Herrgottsbscheißerl - Lydia Preischl - E-Book + Hörbuch

Herrgottsbscheißerl E-Book und Hörbuch

Lydia Preischl

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Beschreibung

Ein Raubüberfall, bei dem teurer Schmuck abhandengekommen ist, beschäftigt die beiden Hauptkommissare Robert Schatz und Georg Herzl. Eher ein Routinefall, zumal es keinen Toten zu beklagen gibt. Doch der Fall nimmt schnell Fahrt auf, als plötzlich doch eine Leiche auftaucht. Und während Schatz mit den rätselhaften Folgen seines Indien-Urlaubs zu kämpfen hat und Herzl ein tiefgründiges Problem mit seinem Herzlblatt Julia wälzt, wird es richtig gefährlich für die beiden Kommissare, ganz besonders für Georg Herzl…

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Seitenzahl: 273

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Zeit:6 Std. 46 min

Sprecher:Markus Böker

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 

Kapitel 2 

Kapitel 3 

Kapitel 4 

Kapitel 5 

Kapitel 6 

Kapitel 7 

Kapitel 8 

Kapitel 9 

Kapitel 10 

Kapitel 11 

Kapitel 12 

Kapitel 13 

Kapitel 14 

 

 

 

Vollständige e-Book-Ausgabe 2022 

 

© 2022 SPIELBERG VERLAG, Neumarkt 

Korrektorat: Kati Auerswald 

Umschlaggestaltung: Ria Raven www.riaraven.de 

Umschlagmotive: © photocase.de, © bildagentur.panthermedia.net 

Alle Rechte vorbehalten. 

Vervielfältigung, Speicherung oder Übertragung 

können ziviloder strafrechtlich verfolgt werden. 

 

ISBN: 978-3-95452-117-3 

 

www.spielberg-verlag.de

 

 

 

 

Lydia Preischl ist ein echtes bayerisches Gewächs. Geboren in einem kleinen Dorf im Oberpfälzer Wald, wohnt sie noch heute mit Ehemann Stefan und Leihhund Amy dort. Nach dem Studium der Theologie und Religionspädagogik, unterrichtet sie nun schon seit vielen Jahren katholische Religionslehre. Das Schreiben betreibt sie nebenher als Hobby und nun, da die beiden Kinder erwachsen sind, hat sie auch mehr Zeit dafür.

Nach »Wildbiesler, Wadlbeißer«, »Tipferlscheißer« und »Gscheidhaferl« reiht sich »Herrgottsbscheißerl« in die erfolgreiche Stoapfalzkrimi-Serie ein.

 

 

 

Geschichte und Personen sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder bereits verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Kapitel 1 

Robert Schatz war tiefenentspannt. So ähnlich wie eine hundertjährige Galapagos-Riesenschildkröte. Jedenfalls stellte er sich vor, dass die entspannt wären. Er saß an diesem ersten Tag nach seinem dreiwöchigen Urlaub hinter seinem Schreibtisch und ordnete erst einmal alle Utensilien, die in den letzten Wochen dort aufgelaufen waren. Ein Locher, der ihm nicht gehörte, ein Tacker, der ihm auch nicht gehörte, zwei Lineale, die ihm nicht gehörten… Alles, was ihm nicht gehörte wanderte ein paar Zentimeter weiter hinüber zum Schreibtisch seines Kollegen Georg Herzl.

Nach dieser für sein neues Körpergefühl immens wichtigen Aktion lehnte er sich zurück und nickte befriedigt mit dem Kopf. Ja, so würde es gehen. Noch war er der einzige der Kriminaler, der an diesem frühen Montagmorgen ins Büro gefunden hatte. Herzl sollte nach dem heutigen Tag seinen langersehnten Urlaub antreten, Häupl würde sicher bald hier aufschlagen, da er grundsätzlich eher früher dran war als die anderen und Ottfried, genannt Friedl, Bergwinkel konnte Schatz noch nicht richtig einschätzen. Vielleicht war er früh dran, vielleicht auch nicht. Genaugenommen war es Schatz auch egal.

Er war die Galapagos-Schildkröte.

Die in diesem Moment so sehr erschrak, dass sie beinahe vom Stuhl gerutscht wäre.

Rödel stach in das Zimmer, die Tür mit solcher Wucht öffnend, dass sie gegen die Wand knallte. Im Hereingehen ertönte der immer und stets zu laute Bass des hiesigen Revierleiters, der mit seinen zwei Metern Größe die Tür praktisch ausfüllte.

»Ihr habt einen Fall…!« Er sah sich um und lediglich Schatz am Schreibtisch sitzen. »Wo sind denn die anderen?«

»Falls keiner unterm Tisch liegt, noch nicht da. Und auch Ihnen einen guten Morgen, Herr Rödel.« Schatz hatte seine Mitte bereits wiedergefunden.

Die reichlich zuckergussgetränkte Stimme Schatz‘ irritierte Rödel dann doch, sodass er einen weiteren Schritt in den Raum trat und erst einmal tief durchatmete.

»Nun, es ist ja Ihr Problem, wie Sie sich Ihre Leute ziehen. Jedenfalls gibt es einen Raub im Juwelierladen Höpferl in Bad Hetzing. Meine Leute sind schon dort, aber es steht Tötungsabsicht im Raum, daher ein Fall für Sie.«

»Schön«, sagte Schatz, »und wo ist Bad Hetzing?«

»Fragen Sie den Häupl, der kennt sich aus. Dafür habt ihr ihn ja.« Rödel war ernstlich darüber verwundert, was der Urlaub mit Schatz gemacht hatte.

»Gut, also Häupl fragen. Und was ist passiert?«

»Sagte ich doch…«

»Wie lautete die Meldung?«

Rödel atmete tief durch und spürte seinen Blutdruck an der Halsschlagader wummern.

»Überfall auf den Juwelier, die Verkäuferin, die als erste im Laden war, ist schwer verletzt und bereits ins Krankenhaus transportiert worden.«

»Schön«, sagte Schatz und Rödel bekam einen roten Kopf.

Genau in diesem Moment hörte er die Personaleingangstür eine Treppe tiefer ins Schloss fallen und zwei bekannte Stimmen heraufquatschen. Offensichtlich hatten sich Herzl und Häupl draußen getroffen.

Rödel trat zur Seite und wartete, bis die zwei im Büro angekommen waren. Dann verschwand er ohne ein weiteres Wort.

»Was wollte der denn schon wieder?« Herzl hängte seine Jacke über den Stuhl und schaute Schatz fragend an. Der saß lässig zurückgelehnt und schaute von Häupl zu Herzl und wieder zurück.

»Ein neuer Fall. Tötungsabsicht, meint der Rödel. Die Angestellte im Juweliergeschäft Höpferl in Bad Hetzing. Du weißt, wo das ist, sagt der Rödel.« Er nickte Häupl zu.

Bevor der antworten konnte, meckerte Herzl in Richtung Schatz:

»Das heißt, ich kann mir meinen Urlaub in die Haare schmieren!« Gegen die Sanftmütigkeit in Person, die ihm gerade gegenübersaß und aussah wie sein Kollege Schatz, hörte sich Herzls Stimme an wie durchs Megafon gesprochen.

»Nein, warum? Du übergibst mir, was zu übergeben ist und dann machst du dich vom Acker. Wir sind doch zu dritt hier. – Wo ist eigentlich Kollege Bergwinkel?«

»Der war übers Wochenende in Nürnberg, bei seiner Familie. Mit Stefano«, gab Häupl Auskunft.

Schatz schaute ihn fragend an.

»Sein Freund, quasi. Er wollte mal antesten, wie Stefano mit seiner Familie klarkommt.«

»Stefano?« Schatz stand noch immer auf der Leitung.

»Der Kellner beim Italiener. Er und Friedl…«

Jetzt ging Schatz ein Licht auf.

»Ach, hat der Stefano endlich den passenden …«, er wollte ein unschönes Wort gebrauchen, doch er besann sich gerade noch, »…Deckel gefunden.«

»Wie sagte die Julia. Die zwei sind süß zusammen«, sagte Herzl nebenher, während er die Unterlagen zusammensuchte, die er mit Schatz noch durchgehen wollte. Er hatte die Absicht, möglichst schnell hier abzuhauen, nicht dass er doch noch unter die Räder dieses neuen Falles kam. Immerhin war es kein Mord. Was zwar genauso ungemütlich, aber mit weniger öffentlichem Druck verbunden war.

»Jetzt pass auf. Wir sprechen das schnell durch und dann bin ich weg. Ich involviere mich da jetzt gar nicht lange in den neuen Fall. Julia haut mich, wenn ich hier nicht wegkomme.«

Häupl grinste, merkte aber sehr schnell, dass es Herzl rasend ernst meinte.

Schatz fügte sich also in Herzls hastige Übergabe, der tatsächlich sofort aus dem Büro floh, als der Kollege die Sachen abgenickt hatte.

Ein paar Minuten später tauchte nun auch Anwärter Bergwinkel auf, der einen weitaus aufgeräumteren Eindruck machte, als noch vor wenigen Wochen.

»Na, wie war‘s daheim?«, erkundigte sich Häupl.

Friedl zögerte eine Spur zu lange mit der Antwort. Dann sagte er: »War gut.«

»Schön!«, sagte Schatz zum wiederholten Male und damit fiel auch Friedl der weichgespülte Kollege auf.

»Wie war dein Urlaub?« Er hatte das Gefühl, dass Schatz‘ neugewonnene Gleichmütigkeit nach all den Aufregungen der Wochen vor seinem Urlaub mit seiner Reise zu tun haben könnte, die ihm Carlotta aufs Auge gedrückt hatte.

»Schön!« Nun hätte man meinen können, dass Schatz seine beiden Kollegen auf die Schippe nahm, aber er schaute vollkommen relaxt aus der Wäsche und schien es tatsächlich schön gefunden zu haben.

»Wo wart ihr denn?«, fragte Friedl, der sehr genau wusste, dass Schatz nach Indien genötigt worden war.

»Indien!«, sagte Schatz.

»Ist groß!«, sagte Friedl.

»Backwaters,« sagte Schatz.

»Wo?«, fragte Friedl und ärgerte sich darüber, dass er einmal etwas nicht wusste.

»In Kerala,« sagte Schatz mit unendlicher Geduld. Erstaunlich unendlich.

»Ah ja!«, sagte Friedl, »und was habt ihr da gemach?«

»Wir sind Boot gefahren und waren in einem Ayurvedahotel.«

»Ah ja!«, wiederholte Friedl.

»Leute, wir haben einen Fahall!«, mischte sich nun Häupl nachdrücklich ein. Er stand bereits gestiefelt und gespornt an der Tür.

Schatz erhob sich und hinter seinem Rücken zuckte Friedl in Richtung Häupl leicht ungläubig mit den Schultern.

»Ja, jetzt ruft die Arbeit. Häupl, du fährst extra, damit wir zwei Autos vor Ort haben, und wir zwei fahren hinterher.« Immerhin weilte der leicht abwesend wirkende Schatz doch noch im Hier und Jetzt.

Gute zwanzig Minuten später standen sie im Juwelierladen Höpferl in Bad Hetzing. Rödels Leute hatten die erste Spurensicherung gemacht und auch gleich die Profis angefordert, die zwischen ein und drei Stunden brauchen würden, bis sie da waren. Je nach Befindlichkeit und Straßenlage.

»Also, was wissen wir?« Schatz stand mit einem von Rödels Uniformierten in der Mitte des Geschäftes und ließ seinen Blick schweifen. Friedl ebenfalls, Häupl war nicht zu sehen.

»Der Räuber ist heute Morgen mit der Angestellten in den Laden gekommen. Das heißt, er hat sie wohl abgepasst und sie dann hineingedrängt. Herr und Frau Höpferl sind gerade dabei, zumindest ansatzweise herauszufinden, was alles geklaut wurde.« Der Beamte nickte hinüber zu einem mittelalterlichen Ehepaar, das offensichtlich in großer Hast hierhergekommen war, ihrer eher legeren Kleidung und den unordentlichen Haaren nach zu schließen. Schatz hatte sich so ein Juweliersehepaar doch ein wenig mondäner vorgestellt. Doch die zwei hier würden auch mit Klamotte und Frisur nicht übermäßig mondän wirken. Andererseits hatte sich Schatz hier in der Gegend schon einige Vorurteile abgewöhnt und nahm sich vor, Herrn und Frau Höpferl erst einmal nett und sympathisch zu finden. Der Name war es jedenfalls.

»Es sieht aber nicht so aus, als wäre viel geklaut worden.« Schatz blieb an Ort und Stelle stehen, um der Spurensicherung nicht zu viel vorweg zu nehmen, denn obgleich alle, die sich im – ebenfalls untypisch für einen Juwelier – urig gemütlichen Geschäftsraum befanden, weiße Plastiküberschuhe trugen, konnte man doch einiges zerstören, was dem Fall dienlich sein konnte.

»Nein, tatsächlich nicht. Das hat auch Herr Höpferl schon festgestellt. Obwohl hier noch einige Stücke von Wert liegen. Der Juwelier ist spezialisiert auf hochwertigen Trachtenschmuck. Also, nichts Altbackenes, sondern richtig modern, aber eben mit Stil.« Der Polizist kannte sich offensichtlich aus.

»Was ist mit der Angestellten?« Schatz wandte sich nun wieder ganz dem Polizisten zu.

»Sie wurde niedergeschlagen. Mit dem blutigen Kantholz da drüben, nehmen wir an. Dort lag sie auch.«

Schatz schaute hinüber, wo der Tatort mit einem Schild gekennzeichnet worden war.

»Und wer hat sie gefunden?«

»Die Tür stand offen. Eine Dame kam vorbei und hat einen Blick hereingeworfen, weil ihr das spanisch vorkam, also die offene Türe am frühen Morgen. Und sie fand das Fräulein Tröger, die Angestellte.«

»Wie muss ich mir die Dame und das Fräulein Tröger vorstellen?« Schatz hatte sich einige Notizen gemacht, während Friedl eines seiner Handys mitlaufen ließ, eine Eigenart, die ihnen beim letzten Fall enorm weitergeholfen hatte.

»Die Simone Tröger ist Mitte zwanzig. Und die Dame wohnt hier gleich nebenan, also zwei Häuser weiter. Die war mit ihrem Hund Gassi.«

Schatz nickte.

Er war hundeaffin, seit der Hund eines Übeltäters aus einem früheren Fall bei ihm gelandet war. Hund Rudi durfte heute bei Frauchen Carlotta bleiben und sich wieder zu Hause eingewöhnen. Bis vor zwei Tagen noch hatten ihn Julia und Georg bei sich aufgenommen, das hieß, er war in Julias Wohnung, wo sich auch Herzl die meiste Zeit aufhielt.

»Gibt es noch etwas?«

Der Uniformierte schüttelte den Kopf.

»Das ist alles, was wir bisher wissen. Übernehmen Sie hier?«

»Ja, vielen Dank. Vielleicht nur noch zwei Dinge: Wo ist die Zeugin jetzt und wo wird die Simone Tröger behandelt?«

»Die Dame ist draußen. Ich glaube der Häupl Hans ist bei ihr. Und die junge Frau ist im Krankenhaus hier am Ort.«

»Wissen die Ärzte, dass sie bei der Behandlung auch nach Spuren Ausschau halten müssen?«

»Weiß ich nicht. Sie wissen aber, dass sie Opfer eines Überfalls war.«

»Gut, dann kümmern wir uns auch darum. Vielen Dank.«

Friedl staunte. So viele Dankeschöns war er von Schatz, der zwar höflich, aber sicher nicht überhöflich war, nicht gewöhnt.

Schatz wandte sich ihm zu.

»Friedl, würdest du bitte mal bei Häupl und der Dame – wie heißt die eigentlich? – vorbeischauen und sehen, was sie zu berichten weiß?«

»Gerne doch!« Friedl konnte nicht anders, als sich dem ungewöhnlichen Ton anzupassen. Er trabte hinaus.

Schatz, der immer noch auf seinem Fleck stand, schaute sich um. Normalerweise war Herzl derjenige, der an solchen Tatorten die Feinheiten wahrnahm, die anderen oft entgingen. Nun musste Schatz seinen siebten Sinn schärfen.

Der Verkaufsraum mutete an wie eine gemütliche Gebirgshütte. Komplett aus Holz mit einer zwar eleganten, aber ebenfalls aus edlem Holz bestehenden Sitzecke. Die Polsterauflagen waren fröhlich bunt gemustert und dasselbe Muster fand sich in ein paar Tischdeckchen, die hier und da herumlagen und die Unterlage für ein paar Topfpflanzen bildeten. In den beiden tiefen Fensternischen gab es so eine Deko, ebenso auf einer Ecke des Verkaufstisches und auf einer der beiden kleineren Nebentheken. Offensichtlich hatte jede dieser Verkaufsinseln ein spezielles Thema. An einer der kleineren Theken gab es eine Vitrine ausschließlich mit Charivaris, an der anderen Theke war es rustikaler Dirndlschmuck, den man in einer kleinen Vitrine bewundern konnte. An der Haupttheke gab es unter einem Glasboden mehrere Taschenuhren, rustikale und moderne, dazu in den Vitrinen Armbänder, Halsketten und weiteren Schmuck. Nicht alles war Trachtenschmuck, soweit Schatz das einschätzen konnte.

Nun herrschte ein Tohuwabohu im Raum.

Schatz bahnte sich vorsichtig einen Weg hinüber zu dem Juweliers Ehepaar Höpferl.

»Guten Tag. Ich bin Kriminalhauptkommissar Schatz und meine Kollegen und ich übernehmen den Fall. Die Spurensicherung wird in Kürze kommen und sehen, was sie noch finden.«

»Kriminaler? Aber es ist doch ein Diebstahl?« Herr Höpferl schien irritiert zu sein. Seine Verwirrung über die Geschehnisse standen ihm förmlich ins Gesicht geschrieben.

»Aber leider wurde Ihre Angestellte offensichtlich schwer verletzt. Jemanden mit einem Hilfsmittel niederzuschlagen kann auch noch viel schlimmere Folgen haben. Und somit ist es ein potentielles Tötungsdelikt. Deshalb sind wir Kriminaler zuständig«, erklärte Schatz geduldig und umschweifig.

»Ich verstehe das hier alles nicht. Sehen Sie sich nur um. So viele Scherben. Die Vitrinen und auch diese Theke hier wurden zerbrochen, so als wäre der Dieb nur aufs Kaputtmachen aus gewesen. Aber es fehlt kaum etwas. Es ist auffällig, dass er es offensichtlich auf Diamanten abgesehen hat. Aus jeder der Vitrinen fehlen nur Schmuckstücke, bei denen die besten Diamanten verarbeitet wurden. Die weniger guten Edelsteine hat er zurückgelassen. Nur die besonders reinen hat er eingesackt.«

»Sie meinen, dass er ein Profi gewesen sein muss? Jemand, der auf den ersten Blick die Reinheit feststellen kann?«

Häupl und Friedl waren hinzugetreten und hörten aufmerksam zu.

»Aber das ist es ja eben. Um die Reinheit festzustellen brauche ich eine Lupe. Gut, ich habe inzwischen einen Blick dafür, meine Frau natürlich auch…«, Frau Höpferl nickte mit ernster, angespannter Miene. Sie hatte sehr viele Haare auf dem Kopf, die auffällig ungekämmt nach allen Richtungen abstanden. Fast so, als wäre sie in eine elektrische Stromleitung geraten.

»Also, wenn ich das Stück in die Hand nehme, dann kann ich das schon auch mit dem bloßen Auge beurteilen. Aber zielsicher die richtigen Stücke herausholen? Als jemand, der das Geschäft überfällt und immens unter Druck steht?«

»Sie meinen also, es könnte jemand gewesen sein, der vorher schon einmal im Geschäft war und sich genau umgesehen hat?«

»Das wäre möglich. Anders kann ich es mir nicht vorstellen.«

»Gibt es denn jemanden, der sich hier einmal auffällig teure Stücke zeigen hat lassen?« Schatz hoffte auf die Tatsache, dass hier jeder jeden kannte. Jetzt war Bad Hetzing zwar eine Stadt, aber erheblich kleiner als Dranstadt und sicherlich nicht weniger kuschelig.

»Ich komme da im Moment auf niemanden. Normalerweise ist meine Frau im Laden und ich bin im Hinterzimmer beim Arbeiten. Ich bin Goldschmied und entwerfe viele der besonderen Schmuckstücke selbst. Oder meine Frau entwirft sie und ich baue sie.« Herr Höpferl schien ein wenig verwirrt zu sein. Seine Erklärung klang, als ob er sich die Worte zusammensuchen und mühsam in Sätze verbauen musste.

Schatz fand Herrn Höpferl nichtsdestotrotz sehr sympathisch. Ganz so, wie er bereits angenommen hatte. Und auch die Frau schien eine angenehme Person zu sein, wenn auch gerade einigermaßen durch den Wind geschossen.

»Bitte schauen Sie alles genau durch, aber wenn möglich, ohne etwas zu berühren. Und achten Sie auch darauf, wo Sie hintreten. Erst wenn alles untersucht wurde, können Sie sich wieder freier bewegen. Herr Häupl hier wird Sie begleiten.«

Hans Häupl nickte und gesellte sich zum Ehepaar, während Schatz zu Friedl nach draußen ging.

»Was ist nun mit der Dame?«

»Frau Mönch. Reichlich über siebzig. Sie ging mit dem Hund, da fiel ihr die offene Tür auf, sie rief hinein, sah die Scherben und dann auch schon einen Fuß der Frau Tröger. Da war sie ganz außer sich und hat sofort einen Passanten gebeten, die Polizei und den Notarzt zu rufen. Der blieb dann mit ihr da, bis der Notarzt kam. Das waren kaum fünf Minuten nach dem Anruf. Das Krankenhaus ist wohl nicht weit entfernt. Hineingetraut haben sich die beiden in der Zwischenzeit nicht, weil sie ja nicht wussten, ob der Dieb nicht noch da ist.«

Schatz nickte.

»Verstehe. Die Juweliere wundern sich darüber, dass nur wenige, dafür aber die teuersten Schmuckstücke geklaut worden sind. Vor allem diamantenbesetztes Geschmeide.«

»Versicherungsbetrug?«

Schatz wiegte den Kopf bedächtig hin und her.

»Ach, ich glaube eigentlich nicht. Da müsste ich mich schon schwer täuschen in den Höpferls. Die wirken recht einfach und bodenständig. Aber im Auge behalten müssen wir diese Möglichkeit natürlich schon. Ich würde sagen, wir warten erst einmal auf die Spurensicherung. Bis dahin können wir uns hier in der Gegend mal umsehen und nachfragen, ob irgendwer etwas gehört oder gesehen hat. Ich meine morgens um halb acht schläft doch so eine Stadt noch. Vor allem in der Ferienzeit.«

»Ach ja, sind ja Ferien«, stellte Friedl zusammenhanglos fest. Er schaute in die Runde. Dorthin, wo sich außerhalb der Absperrbänder Schaulustige eingefunden hatten und von denen jetzt einige eifrig mit dem Handy filmten.

»Es heißt, der Täter kehrt an den Tatort zurück«, sagte er nachdenklich.

»Hmh«, machte Schatz und Friedl wunderte sich über seinen entspannten Chef.

Dann nahm Friedl sein Handy und filmte ungerührt die Neugierigen, die sich postwendend aus dem Staub machten.

»Gut, das hätten wir«, murmelte er zufrieden.

Schatz hatte, an die Schaufensterscheibe des Juwelierladens gelehnt, Friedls Aktion beobachtet.

»Ich fürchte, wir müssen mal ins Krankenhaus fahren.« Schatz hasste Krankenhäuser. Das hatte er durchaus gemein mit dem Kollegen Herzl, aber bisweilen musste es eben sein.

»Wo ist denn hier das Krankenhaus, in das das Opfer eingeliefert wurde?«, wandte er sich an einen der Uniformierten, die am Absperrband Wache hielten.

»Einfach die Straße da hinunter und unten die Querstraße links. Dann dem Schild Krankenhaus nach. Und da ist es dann auch schon.« Der Uniformierte unterstützte die Erklärung mit ausladenden Handbewegungen und Schatz seufzte.

»Friedl, hältst du hier zusammen mit Häupl die Stellung? Vielleicht können die Juweliere schon Auskunft über die gestohlenen Stücke geben. Ich komme zurück, sobald ich kann.«

Friedl nickte und Schatz marschierte hinüber zu seinem Fahrzeug.

 

Wenig später schlug er im örtlichen Krankenhaus auf. Obgleich das, was er vorfand, kaum einem Krankenhaus ähnelte. Es gab weder Besucher noch jemanden an der Rezeption. Der Flur lag dunkel vor ihm und er überlegte, wo er nun langgehen sollte. Etwas tiefer im Gebäude, den Flur hinunter, erkannte er einige Hinweistafeln. Er hielt darauf zu. Dort angekommen befand er sich auf einer Kreuzung, die nach links zur Palliativstation führte, wie ein Hinweisschild verriet. Dort war Betrieb. Leute standen im Flur, eine Schwester unterhielt sich leise mit ihnen, jemand heulte.

Schatz seufzte. Er mochte gerade nicht darüber nachdenken, wie es war, seine Angehörigen zu verlieren, und wandte sich stattdessen zur anderen Seite. Innere Station. Dort war niemand zu sehen. Allein ein paar Gerätschaften auf dem Flur zeugten davon, dass die Station womöglich belegt sein könnte. Er ging geradeaus weiter und traf tatsächlich auf eine Schwester.

»Ich bin auf der Suche nach der Notaufnahme. Dort wurde heute Morgen ein Überfallopfer eingeliefert.«

Die ältliche Schwester nickte.

»Ja, richtig. Die junge Frau aus dem Juwelierladen. Sehen Sie, wir haben eigentlich keine richtige Notaufnahme hier. Das wird heute alles zentral gemacht. Kostensparend. Allerdings besonders dringende Fälle können wir hier zumindest erstversorgen.« Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie eigentlich keine Auskunft geben durfte. »Und Sie sind?«, fragte sie mit unvermittelter Schärfe in der Stimme.

»Kriminalkommissar Schatz. Ich bearbeite den Fall.«

Die Schwester schien erleichtert zu sein.

»Ich bringe Sie.«

Schatz stellte sich dem Arzt, zu dem die Schwester ihn geführt hatte, erneut vor.

»Ja, die junge Frau war schlimm verletzt. Am seitlichen Nacken. Wir haben eine ganze Menge Glassplitter herausgeholt, aber…«

»Glassplitter?«

»Ja, es schien, als wäre sie in Glas gefallen. Aber nur an dieser einen Stelle am Nacken. Sonst hatte sie keine weiteren Verletzungen. Ein paar blaue Flecken, aber nichts Ernstes. Die Nackenverletzung hat sie aber ausgeknockt. Sie war bewusstlos, als das Rettungsteam sie vor Ort erstversorgte.«

»Glassplitter?«, fragte Schatz erneut.

Der Arzt schaute ihn ein wenig verwirrt an. »Was haben Sie eigentlich immer mit Ihren Glassplittern?«

»Weil sie angeblich mit einer Holzlatte niedergeschlagen worden ist.«

Der Arzt stutzte.

»Sie meinen, jemand hat sie mit einer Holzlatte niedergeschlagen?«, wiederholte er, hob aber dann die Hand, um Schatz‘ Entgegnung abzuwürgen. »Dann müsste sie aber irgendwie in Glas gefallen sein.«

»Passt die Verletzung dazu? Und überhaupt, wie geht es ihr?«

»Sie schläft jetzt. Wir haben die Wunde gesäubert, genäht und verbunden. Und natürlich nachgesehen, ob nicht noch mehr Wunden da sind. In Kürze wird sie nach Dranstadt in die Kreisklinik gebracht, wo auch noch ein CT gemacht wird. Wir warten auf den Rettungswagen, der sie hinbringt. Im Großen und Ganzen war sie gut orientiert, als sie aufgewacht ist. Aber zurück zur Sachlage: Es gibt keinen Hinweis darauf, dass sie mit einer Holzlatte geschlagen worden wäre. Weder Splitter noch passende Blutergüsse. Die blauen Flecken, von denen ich sprach sind durch den Fall entstanden. Da bin ich mir sicher. Eigentlich hatte ich das Gefühl, dass sie vielleicht gegen die Kante einer Vitrine gefallen ist, oder auch gestoßen wurde, wie auch immer. Und daher kommen die Glassplitter. Ich habe sie aufbewahrt, weil ich schon dachte, Sie würden sich dafür interessieren. War es vielleicht eine glatte Latte?«

Der Arzt schmunzelte über das Wortspiel.

Schatz‘ Miene hellte sich auch auf.

»Nein, ein richtig grobes Holzstück mit abstehenden Splittern. Da zieht man sich schon einen Spieß ein, wenn man das Ding nur ansieht.«

»Ich kann nur sagen, dass wir sie gründlich untersucht haben. Sowohl am Kopf, als auch am Körper und sie hat ja auch gesagt, wo sie Schmerzen hat. Wie gesagt, nachdem sie wieder wach war und das war sie eigentlich schon halbwegs beim Eintreffen hier, konnte sie ganz normal mit uns sprechen.«

»Dass sie mit der Holzlatte niedergeschlagen wurde, war eigentlich nur eine Vermutung, weil wir Blut an dem Stück Holz gefunden haben. Vielleicht hat der Täter sie tatsächlich nur weggeschubst und sie ist dumm gefallen. Was sagt sie eigentlich selber dazu?«

»Sie sagte, sie wurde niedergeschlagen. Aber wir haben natürlich keine polizeiliche Befragung gestartet. Bei uns ist wichtig, wo die Schmerzen sind.«

»Verstehe. Denken Sie, ich kann kurz mit ihr reden?«

»Wenn Sie sie nicht aufregen.« Der Arzt wies Schatz mit einem Fingerzeig den Weg und öffnete wenige Schritte später eine jener riesigen Edelstahlrolltüren, die Notaufnahmen zu eigen waren.

Schatz trat ein und fand eine junge Frau im Krankenhauskittel auf einer Untersuchungsliege liegend, mit einem Laken zugedeckt. Es war warm im Raum und die junge Frau hatte die Augen geschlossen. Sie war eine eher herbe Schönheit, mit kantigem Gesicht und einer Nase, die eine Spur zu groß war. Aber auf ihre Art durchaus attraktiv. Andererseits – wer sah schon gut aus, zwischen Krankenhauslaken und mit einem Verband um den Hals.

Das Geräusch der auf Schienen laufenden Schiebetür ließ sie blinzeln.

»Frau Tröger. Ich bin Polizist und untersuche den Überfall, der Sie heute getroffen hat. Denken Sie, dass Sie mir einige Fragen beantworten können?«

»Scho…«, sagte Frau Tröger, Simone mit Vornamen, wie Schatz sogleich erfuhr. Ihre Stimme klang schwach.

»Was ist denn passiert heute Morgen?«

»I bin ins Geschäft und da sperr i auf und dann kommt der Typ, drängt mi nei und haut mi um. Des wars.« In ihren Augen schimmerten Tränen.

»Keine Angst, Frau Tröger, ich bin gleich wieder weg, damit Sie in Ruhe weiterbehandelt werden können. Wie ich höre, werden Sie nach Dranstadt gebracht. Da werde ich Sie dann noch einmal besuchen, wenn es Ihnen etwas besser geht. – Aber vielleicht können Sie mir etwas zu dem Mann sagen. Und womit hat er sie, äh, geschlagen hat.«

»A Lattn. So aus Holz. Und i weiß bloß, dass der größer war als i.«

Also musste er wirklich groß gewesen sein. Denn die Simone Tröger maß gut und gerne ein Meter achtzig, wie er allein an ihrer Liege abmessen konnte.

»Wenn er größer als Sie war, muss er ja fast eins neunzig gewesen sein. Sie sind ja auch schon ziemlich groß.«

»Ja, eins achtzig. I wär gern kleiner. Und ja, der war wirklich groß.«

»Können Sie sich sonst noch an etwas erinnern?«

»Nein. Nix mehr. Des war so schnell und einfach glei, nachdem i aufgsperrt hab.« Sie seufzte tief.

»Wann war denn das in etwa?«

»Um halb acht. Da kimm i immer und heut war i sehr pünktlich. Normalerweise bin i a wengal früher dran.«

Sie war also heute richtig pünktlich, obwohl sie sonst immer früher im Geschäft aufschlug. Schatz nickte.

»Alles gut, Frau Tröger. Wir kümmern uns um die Sache und Sie werden sehen, im Handumdrehen haben wir den Täter.«

Simone Tröger nickte mit düsterem Blick und schloss dann wieder die Augen.

Schatz holte sich vom Arzt noch die Glassplitter ab, die der in einem Glas verkorkt hatte, und verschwand dann wieder durch den dunklen Flur.

 

Zurück am Tatort übergab er das Glas den Leuten von der Kriminaltechnik, die inzwischen angekommen waren und gesellte sich zu seinen Kollegen, die sich mit dem Ehepaar Höpferl im Goldschmiedeatelier von Herrn Höpferl versammelt hatten. Es war ein heller Raum im oberen Stockwerk des alten Bürgerhauses. Der Arbeitstisch des Goldschmieds stand an einem großen Panoramafenster mit majestätischem Blick auf die Berge des Bayerischen Waldes. Seine Arbeitsgeräte, von denen einige an Werkzeuge in einer Zahnarztpraxis erinnerten, lagen auf verschiedenen Tabletts ordentlich aneinandergereiht. An der Wand links neben dem Tisch gab es einen Schrank mit schmalen Schubläden, in denen das Material aufbewahrt wurde. Steine in unterschiedlichen Größen und Formen. Wertvolleres und wenig wertvolleres Material. Diamanten waren nicht darunter, wie Schatz mit einem Blick auf die Aufschriften an den Schubladen rasch erfasst hatte.

»Wir haben inzwischen eine Liste von den fehlenden Stücken«, informierte Häupl beflissen und lenkte Schatz‘ Aufmerksamkeit auf die Personengruppe, die sich rund um einen Tisch niedergelassen hatte. Es sah aus, als wäre dieser hintere Teil des großen Raumes reserviert für diverse Pausen. Die Ecke war eher einfach gestaltet, mit einer zu zwei Seiten entlanglaufenden Sitzbank und einem passenden Tisch. Meterware irgendwie, kein Schickimicki wie im Verkaufsraum. Gebremste Gemütlichkeit fürs Personal eben.

»Es sind allesamt Stücke mit hervorragend reinen Diamanten,« sagte Herr Höpferl gerade und reichte Schatz ein Foto hinüber.

»Wo bewahren Sie Ihre Diamanten auf, Herr Höpferl?«, fragte Schatz, ohne einen Blick auf das Bild zu werfen.

»Normalerweise liegen die wertvolleren Steine im Safe. Dort drüben.« Herr Höpferl zeigte auf einen massiven Safe, der in die dicke Wand einbetoniert war, allerdings sehr groß für einen Wandsafe erschien.

»Dort schließe ich auch die wertvollen Schmuckstücke ein, also die Sonderanfertigungen…« Da sollte noch etwas kommen, aber Herr Höpferl brach ab und schaute extrem unglücklich aus. Genauso wie seine Frau, deren Haare immer noch nach allen Seiten abstanden.

»Warum lagen die gestohlenen Stücke dann noch im Laden… also, waren offensichtlich nicht eingeschlossen?«

»Ja, warum? Die Stücke, die ich Ihnen aufgelistet habe, bleiben normalerweise im Laden. Aber das eine…« Herr Höpferl sah aus, als würde er gleich zu weinen beginnen. Aber er riss sich zusammen.

Schatz hatte es nicht so mit weinenden Männern.

Die Blicke der Kriminaler ruhten auf dem Juwelier. Keiner sagte etwas, weil alle sicher waren, dass Herr Höpferl zu einer Erklärung ansetzen würde, wenn er sich erst wieder gefasst hatte.

Und tatsächlich…

»Schauen Sie auf das Foto. Das Geschmeide, das Sie dort sehen, war eine Auftragsarbeit. Ich habe es gestern noch fertiggemacht und dem Kunden im Laden gezeigt. Eigentlich schon nach Feierabend. Der Kunde kam recht spät in das Geschäft und wir, also meine Frau und ich, haben auf ihn gewartet. Es sind die besten Diamanten, die ich hatte. Dazu das hochkarätige Gold.«

Schatz begutachtete die wertvolle Arbeit.

»Sieht aus wie für eine Königin gemacht.«

»Ja, das sollte es auch sein. Gemacht für eine Königin. Ein Mensch, für den Geld keine Rolle spielt, schenkt so was seiner Frau. Die trägt das dann nur für ihn. Es gibt seltsame Typen, aber auch die gehören zu unserem Geschäft.« Herr Höpferl atmete tief durch.

»… und der Safe?«, wagte Friedl einzuwenden.

»Ich habe vergessen es einzuschließen.« Der Juwelier ließ den Kopf hängen. »Und deshalb wird mir die Versicherung den Hintern zeigen, um es einmal deutlich auszudrücken.«

»Wie viel war das Stück wert?«

Mit Leichenbittermiene und einer Stimme, die vor Schmerz nur so triefte, sagte der Juwelier: »Hunderttausend Euro.«

Die drei Beamten erstarrten.

»Das ist viel!«, sagte Häupl, der sich als erster von seinem Erstaunen erholt hatte.

»Sehen Sie, ich war so begeistert davon, so eine Arbeit machen zu können. Ein eigener Entwurf, den meine Frau und ich uns haben einfallen lassen. Der Kunde war hingerissen, und wir waren es auch. Das Ergebnis konnte sich wirklich sehen lassen. Und der Kunde lobte die Arbeit in den höchsten Tönen. Ich hatte noch vor, eine Kleinigkeit nachzubessern, am Verschluss. Das hatte ich übersehen und deshalb habe ich den Kunden gebeten, es da zu lassen, damit ich den Mangel noch beheben konnte.« Er zuckte hilflos mit den Schultern. »Und ich lege das Geschmeide hinter die Theke, um noch rasch eine andere Arbeit zu erledigen und vergesse es einfach! Ich habe es vergessen!« Er schaute unendlich geschmerzt zuerst zu den Beamten, dann zu seiner Frau, bei der nun auch die Tränen flossen.

»Und ausgerechnet heute ist der Überfall.« Friedl wollte eigentlich nicht so deutlich werden, aber nun konnte er die spontane Aussage auch nicht mehr zurücknehmen.

»Sie denken doch nicht, dass wir das absichtlich getan haben? Was sollte ich denn davon haben? Abgesehen davon, dass niemand mir mehr vertrauen wird, es fehlen auch noch andere Stücke, die in der Auslage im Laden lagen. Natürlich viel weniger wertvoll, aber eben doch auch von Wert. Vor allem, wie gesagt, die reinen Diamanten. Wir lassen die normalen Stücke normalerweise in der Auslage, weil der Laden eigentlich recht gut gesichert ist.« Herr Höpferl wirkte extrem aufgelöst und sprach ein wenig wirr.

»Wie kann man so ein wertvolles Stück vergessen?«, fragte Schatz trotz seiner extrem ausgeglichenen Stimmung verständnislos.

Herr Höpferl antwortete nicht sofort. Es schien, als könne er das alles gerade nicht fassen. Dann atmete er tief durch und erklärte: »Mein Sohn hatte einen Unfall. Wir wurden angerufen, kaum, dass der Kunde aus dem Geschäft war. Ich war, wie gesagt, noch dabei die Post, zu der ich am Tag nicht gekommen war, anzuschauen, und wollte das Geschmeide dann im Safe verschließen. Da kam der Anruf und meine Frau, die sich noch ein wenig mit der Buchhaltung befasst hatte, war ganz aufgelöst. Ich selber natürlich auch. Wir sind sofort los. Dann haben wir die halbe Nacht im Krankenhaus verbracht und als wir nach Hause gekommen sind, habe ich mit keiner Silbe mehr daran gedacht, dass ich so etwas Wichtiges im Geschäft vergessen hatte.«

Schatz nickte. Das unglaubliche Verhalten des Juweliers erschien in einem anderen Licht. »Wie geht es Ihrem Sohn?«

»Er wurde noch in der Nacht operiert. Aber letztendlich hatte er Glück. Es ist noch nicht klar, was genau passiert ist, sagt die Polizei. Meine Frau hat vorhin dort angerufen und er ist aus der Narkose erwacht und konnte schon ein paar Worte am Telefon mit ihr sprechen.«

»Dann war es reiner Zufall, dass der Dieb ausgerechnet das wertvolle Stück auf dem Präsentierteller fand. Unglaublich,« bekräftigte Friedl.

»Es ist aber ein Einzelstück. Das bedeutet, wer immer es auch jetzt hat, er geht ein Risiko ein, wenn er es zu Geld machen will. Oder anders gesagt: Wir müssen sofort die einschlägigen Händler informieren. Da sind wir in Europa inzwischen gut vernetzt,« überlegte Schatz.

»Wie geht es denn dem Fräulein Tröger?«, fragte nun die Juweliersgattin.

»Wie es scheint, wurde sie niedergeschlagen. Aber sie ist gut versorgt und es geht ihr den Umständen entsprechend. Sie wird inzwischen schon in Dranstadt sein, wo sie weiterbehandelt wird. Ich konnte bereits ein paar Worte mit ihr wechseln.« Schatz‘ Formulierung brachte ihm einen fragenden Blick von Häupl ein. Wieso schien es so, als wäre sie niedergeschlagen worden? Häupl nahm sich vor, später danach zu fragen.

»Gut. Das wäre furchtbar, wenn ihr auch noch etwas zugestoßen wäre, also noch Schlimmeres«, sagte Frau Höpferl mit Anteilnahme in der Stimme.

»Wir lassen Sie jetzt erst einmal in Ruhe. Wenn die Männer von der Spurensicherung fertig sind, dann können Sie die Schmuckstücke aus den Auslagen nehmen und verschließen oder wegbringen. Komplett aufräumen sollten Sie aber noch nicht. Vielleicht müssen wir uns noch einmal umschauen, wenn es neuere Erkenntnisse gibt.«

Die beiden nickten und die Kriminaler verabschiedeten sich.

Kapitel 2 

Im Büro erwartete sie eine große Überraschung. Herzl saß an seinem Schreibtisch und wälzte die alten Akten, die nach wie vor zu ihrem Aufgabengebiet gehörten. Schatz blieb vor Erstaunen im Türrahmen stehen, was zur Folge hatte, dass sowohl Friedl als auch Häupl auf ihn aufliefen.

Der erste Gedanke, der in allen drei Köpfen herumspukte war, dass Julia ihn rausgeschmissen hatte – nach etwa zwei Stunden Urlaub.

Herzl schaute die Neuankömmlinge an.

»Was los?« Er wirkte ein wenig angefressen. Aber nur ein wenig.

»Was machst du hier?«, stellte Friedl die alles entscheidende Frage.