Herbstkatze - Marie Andott - E-Book

Herbstkatze E-Book

Marie Andott

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Beschreibung

Eines Nachts im Herbst entdeckt die längst erwachsene Marie am Waldrand gerade geborene, verwilderte Katzen. Sie gehören niemandem, sind ganz auf sich gestellt. Der Anblick erinnert sie intensiv an ihre Kindheit. "Da hast du aber eine richtige Herbstkatze", sagt eines Tages ein Mann zu ihrem Vater. Er meint Marie… Diese Worte treffen sehr tief. Marie weiß, die Bauern werfen Herbstkatzen tot oder ersäufen sie, weil sie schwach und kränklich sind. Sie sind die Milch nicht wert, die man ihnen gibt. Keinen Begriff verinnerlicht die kleine Marie in ihrer Kindheit so sehr, wie den der Herbstkatze. Nach dem Krieg kommt sie in ärmlichsten Verhältnissen im kleinen Haus ihrer Oma zur Welt. Die eigene Mutter ist völlig überfordert und beginnt sehr früh, sich auf Marie zu stützen. Sie wird Hilfskraft und Dienstmagd ihrer Eltern und bemerkt, dass ihr dadurch eine Art "Daseinsberechtigung" zugestanden wird. Die jüngeren Geschwister übernehmen dieses Muster der Eltern. Gefahren und große Belastungen sind tägliche Begleiter. Ein debiler Onkel überschreitet Grenzen bei Marie, in einem Alter, in dem das Kind nicht einmal aussprechen kann, was ihm geschieht. Was Marie berichtet, hat sie längst verarbeitet. Mit niemandem rechnet sie ab. Der bescheidene, wahrhaftige Ton berührt von Anfang an, geht unter die Haut. Erstmals lässt sie andere direkt und offen teilhaben an ihrer Kindheit, wohl wissend, dass es ja viele "Herbstkatzen" gibt. Mit zunehmendem Bewusstsein wird Marie klar, wie Staubkörnchen von Liebe dennoch ausreichen können, um zu überleben. Eine Herbstkatze kann stark werden und erkennen, dass sie vom Leben gewollt ist. Dieses Buch ist heilsam und es hilft zu leben.

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Marie Andott

Herbstkatze

Eines Nachts im Herbst entdeckt die längst erwachsene Marie am Waldrand gerade geborene,

verwilderte Katzen. Sie gehören niemandem, sind ganz auf sich gestellt. Der Anblick erinnert sie intensiv an ihre Kindheit.

„Da hast du aber eine richtige Herbstkatze“, sagt eines Tages ein Mann zu ihrem Vater. Er meint Marie… Diese Worte treffen sehr tief. Marie weiß, die Bauern werfen Herbstkatzen tot oder ersäufen sie, weil sie schwach und kränklich sind. Sie sind die Milch nicht wert, die man ihnen gibt.

Keinen Begriff verinnerlicht die kleine Marie in ihrer Kindheit so sehr, wie den der Herbstkatze.

Nach dem Krieg kommt sie in ärmlichsten Verhältnissen im kleinen Haus ihrer Oma zur Welt. Die eigene Mutter ist völlig überfordert und beginnt sehr früh, sich auf Marie zu stützen. Sie wird Hilfskraft und Dienstmagd ihrer Eltern und bemerkt, dass ihr dadurch eine Art „Daseinsberechtigung“ zugestanden wird. Die jüngeren Geschwister übernehmen dieses Muster der Eltern.

Gefahren und große Belastungen sind tägliche Begleiter. Ein debiler Onkel überschreitet Grenzen bei Marie, in einem Alter, in dem das Kind nicht einmal aussprechen kann, was ihm geschieht.

Was Marie berichtet, hat sie längst verarbeitet. Mit niemandem rechnet sie ab. Der bescheidene, wahrhaftige Ton berührt von Anfang an, geht unter die Haut. Erstmals lässt sie andere direkt und offen teilhaben an ihrer Kindheit, wohl wissend, dass es ja viele „Herbstkatzen“ gibt.

Mit zunehmendem Bewusstsein wird Marie klar, wie Staubkörnchen von Liebe dennoch ausreichen können, um zu überleben. Eine Herbstkatze kann stark werden und erkennen, dass sie vom Leben gewollt ist.

Dieses Buch ist heilsam und es hilft zu leben.

©Marie Andott

Frauenzimmer Verlag, Laubach - Lauter, 2017

Alle Rechte vorbehalten.Nachdruck und Vervielfältigung jeder Art, Verwertung in anderen Medien und Sprachen, elektronische Speicherung, Bearbeitung oder Aufbereitung - auch in Auszügen - nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.Dieses Ebook, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne schriftliche Zustimmung der Autorin nicht vervielfältigt, weitergegeben oder weiterverkauft werden.

Cover: Juliane Schneeweisswww.juliane-schneeweiss.comUmschlagfotos: Frank GlabianSatz und Layout: Anja Zimmer

Print ISBN: 978-3-937013-43-5eBook ISBN: 978-3-937013-42-8

WWW.FRAUENZIMMER-VERLAG.DE

Inhalt

Herbstkatzen werden geboren

Stille Schreie

Im Oberdorf

Hinterm Gummibaum

Notgeburt auf der Treppe

Weihnachten

Ach, du lieber Augustin

Sie hat nichts mehr gesagt…

Angst in allen Ecken

Hella

Geschenke

Sichtbar und unsichtbar

Wir sind auch wer

An den Teichen

Ein Schulkind

Arbeiten

Kleine Fluchten, die nicht bleiben

Prügel und andere Gefahren

Irmchenoma auf dem Dachboden

Nächtlicher Besuch

Clarence - oder die neue Frau

Dunja

Wenn er trinkt

Ingrid vom Teich

Das Versprechen

Peter

Neue Schule, altes Leben

Fräulein Altmann

Eier und Blut

Kirmes

Schlaganfall und Hochzeit

Wieder ein Abschied

Herbstkatze

Erbrechen

Urlaub

Der nette, schöne Bert

Der Schuss

Krankes Irmchen

Bienenotto

Mein Name

Die Blume

Im Licht

Allen Herbstkatzen gewidmet

Herbstkatzen werden geboren

In dem schmalen alten Häuschen meiner Oma im Oberdorf bin ich zur Welt gekommen.

Meine junge Mutter hatte mit ihren einundzwanzig Jahren eine Riesenangst vor ihrer ersten Geburt. Nach vielen schmerzlichen Stunden half mir die Kindfrau-Else auf die Welt.

Meine Oma war glücklich über ihre erste Enkelin. Sonst niemand so recht. Aber sie. Das war überlebenswichtig.

Die Freude meiner Mutter war klein, zog sich zusammen zu einem winzigen Bündel, weil die Angst so groß war, so übergroß,- die Angst vor allem, was kommt. Was so schmerzlich begonnen hatte, wie sollte das weitergehen? Das kleine Zimmer nur im Haus ihrer Eltern, der jähzornige Vater, der ebenso jähzornige Mann, der vielleicht ein wenig stolz war, dass er ein Kind gezeugt hatte, - aber doch nicht so sehr, weil es nur ein Mädchen war.

Heute, als erwachsene Frau, lebe ich hinten im Tal unter alten Apfelbäumen in einem kleinen Haus im Licht. Hier hin führte ein langer, beschwerlicher Weg.

Vom Anfang dieses Weges erzähle ich, weil er andere und mich selbst ermutigt, immer wieder aufzustehen und weiterzugehen, trotz allem, was dagegen zu sprechen scheint.

Hier im Tal kann ich mich wieder fühlen, sein, Licht atmen, wie lange nicht.

Gerade streicht gelbe Herbstsonne durch die Bäume, versilbert Spinngewebtes, vergoldet sterbendes Apfelblatt, umschmeichelt mit sanften warmen Luftzügen, versucht sich in leisen Tönen, traut sich, anzudeuten, das Leben wäre doch warm, bergend und schön, der Sommer wäre voll gewesen.

Aber so war es nicht. Nasskalt und düster war es, als sie Sommer sagten. Die kleinen hellen Momente stoben wie Traumblitze durch dauerndes Dunkelgewölk.

Hier im Tal, hinter den alten Apfelbäumen am Waldrand im Unterholz, hat eine halbverwilderte Katze Junge geworfen, kleine Herbstkatzen, die aufdringlich durch die Nacht jammern. ‚Eine Herbstkatze, die wirfst du am besten gleich tot‘, sagen sie, ‚die taugt nicht recht zum Leben, bleibt struppig und schwach, kränkelt leicht, ist die Milch nicht wert, die man früh ihr gibt.‘

Aber die im Unterholz, die gehören niemandem, sind allein auf sich gestellt; Aug in Aug mit dem Marder und dem Fuchs. Ein Glücksfall, wenn eine den nächsten Sommer erlebt. Und dieser ist ja schon vorüber.

Aber was hat eine Herbstkatze nach dem Sommer zu fragen…

Dass sie es dennoch tut, hat mit der Vererbung von Träumen zu tun.

Denn so wie Stimme, Skelettform und Silberblick vererben sich auch Ängste und Träume.

Und ich bin sicher, es sind die vererbten Träume, die besonders der einen von den Kleinen drüben am Waldrand schwer zu schaffen machen. Ihre Klagestimme unterscheidet sich von den anderen. Das andauernde Wimmern ist so eingefärbt von menschlich wirkendem Jammer, dass ich mitten in der Nacht aufstehe, mit der Taschenlampe hinauf zum Waldrand laufe und nachsehe, ob nicht etwa ein ausgesetzter Säugling sich da hineinmischt.

Aber da sind nur die Herbstkatzen - und ich.

Als ich wieder im Bett liege und auf das leiser gewordene Gewimmer der einen höre, kann ich plötzlich etwas von ihren Träumen wahrnehmen. Ich weiß, dass sie vom Sommer träumt, dem vollen heißen Sommer, dem Leben ohne Ende.

Ein schweres Erbe sind solche Träume.

Stirbt sie nicht bald, wird ihr Leben unvergleichlich schmerzhafter sein als das der andern. So weh wird es tun, dass sie sich manchmal wünschen wird, früh tot geworfen zu sein.

Nichts Schmerzlicheres als eine Herbstkatze, die Sommerträume geerbt hat und träumen muss, so lange sie lebt.

„Ein braves stilles Mädchen wird das, und fleißig dazu.“ So sagt die Kindfrau-Else, als sie den kleinen Leib zum ersten Mal in ihren alten großen Händen hält. Merkwürdig, dass so manche alte Kindfrau gewisse Ahnungen hat über das Menschlein, dem sie gerade auf die Welt geholfen hat. Die Kindfrau kennt die Menschen im Dorf wie keine andere. Oft hatte sie schon geholfen, die auf die Welt zu bringen, deren Kindern sie später heraushilft ins Leben. Ahnung hatte sie auch, wie dieses Menschlein am besten zu sein habe, um fortan da zu leben, wo hinein es geboren wurde.

In jener Nacht, viele Jahre später, als ich den klagenden Herbstkatzen begegne, weiß ich, dass ich mit ihnen verbunden bin, dass wir irgendwie miteinander zu tun haben, vermutlich schon immer.

Ein braves stilles Mädchen ist es, das bestätigt bald jeder. Es ist pflegeleicht, schläft, wenn es schlafen soll und trinkt, wenn es trinken soll. Als ob es ahnt, dass es bei kleinsten Abweichungen vom Regelwerk eine fahrige, angstvolle Mutter haben würde, die auch von einem Moment auf den anderen hart, unnachgiebig und kalt sein kann, - dazu einen hitzigen, schnell aufgebrachten und oft laut brüllenden Vater.

Stolz erzählt die Mutter, dass sie das Kind im Kinderwagen in der Küche ganz alleine stehen lassen kann, wenn sie über eine Stunde und manchmal viel länger weg gehen muss, Essen aufs Feld bringen zu denen, die dort arbeiten. Ein braves stilles Mädchen, das spürt, dass es nicht stören darf, weil es ja schon Arbeit genug ist, dass es da ist, das meist recht ernst dreinblickt, selten lächelt oder gar lacht und schon mit einem Jahr diese senkrechten zwei tiefen Stirnfalten oberhalb der Nase hat. Diese über der Nase zusammengezogenen zwei deutlichen Stirnfalten, diesen ängstlichen, skeptischen Blick kann man auf beinahe allen Fotos erkennen. Warum schaut sie so? Meine Mutter hat immer die gleiche Antwort parat: Sie wird müde sein. Aber da irrt sie sich. Dieses Mädchen ist viel wacher als sie ahnt.

Stille Schreie

Weil es gefährlich ist, laut zu sein, gar zu schreien, rufe und schreie ich auf eine stille Art mit den Augen und manchmal, wenn es ganz schlimm ist, dazu mit den Ärmchen. Hilflos, bittend und flehend, aber sie sieht es nicht, sie merkt es nicht.

Und manchmal ist es ganz furchtbar schlimm. Vor allem, wenn wir bei Tante Trudi und Onkel Egon sind. Ich bin so klein, dass ich noch nicht richtig sprechen kann.

Die Tante redet viel und aufgeregt, ist aber freundlich. Immer sagt sie: „Lass doch den Onkel Egon auch mal das Mädchen halten.“ Meine Mutter gibt mich ohne Zögern an den Onkel weiter, setzt mich auf seinen Arm. Mein Kleidchen ist lang und der Rockteil fällt locker über meine Beinchen herunter. Mein Onkel hält mich auf seinem linken Arm. Mit seiner rechten Hand greift er unter das Kleidchen, als wolle er mich nur noch fester halten, sucht einen Eingang neben meinem Höschen, sucht mit sicherem Finger die unverschlossene, namenlose Stelle und drängt hinein. Das tut grausig weh und ich wimmere leise, weil laut bedeutet, dass die Mutter böse wird. Mit den Augen rufe und flehe ich nach ihr, strecke meine Ärmchen zu ihr hin. Sie steht direkt daneben und merkt es nicht! Ich verstehe das nicht. Wie kann es sein, dass der mir so weh tut und sie merkt es nicht. Mein ganzer kleiner Körper ist ein einziger Schrei.

„Jetzt bleib doch mal einen Augenblick bei dem Onkel“, sagt meine Mutter, sagt auch Tante Trudi. Ich höre nicht auf, leise zu wimmern, die Ärmchen zu strecken, aber es dauert und dauert, bis sie mich endlich wieder zu sich nimmt. Ich will ihr sagen, dass sie das nicht tun soll, dass ich da nicht hin will, aber immer wieder gibt sie mich auf seinen Arm, wenn wir dort sind.

Einmal geht sie sogar mit der Tante ins Zimmer nebenan. Da beginne ich, laut zu schreien, obwohl die Angst groß ist, dass sie böse wird mit mir. Sie kommt zurück, nimmt mich unwirsch vom Onkel weg, stellt mich auf die Beine und schimpft mich aus, was ich doch für ein dummes kleines Ding bin und dass der Onkel es doch gut mit mir meint.

Oft zückte er wie zur Bestätigung dieser Rede seinen Geldbeutel und reichte mir eine Münze hin. So ein lieber Onkel, und dieses kleine dumme Ding will immer nicht zu ihm.

Etwa ein Jahr lang geschieht dieses grausame Spiel. Sie merkt nichts. Das ist es, was ich einfach nicht verstehen kann. Sozusagen vor ihren Augen tut er es, fährt einfach mit der Hand unter den kleinen Rock oder das Kleid. Es sieht wohl aus, als wolle er mich nur ordentlich fest halten. Mit großen Augen schreie ich und bin zugleich fassungslos darüber, dass sie es nicht merkt.

Als ich endlich sprechen kann, die Worte so setzen kann, dass ich dieses Grauen irgendwie herausbringe, da passierte es.

Meine Mutter steht am Bügelbrett. Ich turne auf dem Sofa herum, wende mich dann zu ihr und spreche die Worte aus, die so lange schon heraus wollen, aber nicht so recht konnten.

„Der Onkel Egon, der tut mir so weh… mit dem Finger in meinem Höschen unter dem Kleid, ja, unter dem Kleid, das siehst du nicht…“

Sie schaut auf. „Was redest du da, was tut der Onkel Egon?“

„Der tut mir so weh…mit dem Finger…unter dem Rock…in meinem Höschen… das siehst du ja nicht…“

Endlich hat sie gemerkt, dass ich nicht nur irgendwas plappere (ich hatte ja schon viele erfolglose Versuche hinter mir, mich ihr verständlich zu machen), dass das eine ernste Sache ist. Richtig erschrocken sieht sie aus. Dann sagt sie: „Na, das werden wir gleich dem Papa sagen. Der kann was erleben, der Onkel Egon.“ Wütend ist sie, das merke ich deutlich. Aber in den Arm nimmt sie mich nicht. Dabei habe ich mir das irgendwie gewünscht, habe gedacht, das wäre doch nun vielleicht wirklich ein Grund, dass sie gut mit mir ist, mich ein wenig in den Arm nimmt und streichelt. An diesem Nachmittag verstehe ich, dass es noch schlimmer kommen muss, noch viel schlimmer, bis so etwas einmal passiert. Und noch etwas ganz Großes verstehe ich in diesem Moment: wie wichtig es ist, sprechen zu können, Worte zu haben, die andere verstehen und vielleicht sogar bewegen, etwas zu tun.

„Sie spricht aber früh“, sagen sie bald um mich herum. „So ein kluges Kind, redet so früh schon in ganzen verständlichen Sätzen.“

Es ist überlebenswichtig, sich so schnell wie möglich verständlich zu machen durch Worte.

Tatsächlich geschieht ja auch etwas, noch in derselben Stunde. Das ist nämlich die Stunde, in der mein Vater von der Arbeit heim kommt. Kaum hat er die alte Tasche in die Ecke neben dem Herd geworfen, wie jeden Abend, sich noch nicht richtig die Hände gewaschen überm Waschbecken in der Küche, da beginnt meine Mutter schon mit ihrem Bericht. Ich merke es gleich. Dass der Onkel Egon mir Schmerzen gemacht hat mit seinem Finger, erzählt sie ihm und ist ganz aufgeregt dabei. Dass sich das so ein kleines Kind doch nicht ausdenken kann, sagt sie und dass der doch da etwas getan haben muss…

„Was hat der getan?“, schreit mein Vater laut durch die Küche. Ich zucke zusammen und bin doch irgendwie erleichtert.

„Na, der soll mich kennenlernen, dieser Dreckskerl.“ So brüllt er, reißt die Arbeitsjacke von der Stuhllehne, reißt die Tür auf und stürmte mit noch nassen Händen hinaus.

„Aber sei vorsichtig“, ruft meine Mutter noch hinter ihm her. „Tu nichts Schlimmes, was du hinterher bereust.“

Dabei weiß sie genau, dass nichts ihn aufhalten kann, wenn er einmal so in Fahrt ist.

Wir schauen aus dem Fenster. Eilig schnappt mein Vater sein altes schwarzes Rad und fährt los. Angespannt schaut sie hinter ihm her.

„Wenn er nur nicht durchdreht“, sagt sie. Sie ist fahrig, aufgeregt und unwirsch die ganze Zeit über. Ich verhalte mich still und geduckt. Patzig und hart ist sie zu mir. Ich soll essen und dann machen, dass ich fertig werde und ins Bett komme. Ich merke, sie gibt mir die Schuld, dass er jetzt vielleicht etwas Schlimmes tut. Ich wünsche mir, sie stellt sich hinter mich, hält mich fest und ich kann fühlen: Egal, was passiert, wir schützen dich schon, dein Vater und ich. Unzählige Male habe ich mir das später noch gewünscht. Aber an diesem Abend ist es, soweit ich denken kann, das erste Mal.

Es ist dunkel, als mein Vater zurückkommt. Ich bin schon im Schlafanzug. Wir hören, wie er das Rad im Hof abstellt, hören die schnellen Schritte die Treppe herauf. Die Tür geht auf. Mit heftigen Bewegungen zieht er wieder seine Jacke aus, wirft sie über einen Stuhl und setzt sich an den Küchentisch.

„Was, um Himmels Willen, hast du gemacht?“, jammert meine Mutter und zittert etwas.

„Dem hab ich‘s gegeben!“, schnaubt mein Vater. „Der lässt die Finger von der Kleinen, das kannst du glauben. Der tut keinem mehr was.“

„Du lieber Himmel, was hast du gemacht?“, jammert sie erneut. Er richtet sich auf, stemmt die Hände an die Tischkante.

„Die Hauptstraße bin ich durchgefahren zum Dorf raus. Ich weiß doch genau, dass er um diese Zeit von Fritzburgen kommt mit dem Rad. Da kommt er auch schon angefahren. Auf ihn zu bin ich, spring vom Rad, werf‘s auf die Straße, zieh ihn runter von seinem Drecksrad. Das fällt in den Graben. Dann hab ich ihm so die Hucke voll gehauen, dass er neben sein Rad in den Graben gefallen ist. ‚Du greifst keinem mehr untern Rock‘, hab ich ihn angebrüllt. Der hat gewinselt wie ein Hund. ‚Noch einmal und ich schlag dich tot‘, hab ich gesagt. Der tut niemandem mehr was, das sag ich dir.“

„Ach, du lieber Himmel, dass du immer so eine furchtbare Wut bekommst. Am Ende liegt er da im Graben und ist wirklich tot.“ „Mir scheißegal!“, brüllt mein Vater. „Und jetzt hab ich Hunger. Essen auf den Tisch!“

Meine Mutter beeilt sich, alles auf den Tisch zu stellen. Er setzt sich und isst genüsslich. Er wirkt sehr zufrieden mit sich.

„Gell, Kleine“, sagt er dann zu mir, „dem hat‘s der Papa aber gegeben. Der tut dir nichts mehr. Das kannst du glauben.“

Vorsichtig setzte ich mich auch an den Tisch, obwohl ich ja eigentlich ins Bett gehen soll. Ich lächle ihn an. Er hat sich für mich eingesetzt. Das spüre ich genau. Ich bin froh, dass er das getan hat, auch wenn ich oft Angst vor ihm habe. In diesem Augenblick spüre ich Stärke. Er ist stark und hat mich stärker gemacht.

Das Gejammer meiner Mutter kenne ich. Es kommt immer wieder und ist die Tonart, in welcher sie die meiste Zeit mit meinem Vater redet.

„Hoffentlich lebt er noch, nicht auszudenken, was passiert sein könnte,… dass du aber auch immer gleich…“

An diesem Abend spüre ich die Stärke mehr als ihr Gejammer. Es ist ein guter Abend.

Und am nächsten Morgen werde ich ja wieder ins Oberdorf gebracht, zu meiner Oma.

Im Oberdorf

Im Oberdorf bin ich ganz oft. Eigentlich lebe ich mehr da als im Unterdorf.

Ich lebe bei meiner Oma im alten schmalen Bauernhaus, obwohl meine Eltern heruntergezogen sind in die Hauptstraße zur Tante Anna. Sie ist die Schwester meiner Oma und konnte keine Kinder bekommen, heißt es. Da aber meine Oma vier Kinder hat, sollte das erste, das heiraten würde, zu Tante Anna und ihrem Mann ziehen, die beiden versorgen im Alter und dafür das Haus dann bekommen.

Meine Eltern ziehen ins Unterdorf, aber ich bin meist bei meiner Oma oben im Dorf. Hier bin ich daheim.

Gewiss, es ist eng dort und meine Oma hat kaum Zeit für mich. Sie steht am Ofen und kocht, holt Holz und Vorräte aus dem Keller, versorgt die Hühner und Gänse, den Hund und die zwei Kühe, Olga und Bella. Manchmal muss sie auch aufs Feld, Disteln stechen oder Rüben harken. Dann wieder muss sie in den Garten, Gemüse holen oder Beeren. Wenn sie aus dem Haus geht, nimmt sie mich mit. Auf dem Feld darf ich kleine Arbeiten verrichten oder am Feldrand sitzen und mit Steinchen und Erde spielen.

Im Garten helfe ich, Beeren zu pflücken oder sitze unterm alten Kirschbaum auf der Decke. Brav muss ich immer sein. Das heißt still, nicht stören bei der Arbeit, nichts tun, was aufhalten könnte oder den Ablauf hindert.

Trotzdem hat sie immer ein Auge auf mich, wohlwollend und liebevoll. Auch wenn sie kaum einmal Zeit für mich ganz alleine hat, ist sie doch stets in meiner Nähe und liebt mich mit ihrem Herzen. Das spüre ich tief in mir drin, ohne dass sie es mir sagt.

Bei ihr bin ich immer willkommen, ganz egal, wann sie mich bringen. Mit ihr bin ich verbunden durch ein unsichtbares, warmes Band. Ganz selbstverständlich ist es da, als wäre das von Anbeginn der Welt so eingerichtet. Dabei umarmt sie mich ganz wenig und ganz selten nur darf ich für Augenblicke auf ihren Schoß. Und doch weiß ich noch heute, wie sie damals riecht und sehe ihren warmen, guten Blick auf mir ruhen, der manchmal sogar lächelt. Der Opa ist streng und scharf mit seinen Worten. Wenn er da ist, macht meine Oma, was er sagt. Meist klingt es wie ein Befehl. Mit Befehlen kennt er sich aus, denn er war im Krieg, danach lange in Gefangenschaft in Frankreich. (Von dort kommen auch die grau-weißen Handtücher, die ganz rau sind, aber auch sehr fest. Die hatte er aus Frankreich zur Oma geschickt.) Das Befehlen liegt ihm im Blut, auch nach dem Krieg.

„Die Stiefel herbei!“, ruft er oft. Dann muss meine Oma geschwind die schweren Stiefel herbeitragen aus dem Flur, muss dann zwei Tücher wie zwei Dreiecke ausbreiten vor ihm. Die legt er sich um die Füße in einer bestimmten Art. So schlüpft er in die Stiefel. Ich kenne niemanden außer ihm, der das so tut.

„Die Jacke herbei!“, ruft er.

Meine Oma hat sie schon auf dem Arm und reicht sie ihm. Dann schlurft er hinaus mit seinen großen Stiefeln, hinaus und die Treppe hinab. Sogar der Hund, der Rolf heißt, duckt sich, wenn Opa zur Haustür hinaustritt und die Treppe herunter kommt. Nur eine ganz leichte Kopfbewegung muss Opa machen, und schon springt Rolf auf ihn zu und weiß, er darf mitgehen.

Wenn er aus dem Haus und vom Hof ist, atmet meine Oma auf. Ich tue es ihr gleich.

Manchmal, ganz manchmal, setzt sie sich kurz hin und ich darf tatsächlich auf ihren Schoß.

Es kommt so selten vor, dass ich mich an die wenigen Ausnahmen noch gut erinnern kann.

Opa ist weg und ich sitze auf Omas Schoß am Tisch. Vor uns steht ein Teller mit kalten Kartoffelpfannkuchen. Die sind übriggeblieben vom Mittagessen.

„Ich zeig dir mal was“, sagt sie zu mir und zieht mit der linken Hand eine alte Zeitung von der Küchenbank. Jetzt öffnet sie die Tischschublade und holt eine Schere hervor. Etwa ein Viertel einer Zeitungsseite wird abgeschnitten und immer mehr zusammengefaltet. Zuletzt wird eine der Spitzen weggeschnitten und an den Seiten verschiedene Kerben eingeschnitten, Vierecke, Dreiecke, Rundungen, wie es gerade kommt. Öffnet man das Ganze, wird ein Deckchen sichtbar mit gleichmäßigen Ornamenten darin. Bald habe ich heraus, wie man sie macht, runde und eckige Deckchen, große und kleine mit immer neuen Mustern drin.

„So“, sagt sie dann, nimmt mich vom Schoß und setzt mich auf den angewärmten Stuhl.

„Jetzt machst du alleine noch welche. Ich muss hinaus in den Stall. Und iss noch von den Pfannkuchen. Die schmecken auch kalt gut. Aber mach keine Fettflecken aufs Papier.“

Ach, schon ist die kleine Zeit mit ihr vorbei. Ich bleibe sitzen und tue, was sie gesagt hat.

Mit ihr zusammen Wäsche aufhängen ist auch eine schöne Sache. Ich darf mit hinaus und über den Hof. Zwischen Waschküche und Holzschuppen gibt es eine enge Holztreppe. Die steigen wir hinauf, meine Oma voran mit dem Wäschekorb, ich hinterher. Oben muss sie eine Luke öffnen. Nachdem sie herausgestiegen ist und den alten Dachboden über Waschküche und Schuppen erreicht hat, gibt sie mir die Hand. Ich muss einen großen Schritt machen und stehe in dieser abgeschiedenen Welt.

Über meinem Kopf sind Leinen gespannt. Meine Oma hat den großen Korb auf einen alten Stuhl gestellt und beginnt, die Wäsche aufzuhängen.

Dieser Dachboden ist ein geheimnisvoller Ort, den ich sehr mag. Überall gibt es etwas zu entdecken. Verstaubte Kisten stehen dort, Schachteln und Blechdosen. In einer Ecke stapelt sich der Schmuck für den Weihnachtsbaum. Den kenne ich schon genau. Am meisten interessieren mich immer die alten Bücher, die ich bei den Besuchen vorher schon entdeckt hatte. Immer schaue ich mir ein neues an und blättere darin herum. Ich kann noch nicht lesen, aber mir ist bewusst, dass dort Geschichten und ganze Welten verborgen sind. Es gibt Skizzen und Bilder, die ich mir intensiv anschaue. Oft frage ich danach, was da berichtet wird.

„Warum ist die Frau auf dem Bild so traurig? Was ist das, was da vor den Kindern auf dem Tisch steht? Sind das Schießgewehre? Wem gehören die?“

Meine Oma antwortet mir geduldig. Sie weiß viel und erklärt es mir, so gut sie kann.

Besonders hat es mir eine bräunlich-gelbe Kiste angetan. Bei früheren Besuchen auf dem Dachboden hat meine Oma mir bereits erklärt, dass da altes Spielzeug drin ist von meinen Onkeln, ihren beiden Söhnen, als die noch Kinder waren. Wir hatten auch bereits geklärt, dass ich davon nichts haben dürfe, weil sie vorgesehen sind für die Kinder, die diese beiden einmal selbst bekommen würden. Trotzdem darf ich den Karton immer wieder öffnen und mir die Dinge anschauen. Der kleine grüne Panzer aus Blech, die angerosteten Schlittschuhe, das hölzerne rote Auto mit den schwarzen Rädern, alles darf ich ansehen und damit spielen, so lange die Wäsche noch nicht fertig aufgehängt ist.

Meine Oma weiß es schon, dass mir am besten dieses Spiel gefällt, das in einem blauen flachen Karton ist. Öffne ich den Karton, sehe ich die Männchen in blauen Uniformen, wie sie fein in einer Reihe aufgereiht sind. Daneben liegt ein kleines Schießgewehr mit einem Gummipfropfen im Lauf. Ich weiß schon, man kann sie nicht rausnehmen. Alle sind an den Füßen mit dem Schachtelboden verbunden. Es sind kleine Zinnsoldaten. Man kann sie hochklappen. Nun stehen sie alle in einer Reihe. Mit dem Gewehr kann ich auf die blauen Männchen schießen. Wenn der Gummipfropfen trifft, fällt das Männchen in den Karton zurück.

Dass das mit dem Krieg zu tun hat, hat meine Oma mir schon vor Tagen erklärt. Der Krieg, das muss eine ganz furchtbare Sache gewesen sein. Viele Menschen mussten da sterben. Männer mussten in fremde Länder und dort auf andere Menschen schießen, dabei aufpassen, dass sie nicht selbst erschossen werden würden. Oft wurden sie dann selbst erschossen oder verwundet oder gefangen genommen. Der Opa selbst ist nicht erschossen worden. Aber lange Zeit war er in Frankreich gefangen und musste ganz viel arbeiten. Recht spät erst durfte er zu seiner Familie zurück.

„Das war die Zeit, bevor du geboren wurdest“, sagt meine Oma immer wieder. Dennoch fühle ich, dass es noch nicht so lange her sein kann. Viele reden noch vom Krieg, erzählen, dass sie arm waren und noch viel ärmer wurden dadurch, erzählen, wer alles nicht mehr zurückgekommen ist von dort.

Dass die Flüchtlinge, die bei uns im Dorf wohnen, schnell ihre Heimat verlassen mussten, um nicht getötet zu werden, davon wurde auch immer mal wieder berichtet. Sie haben einen anderen Klang in der Stimme und sind meist katholisch, im Gegensatz zu den anderen im Dorf.

Von den Amerikanern erzählt meine Mutter oft. In der alten Schule haben sie gewohnt, als der Krieg zu Ende war und sie mit den Panzern ins Dorf gerollt kamen. Erst hatten alle etwas Angst, dann aber merkten sie, dass das vorwiegend freundliche Männer waren. Die erste Orange ihres Lebens hat meine Mutter bei den Amerikanern gesehen - und sogar eine Scheibe zum Probieren bekommen. Kaugummi gab es gelegentlich auch.

Aber der Krieg hatte vor allem ganz viel Schlimmes und Böses gebracht.

Dort auf dem Dachboden gefallen mir dennoch die blauen Männchen im Karton so gut, besonders aber das Schießgewehr mit dem Gummipfropfen im Lauf. Es knallt ein wenig, wenn man geschossen hat und die Männchen fallen nach hinten in den Karton zurück. Ich stelle mir immer vor, dass sie ja gar nicht tot sind, sondern nur einen Schubs bekommen haben und wieder aufstehen können.

„Komm, wir müssen wieder hinunter“, sagt Oma jetzt und ich weiß, der Spaß ist schon vorbei.

Vorsichtig steigen wir durch die Luke und die alte Treppe hinab. „Bald wirst du ins Unterdorf geholt“, sagt sie nun und das ist immer der schmerzlichste Satz vom ganzen Tag.

„Warum muss ich dort hin?“, frage ich jedes Mal.

Es ist unterschiedlich. Mal darf ich bei ihr schlafen in dem kleinen Bettchen in der Nische hinter der Küche. Ich liebe diese Ecke. Manchmal werde ich aber auch abgeholt von meiner Mutter, in letzter Zeit immer öfter. Ich weiß nicht, warum. Ich weiß nur, dass meine Mutter einen Kugelbauch bekommen hat, der erst kleiner war und nun größer geworden ist. Irgendwie tun alle so geheimnisvoll. Erst ziemlich spät sagt meine Oma zu mir: „Du bekommst ein Brüderchen oder ein Schwesterchen.“

Was das mit dem Bauch meiner Mutter zu tun hat, verstehe ich nicht. Niemand sagt etwas. Immer mehr breitet sich Angst in mir aus, sie könnte krank sein, irgendwie schlimm krank.

Aber so ist es nicht.

Hinterm Gummibaum

Es ist irgendwie anders, aber die Angst geht nicht weg.

„Beim Zweiten wird es leichter“, sagt die Kindfrau-Else zu meiner Mutter, als die sich mitten am Tag schon ins Bett legen muss. So wird es aber nicht.

„Die Kleine bekommt ja noch nichts mit“, ist die einhellige Meinung rundum.

Zweieinhalb Jahre alt bin ich und möchte wieder schnellstens ins Oberdorf zu meiner Oma. Aber sie stellen mein Bettchen nur gegenüber vom Bett meiner Mutter in die linke Ecke beim Fenster. Davor stellen sie einen größeren Gummibaum, der mir die Sicht hinüber nehmen soll. Aber ich stehe im Bettchen und sehe zwischen den Blättern hindurch, weiß meine Mutter in den Kissen, höre vor allem, höre das aufgeregte Reden der Kindfrau, das hektische Geplapper meiner Tante Trudi, Tüchergeraschel, Schüsselgeklapper, die Schreie vor allem, die schlimmer werden mit der Zeit, Schreie, die einfach nicht enden wollen.

Anfangs versuche ich es noch mit Rufen und Reden.

„Mama, was machst du? Komm, bitte komm.“

Dann brüllt die Tante mich an, ich soll nun den Mund halten, mich hinlegen und schlafen. Ich bin voller Angst, so voller Angst, merke aber, dass es wieder so ist, wie oft: Ich muss still sein, obwohl ich schreien will. Ich muss brav sein. Also bin ich still, bleibe aber stehen im Bettchen. Keinen schert es mehr, seit ich den Mund halte und nichts mehr aus meiner Ecke zu hören ist. Ich mache es wie immer. Ich bin still und höre und beobachte und mein kleines Hirn schlägt geradezu Purzelbäume von den vielen Gedanken, Bildern und Worten, die da hochkommen. Stunde um Stunde schreit sie, viele lange Stunden, in denen ich da stehe im Bettchen, von einem Fuß auf den anderen trete, meinen Mund zupresse, damit nur nichts herauskommt, durch die Zweige vom Gummibaum blicke und höre, HÖRE, was da alles geschieht.

In meinem kleinen Gehirn passiert so viel an diesem Tag und in dieser Nacht.

Sie hatten mir einmal erzählt, dass dem Nachbarn beim Holzhacken eine Axt ins Bein geschlagen war. Eine furchtbar schmerzhafte und blutige Angelegenheit. Das ist (neben Onkel Egon und dem Krieg) das Schlimmste, was sich bisher in meinem Kopf als Bild abgelegt hat. Das muss das Schlimmste sein, was einem passieren kann, denke ich. Folgerichtig stelle ich mir vor in meinem Bettchen hinterm Gummibaum, sie schlagen meiner Mutter ständig und immer wieder mit der Axt ins Bein. Sie wird daran sterben, denke ich. Sie wird nicht mehr da sein, wenn ich hier raus komme aus dieser Ecke. Starr vor Angst muss ich gewesen sein über viele Stunden. Nichts zu essen, nichts zu trinken und niemand da, der ein gutes Wort sagt, dass alles wieder gut wird oder so ähnlich. Ich weine wohl, aber still vor mich hin, nicht laut, nur nicht laut. Das könnte schrecklich enden. Ich weiß es genau.

Allein bin ich, so ganz arg allein. Niemand, der mich wegbringt aus diesem Schrei-Zimmer, niemand, der mich auf den Arm nimmt und tröstet, mir irgendwie vermittelt, dass alles nicht so schlimm ist oder gar etwas Gutes bedeutet.

Allein bin ich in dem Schrei-Zimmer mit dem Gedanken, dass man meiner Mutter da drüben ganz schrecklich mitspielt und sie gewiss bald nicht mehr da ist. Grenzenlose Angst und Panik, Sprachlosigkeit vor Schreck und Entsetzen. Stunde um Stunde.

Irgendwann wird es ruhiger und schließlich beinahe still.

Völlig erschöpft kippe ich in mein Bettchen zurück, schlafe ein mit dem Kopf auf der Decke, die ganz feucht ist vom stundenlangen, leisen Weinen.

Notgeburt auf der Treppe

Am anderen Tag darf ich aufstehen, hinaus aus dem Zimmer. Ich sehe nur ganz kurz den Haarschopf meiner Mutter im Kissen. Sie atmet tief. Sie lebt noch. Ein Glück.

Tante Trudi ist noch da. Sie gibt mir Milch zu trinken in der Küche. Mit hastigen Schlucken trinke ich das Glas sehr schnell leer. Nach Anziehen und Essen gibt sie mir einen besonderen Auftrag. „Geh hinten auf die Wiese und pflück Gänseblümchen“, sagt sie. „Die bringst du dann deiner Mutter. Sie hat ja deine Schwester geboren.“

Ich tue, was sie sagt, bringe bald darauf das gewünschte Sträußchen.

„So, damit gehen wir jetzt hinauf zu deiner Mutter“, sagt sie, nimmt mich an der Hand und wir gehen die große, alte rötlichbraune Holztreppe hinauf. Mit Mühe schaffen meine kleinen Beine die Stufen. Fast oben angelangt, geschieht plötzlich etwas Sonderbares, das ich bis heute nicht vergessen habe und nur schwer in Worte fassen kann. Durch und durch durchzuckt es mich wie ein Blitz. Ich muss stehen bleiben und habe das Gefühl, plötzlich SEHE ich mich GANZ. Ich kann mich als Ganzes wahrnehmen, mich erkennen von Kopf bis Fuß.

„Was ist denn?“, fragt meine Tante. Ich kann es nicht sagen, nicht erklären. Wie soll man eine solche Erfahrung vermitteln, wenn man zwei Jahre und fünf Monate auf der Welt lebt?

Etwas in mir sagt: Das ist jetzt ganz wichtig. Du darfst es niemals vergessen. Diesen Auftrag gebe ich mir selbst in diesem Augenblick.

Ich habe es niemals vergessen, nicht eine Sekunde meines Lebens. Als Kind schon denke ich oft darüber nach, was das wohl war und was es bedeutet. Erst als erwachsene Frau habe ich langsam verstanden, was passiert sein musste.

Mein Körper und meine Seele, mein ganzes kleines Wesen hat sich in diesem Augenblick selbst geholfen, gerettet aus lebensbedrohlicher Erschütterung, die das kleine Leben hätte kosten können. Aber da war in mir eine Kraft, eine Energie, die mich im Leben halten wollte.

So erschüttert und verlassen, hinter mir die nicht enden wollenden Schrei-Stunden, die lebensbedrohliche Atmosphäre im Schlafzimmer über so lange Zeit hinweg, dieser matte, erschöpfte Dunst im ganzen Haus und in mir selbst, - wie seltsam, dass ich noch atmete, noch lebte. Wer und was bin ich? Kann ich überhaupt noch sein?

JA, hat da diese Kraft, dieses Licht signalisiert. Du bist noch und du bist GANZ. Vielleicht heißt das auch: ganz allein, ganz auf dich gestellt (was sich im Leben noch oft bestätigen sollte). Aber es heißt auch einfach GANZ. Ganze Menschen können leben, überleben, sein.

Nach vielen Jahren erst habe ich verstanden, dass solche Art „Entwicklungsschübe“ nur sehr selten vorkommen in dieser Intensität und vor allem: viel, viel später.

Außergewöhnlich viele neue Verschaltungen von Nervenbahnen müssen in diesen Stunden der Todesangst entstanden sein, die normalerweise später erst entstehen. Um durchzuhalten und zu überleben, war ein Schub entstanden in diesem Reifungsprozess. Hier war etwas geschehen, was zwingend nötig war zum Überleben. Im mir war schon so viel angelegt, dass ich mich, symbolisch gesprochen, noch einmal selbst ins Leben bringen konnte, selbst in dieser Welt als ICH wahrnehmen konnte mit zweieinhalb Jahren.

Nie werde ich vergessen, wie es sich anfühlte. Es durchzuckte mich wie ein Blitz durch alles hindurch, was ich war, durch Körper und Seele.

Ein Fachmann erklärte mir all dies ganz viel später einmal im Rahmen meiner eigenen Ausbildung. Eine gewisse frühe Lösung von der Mutter musste in dieser Situation stattfinden.

Das alles musste damals geschehen auf dem Weg zum Bett meiner Mutter, zu dem Zimmer, in dem ich über viele Stunden unbeachtet Höllenqualen durchlebt hatte. Es musste geschehen, damit ich überlebte. Es geschah. Zum Glück.

Jetzt steige ich die restlichen zwei Stufen der alten Holztreppe hinauf. Den kleinen Strauß Gänseblümchen halte ich fest in der rechten Hand. Meine Tante öffnet die Schlafzimmertür. Da liegt meine Mutter matt in den Kissen, freut sich über die Blümchen, sagt mit irgendwie anderer Stimme als sonst, dass das da neben ihr meine kleine Schwester sei. Verlegen schaue ich auf das kleine Bündel. Viel kann ich nicht sehen. Ein winziges rotes Gesicht in vielen Tüchern und Decken. Irgendwie berührt mich dieses kleine Wesen, aber dann schaue ich wieder meine Mutter an. Sie interessiert mich mehr. Ich spüre die große Erleichterung in mir, dass sie doch noch da ist, dass kein Blut mehr da ist und ich auch keine Axtwunden ausmachen kann.

Von diesem Tag an ändert sich mein Leben deutlich und immer mehr.

Zu meiner Oma ins Oberdorf darf ich noch, aber nicht mehr so oft.

„Du bist jetzt die Große und musst auf deine Schwester aufpassen“, sagen sie.

Beim Wickeln muss ich daneben stehen, damit sie nicht vom Tisch fällt. Ich passe auf, so gut ich kann. Oft habe ich Angst, ich könnte irgendetwas falsch machen und bestraft werden.

Oben bei meiner Oma bin ich ruhiger, auch wenn ich alleine bin und mich beschäftigen muss.

Dennoch spüre ich den Blick meiner Oma auf mir, diesen warmen, gütigen Blick, selbst wenn sie nicht im selben Raum ist.

Aber auch hier wird das Leben schwieriger. Oben in dem Zimmer, in dem meine Eltern im ersten Jahr nach ihrer Hochzeit lebten und in dem ich geboren wurde, ist nun Tante Irma eingezogen. Sie kommt aus der DDR, sagen sie und wird den Onkel Wolfgang heiraten, den Bruder meiner Mutter.

Erst einmal habe ich Angst vor jedem, der mir fremd ist. Aber Tante Irma ist lustig, erzählt Witze und kann gut nähen. Sie ist nicht böse, wenn ich den Kopf zur Tür rein strecke. Im Gegenteil. Sie sagt, ich soll nur rein kommen. Manchmal gibt sie mir sogar ein Bonbon oder einen Keks. Die meiste Zeit sitzt sie hinter der Nähmaschine, die schon elektrisch ist und eine hellgrüne Farbe hat. Wenn sie näht, brummt die Maschine und der Stoff fließt immer weiter nach vorne. Mit bunten Stoffresten darf ich spielen. Einmal näht sie mir aus dickem filzähnlichen Stoff sogar Hausschuhe.

„Sie bekommt nächstes Jahr ein Baby“, erklärt mir meine Oma.

Bald ist auch Hochzeit. Es wird enger und anstrengender oben im kleinen Haus. Das merke ich. Immer öfter muss ich unten bleiben, im Unterdorf. Irgendwann ist es ganz vorbei und nur noch selten darf ich zur Oma zu Besuch. Es ist nie mehr so schön mit Oma und mir, nur noch zu Weihnachten.

Weihnachten

Wirklich so richtig Weihnachten war nur, als Oma da war, dann nie mehr.

Meine Mutter geht mit mir in die Kirche. Das ist ein schöner Ort, voller Licht und Wärme.

Wunderbare Lieder werden hier gesungen und gute Worte gesagt. Ich bin ganz still und versuche, so viel wie möglich in mir aufzunehmen.

Danach gehen wir zusammen die Straße hinauf. Nur wenige Häuser weiter steht schon das kleine Haus, in dem Oma und Opa leben. Es ist dunkel und im Flur kann man nur Schatten erkennen. Oma öffnet uns die Tür zum Wohnzimmer. Eine Stufe geht es hinauf in die kleine Stube. Hier ist es hell und warm. Unsere Mäntel werden hinter der Türe an Haken gehängt.

Alles ist wie immer, der Tisch, die Stühle, die Lampe. Aber auf dem kleinen runden Tischchen rechts steht ein geschmückter Tannenbaum. Die Kerzen sind angezündet.

Meine Mutter setzt sich an den Tisch zu Opa. Oma nimmt mich zu sich auf den Schoß. Wir sitzen links neben dem Tannenbaum am kleinen Tischchen. Alle reden eher leise, kein hartes Wort an diesem Abend. Oma sagt zu mir, dass heute Weihnachten ist und dass das etwas ganz Wunderbares ist. Der liebe Gott hat ein kleines Kind geschickt, damit alle Menschen gut miteinander sein sollen und Frieden halten. Einmal singen wir sogar die erste Strophe von „Ihr Kinderlein kommet, o kommet doch all…“. Ich versuche, mitzusingen, aber das geht nicht so richtig. Ich kenne das Lied nicht gut und schaue nur meine Oma an.

Meine Mutter singt auch mit. Opa schaut vor sich in die Zeitung. Dann zieht meine Oma ein Päckchen unter dem Baum hervor und gibt es mir. Das grün-goldene Papier habe ich schon hervorleuchten sehen. Öffnen darf ich es nun und heraus kommt ein schönes Bilderbuch und ein kleines Pferd aus Holz mit einem Schwanz aus braunem Garn.

Ein Glücksgefühl durchströmt mich die ganze Zeit. In mir prägt sich ein, dass Weihnachten etwas ganz Besonderes sein muss, etwas, vor dem die Erwachsenen großen Respekt haben.

Sie trauen sich nicht, laut zu sein, hart oder böse, sind irgendwie vorsichtig miteinander, ruhiger und nachdenklicher. Alles ist anders, obgleich doch beinah alles ist wie immer. Das Zimmer, die Möbel darin und die Menschen. Und doch: die Menschen sind anders, der bunte Baum mit den Kerzen, die Wärme in der Stube, das Licht, die gesamte Atmosphäre. Der alte Baumschmuck, der normalerweise in einer Schachtel unter der Wäscheleine am Dachboden liegt, glänzt wie direkt vom Himmel gefallen. Kleine goldene und silberne Glöckchen, Kugeln, runde und halbrunde, vor allem aber kleine Vögel, grüne und blaue mit silbrig-weißen Schwänzen.

Die Stimmung bricht um, als draußen harte Schritte hörbar werden. Meine Mutter springt auf und öffnet meinem Vater die Wohnzimmertür.

„Da bist du ja“, sagt sie schnell und hilft ihm aus der Jacke.

Ohne uns weiter zu beachten, setzt sich mein Vater an den Tisch und redet ein paar Worte mit Opa. Es geht nicht um Weihnachten. Das höre ich. Es geht um irgendetwas, um das es immer geht. Bald darauf brechen wir auf und gehen ins Unterdorf. Still laufe ich neben meiner Mutter her. Sie sagt: „Schau doch nur, wie sehr die Sterne leuchten, als ob sie wüssten, dass Weihnachten wäre.“ Ich glaube, sie hat es zu meinem Vater gesagt. Aber ich schaue hoch in den Himmel. Tatsächlich, die Sterne sind groß und hell und es sind ganz viele. Fast habe ich den Eindruck, sie bewegen sich etwas herunter zu uns, kommen uns näher. Ich kann mich nicht erinnern, so große, nahe Sterne jemals wieder gesehen zu haben. Öfter noch habe ich in späteren Jahren an Weihnachtsabenden nach ihnen gesucht und geschaut. So nah und so groß waren sie nie mehr.

Im Jahr darauf ist meine kleine Schwester Hella auch mit in der Stube an Weihnachten im Oberdorf. Meine Mutter hat sie auf dem Arm. Aber ich darf wieder auf dem Schoß meiner Oma sitzen. Hella ist ganz wichtig. Sogar mein Opa hat ein paar Worte für sie. Als mein Vater dann zur Türe herein kommt, nimmt er sie selbst sogar kurz auf den Arm.

Das ist etwas, das ich vorher noch nie gesehen habe. Er will vielleicht zeigen, dass er ein guter Vater ist, denke ich. Oder er mag Hella wirklich. Wer weiß. Ein komisches Gefühl irgendwie in mir, aber es ist nicht so wichtig. Wichtig ist, dass ich auf Omas Schoß sitze und Weihnachten ist.

Wieder ein Jahr später ist noch einmal Weihnachten im Oberdorf, ist es noch einmal da, dieses so besondere und beinah unbeschreiblich tiefe Gefühl, dass alles anders ist, dass alles gut ist und friedlich, voller Licht und Wärme, irgendwie einen Hauch von heilig hat.

Nur eine kleine, fast unmerkliche Unruhe und Sorge mischt sich hinein. Oma ist etwas krank, sagt jemand leise. Aber das wird schon wieder. Ich sitze auf Omas Schoß. Diesmal ist es ein größeres Päckchen, das sie mir gibt. Hervor kommt eine Schultasche, eine richtig schöne Schultasche aus braunem Leder mit Griff und auch Schulterriemen dran. Obwohl es noch etwas dauert, bis ich zur Schule komme, bin ich begeistert von dem Geschenk. Dass ich bald ein Schulkind sein könnte, das Bücher, Tafel, Hefte und Stifte in einer schönen Schultasche hat, das gefällt mir sehr. Darauf freue ich mich. Dass ich der Oma alles zeigen würde, was ich lerne in der Schule, stelle ich mir vor.

Dazu kommt es nicht mehr. Einige Zeit später stirbt meine Oma. „Sie hat ihr noch ihren Schulranzen gekauft und an Weihnachten geschenkt. Das wollte sie unbedingt machen“, erzählt meine Mutter einer Tante.

Weihnachten gibt es nicht mehr, obwohl doch jedes Jahr wieder Weihnachten wird. Aber wir sind im Unterdorf. Meine Oma ist nicht mehr da. Es ist nicht mehr friedlich, licht und warm.

Ach, du lieber Augustin

Im Jahr zuvor, als meine Oma noch lebt, geschieht schon etwas Schlimmes.

Mein Opa verunglückt mit dem Moped. Irgendetwas mit einem Lastwagen war passiert und mein Opa muss weit weg in eine Spezialklinik.

Einmal, an einem Sonntagnachmittag, besuchen wir ihn mit dem Auto von Onkel Wolfgang. Mit rotem Gesicht liegt er in den Kissen und schimpft gleich über den Fahrer des Lastwagens, der ihn übersehen hat. Dass ein Bein wohl steif bleiben wird, sagt er und die Wunde daran nicht zugeht.

Auf dem Nachhauseweg erzählen sie im Auto, dass er selbst nicht aufgepasst hat und immer den anderen die Schuld gibt. Was für eine Arbeit auf meine Oma jetzt noch zukommt, wenn er nicht mehr arbeiten kann, darüber reden sie auch. Da ist er schon so lange in Kriegsgefangenschaft gewesen und meine Oma musste alles alleine schaffen. Jetzt ist er krank und hilflos und sie muss wieder alles alleine machen.

Und so ist es dann auch. Als er endlich, nach langen Wochen, wieder heim kommt, muss er noch im Bett liegen. Über dem Bett befestigen sie ihm einen Griff aus Metall, damit er sich etwas hochziehen kann, wenn er sitzen will. Meine Oma weiß gar nicht mehr, wo sie zuerst anfangen soll. Sie versorgt die Tiere und den Haushalt, arbeitet auf dem Feld und im Garten. Kaum ist sie in der Küche, ruft er nach ihr. Das Schlafzimmer ist gleich hinter der Küche, eine Stufe hinunter. Sie muss ihm etwas helfen oder bringen.

„Einen Augenblick“, ruft sie manchmal. Sie will gerade die Kartoffel fertig schälen oder hat die Hände im Teig. Da wird er böse. Dass sie sofort kommen soll, schreit er. Sie lässt alles stehen und liegen und läuft schnell zu ihm hin. Wenn ich da bin, sitze ich nur noch ganz still am Tisch. Ich will sie nicht auch noch belasten. Manchmal helfe ich ihr, bringe dem Opa Kleinigkeiten. Wenn ich in das Schlafzimmer komme, ist er nicht ganz so böse.

„Bring ihm die Zeitung“, sagt Oma manchmal - oder: „Bring ihm schon mal den Teller und das Besteck. Gleich gibt es Essen. Erzähl ihm so lange was, bis ich fertig bin.“.

Ich tue, was sie sagt. Ich helfe ihr gern.