wie Moos, wenn man darauf sitzt, um auszuruhen. Vielleicht heißt du Wärme.“
Das Licht dachte nach und spürte, wie es ein wenig heller wurde bei dem Wort. „Wärme“, wiederholte es und rollte das Wort auf seiner Zunge hin und her, obwohl es gar keine Zunge hatte. „Wärme fühlt sich richtig an, aber es ist noch nicht mein ganzes Ich. Danke, Fuchs.“
Der Fuchs lächelte. „Namen sind wie Wege. Manchmal findet man sie dort, wo man etwas für jemanden macht. Manchmal finden sie einen, wenn man sein Herz offen trägt.“ Er drehte sich um und verschwand wieder in seinem Bau, weil Füchse wissen, wann genug gesagt ist.
Das Licht zog weiter. Aus dem Wald heraus, über eine Wiese, wo der Schnee in sanften Hügeln ruhte, bis zum Rand eines kleinen Dorfes, das sich an den Hang schmiegte wie ein Kind an die Schulter seiner Mutter. In einem Fenster brannte eine Kerze. Vor dem Haus stand ein Mädchen. Es trug einen roten Schal, und die Enden wehten wie zwei kleine Fahnen im Wind. Es hielt ein Körbchen in der Hand. Als es das Licht sah, hob es den Blick, und in den Augen des Mädchens stand etwas, das auch Namen hatte: Sorge.
„Hallo“, sagte das Licht und setzte sich auf den Rand des Körbchens. „Wohin gehst du?“
„Zum Haus am Bach“, sagte das Mädchen leise. „Meine Mutter ist krank. Ich bringe Brot und Tee zu Frau Liese, die immer weiß, welche Kräuter helfen. Aber der Weg ist dunkel, und ich habe ein bisschen Angst.“
Das Licht zitterte einmal, nicht aus Kälte, sondern vor Entschlossenheit, und ließ seinen Schein auf das Mädchen fallen. Nicht grell, nicht laut, nur ein warmes, weiches Licht, das die Schatten beiseite bat, als wären sie Freunde, die Platz machen. Der Schnee funkelte, als hätten alle Flocken kleine Herzen, die plötzlich schneller schlugen. „Darf ich dich begleiten?“, fragte das Licht.
Das Mädchen nickte. Gemeinsam gingen sie den schmalen Pfad entlang, der zum Bach führte. Über ihnen sang die Nacht leise, und unter ihnen knirschte der Schnee. Das Mädchen atmete ruhiger, und ihre Schritte wurden sicherer. Sie erzählte dem Licht von der Mutter, die sonst so gern Zimtsterne backte und Lieder summte, die nach Vanille schmeckten, und wie still das Haus geworden war, seit die Krankheit darin wohnte.
„Manchmal“, sagte das Licht, „macht die Stille Platz für etwas, das wir sonst nicht hören können. Für Mut. Oder für die Hand eines anderen.“
„Vielleicht“, sagte das Mädchen und drückte das Körbchen etwas fester. „Es fühlt sich leichter an, seit du da bist.“
Beim Haus am Bach stand Frau Liese vor der Tür, ein Schal um die Schultern, die Haare ein Kranz aus Silber. „So spät noch, Lotte?“, fragte sie und legte dem Mädchen die Hand auf die Wange. „Was hast du denn da für ein Wunder bei dir?“
„Das ist… mein Freund“, sagte Lotte und schaute zu dem Licht. „Es weiß noch nicht, wie es heißt.“
