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Seit 2006 gibt es den Master-Studiengang »Biografisches und Kreatives Schreiben«. Jedes Jahr zieht es kreative Menschen aus dem deutschsprachigen Raum nach Hellersdorf (Berlin), um sich an der Alice Salomon Hochschule dem Schreiben zu widmen. Diese Anthologie präsentiert Kurzgeschichten, Gedichte, Essays und Freewritings des 16. BKS-Jahrgangs. Sie bietet Einblicke in die Vielfalt des biografischen und kreativen Schreibens. »Hellersdorf – gekommen, um zu schreiben« ist ein bewegendes Zeugnis der kreativen Reise der Studierenden. Jeder Text zeugt vom Mut und der Leidenschaft, die nötig sind, um die eigene Stimme zu finden und zu nutzen. Hellersdorf. Wir alle sind gekommen, um zu schreiben.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 246
Veröffentlichungsjahr: 2024
ANTHOLOGIE
Cover-Design: Vika
Korrektorat: Wolfgang Wittmann, Heike Schwarze, Renate Magnani, Carolin Kerberg, Andrea Hahnfeld, Jasmin Borr
Satz & Gestaltung: Andrea Hahnfeld | vellum.pub
Grafiken: Canva
Copyright © Andrea Hahnfeld 2024
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Stuttgarter Str. 106
70736 Fellbach
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über: dnb.dnb.de
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie das Recht der Übersetzung, sind vorbehalten. Kein Teil dieses Werks darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung der Autorinnen und Autoren vervielfältigt oder verbreitet werden.
E-Buch: ISBN 978-3-949301-24-7
Taschenbuch: ISBN 978-3-949301-25-4
Vorwort
Sebastian Ballenthin
Morgenlicht & Radio
Arthur geht
Vergessen
Laura Farrensteiner
Schnelll(i)ebiges Berlin
Zeitloses Wir
Momentlichkeit
Andrea Hahnfeld
Spurlos
Der nächste Moment
Die Nachverhandlung
Verena Herz
Lotte
Haarige Zeiten
Carolin Kerberg
Achterbahn
Allein
an die zukunft
Janina Kutschan
Honigbienchen
Rotlichtmanege
Rat-Schläge
Mira Lange
Briefe von dir
Erinnerungen
Wiltrud Langebröker
Das blaue T-Shirt
Sehnsucht
Elfriede Liebau-Holstein
Die Prüfung
Tilos Achterbahnfahrt
Gefangen zwischen zwei Lieben
Renate Magnani
Lieber ausbrennen als verblassen
Der Mutter entgegen
Endmoränen
Cathleen Mann
Granatapfelträume
Maggy Nolte
Fernweh
Gedankengang
Yann Pouget
Die Anker
Die Ortsgebundenheit der menschlichen Existenz
Ute Schmerbauch
Die Letzten von gestern
Ein Waldbad in Nordsachsen
Heike Schwarze
stranden
kleine freundin
was von dir geblieben ist
3.000 Meter
Anja Stiel
Das Damals in mir
Der Baum
Damalstränen
Claudia Terschüren
Die rote Linie
Wolfgang Wittmann
An der Tankstelle
Der Mond
Seit 2006 bietet die Alice Salomon Hochschule Berlin den Master-Studiengang »Biografisches und Kreatives Schreiben« an. Studierende aus dem 16. BKS-Jahrgang, der 2021 startete, haben für diese Anthologie Texte gespendet.
Die enthaltenen Werke sind so unterschiedlich, wie die Menschen, die sie geschrieben haben. Das Spektrum reicht von Kurzgeschichten über Gedichte hin zu Essays und Raumstudien.
Alle Erlöse aus dem Verkauf dieser Anthologie kommen der Stiftung Bildung zugute.
Die Stiftung fördert Mitbestimmung und Vielfalt in der Bildung. Sie arbeitet unabhängig und eigenverantwortlich. Über ein Netzwerk von Fördervereinen an Kitas und Schulen wirkt die Stiftung direkt vor Ort. Sie unterstützt die Beteiligten dabei, Ideen umzusetzen. Durch die Verbesserung der pädagogischen Bedingungen für Kinder und Jugendliche fördert die Stiftung Erziehung, Bildung und bürgerliches Engagement für gemeinnützige Zwecke. So trägt die Stiftung Bildung zur Veränderung der Gesellschaft bei.
Sebastian Ballenthin (1963) begleitet das Schreiben seit seiner Jugend. Viele Stunden verbrachte er mit seiner »Mercedes«. Schwarz, fast unverrückbar, schaute ihn dieses Erbstück auffordernd an. Eine erste Liebeserklärung ans Schreiben, später kam die Fotografie hinzu. Ausbildungen als Fotograf, Werbe- und Mediengestalter folgten.
Das späte Studium Sozialer Arbeit eröffnete ihm eine bislang verborgene Hintertür. Schreiben kam erneut in sein Leben, nun sozial induziert. Was lag näher, als mit dem BKS-Studium weiterzumachen, noch dazu an der gleichen Hochschule? Schreiben ist ursprünglich, es kann einem nicht verloren gehen. Ein Geschenk also, darin professionell begleitet, den wunderbaren Texten der Studiengruppe lauschend, tiefer einzutauchen und eigene Inspirationen neu erkunden zu können. Eine Reise vom Wort zum Bild und zurück.
Goldfarben tastet sich die Herbstsonne über das Laub ins Bild vor dem Fenster. Raben treiben wie steinerne Brieftauben über den Himmel. Wie kann etwas Steinernes fliegen? Physikalisch gesehen muss die Beschleunigungsenergie größer sein als die Trägheit der Masse. Vielleicht ist es das Tiefschwarze der Vögel, das ihren Bauch wie mit einem Stein beschwert wirken lässt. Oder es ist die gleichzeitig schwerelos wie gewichtig erscheinende Bewegung ihrer Körper. Ich schreibe in Bildern, die Hand zuckt zwischen Toast, Kaffee und Stift. Nur unterbrochen vom Bestreichen der Brotscheiben mit Honig, ein kräftiges, ursprüngliches Bild, ein reiner, süßlicher Geschmack.
Im Radio quält sich eine Karawane durch ihre Erzählung. Auch hier tönen Krähenrufe, gepaart mit einer Kinderstimme: »Großvater sagt, dieser alte Stein sieht aus wie eine gebückte Frau. Darunter verstecke sich eine Quelle.« Sei vorsichtig und wecke nicht die Geister der Quelle. Die Tiere wurden einzeln zur Quelle geführt. Raben trinken aus Pfützen, Becken oder Bächen. Aber trinken sie auch aus kühlen Quellen? Ich hoffe nur, dass Großvater mit seinen zehn Tagen recht behält. Ich habe noch nie solch einen trockenen Sommer erlebt. Schaut mal ein Adler, er hält wohl nach Maultieren Ausschau. Wonach halten die Raben am Himmel Ausschau? Wonach halten sie Ausschau, wenn sie krächzend in den Zweigen hocken, noch halb verdeckt von den letzten Blättern des Herbstes.
Je größer das Buch, umso länger die Texte, umso größer der Abstand von schreibender Hand zum denkenden Kopf. Sieben Sonnen will ich vom Himmel holen, sonst nenne ich mich nicht einen Meisterschützen. Vögel wie schwarze Weihnachtsbaumkugeln in den Bäumen. Schwarze Weihnachtsbaumkugeln? Ein beruhigendes oder verstörendes Bild, überlege ich, um zum Schluss zu kommen – beides!
Zwischen den Zähnen knirschte es. Es war Tag. Die Luft voller Staub. Ringsum nichts als Sand. Jetzt konnten sie sich wieder erinnern. Aus dem Erzähler ist nun eine Erzählerin geworden. Briefe aus Stein, Botschaften aus der Zeit vor der Erfindung des Papiers. Wann wurden Brieftauben erfunden? Sicherlich erst nach der Erfindung des Papiers. Raben sind wie Boten aus alter Zeit. Sie ziehen wie steinerne Brieftauben über den Himmel. Immer wieder an den Fenstern vorbei. Jetzt seid ihr wieder da. Denkt ihr, dass wir heute Nacht weiterziehen können? Wir haben viel Zeit verloren. Keine Sorge, Raben mögen alt sein, aber verlässlich. Andere würden solche Märsche nicht überstehen. Unruhe macht sich breit. Ich scharre zwar nicht mit den Hufen, wie die Erzählerin gerade verkündet, aber der Spannungsbogen aus Radio, Textfragmenten, Schreibimpulsen und automatischem Schreiben senkt sich langsam merklich. Natürlich willst du leben. Aber wie? Raben zogen wie steinerne Brieftauben über den Himmel. Irgendwann gewinnt die Trägheit der Masse die Oberhand. Poetischer oder vielleicht auch magischer formuliert: Die Kraft der Anziehung nimmt ihren Lauf. Die abnehmende Beschleunigungsenergie hakt sich belustigt unter. Sie sorgt für eine sanfte Landung der wortschweren Brieftauben. Cousin, bist du hier? Der Adler ist gelandet. In der Stadt habe ich noch nie so viele Sterne gesehen. Ich bin kein Nomade. Ich bin ein Wanderer.
Arthur stand vor der Wohnungstür und ahnte, er hatte etwas vergessen. Nein, diesmal war es nicht das Handy. Er fühlte in diesem Augenblick eine Art fehlende Berechtigung für sein Leben. Doch wer konnte sie erteilen außer ihm selbst? Vielleicht sollte er etwas Neues erkunden und den Eindrücken sprichwörtlich die Tür öffnen. Als ob diese vor seiner Tür Schlange stehen würden. Bei diesem Gedanken musste Arthur leise auflachen. Doch die Vorstellung entwickelte sich wie ein altes Polaroidfoto, welches erst langsam seine Konturen preisgibt. Zog man die Schutzfolie ab, startete man den Entwicklungsvorgang. Man wusste nie ganz genau: War es das oder kommt noch mehr Kontrast?
Warum also nicht einfach die Tür öffnen und die Schutzfolie abziehen? Schließlich war er nicht eingemauert im Haus. Er war frei. Allerdings bedurfte es dazu mehr, als die Wohnungstür zu öffnen und zu lächeln. Was hielt er da eigentlich in seiner Hand? Plötzlich: Zur Zoohandlung wollte er, das hatte er doch schon lange vor! Die Aufbruchsenergie versetzte Arthur in eine fast ausgelassene Stimmung. Seine Gefühle begannen zu zirkulieren. Das allein war schon viel für den heutigen Tag.
Energisch zog er die Wohnungstür auf. Die dämmrige Atmosphäre des Treppenhauses füllte das Rechteck der Türöffnung. Alles erschien ihm wieder fremd, dieses ewige »aller et retour«. Und nun? Der alte, wenn auch klapprige Fahrstuhl stimmte ihn zuversichtlich. Arthur machte einen Schritt auf das schwarzeiserne Fahrstuhlgitter zu. »Wenn ich nur die Neugier nicht verliere, dann ertrage ich fast jedes Vergessen«, flüsterte eine Stimme in seinem Kopf. Sein Kämpfergeist setzte sich durch. Er drückte die abgegriffene weiße Null auf schwarzem Bakelit. Der Fahrstuhl setzte sich mit einem tiefen Summen in Bewegung. Die Stockwerke zogen an den Scheiben des Korbes vorüber, Diagonale um Diagonale, unterbrochen von den Gedankenstrichen der Etagenpodeste. Drei zu Eins, Drei zu Eins, Drei zu Eins, Ruhe breitete sich in seinem Körper aus. So fühlte sich wohl ein Bergmann, wenn er in den vertrauten Schacht fährt. Dann schüttelte sich der Fahrstuhlkorb und kam zum Stehen. Arthur brauchte eine Weile, bis er sich den Öffnungsmechanismus der Fahrstuhltür untertänig machen konnte. Ein paar Schritte noch, dann trat er hinaus.
Sein Blick wanderte hinab zu seinen Händen, als ob sie die Gebrauchsanweisung für den heutigen Tag enthielten. Seine Linke umklammerte ein altes braunes Hundehalsband mit deutlichen Schimmelspuren. Es kam ihm bekannt vor, mehr nicht. Was wollte er mit einem alten Hundehalsband hier auf der Straße? Jeder Augenblick schien ihm unbekannte Geschichten zu erzählen. Doch welche waren wahr, welche eher nicht und welche offenbarten einen Sinn? Schlagartig war wieder alles da, von einer Sekunde auf die andere: Die Zoohandlung war sein Tagesziel! Ein neuer Hundegurt! Deshalb hielt er das alte Ding in seiner Hand, um die exakte Größe und Machart zu bestimmen. Manchmal war er doch gar nicht so deppert, wie er dachte. »Ein Hundegurt«, flüsterte er erleichtert, »wie passend! Damit der Hund nicht verloren geht, oder ich?« Arthur musste grinsen. Die Zoohandlung lag zehn Minuten abwärts Richtung Landstraße.
Nach ein paar Schritten vernahm Arthur ein Hecheln. Es kam näher und näher, er konnte allerdings keinen Hund entdecken. Plötzlich überholte ihn eine Frau mit zwei Jagdhunden, senkte lachend den Kopf, blickte auf den Hundegurt in seiner Hand und nickte ihm wissend zu. Die Tiere zerrten wie Schlittenhunde an ihren Leinen. Sie trug eine blaue englische Wachsjacke und ihre roten Haare leuchteten, wie er fand, in einem reizenden Kontrast dazu. Schwacher Parfümduft legte sich um Arthur – ein verlässliches Zugpferd für Zeitreisen. Arthurs Kopf wurde zum Kino, alte Erinnerungen nahmen darin Platz. Er bemerkte nicht, wie er fast blind weiterlief.
Das Telefon klingelt, und ihre Stimme spricht die Worte: »Willst du mit mir einen Hund begraben?« Eine Stimme, der er in ihrer Schönheit kaum widerstehen kann. Sie scheint seinen ganzen Körper auszufüllen wie ein Gefäß mit warmem Wasser. Sie hat etwas Forderndes, zugleich aber zutiefst Einladendes, und diese Mischung erzeugt das Besondere. Warum sollte er einen Hund begraben? Und welchen Hund noch dazu? Taina erklärt es ihm und bittet um seine starke Hand. Insgeheim muss er darüber lächeln, denn so schmal ihre Erscheinung ist, so kräftig können ihre Hände zupacken, so intensiv ihre Arme drücken. Er liebt ihre Umarmungen zutiefst, dieses feste, sich hingebende und zugleich haltende einer Balletttänzerin. Hatte er sich je so gemeint gefühlt?
Seine Empfänglichkeit für diese Art von Berührungen ist ihm bewusst. Als er eintrifft, liegt das Tier samt Spielzeug in seiner Decke, als ob es schlafen würde. Es ist groß, sehr groß. Gleich hinter den Pinien, nah am Feld und einen Meter tief wegen dem Wild, heben sie die Grube aus. Vorsichtig senken sie das Tier hinab. Als der Hund schließlich in seiner hellen Decke wie eine Mumie am Boden der Grube liegt, hält sie plötzlich inne, hebt ihren Kopf, schaut ihn an, lächelt sanft und sagt: »Ich liebe Dich!« Den Spaten noch in der Hand, ihr kariertes Hemd wie eine Bäuerin um den Bauch gebunden, ihr rotbraunes Haar über den freien Armen und Schultern zusammengesteckt. Himmel und Erde über Korsika entwickeln in diesem Augenblick eine spezielle Verbindung und legen den Grundstein zu Arthurs späterer Vorliebe für Hunde. Am nächsten Morgen bewegen sich sehr langsam ihre Hände aufeinander zu. Die Spannung, kurz bevor sich zwei getrennte Welten verbinden. Eine Spannung, die er sprichwörtlich begreifen kann, immer wieder. Etwas, das sich bis in seinen Kopf fortsetzt, sich dort entlädt und wie ein herabsinkendes Feuerwerk durch sämtliche Nervenbahnen zurückrieselt. Momente absoluter Schönheit und Intensität. Ein Geschenk, jemals so lieben zu dürfen. Die Liebe besteht zu drei Vierteln aus Neugier. Plötzlich schmerzt sein linkes Schienbein ungemein. Ein halbes Jahrhundert verdichtet sich in einem Augenblick.
»Vorsicht, junger Mann! Sie rennen mir ja gleich die Aufsteller um!« Die Verkäuferin des Taschenladens zupfte ihn energisch am Arm. Er war wohl ins Träumen und so ins Schleudern gekommen: Wo ist der Hund? Wo ist der Gurt? Wo ist die Hand, die ihn führt? Fast hätte ihn diese kurze Zeitreise zu Boden geworfen. Doch dank des resoluten Auftretens der Verkäuferin war er schnell wieder auf den Beinen. Der Taschenladen musste neu sein, genau wie diese schrecklichen Aufsteller überall, jeder Spaziergang ein Hürdenlauf!
Insgesamt kam er zu seiner Verwunderung jedoch gut voran. Schließlich stand er vor dem Zoogeschäft Prochaska. Er spürte erneut diese freudige Erregung. Sie fühlte sich inzwischen vertraut an. Neben der Zoohandlung hatte ein kleines Café eröffnet. Was sich alles verändert hatte seit seinem letzten Besuch hier! Er nahm die Hand, in der die alte Hundeleine baumelte, um die Türklinke herunterzudrücken und hätte sich um ein Haar in der Tür verfangen. Der rundliche Verkäufer schaute kurz über seine Brille, weil er das Geruckel an der Tür mitbekam. Dann erkannte er Arthur, und ein warmes Lächeln erschien auf seinem Gesicht: »Arthur! Dich habe ich lange nicht mehr gesehen! Wo ist denn Platon?« Arthur verstand nicht: Platon, Platon, wer soll das sein? Felix Prochaska bemerkte seinen ratlosen Gesichtsausdruck und ergänzte: »Nun aber, Arthur, Platon, dein Hund!« »Ach ja, richtig!« entgegnete Arthur lachend, um nur nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, vergesslich zu sein. Er hielt ihm die schimmlige Leine unter die Nase und fügte schnell hinzu: »Ich brauche unbedingt eine Neue, so kann ich mit dem Hund unmöglich auf die Straße.«
»Wohl wahr!«, entgegnete Felix. Nebenbei lieferte es Arthur das perfekte Argument, warum er hier ohne einen Hund aufkreuzte. Er fühlte sich augenblicklich sicherer. Er war wieder halbwegs Herr seiner Geschichte, Platon hieß also sein Hund. Ich sollte achtsamer mit dem sein, was ich angehe, nahm sich Arthur vor. Einfach so unvorbereitet loszumarschieren, das konnte ihn in Bedrängnis bringen. Seine Gedanken tauchten mitunter aus dem Nebel auf wie verlassene Bushaltestellen. Er sollte mehr Ordnung in sie bringen!
Die freundlichen Augen von Herrn Prochaska ruhten abwartend auf ihm. Was nun? »Ein neues Hundegeschirr, diesmal gerne etwas Nordisches«, platzte es noch rechtzeitig aus ihm heraus. »Gute Wahl«, entgegnete Felix, »das passt zu Platon.« Er kam mit einem Hundegurt, wie er auch bei Schlittenhunden Verwendung hätte finden können, zurück. Arthur nahm den Gurt und war augenblicklich angetan. »Nur die Neugier nicht verlieren«, seine Lippen bewegten sich lautlos. »Was hast Du gerade gesagt, Arthur?«, fragte Felix besorgt nach. »Ach nichts«, antwortete Arthur, »ich nehme es!« Er umschloss den Gurt mit beiden Händen, um ihn genauer zu befühlen. »Das macht dann 59,80 €«, hörte er noch und »Grüß mir Platon!« Er bezahlte, lächelte und verließ schnell das Geschäft.
Als Arthur beschloss, ein neues Hundegeschirr zu kaufen, verband er damit eine Art Hoffnung. Die Herkunft dieses Gefühls entzog sich seiner genauen Kenntnis. Was blieb, war die Vorstellung einer führenden Hand. Allerdings gab es im Moment scheinbar nichts zu führen außer ihm selbst. Dieses schöne Stück Handwerk mit seinen karelischen Stickereien erinnerte ihn daran, die Führung nicht aus der Hand zu geben. Es war ein Sinnbild für Arthurs Entschluss, dem Leben verbunden zu bleiben. Er musste an seine Spaziergänge mit Platon und die Begegnungen denken. Wo Platon wohl war, wie es ihm jetzt ging? »Später«, korrigierte sich Arthur. »Weiterlaufen!« Seine Schritte führten ihn unbewusst zum Prater. Jedenfalls bemerkte er, dass er nicht auf dem direkten Rückweg zu seiner Wohnung war. Vielleicht sollte er im Halsband seine Adresse vermerken, falls er sie einmal vergaß oder sich wieder verlief. Er musste lachen. Arthur, der entlaufene Hund. Was hatte das Leben bloß aus ihm gemacht? Wer würde sich an ihn erinnern, wenn er es selbst schon nicht mehr konnte? Oder wollte?
Ein paar fette Krähen saßen wie Rosinen im Laub. Ihnen schien es heute zu windig für Abenteuer zu sein. Sie hatten ihren Frieden mit dem Tag gemacht, genau wie Arthur. Die Bewegung an der frischen Luft tat ihm gut, sie weckte längst vergessene Bilder in ihm. Der Zufall ist der Ort, an dem das Wunder nistet, eine Bestimmung, Aufgabe oder Verstehen offenbart und zurück auf die Spur des Lebens führt. Er war auf dem richtigen Weg, jedenfalls zum Prater. Der Hundewald und sein Feldherrenhügel kamen in Sicht. Er hatte diese kleine, unscheinbare Anhöhe des Überblicks wegen so getauft. Doch worüber, sein Leben etwa? Ja, heute ein wenig!
»Arthur … Arthur!« Woher kam diese Stimme? Er schaute sich auf dem Hügel um, konnte aber niemanden entdecken. »Arthur«, rief es erneut, diesmal hob sich dazu ein Arm, unten auf der Wiese, ein gutes Stück von ihm entfernt. Da musste jemand bessere Augen haben als er, denn vielmehr als eine Frauenstatur samt Hundebegleitung konnte er nicht erkennen. Er winkte freundlich zurück und wartete ab, was das Leben für ihn bereithielt. Nur die Neugier nicht verlieren! »Die Herzen sind schwach und die Liebe ist stark, geh’n wir Tauben vergiften im Park!« Woher nur ständig diese Bruchstücke in seinem Kopf kamen? Ihre Dosierung entschied über Gift oder Medizin. Sie konnten ihn lähmen oder beflügeln.
Plötzlich stand die Frau vor ihm, ihre beiden Hunde tasteten ihn neugierig ab. Die roten Haare und die blaue Wachsjacke, oh Gott, er hatte sie heute Vormittag gar nicht erkannt: Anna! Anna aus dem Tierheim! Was war nur mit ihm los? Manchmal fühlte er sich wie in einem Tunnel. Sie war ein wenig älter geworden, aber ihr Frohsinn hatte darunter nicht gelitten. Überschwänglich nahm sie ihn in den Arm: »Ich war heute Vormittag so in Eile, da ich zum Tierarzt musste und auch unsicher, ob du es warst.« Es schien ihr fast peinlich zu sein. Arthur genoss die Umarmung. Er kam ins Erzählen über die letzten Jahre und Anna berichtete Neuigkeiten aus dem Tierheim, seit sie ihm damals Platon vorstellte. Schließlich brachte sie ihn nach Hause. Er nahm dankbar einen der beiden agilen Hunde. Wie er ihn plötzlich durchs Leben zog. So schnell hatte er sich lange nicht mehr bewegen müssen. Ach, wie er das liebte! Zum Abschied vor seinem Haus rief Anna: »Du kommst nächste Woche ins Tierheim, versprochen?!« Arthur nickte so etwas wie ein Einverstanden.
Im Fahrstuhl fragte er sich: »Und jetzt?« Das schien die Sinnfrage des Augenblicks. Nun, dieser Tag zeigte ihm doch, dass nicht er dem Vergessen ausgeliefert war, vielmehr hatte er sich dem Vergessen ausgeliefert. Seit Platon vor acht Monaten starb, hatte er es nicht mehr gewagt, die Wohnung zu verlassen. Zum Glück gab es die Caritas, er wäre sonst verhungert. Die Erinnerungen kamen wieder, sie waren nicht verloren. Mit ihnen allerdings auch ihr Schmerz: Frankreich, der liebe Alkohol. Seit Taina ihn vor vielen Jahren verlassen hatte, gab es nur Platon an seiner Seite – über ein Jahrzehnt Gemeinschaft. Als auch diese endete, fragte er sich einmal mehr nach der Ausrichtung seines Lebens. Kinder hatten sie nicht, die Jahre mit Taina in Korsika hatten es nicht ergeben. Für wen oder was lohnte es sich, noch zu leben? Der Fahrstuhl hielt an, er öffnete die Tür. Würde Platon sich an ihn erinnern? Bei Taina war er sich sicher. Doch das waren dann auch unangenehme Erinnerungen. Als Platon an seine Seite kam, hatte Arthur endlich mit dem Trinken aufhören können. Allerdings drehte sich das Rad wieder zurück, als Platon starb. Seine Einbildung, dement zu sein, half ihm dabei, sich aufzugeben. Warum auch nicht? Wer hatte ihn denn in guter Erinnerung, sodass er sich noch erinnern sollte? Halt, Schluss mit dem Selbstmitleid! Felix und Anna, die beiden erinnerten sich doch an ihn! Er freute sich auf das Tierheim. Er freute sich auf die Hunde und ihre nie versiegende Neugier. Er freute sich auf den Moment, wenn er einen von ihnen das neue Hundegeschirr anlegen würde und sich die Tür des Zwingers für sie beide öffnete. Ob Hunde träumten? Arthur träumte viel, doch vergaß er darüber sein Leben? Die Gedanken zogen in seinem Kopf vorüber wie ein alter Schmalfilm, dessen Ende manchmal von der Spule rutschte. Sie wiederholten sich und sprangen wild durcheinander. Er bekam ihr Ende nicht zu fassen. Er lief ihnen hinterher, ohne Orientierung zu bekommen.
Doch heute war etwas anders. Die frische Luft, die Sonne, die Gerüche, die Menschen, es waren kleine wirkungsvolle Veränderungen. Er erinnerte sich an ein Zitat: »Der Roman, den einer gelebt hat, ist noch immer eine unvergleichlich größere schöpferische Leistung als der, den jemand geschrieben hat.« Heute war es ein Vorwort, ab morgen der ganze Roman. Er spürte die Erschöpfung und musste einmal mehr lächeln. Wie schön das neue Hundegeschirr doch ausschaute.
Manchmal möchte ich
eintauchen in den Nebel
wie in den Mund der Vergangenheit
sprachlos zu suchen
nach wärmenden Strömungen
wie nach tanzenden Fäden
einer sich entfernenden Qualle
ganz im Gegensatz zur Unnachgiebigkeit
der Stacheln von Kakteen
fest verankert in den weich erscheinenden
Blättern der Erinnerung
der einzige Weg ihrer Herr zu werden ist
sie im Fleisch zu tragen
wie friedlich dagegen die tanzenden Nesseln
ihre langsam abnehmende Hitze
einer einst schneidenden Berührung
Laura Farrensteiner (1997) ist schon immer gerne in die facettenreiche Welt der geschriebenen Worte eingetaucht und betrachtet das Schreiben als Lebenskunst, eine Quelle der Poesie, eine Ausdrucksform der Kreativität und ein wirksames Mittel zur Selbsthilfe. Nach ihrem Abschluss in Kommunikationswirtschaft fand die Wahl-Wienerin in der Kommunikationsbranche ihre berufliche Heimat.
Ihre Liebe zum Schreiben zog sie in den letzten Jahren vermehrt in die Richtung des Kreativen Schreibens. Um sich darin weiterzuentwickeln, schloss sie 2022 den Lehrgang in Passion Writing am writers’ studio ab und erwarb 2024 ihren Master-Abschluss in »Biografischem und Kreativem Schreiben« an der Alice Salomon Hochschule. Seit ihrer abgeschlossenen Ausbildung bietet sie unter dem Pseudonym »Notizbucht« kreative und heilsame Schreibbegleitung an.
Die U-Bahn zieht an ihnen vorbei
genauso wie das Leben und die Zeit
der Tag liegt zwischen Dämmerung und Dunkelheit,
darin sie zwei
zwischen Angst und Zärtlichkeit
gerne verliebt, doch lieber frei.
Das Großstadtgeflüster auf Dauerschleife,
während sie durch die Straßen streifen.
»Du bist mein Lieblings-Rapbeat, doch Techno mag ich lieber.«
– der Ohrwurm aller Berliner.
Vom Ausziehen zum Weiterziehen
vom Finden zum Verlieren
vom Kommen zum Gehen
sehen sie sich wieder am Gleis stehen
er geht nach rechts, sie nach links
und mit Blick auf den leeren U-Bahn-Sitz
flüstert sie sich zu: »Was ist, wenn du mein Endziel bist?«
Wir zwei,
morgens um drei
Rotweinflecken leicht verwischt
an deinem Küchentisch.
Die restliche Welt schläft,
während sich hier unsere eigene dreht
Es ist drei Uhr acht
draußen ist nur die erdrückende Stille der blauen Nacht,
doch hier drinnen hört man unsere Worte fließen
die im leichten Gesprächsfluss ineinander gießen
Jedes Gefühl, das wir tauschen
ist wie ein sanftes Wellenrauschen,
bis die nächste Gedankenflut kommt
mündend bis zum tiefen Horizont
Um halb vier,
teilen wir unsere zu Wort gebrachten Gedanken auf Papier,
denn für uns ist Lyrik die grenzenlose Freiheit
in einer Welt voller Poesielosigkeit
schwarz auf weiß öffnen wir uns
zwischen den Zeilen liegt die wahre Kunst
Die Uhr schlägt vier Uhr sieben
mein Herz schlägt Wolke sieben
denn wir schweben, treiben, fliegen
und können nicht genug voneinander kriegen
Weitere Minuten vergehen
als die Zeiger auf vier Uhr dreißig stehen
doch ans Schlafen denken wir noch lange nicht,
denn ich liebe dein schönes Gesicht
im schummrigen Licht
und hoffe, dass noch eine weitere Stunde anbricht
gefüllt mit zarten Blicken, sanften Worten und einem weiteren Gedicht
Die Zeit zieht weiter voran und das Leben an uns vorbei
doch jetzt gerade gibt es nur uns zwei
Durchs angelehnte Fenster zieht frostige Kälte rein,
wir frieren damit diesen Moment ein
und spüren zugleich unsere Herzen glühen
durchs pure Sein und rohe Fühlen
Dein Blick zieht mich an
und schon bald darauf aus
Unsere Herzen schlagen im gleichen Takt
so nebeneinander, halb nackt.
Sekunden werden zu Minuten zu Stunden
in denen wir uns erkunden
dabei vergessen wir das Gefühl von Zeit
denn das Jetzt zu zweit fühlt sich an wie Ewigkeit
»Is this the bus to Faro?«
»No, across street«, antwortet der Mann in Uniform.
Lea dreht ihren Kopf und sieht drei identisch grüne Busse. Wenn ich es in Australien geschafft habe, auf der linken Straßenseite in einem doppelspurigen Kreisverkehr zu fahren, werde ich jetzt auch das richtige Fahrzeug finden. Wenige Minuten später sinkt sie in ihren Sitz und die Fahrt geht los. Ihr Spiegelbild reist im Fenster mit. Anfangs noch eingefangen von den bunten Mosaiken von Lissabons Straßen, verliert sie sich schon bald in der Szenerie der portugiesischen Landschaft, die durch die strahlende Aprilsonne in ein noch schöneres Licht gerückt wird.
Drei Stunden später kommt sie an und findet sich nach einer schnellen Google-Maps-Navigation und dem Check-In in einem 9-Bett-Hostelzimmer wieder. Außer ihr ist gerade niemand hier. Sie lässt Rucksack und Tasche aufs Bett fallen und ihren Körper gleich mit dazu, befreit die Füße von den Schuhen und schließt für einen kurzen Moment die Augen. Sie freut sich darauf, die nächsten Tage die Kleinstadt zu erkunden und dabei ohne Ziel und Plan dahin zu flanieren. Einfach frei, einfach treiben, einfach sein. Nach einer kurzen Verschnaufpause treibt sie die Neugier auf das Fremde immer mehr an und sie findet sich auf der Straße wieder. Das Stadtbild ist vor allem durch die Braun- und Beigetöne der Hauswände geprägt. Bunte Street-Art und auf die Fassaden geschmierte Zitate lockern die eher trockene Atmosphäre auf. Lea bleibt an den Worten »Nothing lasts, it’s beautiful« in weinrotem Schriftzug auf einem heruntergekommenen Haus hängen. Alles hat irgendwann ein Ende und die Vergänglichkeit erinnert daran, jeden Moment auszukosten. Sie geht weiter und stößt in einer kleinen Quergasse auf eine Holzbank, über der in olivgrünen Worten »Recycle yourself« steht. Als ob die Botschaft für mich geschrieben wurde. In einem Supermarkt um die Ecke kauft sie sich Baguette, Hummus und Iced Coffee und schlendert damit in Richtung Küstenpromenade. Auf einem abgelegenen Rasen entdeckt sie eine Ziegelwand mit Blick aufs Meer. Sie klettert rauf, lässt sich zufrieden auf die warmen Steine nieder und steckt sich die Kopfhörer ins Ohr. Musik an, Welt aus. Die Kulisse verschmilzt mit dem Dämmerlicht zu etwas Schönem und Vertrautem. Sie verliert sich mit Augen und Gedanken im Lichter-Schauspiel und philosophiert dabei über das Leben. Lea genießt das Alleinsein. Die Einsamkeit, die nicht Verlassensein bedeutet. Als der Tag sich dem Ende neigt und Raum für die Nacht schafft, spaziert Lea zurück. Im Abendrot beginnt alles im verführerischen Licht der Nostalgie zu leuchten. Alles ist wie früher, nur von allem ein bisschen mehr und ein bisschen müder. Wieder im Hostel, schläft sie wenige Minuten später in ihrem Bett ein.
Am nächsten Morgen klingelt um sechs Uhr der Wecker. Lea streckt sich, um die Rückenverspannungen wegen der dünnen Matratze zu lösen. Sie ist schon länger wach. Mitten in der Nacht sind neue Gäste angereist, und das Ohrenwachs hatte leider nicht die erhoffte Wirkung gezeigt. Die in ihr schlummernde Neugier und Vorfreude auf den heutigen Tag bringen jedoch schnell ihre Seele und ihren Körper in Schwung. Sie hat sich vorgenommen, für eine Stand-Up Paddle-Tour zu den Benagil-Höhlen zu fahren. Als sie aufsteht, sieht sie im Fenster das sanftrosa und blaue Himmelszelt. Ein Lichtspiel aus dem Osten. Das anbrechende Morgengrauen, in dem sich unendliche Möglichkeiten verbergen. Mit Maulwurfaugen schlüpft Lea in ihre Schlappen und schlendert mit Zahnputzsachen und frischer Kleidung in Richtung Badezimmer. Frisch gewaschen und angezogen, packt sie ihren Rucksack mit Snacks, Notizbuch und Kopfhörern und macht sich auf zum Bahnhof. Nach der Zug- und einer weiteren Busfahrt erwartet sie am Treffpunkt bereits ein buntes Gewurbel aus anderen Tourist*innen. Sie alle werden mit Wasseranzug und Stand-Up-Paddle ausgestattet, und schon geht es los, hinaus aufs Meer. Die nächsten Stunden gibt es für Lea nur das Brett, leichtes Wellentreiben und den Blick auf die Küste der Algarve. Ihre Gedanken treiben unbeschwert, seicht und ohne Richtung, so wie das Brett auf den Wellen. Nicht das übliche Gedankenkarussell an Gestern und Morgen, das es ihr so oft so schwer macht, im Jetzt zu sein. Augenblicklich hat sie nur den nächsten Paddelschwung im Blick, und das Einzige, was sie in ihrem Kopf hört, ist das Meeresrauschen. Wenn Zeit- und Lebensgefühl eins sind. Nach Abschluss der Tour macht sie sich mit erwärmter Haut und Gemüt wieder zurück auf den Heimweg und lächelt in Gedanken an das heutige Erlebnis. An das pure Sein im Augenblick. Wie ein Moment Unendlichkeit … Ein Stück Momentlichkeit. Lea schmunzelt über den Begriff und speichert ihn in ihrer Gedankenschublade. Zuhause angekommen, lässt sie sich nach einer wohltuenden Dusche mit Handtuchturban und Schlabbershirt ins Bett sinken. Sie ist erschöpft, aber sehnt sich zugleich nach Abenteuern. Würde ich mich trauen, allein loszuziehen? Oder jemanden anzusprechen? Um ihre Haare zu föhnen, geht sie ins Gemeinschaftsbadezimmer und sieht ein schlankes Mädchen mit längeren, braunen Haaren, das gerade dabei ist, sich zu schminken. Sie blickt Lea kurz an, bevor sie sich wieder ihrem eigenen Spiegelbild zuwendet. Lea macht den Föhn an und lässt die Wärme durch ihre Haare blasen. Währenddessen versucht sie unauffällig, das Mädchen zu beobachten. Was könnte ich sagen? Als sie den Haartrockner abdreht und Stille im Bad einkehrt, dreht sich das Mädchen zu ihr und fragt auf Englisch nach der Uhrzeit. Lea freut sich, dass ihr Gegenüber mutiger ist als sie und antwortet ihr.
Das Mädchen fährt fort: »Are you going to the pub crawl tonight that the hostel is hosting?«
»I’m not sure, I’ve been awake since 6 am. I don’t know anyone here so far and I feel more reserved than usually.«
Lea ist verunsichert, ob sie vielleicht zu viel geteilt hat, und hängt schnell hinten dran: »What’s your name and where do you come from?«
Das Mädchen entpuppt sich als eine Hamburgerin namens Cäcilia. Lea wechselt ins Deutsche: »Ich heiße Lea und komme aus Wien.« Sie lächeln sich an und Cäcilia spricht weiter: »Jetzt kennst du ja mich und ich würde mich freuen, wenn du heute auch kommst. In meinem Zimmer habe ich einen Typen aus München kennengelernt, der auch dabei ist. Könnten uns gleich unten treffen, so in zehn Minuten?«