Hellseherin und Schwarzseher - Kelly Stevens - E-Book

Hellseherin und Schwarzseher E-Book

Kelly Stevens

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Hellseherin trifft Schwarzseher - und verliert vorübergehend den Durchblick! Die Studentin Nicole gibt nebenbei hellsichtige Beratungen zu finanziellen Themen. Von allem, was mit Liebe, Lust und Leidenschaft zu tun hat, lässt sie die Finger. Dies ändert sich, als der gut aussehende Unternehmer Dominic sie um Hilfe bittet. Bei ihm scheinen ihre Fähigkeiten jedoch zu versagen. Dominic glaubt ihren Vorhersagen nicht und hält sie für eine Betrügerin. Zwischen Selbstzweifeln und Verliebtheit verschwimmen für Nicole die Grenzen zwischen Vision und Realität. Kann man gleichzeitig hellsichtig sein und trotzdem blind für das, was einen selbst betrifft? Für Nicole geht es bald nicht nur um ihre berufliche Ehre, sondern auch um ihr privates Glück ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 153

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Hellseherin und Schwarzseher

Kelly Stevens

© 2020 Stevens, Kelly

Cover: fiverr.de/germancreative

Überarbeitete Neuauflage

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand, Norderstedt

ISBN: 9783752670776

Hellseherin und Schwarzseher

Hellseherin trifft Schwarzseher – und verliert vorübergehend den Durchblick!

Die Studentin Nicole gibt nebenbei hellsichtige Beratungen zu finanziellen Themen. Von allem, was mit Liebe, Lust und Leidenschaft zu tun hat, lässt sie die Finger.

Dies ändert sich, als der gut aussehende Unternehmer Dominic sie um Hilfe bittet. Bei ihm scheinen ihre Fähigkeiten jedoch zu versagen. Dominic glaubt ihren Vorhersagen nicht und hält sie für eine Betrügerin.

Zwischen Selbstzweifeln und Verliebtheit verschwimmen für Nicole die Grenzen zwischen Vision und Realität. Kann man gleichzeitig hellsichtig sein und trotzdem blind für das, was einen selbst betrifft? Für Nicole geht es bald nicht nur um ihre berufliche Ehre, sondern auch um ihr privates Glück …

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 1

»Sie müssen mir helfen, bitte! Mein Bildschirm ist schwarz. Ich weiß nicht, ob er kaputt ist, aber ich muss dringend eine Datei bearbeiten.«

Die Stimme der Anruferin klingt leicht panisch. Ich murmele ein paar beruhigende Worte, sehe auf meinen eigenen Bildschirm, auf dem der Cursor blinkt, und schließe meine Augen. Mental gehe ich die möglichen Fehlerquellen durch, bis mir etwas Gelbes auffällt. Ein Quietscheentchen? »Gibt es am Verbindungskabel von Monitor zu PC etwas Gelbes?«

»Nein, das Kabel ist schwarz.«

Ich runzle die Stirn. »Könnten Sie vielleicht einmal nachschauen, bitte? Da muss irgendetwas Gelbes sein, das den Fehler verursacht hat.«

Einem Mann gegenüber hätte ich nicht so gesprochen, aber bei dieser Frau ahne ich schon, was gleich passieren wird. Ein paar Sekunden herrscht Schweigen am anderen Ende der Leitung, dann bekomme ich undeutlich ein »Das darf doch nicht wahr sein, wie kommt denn das hierhin?« mit. Sekunden später ist sie wieder deutlich hörbar.

»Ein gelbes Quietscheentchen. Mein Sohn scheint beim Spielen das Kabel rausgerissen zu haben. Jetzt geht der Bildschirm wieder. Wie haben Sie das nur gewusst, es ist ja fast so, als ob sie hellsehen können?«

Ich lächele, verabschiede mich mit einer unserer Callcenter-Standardfloskeln und werfe einen Blick auf meinen Bildschirm Es ist kurz nach zehn Uhr abends, meine Schicht ist für heute beendet. Ich nehme mein Headset ab, logge mich im System aus und ziehe meine Tasche unter dem Schreibtisch hervor. Auf dem Weg nach draußen stecke ich noch schnell den Kopf ins Teamleiterbüro. »Ciao Christa, bis morgen Mittag um zwölf?«

»Ciao Nicole, schönen Feierabend.« Christa, meine Lieblingsteamleiterin, nickt mir zu, bevor sie sich wieder ihrem Rechner zuwendet.

Ich laufe die breite Treppe hinunter und gelange vom neonerhellten Großraumbüro im zweiten Stock einer ehemaligen Fabrikhalle auf einen Berliner Hinterhof mit schummriger Beleuchtung, wo ich mein Fahrrad abgestellt habe. Reflexartig checke ich mein Smartphone, bevor ich meine Tasche in den Fahrradkorb werfe. Sechs Anrufe in Abwesenheit, alle von einer unterdrückten Nummer. Während ich noch überlege, wer mich angerufen haben könnte, klingelt es erneut.

»Hallo?«, melde ich mich.

»Könnte ich bitte mit Madame Jana sprechen?«

Die Stimme gehört einem Mann. Sie klingt nicht unsympathisch, dennoch spüre ich einen kalten Luftzug im Nacken und halte instinktiv die Luft an. Madame Jana ist mein Künstlername, den nur wenige Menschen kennen, und die Stimme des Anrufers ist mir unbekannt. Weder habe ich eine Website noch schalte ich Anzeigen; mein kleiner Nebenjob ist nur wenigen Leuten bekannt, und genau so soll es eigentlich auch bleiben. »Am Apparat«, antworte ich dennoch.

»Ein Bekannter hat mir Ihre Nummer gegeben, Karim Karaman?«

Es klingt wie eine Frage. Karim ist ein junger Unternehmer, den ich seit zwei oder drei Jahren regelmäßig berate und der mich schon einige Male weiterempfohlen hat.

»Worum geht es denn?« Ich bemühe mich, geschäftsmäßig zu klingen, während ich gleichzeitig versuche, mein Fahrradschloss zu öffnen.

»Nicht am Telefon. Können wir uns treffen? Morgen um halb zehn im Ritz. Im Foyer.«

Das geht mir gerade alles zu schnell. »Mo…« Moment, wollte ich sagen, werde aber abgelenkt, weil mein Fahrrad mir wegrutscht und krachend auf den Asphalt fällt. Schnell greife ich nach meinem Smartphone, das mir ebenfalls aus der Hand zu gleiten droht.

»Morgen um halb zehn«, höre ich noch, bevor die Verbindung unterbrochen wird.

Ich bin kein Frühaufsteher. Diese Tatsache wird mir am nächsten Morgen im Bad wieder einmal bewusst, während ich verschlafen versuche, Make-up aufzulegen. Madame Jana trägt dunkelroten Lippenstift, Rouge und Smokey Eyes. Außerdem trägt sie ihre langen blonden Haare offen und nicht in dem praktischen Zopf, den ich mir normalerweise morgens mache.

Da ich vermute, nach dem Termin im Ritz mehr oder minder direkt zum Callcenter fahren zu müssen, entscheide ich mich für Jeans, flache Schuhe und ein weißes T-Shirt, über dem ich eine bunt gemusterte Tunika trage. Ein halbes Dutzend Ketten und Armreifen vervollständigen das Bild, das sich viele Kunden von einer Hellseherin machen. Nach dem Termin kann ich Tunika und Schmuck in meine Tasche stopfen, meine Kriegsbemalung abwaschen und als Nicole zur Arbeit erscheinen.

Normalerweise würde ich an Tagen, an denen ich Spätdienst und vorlesungsfrei habe, morgens gemütlich eine Stunde im Café sitzen und in aller Ruhe E-Mails checken, im Internet surfen und frühstücken. Der einzige Luxus, den ich mir in meinem Studentenleben gönne. Wenn man, wie ich, nicht nur einen, sondern gleich drei Jobs hat, braucht man ab und zu Momente, in denen man abschalten – oder zwischen verschiedenen Leben hin- und herschalten – kann.

An diesem Morgen trinke ich zu Hause nur schnell im Stehen eine Tasse Tee, bevor ich nach meiner Tasche greife. Meine Handtasche ist, laut Meinung meiner Freunde, ein riesengroßes, bunt geblümtes Ungetüm, in dem ich meinen halben Hausstand mit mir herumschleppe. Tatsächlich sind es nur wichtige Sachen wie Schlüssel, Smartphone, Taschentücher, Strickjacke und Madame Janas Leben, das ich in Form von bunten Tüchern, einem Pendel und diversen Kartendecks permanent bei mir habe.

Auf dem Weg zur Tür ziehe ich noch schnell eine Tageskarte aus der bunten Glasschale, in der mein Tarotdeck liegt. Der Magier, eine meiner Lieblingskarten. Der Tag verspricht, gut zu werden.

Die Fahrt mit dem Rad dauert kürzer als geplant. Es ist erst kurz nach neun, als ich am Potsdamer Platz ankomme. Suchend schaue ich mich um, wo ich mein Fahrrad sicher abstellen kann. Nachdem ich es abgeschlossen habe, schnappe ich mir meine Tasche aus dem Fahrradkorb und gehe auf den Hoteleingang zu. Roter Teppich und ein uniformierter Herr vor der Tür, der mir selbige öffnet. Beeindruckt betrete ich das Foyer. Auch hier: noch mehr Teppich, wenn auch in dezenteren Farben, riesiger Blumenschmuck, eine imposante, geschwungene Treppe, die in den ersten Stock führt, Kronleuchter. Eine Rezeption nehme ich nicht wahr, wohl aber, dass sich links des Eingangs eine Art Bistro befindet.

Wie in Trance steuere ich darauf zu. Irgendetwas sagt mir, dass ich dort etwas finden werde, was mir sehr wichtig ist.

An einem der ersten Tische sitzt ein extrem gut aussehender Mann. Noch relativ jung, vielleicht um die dreißig. Er trägt Jeans, ein weiß-blau gestreiftes Hemd und akkurat gestutzte dunkle Locken. Seine Aura zieht mich magisch an: Obwohl sie hell schimmert, wirkt er traurig. Sein Anblick berührt mein Herz.

Selbst im Nachhinein betrachtet habe ich keine Ahnung, was in diesem Moment passiert ist. Ich weiß nur, dass ich alles um mich herum ausblende, auf seinen Tisch zugehe und ihm meine Hand hinstrecke. »Guten Morgen, wir sind verabredet.«

Er ergreift sie nicht. Einen Moment wirkt er irritiert, dann trifft mich ein eiskalter Blick aus blauen Augen. »Zieh deine Nummer mit jemand anderem ab, Schätzchen.«

»Wir sind nicht verabredet?«, frage ich leise. Ich war mir so sicher, als würde ich von ihm angezogen wie eine Motte vom Licht.

»Du bist gut, Schätzchen, das muss man dir lassen, aber bei der Security wirst du damit nicht durchkommen, wenn die dich gleich aus deinem Lieblingsrevier wirft.«

Er erhebt sich halb, und mir kommt ein böser Verdacht. »Ich bin keine … Haben Sie mich gestern Abend nicht angerufen und einen Termin für halb zehn ausgemacht?«

Nun ist er derjenige, der verwirrt aussieht. »Madame Jana?«

Ich nicke.

»Wie haben Sie …? Nein, raus hier, sofort!«, zischt er.

Fehlt nur noch, dass er mich eigenhändig rauswirft. Was hat mich an ihm eben noch so angezogen? Er ist unhöflich und zieht auch noch falsche Schlüsse. »Na gut, dann gehe ich eben wieder«, entgegne ich eingeschnappt. War mein Instinkt gestern Abend doch richtig, dass ich mich eigentlich nicht mit ihm treffen wollte.

»Man darf uns nicht zusammen sehen! Warten Sie im Foyer, ich lasse Sie um halb abholen.«

Der Mann scheint unter Verfolgungswahn zu leiden. Ich packe wortlos meine Tasche, drehe mich um und verlasse hoch erhobenen Hauptes das Bistro. Kaum habe ich die Tür passiert, sinke ich wie ein Häufchen Elend in mich zusammen. Nein, mitten im Foyer eines Luxushotels werde ich nicht die Fassung verlieren. Ich zwinkere ein paarmal, weil plötzlich alles verdächtig verschwommen aussieht, und trete wieder auf die Straße in die Realität.

Was war das gerade? Mein Körper, mein Geist, meine Seele wussten, dass er es war, der auf mich gewartet hat. Selbst, wenn ich mich selbst nicht als Hellseherin akzeptiere, in dem Moment, in dem ich ihn zum ersten Mal sah, wusste ich, dass wir zusammengehören. Warum hat er mich nicht erkannt?

Es ist Viertel nach neun, ich bin genervt, durcheinander, wütend auf den Unbekannten, der mich für eine Prostituierte gehalten und so unverschämt behandelt hat, und wütend auf mich, dass es mir etwas ausmacht. Am liebsten würde ich wieder nach Hause fahren, mir die Schminke abwaschen und einfach nur Nicole sein.

Glücklicherweise fällt mein Blick, bevor ich komplett in Selbstmitleid versinken kann, auf einen Coffeeshop. Vielleicht hat mir einfach nur mein morgendlicher Koffeinkick gefehlt.

Mit einem Vanilla Soja Latte in der Hand sieht die Welt schon wieder ein bisschen freundlicher aus. Es ist exakt neun Uhr dreißig, als ich die Hotelhalle erneut betrete. Ich werde nicht nach rechts oder links blicken, um Ausschau nach einem verdammt gut aussehenden Spinner zu halten. Noch nicht mal ein bisschen. Wobei mein Gefühl mir sagt, dass er sowieso nicht im Foyer ist.

»Madame Jana, dürfte ich Sie bitten, mir zu folgen?«, höre ich plötzlich eine Stimme an meinem rechten Ohr.

Der Mann ist mindestens einen Kopf größer als ich, muskulös, kahl rasiert und trägt einen schwarzen Anzug und einen Knopf im Ohr, von dem aus ein fast durchsichtiges, gewundenes Kabel unter seinem Hemdkragen verschwindet.

Mit Security diskutiere ich grundsätzlich nicht. Ich nicke und gehe neben ihm zum Aufzug.

Er zieht eine Plastikkarte aus seiner Jacketttasche und setzt mit ihrer Hilfe den Aufzug in Bewegung. Eine gefühlte Sekunde später öffnen sich die Türen schon wieder, und ich folge ihm einen Flur entlang bis zu einer Tür. Auch hier benutzt er die Karte, um zu öffnen, und fordert mich mit einer Handbewegung auf, einzutreten. Eigentlich hatte ich gedacht, dass er mir folgen würde, aber als die Tür leise hinter mir ins Schloss fällt, ist er verschwunden.

Verunsichert bleibe ich stehen und betrachte die Szenerie vor mir. Ich bin in einer Hotelsuite, in einem großen Raum, in dem ein Innenarchitekt dunkle Holzmöbel auf hellem Teppichboden verteilt hat: ein Schreibtisch, Kommoden, ein weiterer Tisch mit Stühlen. Dazu zwei cremefarbene Ledersessel, zwischen denen ein niedriger Tisch steht. Durch eine geöffnete Tür im Hintergrund sehe ich ein ungemachtes Bett. Unwillkürlich schlägt mein Herz schneller.

Während sich Erleichterung in mir ausbreitet, dass die Beratung nicht in einem Hotelzimmer, das von einem Bett dominiert wird, stattfindet, öffnet sich die Tür etwas weiter, und der Mann aus dem Bistro kommt auf mich zu.

»Madame Jana, verzeihen Sie meine Unhöflichkeit, aber unter Sicherheitsaspekten kann ich es mir nicht erlauben, mit Ihnen gesehen zu werden.«

Obwohl er die gleiche Kleidung trägt wie eben, wirkt er wie ausgewechselt. Aha, er kann also auch höflich sein, denke ich, bis mir auffällt, dass er mir nicht die Hand gegeben hat. Nun ja, jeder hat eine zweite Chance verdient.

»Ich verstehe«, erwidere ich, obwohl ich noch überhaupt nichts verstehe. Meine Stimme sollte kühl und professionell wirken; tatsächlich klingt sie leicht atemlos und viel zu rau. In seiner Nähe bin ich irgendwie nicht ich selbst. Oder zu sehr ich selbst.

Plötzlich wirken seine Augen wieder sehr kalt. »Eines würde mich interessieren: Wie haben Sie gewusst, wer ich bin? Ich habe Ihnen keinen Namen genannt. Haben Sie Karim angerufen? Oder haben Sie mich gegoogelt?«

Das mit der zweiten Chance überlege ich mir definitiv zukünftig. Aber ich reiße mich zusammen. Er ist ein Kunde, der meine Hilfe benötigt. Es gibt keinen Grund, nervös zu sein.

Trotzdem bin ich es. »Nein, habe ich nicht. Sollen wir uns setzen, und Sie erzählen mir, was Ihr Problem ist? Oder ich kann einfach so schauen«, antworte ich etwas schärfer als geplant, um meine Unsicherheit zu kaschieren.

Er macht eine Bewegung vom Tisch zu der Sesselgruppe, die alles bedeuten kann. »Nehmen Sie Platz. Ich bin Dominic Hansen, aber das wissen Sie ja bereits.«

Schön, jetzt weiß ich es tatsächlich. Der Name ruft keine Assoziationen in mir wach, aber er passt zu ihm. Abgekürzt hätte er den gleichen Namen wie ich – Nic und Nic. Ob das etwas zu bedeuten hat?

Seinem leichten Akzent nach zu schließen, kommt er aus Norddeutschland. Dazu würde auch der Nachname passen. Nic Hansen. Hm.

Ich lasse meinen Blick durch das Zimmer schweifen. Nach einem Augenblick entscheide ich mich für die Sitzgruppe. Er folgt mir und nimmt im Sessel gegenüber Platz.

»Wie läuft das ab?« In seinem Ton schwingt Misstrauen mit.

»Was hat Herr Karaman Ihnen denn erzählt?«

»Nur, dass Sie ihn genial beraten und genau die richtigen Empfehlungen geben, wie er sein Unternehmen führen soll.«

Das klingt nach Karim: Lobhudelei, aber bloß keine Details preisgeben. Je nachdem, was mein neuer Kunde erwartet hat, muss ich ein Schock für ihn sein. »Ja, ich habe mich auf Wirtschaftsberatung spezialisiert. Nur, dass ich kein Coach bin, sondern es spirituelle Beratung nenne.«

»Das sehe ich.« Er betrachtet mich. »Deshalb der Name. Ich hatte jemand viel Älteres erwartet. Sie sind ja fast noch ein Kind.«

»Ich bin einundzwanzig.«

»Und haben seit wie vielen Jahren Erfahrung als«, – es klingt fast so, als spucke er das Wort aus – »spirituelle Beraterin?«

»Ich habe meine Ausbildung vor drei Jahren abgeschlossen.« Normalerweise diskutiere ich nicht mit Kunden, das war einer der ersten Grundsätze, die unsere Lehrerin uns eingeschärft hat. So misstrauisch wie er war bisher allerdings noch niemand. Entschlossen packe ich meine Kartendecks, mein Pendel und mein Schreibzeug aus. »Können wir anfangen?«

Er wirft einen entsetzt-resignierten Blick darauf und lehnt sich im Sessel zurück. »Von mir aus. Ich habe ein Angebot für die Übernahme meiner Firma bekommen und möchte wissen, ob es ernst gemeint ist, und ob wir es annehmen sollen.«

»Nein«, sage ich wie aus der Pistole geschossen, während ich noch meine Karten mische. Interessant, dass er Singular und Plural gemischt hat. Es scheint mehr hinter der Sache zu stecken, als er zugeben will.

Er zuckt fast unmerklich zusammen. »Und was bedeutet es?«

Kluge Frage. Wenn Zeit genug ist, weise ich meine Klienten immer darauf hin, dass ich einen Moment brauche, um mich auf sie einzustimmen, aber bei Dominic ist sowieso alles anders. Bei Herrn Hansen, korrigiere ich mich selbst. Während ich die gemischten Karten auf dem Tisch vor mir ausbreite, gehe ich mental die gelernten Grund- und Schutztechniken durch, um mich auf die Beratung vorzubereiten. Dann studiere ich das Kartenbild.

»Also …« Ich deute vage auf einen Cluster von drei Karten. »Momentan sind Sie in einer Entscheidungssituation.«

»Was Sie nicht sagen.« Seine Stimme klingt spöttisch.

Ich runzle die Stirn ob der Unterbrechung und deute auf einen anderen Cluster. »Man hat Ihnen ein Angebot gemacht, weil man Sie testen will.«

»Wer ist man?«

So viel quatscht sonst niemand dazwischen. Ich will ihm helfen, habe aber zunehmend Schwierigkeiten, mich zu konzentrieren. Die Informationen fließen mir zu, aber aus seiner Richtung kommen jede Menge negative Schwingungen, als versuche er, alles abzublocken. Restlos alles, auch die Informationen, die hilfreich für ihn wären. Wie kann ich nur zu ihm durchdringen? »Eine Ihnen nahestehende Person will Sie testen. Das Angebot stammt von Asiaten?«

»Sehen Sie das auch in ihren Karten, oder woher wissen Sie das?«

Ich gehe nicht darauf ein, verdrehe aber die Augen. Gut, dass er es nicht sehen kann, weil ich meinen Blick auf die Karten vor mir gerichtet habe. Seine bloße Anwesenheit stört meine Konzentration. »Eine indische Firma«, rede ich trotzdem weiter. »Sie arbeiten nur als Strohmann, um den Wert Ihrer Firma zu ermitteln. Sagen Sie vier Millionen.«

»Meine Firma ist mehr wert als vier Millionen.«

»Sie ist eine leere Hülle«, sage ich automatisch. Wenn ich eingeloggt bin, wie ich es nenne, denke ich nicht darüber nach, was ich sage. Letztendlich bin ich nur ein Kanal, durch den Informationen fließen. »Etwas fehlt. Wenn es nicht fehlen würde, könnten Sie ein Vielfaches fordern.«

Diesmal hört man seinen Ärger deutlich. »Das mit den Indern war gut geraten, aber beleidigen lassen muss ich mich von Ihnen noch lange nicht!«

»Es wurde etwas übersehen, was den Wert der Firma beeinträchtigt. Etwas Juristisches.« Ich schaue längst nicht mehr auf die Karten. »Sie haben nach der Person gefragt, die Sie testen will. Es ist eine Asiatin.«

»Logischerweise, da das Übernahmeangebot von Indern kam.«

Obwohl ich den Spott in seiner Stimme höre, kann ich mich nicht bremsen. Vor meinem inneren Auge taucht das Gesicht einer Frau mit deutlich asiatischen Zügen auf, aber ihre Haut ist heller und ihre Nase breiter als typischerweise bei Indern. Ihr Mund ist knallrot geschminkt. Sie lächelt mich an, dann verzieht sich ihr Gesicht zu einer Art Fratze und danach zu einer höflichen Maske. Woher kommst du? Japan, Thailand, Korea? Sie schaut mich starr an. China? Sie lächelt. Wer bist du? Sie reagiert nicht. »Ich bin seine Frau«, sagt eine Stimme, als ich schon aufgeben will.

Ich will die Worte schon nachsprechen, kann mich aber gerade noch bremsen und sie umformulieren. »Sie ist Chinesin. Sie steht Ihnen sehr nahe. Vermutlich ihre Partnerin.«

»Sie haben mich doch gegoogelt!« Er macht eine heftige Bewegung und stößt dabei gegen den Tisch, sodass ich zusammenzucke und sich das Kartenbild verschiebt. »All dieser esoterische Firlefanz, und die ganze Zeit hast du genau geplant, was du mir sagen musst! Kein Wunder, dass du direkt auf mich zugegangen bist. Aber ich habe dich durchschaut. Sogar als Schauspielerin bist du eine Niete, du hast noch nicht mal richtig auf die Karten geschaut!« Mit einer schnellen Handbewegung wischt er meine Karten vom Tisch. Das Lenormand-Set verteilt sich auf dem Teppich.