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Was tun, wenn morgens an der Bushaltestelle folgende Botschaft grüßt: »Früh aufstehen ist der erste Schritt in die falsche Richtung!« Wer zur Hölle klebt öffentlich seine Telefonnummer unter die Anfrage: »Suche Sex statt Liebe«? Tausende solcher Zettel zieren Litfaßsäulen und Ampelmasten – von uns im Alltag oft missachtet. Diese Botschaften aber sind wahre Schätze, denn sie erzählen, wie Deutschland lebt, liebt, flucht, fühlt – sie sind Twitter in analog. Hier suchen Menschen noch ganz altmodisch nach dem verlorenen Schlüsselbund oder der großen Liebe. Die Stadt spricht. Und dieses Buch weiß sie zu lesen!
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und alle Zettelgold-Gräber
Sollte es nicht gelungen sein, alle Zettel-Autoren ausfindig zu machen, kontaktieren Sie gerne Autorin oder Verlag. Vereinzelt waren Fotos unscharf oder zu dunkel. Um eine bessere Lesbarkeit zu erzielen, wurden sie daher für das Buch abgeschrieben und erneut fotografiert.
ISBN 978-3-492-97342-7
September 2016
© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2016 in Kooperation mit SPIEGEL ONLINE, Hamburg 2016
Covergestaltung: semper smile, München
Covermotiv: shutterstock (Zettel, Reißzwecken), pixabay.com (Hund, Hintergrund)
Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell
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Wie alles begann
Das Foto von Jonas’ Zettel trug ich ein Jahr mit mir herum, abgespeichert auf meinem Handy. »Alles an Dir ist bezaubernd«, stand darauf. »Bitte vergib mir, wenn ich Schwachsinn geredet haben sollte. Jonas.« Es war der erste Zettel.
Immer wieder wollte ich bei ihm anrufen. Hatte er die Frau gefunden, die er suchte?
Die Frage, welche Geschichte sich hinter dem Zettel verbarg, hatte mich nicht mehr losgelassen. Ab jetzt achtete ich auf all die Schätze, die in Deutschlands Städten an Schwarzen Brettern hingen, an Litfaßsäulen, Stromkästen und Bäumen. Denn sie erzählen, welche Themen Menschen bewegen, was sie ärgert, freut und verzweifeln lässt.
Tausende Zettel hängen in Deutschlands Städten. Jeder Schreiber hat eine ganz eigene, meist sehr persönliche Motivation. Und doch haben sie etwas gemein: Sie sind auf der Suche, wollen protestieren, verstehen die Zettel als Kunst oder als Botschaft an die Leser.
Gesucht werden Pfeil und Bogen, die große Liebe, Sex (ohne Liebe).
Protestiert wird gegen das Internet, Fahrraddiebe und die Bibel.
Hinterfragt wird, warum Damen- und Herrentoiletten nach Geschlechtern getrennt sein müssen und wieso in der Stadt so viel verboten ist.
Gefordert werden Gerechtigkeit für Rentner, Flachlandgorillas und Stadttauben.
Und Jonas? Der freute sich über den Anruf. Und erzählte, wie der Zettel eine Zeit lang sein Leben bestimmte.
Frauke Lüpke-Narberhaus, Hamburg
An einem Sonntag, einen Tag nachdem er sich verliebt hatte, hängte er den ersten Zettel auf. 600 weitere sollten folgen.
Jonas, 30 Jahre, schlaksig, Nickelbrille und Dreitagebart, hatte sich abends mit einem Freund verabredet, doch der hatte ihn versetzt. Jonas ging allein ins Hamburger Völkerkundemuseum, schaute sich die Ausstellung im Maori-Haus an, besuchte das Konzert einer marokkanischen Band. Mehr als ein Jahr ist das jetzt her.
Dort sah er diese Frau. Allein tanzte sie neben der Bühne, völlig in sich versunken, er tanzte sie an, sie bemerkte nichts. Jonas sagt, ihr Gesicht habe er gar nicht gesehen, nur ihre langen Haare, ihren Körper, ihre Bewegungen.
Als sie ging, folgte er, sprach sie an: »Entschuldigung, kann ich mal dein Gesicht sehen?« »Quatscht du immer Mädchen an?«, fragte sie. »Nein, ich bin eher schüchtern.« Er brachte sie zum Bus.
»Eigentlich lief es ganz gut«, sagt Jonas. Nur ihre Telefonnummer wollte sie ihm nicht geben, er wusste seine nicht auswendig und sein Handy lag zu Hause. Er diktierte ihr seine E-Mail-Adresse. Heute glaubt er, er habe dabei den Unterstrich vergessen.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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