Hessisch für Anfänger - Hans-Peter Dieterich - E-Book

Hessisch für Anfänger E-Book

Hans-Peter Dieterich

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Beschreibung

Obwohl kein gebürtiger Hesse wurde der Autor dank Radio und Fernsehen frühzeitig mit hessischem Liedgut (Rodgau Monotones), den Sorgen und Nöten der Familie Hesselbach und der Apfelweingastlichkeit des "Blauen Bocks" bekannt gemacht. Hinzu kommen 28 Lehrjahre als eingeplackter Frankfurter. Aus dem Blickwinkel eines "Hargeloffenen" richtet sich das Buch an Einheimische, für die der Dialekt noch zum Alltag gehört, und Zugereiste, die an der Mundart Gefallen finden. Es nimmt die Mundart ernsthaft, aber nicht verbissen unter die Lupe, teils amüsiert, aber stets neugierig. Ein großes Lesevergnügen für Jung und Alt, für Frankfurter wie für "annere Leut"!

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Seitenzahl: 99

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Hans-Peter Dieterich
Hessisch für Anfänger
mit Illustrationen von Martin Glomm
Alle Rechte vorbehalten • Societäts-Verlag
© 2014 Frankfurter Societäts-Medien GmbH
Satz: Nicole Ehrlich, Societäts-Verlag
Umschlaggestaltung: Nicole Ehrlich, Societäts-Verlag
Covermotiv: © Martin Glomm
eBook: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt
ISBN 978-3-95542-111-3

Inhaltsverzeichnis

Einleitung
1. Vom Babbeln und anderen Sprachfertigkeiten
2. Von Grammatik und anderen Eigenwilligkeiten
3. Vom guten Ton und anderen Nettigkeiten
4. Vom Essen, Ebbelwei und anderen Genüssen
5. Vom Hüpfem und anderen Bewegungsarten
6. Von der Kerb und anderen Festen
7. Von Bobbelsche, Schnerch und anderen Leuten
8. Vom Aussehen und anderen Befindlichkeiten
9. Von Machern und anderen Charakteren
10. Von falschen Hasen und anderen Uzereien
11. Von Moldrofs und anderem aus der Natur
12. Von Orten, Dingen und Gelersch
Literatur- und Quellenverzeichnis

Einleitung

„Jede Provinz liebt ihren Dialekt:
denn er ist doch eigentlich
das Element, in welchem die
Seele ihren Atem schöpft.“
Goethe, aus „Dichtung und Wahrheit“
„Auf Hessisch wirkt das
ein bisschen charmanter.“
Robert Treutel als Bodo Bach
über seine Telefonstreiche,
Interview in der FAZ
vom 23. März 2003
„Des Hessisch gibt’s gar net.“
Ein besorgter Leser zu den ersten
„Hessisch für Anfänger“-Glossen
in der Frankfurter Neuen Presse
*„Kall, mei Drobbe!“
Liesel Christs legendärer
Ausruf als Mama
Hesselbach

Erbarme …

Bevor Anfang der 80er Jahre die Rodgau Monotones die Republik mit dem Ruf „Erbarme, zu spät, die Hesse komme“ aufschreckten, hatten Babba und Mamma Hesselbach (Wolf Schmidt und Liesel Christ) bereits ein breites Fernsehpublikum mit dem hessischen Idiom bekannt gemacht. Wie andere Mundarten ist das Hessische von großen regionalen Unterschieden geprägt, und selbst im Rhein-Main-Gebiet variieren Aussprache und Wortschatz. Wenn man sich im „Blauen Bock“ mit Heinz Schenk zum Äbbelwoi ruhig niederließ, tat und tut man das in Frankfurt beim Ebbelwei oder Ebbler. Und die eingangs erwähnte Kultband reimt ganz volksnah: „Un de hib un de hob un de Schobbe in de Kobb“.
Der Vielfalt des Hessischen haben sich auch die Sprachforscher angenommen und in Form von Sprachatlanten dokumentiert, deren vierter und letzter Band 2010 von Heinrich J. Dingeldein herausgegeben wurde. Wir wollen uns der hessischen Mundart jedoch nicht allzu wissenschaftlich annähern, sondern aus der Sicht eines Eingeplackten, wie die Vollblut-„Berjer“ ihre zugezogenen Mitbürger liebevoll nennen. Nehmen wir die Worte des Mundartdichters Kurt Bambach aus seinem „Bichelsche“ „Warum denn net?“ als Leitgedanken: „Warum soll mer denn net so babbele, wie aan de Schnawwel gewachse is?“ „Rischtisch“.

Sprachgrenzen in Hessen

Kapitel 1Vom Babbeln und anderen Sprachfertigkeiten

Mundwerk

Die Mundart stellt, wie das Wort bereits andeutet, ganz pragmatisch den Mund als Werkzeug des Sprechens in den Mittelpunkt. Im Dialekt geht es beim Reden meist bildhafter und bodenständiger zu als im Hochdeutschen. Nicht von ungefähr verweisen in Hans Friebertshäusers „Kleinem hessischen Wörterbuch“ die Einträge „reden“ und „sprechen“ gleich auf „schwatzen, schwätzen“, was im Rhein-Main-Gebiet dem Babbeln entspricht. Das Wort „babbeln“, hinter dem sich das französische „babiller“ (schwatzen, plappern) versteckt, ist Grundstock für eine Reihe von Bezeichnungen für jemanden, der viel und Unwichtiges redet: „Babbeldasch“, „Babbelmaul“, „Babbelschnut“, „Babbelfritz“ und „Babbelhannes“, „Babbellies“ und „Babbelsuse“ oder der unvermeidliche „Babbelarsch“. Gern nennt man den anderen auch einen „Schleechtbabbler“ oder „Schleechtschwätzer“, wobei „schlecht“ mit langem e „dumm, töricht“ bedeutet.
Mund und Mundwerk stehen stellvertretend für Charakter und Eigenart eines Menschen. „Die hat awwer e Mundwerk“ kann bewundernd gemeint sein, „e bees Mundwerk“ nicht mehr.
Ein Mundstück lässt uns eher an Musik denken, meint aber im Folgenden die böse Zunge. Die Nachbarin ist ja „e ganz gut Fraa, hot awwer e bitterbees Mundstick“. Friedrich Stoltze bezeichnet schwatzhafte Personen bissig als „gewisse zwääbäänige Mundsticker“. Bezüglich der Größe des Mundwerks bemühte man in Frankfurt einst das beliebte Fußbänkchen („Schawellche“). Das Wort „Schawelleschnut“ ist rar geworden, die Großmäuligkeit gedeiht prächtig.

Schreien

Die nächtliche Ruhe fordert manche, meist jugendliche Zeitgenossen, geradezu heraus, sich auf mittlere Distanz schreiend zu verständigen oder die städtische Häuserzeile auf Echotauglichkeit zu testen. Unsicher, ob man im Dialekt neben dem „Maulaff“ auch vom „Brüllaff“ redet, liegen einem doch die gängigen Verwünschungen mit Tiervergleichen auf der Zunge. Manchmal klingt es aber nur wie ein Schimpfwort. „Brüllochs“ zum Beispiel, so lesen wir im „Kleinen hessischen Wörterbuch“ ist in Süd- und Mittelhessen ein Zuchtstier und fällt somit als Beschimpfung aus.
Die Mundart begnügt sich nicht mit einem einfachen Geschrei, sondern greift sprachlich zur schrilleren Stufe, wenn „schee gekrische“ wird. Frankfurter können gemäß den Redensarten je nach Bedarf wie „e Dachmerder (Dachmarder)“, „e Leeb (Löwe)“ oder „e Neuntöter“ kreischen – wie am Spieß sowieso. Wer „so e Gekrisch“ macht, heißt „Krischer“, wie man ein kleines schreiendes oder heulendes Kind bezeichnet. Erwachsene Schreihälse heißen auch „Großkrischer“, was nicht nur die Lautstärke sondern auch großmäuliges Gehabe meint.
Früher konnte jemand „ausgekrische“, in einen üblen Ruf gebracht werden. Heute kann einem das in der vernetzten Welt passieren und heißt dann „Shit Storm“. Gut, dass Schreien auch etwas Befreiendes hat: „Mit jedem Krisch geht en Brast (Kummer) vom Herze“, bestätigt das Frankfurter Wörterbuch.

Werrerra

Das Eisenwarengeschäft in der Frankfurter Innenstadt hatte sich für den Neu-Frankfurter stets als gute Adresse für die üblichen Heimwerkerutensilien erwiesen. Doch an diesem Tag Mitte der 80er Jahre gab es eine sprachliche Zugabe. Die Art, wie der nette und kompetente Verkäufer das „R“ rollte, klang so ganz anders als das sonst zu hörende Frankfurterisch, eher amerikanisch. Ob es damals um einen Rriegel oder das rrichtige Rreindrehen der Schrrauben ging, weiß ich nicht mehr. Aber dass ein Stückchen Amerika, zumindest was den R-Laut angeht, auch in den Mundarten der Wetterau schlummert, prägte sich ein.
Zum geflügelten Wort, das diese sprachliche Eigenheit beschreibt, wurde die „Runkelroiweroppmaschin“, das monströse Rübenvollerntegerät. Mit dem gleichnamigen Lied von „Adam und die Micky’s“ zog die Runkelrüben-Rausreißmaschine gar in die Populärmusik ein:
Die Runkelroiwerobbmaschin die robbt die Roiwe raus.
Un wenn se all gerobbt sin, isses Roiwerobbe aus.
Auch das „d“ in Bruder oder das „t“ in Wetter gleicht im Mittelhessischen einem Zungenspitzen-R, also „Brourer“, „Werrer“. Da dürfte selbst Elvis Presley nah am Dialekt gewesen sein, wenn es darum ging, den Ort seiner Wehrdienstzeit zu beschreiben: „Friedberg in the Werrerra“.

Kapitel 2Von Grammatik und anderen Eigenwilligkeiten

Der, die, das – oder was?

In der Sprache von Heinz Becker, der Figur des saarländischen Kabarettisten Gerd Dudenhöffer, wird der weibliche Vorname zum Neutrum. Die Hannelore heißt dann „es Hannelore“, was keine Respektlosigkeit ist sondern eine mundartliche Eigenart. Auch in den hessischen Dialekten haben einige Wörter ein anderes Geschlecht als im Hochdeutschen und sind in der Umgangssprache erhalten geblieben.