Liebe nach Herzenslust - Manon - Kelly Stevens - E-Book

Liebe nach Herzenslust - Manon E-Book

Kelly Stevens

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Beschreibung

Als Webdesignerin, Teilzeit-Escort und Gelegenheitsdomina mangelt es Manon nicht an Männerbekanntschaften. Aber wirkliches Interesse kann keiner in ihr wecken. Bis sie Chandler trifft - gutaussehend, charismatisch, reich.  Doch schon bald entpuppt sich der vermeintliche Traumprinz als ein berechnender Mann, der ihre Grenzen nicht respektiert. Als er dann auch noch ihr Chef wird, fühlt sich Manon immer mehr in der Abhängigkeit zu ihm gefangen. Um der immer unerträglicher werdenden Situation zu entfliehen, geht Manon zurück nach Frankreich, um einen Neustart zu wagen. Dort trifft sie ihre Jugendliebe Julien wieder. Genau wie sie ist er vor seiner Vergangenheit geflüchtet. Wird es Manon gelingen, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen und ihr Herz einer neuen Liebe zu öffnen? Eine moderne Liebesgeschichte, das Spin-off zu »Liebe nach Herzenslust - Lizzy«.

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LIEBE NACH HERZENSLUST

MANON

KELLY STEVENS

INHALT

Liebe nach Herzenslust – Manon

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

© Kelly Stevens

überarbeitete Neuauflage 2023

Erstmals veröffentlicht 2016 unter dem Titel „Liebe zum Davonlaufen“

Covergestaltung: NH Buchdesign

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand, Norderstedt

ISBN 9783757824310

LIEBE NACH HERZENSLUST – MANON

Als Webdesignerin, Teilzeit-Escort und Gelegenheitsdomina mangelt es Manon nicht an Männerbekanntschaften. Aber wirkliches Interesse kann keiner in ihr wecken. Bis sie Chandler trifft – gutaussehend, charismatisch, reich.

Doch schon bald entpuppt sich der vermeintliche Traumprinz als ein berechnender Mann, der ihre Grenzen nicht respektiert. Als er dann auch noch ihr Chef wird, fühlt sich Manon immer mehr in der Abhängigkeit zu ihm gefangen.

Um der immer unerträglicher werdenden Situation zu entfliehen, geht Manon zurück nach Frankreich, um einen Neustart zu wagen. Dort trifft sie ihre Jugendliebe Julien wieder. Genau wie sie ist er vor seiner Vergangenheit geflüchtet. Wird es Manon gelingen, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen und ihr Herz einer neuen Liebe zu öffnen?

Eine moderne Liebesgeschichte, das Spin-off zu »Liebe nach Herzenslust – Lizzy«.

KAPITEL1

»Ich weiß, es ist kurzfristig, aber …«

Manon hatte ein paar goldene Regeln: Niemals Anrufe auf ihrem Nebenjob-Handy annehmen, während sie ihrem Hauptjob nachging; niemals einen unbekannten Kunden annehmen, der nicht mindestens vierundzwanzig Stunden vorher reserviert hatte; und niemals jemandem einen Gefallen tun, der dies nicht zu würdigen wusste.

Trotzdem war sie gerade dabei, alle drei Regeln auf einmal zu brechen. Nicht für ihre Bookerin Liliana, sondern für ihr Bankkonto. Geld bedeutete für sie Sicherheit.

»Habt ihr den Kunden gecheckt?«

»Natürlich.« Liliana klang entrüstet. »Er ist sauber. Brite, sechsundvierzig, hält sich für zwei Tage in Köln auf und sucht eine Begleitung für einen wichtigen Business Empfang heute Abend.«

»Irgendwelche besonderen Vorlieben?«

Dass es bei einem High Class Begleitservice selten ums Begleiten ging, war Manon von Anfang an klar gewesen. Sex stand bei den meisten ihrer Aufträge ganz klar im Mittelpunkt. Reisen, Restaurantbesuche oder kulturelle Events waren seltene Goodies.

Liliana las einige Stichpunkte vor. Nichts Besonderes. Klang nach einem Geschäftsmann, der sich einen netten Abend fernab vom Alltagstrott machen wollte.

»Also schön«, gab Manon nach.

»Fein.« Liliana klang erleichtert. »Ich schicke dir die Daten gleich rüber, Yvette.«

Da ihr Akzent sie sowieso als Französin outete, hatte Manon sich einen entsprechenden Escort-Namen ausgesucht. So gut, wie sie gebucht wurde, schien ihre Strategie aufzugehen. Was vermutlich auch an ihrem Foto auf der Agentur-Website lag, auf dem sie sich in dunkelroten Dessous lasziv auf einem Sofa räkelte.

Manon beendete das Telefonat und ging zu ihrem Chef Goran, der an einem Schreibtisch am Fenster saß. Das Umschalten von Webdesignerin zu Escort und zurück beherrschte sie inzwischen im Schlaf.

Die Webagentur, bei der sie angestellt war, war klein aber fein und dank einiger erfolgreicher Aufträge auch international bekannt. Trotzdem herrschte ein familiärer Umgangston. Einer von mehreren Gründen, warum Manon weiterhin hier arbeitete. Abgesehen davon machte ihr der Job Spaß und gab ihr ein Gefühl von Normalität. Nur Escort zu sein, das reichte ihr nicht. Dafür hatte sie nicht studiert.

»Ich wollte heute gegen fünf gehen, wenn das für dich okay ist.«

»Klar, kein Problem«, sagte Goran wie erwartet und strich sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht. Er war jung, gerade einmal Anfang dreißig, und eigentlich mehr ein Freund als ein Vorgesetzter. Solange alle Deadlines eingehalten wurden, konnten sich alle, die hier arbeiteten, ihre Zeit relativ frei einteilen. Das kam Manon zugute. Obwohl sie in der Regel nur ein paar Escort-Aufträge pro Monat hatte, so fanden diese doch nicht nur am Wochenende statt.

Um kurz vor fünf verabschiedete sie sich und ging schnellen Schrittes den Gang entlang zum Aufzug, der sie direkt in die Tiefgarage brachte. Die Webagentur war in einem modernen Gebäude in der Nähe des Mediaparks untergebracht, in dem sich mehrere Start-ups, Agenturen, Consultants und dergleichen befanden.

Ihr schwarzer BMW X5 stand auf einem der Firmenparkplätze. Sie stieg ein und schnallte sich an, bevor sie den Motor startete und die chipgesteuerte Ausgangsschranke passierte. Der Feierabendverkehr in der Großstadt schreckte sie längst nicht mehr.

Sie konnte selbst kaum fassen, dass aus dem jungen, naiven Mädchen aus einem kleinen französischen Dorf innerhalb weniger Jahre eine souveräne junge Frau geworden war. Eigentlich war sie nur nach Köln gekommen, um über eine unglückliche Jugendliebe hinwegzukommen und hier zu studieren. Doch sie war geblieben.

Manon gestattete sich einen kurzen, seltenen Blick zurück. Zu unbeschwerten Kindheitserinnerungen, sonnendurchfluteten Sommern an der Mittelmeerküste und Julien, dem Schwarm ihrer Teenagerjahre. Doch er hatte sich für ihre ältere Halbschwester Isabelle entschieden, und Manon war zu ihrem Bruder Matthieu nach Köln gezogen. Dort hatte sie einen Kommilitonen kennengelernt, der ihr versicherte, sie wäre die Eine für ihn. Sie waren zusammengezogen, und Manon hatte noch während des Studiums den Job als Webdesignerin angefangen.

Doch dieses Märchen hatte kein gutes Ende gehabt. Kaum dass der Mann, den sie inzwischen nur noch ›der namenlose Mistkerl‹ nannte, sein Examen in der Tasche hatte, hatte er sie verlassen, um ein Jobangebot in Hamburg anzunehmen. Nicht nur, dass er sich während seines Studiums von ihr hatte aushalten lassen, er hatte auch die komplette gemeinsame Wohnung ausgeräumt.

Noch heute wurde ihr eiskalt, wenn sie daran dachte, wie sie nach der Arbeit nach Hause gekommen war und in leeren Räumen gestanden hatte. Alles, wirklich alles hatte er mitgenommen, bis auf die giftgrüne Chaiselongue, die er abgrundtief hässlich gefunden hatte und die immer ein Stein des Anstoßes zwischen ihnen gewesen war.

Nach dieser Erfahrung waren ihr Selbstbewusstsein und ihr Kontostand im Keller gewesen. Nach einer durchweinten Nacht auf besagter Chaiselongue hatte Manon beschlossen, ihr Leben komplett umzukrempeln. Nie wieder würde sie sich von einem Mann abhängig machen.

Am nächsten Tag hatte sie die gemütliche, große Altbauwohnung gekündigt und war in ein modernes, möbliertes Mini-Appartement gezogen. Sie war zum Friseur gegangen, der ihr eine kastanienrot glänzende Mähne verpasste. Sie hatte einen Personal Trainer gefunden, der sie gnadenlos trimmte, bis ihr ehemals magerer Körper schlank trainiert und sexy war. Sie hatte sich die Brüste vergrößern lassen.

›Fragwürdige Selbstoptimierung‹ hatte ihr Bruder Matthieu es kritisch genannt und keinen Hehl daraus gemacht, dass sie ihre Wut auf ihren namenlosen Ex lieber rauslassen als gegen sich selbst richten solle. Doch Manon hatte seine Bedenken abgetan.

Einen neuen Freund fand sie dennoch nicht. Interessenten gab es genug, aber sie hatte jedes Mal einen Rückzieher gemacht.

Lustigerweise hatte sich der Kontakt zur Begleitagentur über einen ihrer Aufträge als Webdesignerin ergeben. Manon hatte nicht lange überlegt, ob sie sich den Job zutraute. Das Geld war einfach zu verlockend gewesen. Wo sonst konnte sie innerhalb von ein paar Stunden vierstellige Summen verdienen? Sie war ehrgeizig und hatte ihre Skrupel schnell abgelegt. Es war eine Rolle, in die sie für ein paar Stunden schlüpfte, die sie aber genauso schnell wieder ablegen konnte. Die Begleitagentur kümmerte sich um die Buchungen, checkte die Männer vorab und regelte das Finanzielle. Alles, was sie tun musste, war performen.

Zuhause begab Manon sich schnurstracks ins Badezimmer, um sich für den Abend fertigzumachen. Seit über zwei Jahren wohnte sie nun schon in dem möblierten Appartement, das ursprünglich nur als Übergangslösung gedacht war. Inzwischen gefiel ihr die Anonymität des Hauses, in dem die meisten Mieter nur auf Zeit wohnten. Niemand freundete sich mit ihr an, niemand stellte Fragen.

Ihr Kleiderschrank hatte zwei Seiten: eine für Manon, die Webdesignerin, und eine für Yvette, die Escort. Außerdem für Madame Yvette, die sich ohne Wissen der Begleitagentur selbständig um einige Stammkunden mit besonderen Vorlieben kümmerte. Männer mit sehr speziellen Wünschen und genug Geld, um sich ab und zu in die Hände einer erfahrenen Domina zu begeben.

Manon kickte ihre hochhackigen schwarzen Lackstiefel aus dem Weg und nahm sich stattdessen ein Paar elegante High Heels und ein knielanges rotes Designerkleid. Normalerweise hätte sie weniger auffällige Kleidung gewählt, aber Liliana hatte explizit betont, dass ihr Kunde keinen Businesslook wünschte.

Entsprechend hatte sie sich entschlossen, ihre langen kastanienroten Haare offen zu tragen. Ihr Make-up war kräftig, aber nicht übertrieben. Zufrieden betrachtete sie sich im Spiegel und griff nach ihrer schwarzen Handtasche. Eine Clutch wäre eleganter gewesen, aber leider passten nicht alle Utensilien, die sie vielleicht heute Abend benötigen würde, hinein.

Wie meistens verzichtete sie auf einen Fahrer und fuhr stattdessen selber. Sie liebte ihren BMW, ihre erste größere Anschaffung von ihrem Escort-Verdienst.

Die zweite war eine Penthousewohnung in zentraler Innenstadtlage. Ursprünglich hatte Matthieu sie kaufen wollen, aber er hatte sich direkt nach seinem Jurastudium selbständig gemacht und galt daher nicht als kreditwürdig. Sie hingegen schon, obwohl sie nur ihren Hauptjob angegeben hatte.

Also hatte sie den Kaufvertrag unterschrieben, und ihr Bruder war eingezogen. Manon hätte ebenfalls dort wohnen können, groß genug war das Penthouse, aber sie war eine Einzelgängerin geworden.

Als Luxus-Escort kannte sie sich inzwischen gut in den gehobeneren Hotels der Stadt aus. Dennoch parkte sie nicht in der Hotelgarage, sondern in einer ruhigen Seitenstraße. Eine von vielen Vorsichtsmaßnahmen, die sie sich angewöhnt hatte.

Gemäß den von Liliana übermittelten Instruktionen ging sie direkt an der Rezeption vorbei die Treppe hinauf in eine kleine Bar, wo ihr Kunde auf sie warten wollte. Möglichst nicht auffallen, lautete Manons Devise. Eine Frau, die alleine in einer Bar saß, erregte schnell Aufsehen, insbesondere, wenn sie gekleidet war wie sie.

In der Webagentur wusste niemand von ihrem Nebenjob. Nur ihrem Bruder und ein paar wenigen, ausgewählten Freunden hatte sie davon erzählt. Anfangs waren alle erstaunt gewesen, weil sie es ihr nicht zugetraut hätten. Doch gerade, dass man ihr ihre Profession nicht ansah, war Manons größtes Kapital.

Sie erkannte ihren Kunden sofort. »Mister Claas?«

»Alan, bitte. Yvette?«

Manon nickte und betrachtete ihn unauffällig. Ehering, schütteres Haar und etwas schwabbelig, aber sein Anzug war gut geschnitten, und auch der Rest seiner Kleidung sah teuer aus. Er wirkte leicht unsicher, was ihn ihr wiederum sympathisch machte.

Sie setzte ein professionelles Lächeln auf. »Würden Sie mir etwas über den Empfang erzählen, zu dem wir gehen werden? Wie soll ich mich verhalten?«

»Ein Geschäftstermin. Sektempfang, Vortrag, Flying Buffet. Du musst nichts sagen oder verstehen, nur an meiner Seite bleiben und gut aussehen.«

Wie viele ihrer Kunden schien er zu denken, dass Frauen in ihrer Branche dumm seien. Dabei hatte sie in Frankreich zwei Semester Psychologie studiert, bevor Matthieu sie überredet hatte, nach Köln zu ziehen. Hier war es schwierig gewesen, die Zulassung für Psychologie zu bekommen, deshalb hatte sie auf Grafik-Design umgesattelt und es nicht bereut. Die halb kreative, halb technische Arbeit gefiel ihr.

Alan war kein Mann, mit dem sie freiwillig einen Abend verbracht hätte. Hier jedoch ging es um ein geschäftliches Arrangement. Small Talk fiel ihr leicht, der Umgang mit Männern normalerweise auch, und sie mochte Sex. Für etwas bezahlt zu werden, was ihr im Idealfall sogar Spaß machte, war kein schlechter Job.

Als sie gemerkt hatte, dass die Zeit mit ihren Kunden schneller verging, wenn sie selbst aktiv wurde, hatte sie das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden. Schnell hatte sie sich einen Ruf erworben, der ihr in gewissen Kreisen viel Geld einbrachte: Bei Männern, die den ganzen Tag über Verantwortung übernehmen mussten und froh waren, am Abend für ein paar Stunden die Kontrolle abgeben zu dürfen.

Sie war in die dominante Rolle hineingerutscht, ohne es wirklich zu wollen. Aber da sie Gefallen daran fand, hatte sie sich von ein paar Kolleginnen in einem professionellen Studio anlernen lassen. Dort mietete sie stundenweise Räume an und empfing ausgesuchte Klienten.

Die Escort Yvette hingegen war keine Domina. Sie übernahm lediglich gerne die Kontrolle, vor allem, weil es so für sie sicherer war.

»In Ordnung«, nickte Manon als Antwort auf die Anweisung, nichts zu sagen. Im Hintergrund zu bleiben, passte ihr gut. So, wie sie Alan einschätzte, wollte er sich mit ihr schmücken, wahrscheinlich, um andere zu beeindrucken.

Der Empfang fand in einem der Räume im ersten Stock statt. Die meisten Anwesenden waren Herren in dunklen Anzügen, die wenigen Frauen schienen überwiegend Mitarbeiterinnen zu sein. Ob es überhaupt erwünscht war, dass Nicht-Firmeninterne an dieser Veranstaltung teilnahmen?

Manon trank einen Schluck Orangensaft und scannte die Menge nach bekannten Gesichtern. Ehemalige Kunden in der Öffentlichkeit zu treffen konnte schnell peinlich werden, wenn die Männer sich nicht so professionell wie sie verhielten.

Dann sah sie ihn, und die Zeit schien stillzustehen.

Obwohl er nicht größer war als die anderen Männer im Raum und ebenfalls einen dunklen Anzug trug, hatte er eine Präsenz, die sie in seinen Bann zog. Sie hatte jobbedingt schon viele erfolgreiche und charismatische Männer getroffen, aber sie erkannte instinktiv, dass dieser noch einmal in einer ganz anderen Liga spielte. Ein Alpha-Mann durch und durch, gutaussehend im klassischen Sinn und sehr männlich. Die dunkelblonden Haare waren kurz geschnitten, die Nase markant. Der Blick aus seinen eisblauen Augen schien sie direkt ins Herz zu treffen. Am Kinn hatte er eine kleine Narbe, durch die er noch interessanter wirkte. Sein Körper sah aus, als würde er viel trainieren. Definitiv jemand, der Wert auf sein Aussehen legte, aber gleichzeitig selbstbewusst genug war, um das nicht nötig zu haben. Unwillkürlich wünschte sie sich, dass er heute Abend ihr Kunde wäre anstatt Alan.

»Unser Big Boss, Chandler«, sagte Alan, der ihrem Blick gefolgt war. »Wird gleich die Rede halten.«

Manon dachte an ihren Stundenlohn und schenkte Alan ein bezauberndes Lächeln. »Die Rede geht bestimmt schnell vorbei, und danach haben wir Zeit für uns.«

»Es geht los.« Alan schob sie in Richtung Konferenzsaal und bedeutete ihr, in einer der vorderen Reihen Platz zu nehmen.

Nach einer kurzen Einführung durch einen deutschen Mitarbeiter trat der Big Boss auf. Und es war definitiv ein Auftritt, wie Manon neidvoll zugeben musste: Er war gewinnend, geistreich, wortgewandt und wusste genau, wie er seine Zuhörer in seinen Bann ziehen konnte. Alan neben ihr schien auf seinem Stuhl immer kleiner zu werden. Sie jedoch blieb aufrecht sitzen und wich dem Blick des Redners auch nicht aus, als er sie deutlich länger als höflich musterte. Es schien sich zwischen ihnen eine Spannung aufzubauen, die weit über die zwischen Redner und Zuhörerin hinausging.

Es war lange her, dass Manon durch die bloße Anwesenheit eines gutaussehenden Mannes sexuell erregt wurde. Das musste noch zu Teenagerzeiten gewesen sein, als sie bei den Filmfestspielen in Cannes mit Schulfreundinnen in der Zuschauermenge gestanden hatte, um berühmte Schauspieler zu sehen. Oder eben bei Julien. Nicht, dass sich zwischen ihnen jemals etwas ergeben hätte. Ihre ersten sexuellen Erfahrungen hatte sie erst an der Uni gemacht.

Aber inzwischen war sie eine selbstbewusste, erwachsene Frau. Wenn ihr ein Mann gefiel, dann versuchte sie, ihn ins Bett zu bekommen. Und Chandler gefiel ihr sogar außerordentlich gut.

Manon wischte die Gedanken an ihre Vergangenheit beiseite und konzentrierte sich auf das Objekt ihrer Begierde. Inhaltlich ging es in seiner Rede um die Europa-Strategie und die Expansion der Firma. Aber Manon achtete kaum darauf, was er sagte, sondern wie er es sagte: Seine dunkle Stimme mit dem amerikanischen Akzent schien ihre Nervenenden zu streicheln. Jedes leicht überhebliche Lächeln, jede gezielt gesetzte Pause zog sie mehr in seinen Bann. Sie begehrte einen Mann, während sie von einem anderen für einen Job gebucht war!

Unauffällig fächelte sie sich Luft zu, was ihr einen hochgezogenen Mundwinkel des Redners einbrachte. Fast, als wüsste er um den Grund, warum ihr plötzlich so heiß war.

Ob sie es schaffen würde, ihn kennenzulernen? Wenn sie ihre Chance ergreifen wollte, musste sie schnell handeln.

Begeisterter Applaus unterbrach ihre Gedanken. Kein höflicher Beifall, wie er nach Reden von Vorgesetzten üblich war, sondern beinahe schon frenetische Zustimmung. Diese Mitarbeiter schienen voll und ganz hinter ihrem Chef zu stehen.

Im Strom der anderen folgte sie Alan in den Vorraum und ließ sich von ihm ein Glas Sekt reichen. Als Französin war sie gewohnt, Champagner oder Wein zu trinken, selbst, wenn sie mit dem Auto unterwegs war. Anders als viele Kolleginnen, die diesen Job ohne Alkohol oder Drogen nicht ertrugen, war ein gutes Glas Wein für sie Genuss, kein Betäubungsmittel.

Plötzlich tauchte wie aus dem Nichts der Redner vor ihnen auf. »Alan«, sagte er knapp, »du hast doch nichts dagegen, wenn ich deine bezaubernde Begleiterin kurz entführe?«

Alan sah so aus, als hätte er sogar sehr viel dagegen, doch er nickte. Erneut war Manon von der Selbstsicherheit seines Vorgesetzten beeindruckt. Ganz klar ein Alpha-Mann, der seine Untergebenen mit wenigen Worten in ihre Schranken wies.

Von Nahem sah er noch heißer aus als hinter dem Rednerpult. Manon wollte ihm gegenüber jedoch nicht zugeben, wie sehr er sie beeindruckte. »Was wäre, wenn ich etwas dagegen hätte?«, antwortete sie ihm deshalb mit kühlem Lächeln.

»Oh, du hast nichts dagegen. Schließlich hast du mich eben mit den Augen ausgezogen.«

Verdammt, war sie so leicht zu durchschauen? Eigentlich hatte sie kühl und distanziert und allenfalls am Rande interessiert wirken wollen!

Er zog sie ein Stückchen von den anderen weg, so dass nur sie ihn hören konnte. »Ich will dich. Um Mitternacht, Zimmer 512.«

Jemand, der keine Worte verschwendete und klar sagte, was er wollte. Manon spürte, wie ihr Körper auf ihn reagierte, wie erregt seine bloße Nähe sie machte. Mental überschlug sie, wie lange sie bei Alan bleiben musste.

Wem machte sie hier eigentlich etwas vor? Im Zweifelsfall würde sie sich etwas ausdenken und Alan vorzeitig verlassen. Ein gutaussehender, selbstsicherer Mann, der sie ganz eindeutig wollte, war nichts, was sie sich entgehen lassen würde!

»Wir werden sehen«, antwortete sie mit einem leichten Lächeln und wandte sich von ihm ab, um zu Alan zurückzugehen. Das Begehren eines Alpha-Manns schürte man am besten, indem man sich ihm vorübergehend entzog.

Ihre Finger zitterten leicht, als sie sich um ihr Sektglas schlossen. Ihr ganzer Körper stand unter Spannung, eine Spannung, deren Entladung sie sich um Mitternacht versprach.

Es war schon eine Weile her, dass sie Sex um des Sex willens gehabt hatte, nicht gegen Geld. Ihr ganzer Körper fühlte sich sensibilisiert an, lediglich durch seine Blicke. Wie würde es wohl erst werden, wenn sie seine Hände auf ihrer Haut spüren würde?

* * *