Hexen - Sarah C. E. Nieberl - E-Book

Hexen E-Book

Sarah C. E. Nieberl

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Beschreibung

Als Lisa in einen Unfall gerät, entdeckt sie Kräfte für sich, mit denen sie nie gerechnet hätte. Bald schon wird sie in eine Welt gezogen, die sowohl magisch als auch gefährlich ist und sie muss entscheiden, welchen Weg sie geht, um ihre Liebsten zu retten.

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Seitenzahl: 268

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Epilog

Kapitel 1

Lisas neues Zuhause roch nach alter Luft und getrockneter Farbe, vermischt mit einer Note von Haushaltsreiniger und trockenem Holz. Die Dielen knarrten sachte und leise unter ihren Schritten, während sie durch die Eingangstür in den Flur trat.

Eine Treppe führte ein Stück nach dem Eingangsbereich rechts an der Wand entlang nach oben in das obere Stockwerk, ehe der kurze Flur im Erdgeschoss in einer offenen Küche mit dem Wohnzimmer endete.

Direkt gegenüber der Treppe an der anderen Wand befand sich eine Tür, die nach einer kurzen Inspektion ein kleines Bad offenbarte. Es waren ein schmales Waschbecken, sowie eine Toilette und eine kleine, quadratische Dusche hinein gequetscht worden.

Sobald Lisa das offene Wohnzimmer betrat, bemerkte sie, dass es an der rechten Seite noch eine Tür mit einem Zimmer dahinter gab. Ihr Vater stellte es als längliches Gästeschlafzimmer vor. Es war jedoch im Augenblick, genauso wie jeder andere Raum - abgesehen von der Küche - vollkommen leer.

Einige Staubpartikel tanzten in der Luft vor den Fenstern, erhellt von der Sonne und Lisa atmete leise tief ein. Alles war fremd, vom Geruch und dem Klang des Hauses bis zu der Sicht aus den Fenstern.

"Unsere Sachen kommen heute Nachmittag", sagte ihr Vater in diesem Moment. Seine Schritte klangen schwer auf dem knarrenden Holzboden und er warf einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr.

"Oben sind unsere Schlafzimmer", fügte er hinzu und machte sich daran, alle Fenster und die Terrassentür zu öffnen, nachdem er die Taschen etwas beiseite rückte, die er mit in das Wohnzimmer getragen hatte.

Warme Luft strömte herein, sobald die ersten Fenster sich mit einem leisen Quietschen öffnen ließen und nach einem Moment des Zögerns ging Lisa die Treppe nach oben. Es gab vier weitere Räume im Obergeschoss, zwei Schlafzimmer, ein Badezimmer mit Badewanne, sowie einen leeren Raum, der entweder als Arbeitszimmer oder größere Abstellkammer dienen konnte.

Lisa warf einen Blick in die Zimmer, bis sie ihres fand. Die Wände waren bereits in einem beruhigenden, hellen blau gestrichen und der Blick aus den Fenstern erlaubte eine weite Sicht die Straße hinab und an den Häusern und Gärten der Nachbarn entlang.

Lisa stellte ihre schwere, große Tasche in ihrem Zimmer ab, bevor sie wieder nach unten eilte und ihrem Vater dabei half, die mitgebrachten Kisten und Koffer aus dem Auto zu heben und hinein zu traten.

Die Gegend in der sie ab heute leben würden war ruhig, die Gärten der meisten Häuser gepflegt und Lisa wusste, es war mit dem Auto von hier bis zum Ozean nicht mehr allzu weit. Oder zu den kleinen Dörfern und Vorstädten und den Stränden, welche die Küste an vielen Stellen säumten.

Es dauerte auch nicht lange um weiter in die Stadt zu kommen, was Lisa als kleinen Segen empfand, da sie immer noch ihre Freunde ohne größere Schwierigkeiten besuchen konnte. Auch wenn sie nicht mehr so viel Zeit hatten, nach dem Anna bald mit ihrem Studium anfangen würde und Ji-Woo nach dem Sommer seine Ausbildung als Fitnesstrainer begann.

Lisa selbst hatte sich nach einem langen Gespräch mit ihrem Vater für ein Selbstfindungsjahr entschieden. Was danach kam, würden sie besprechen, wenn es so weit war.

Sobald der Wagen fertig ausgeräumt war und die Kisten sich in den richtigen Räumen befanden, brachte Lisa schon einmal ein paar Sachen ins Badezimmer.

Ein kurzes Klopfen am Türrahmen ließ sie aufsehen, sobald sie ihren Kulturbeutel in eine Hälfte des Spiegelschrankes stellte. Ihr Vater hielt ein paar Flyer hoch.

"Ich habe mir überlegt, wir bestellen etwas zu essen bevor das Umzugsunternehmen eintrifft. Am Abend würde ich einkaufen fahren, damit wir etwas im Haus haben." Er reichte ihr die Flyer. "Such aus, was du möchtest."

Das Essen war rasch geliefert und Lisa stand mit ihrem Vater in der Küche, während sie aßen. Bald darauf trafen auch die Umzugswägen ein und Kisten und Möbelstücke wurden hinein getragen, die Schritte der Arbeiter waren kräftig auf den Dielen und ihre Stimmern erfüllten die Flure und Zimmer. Es dauerte eine Weile, bis alles hinein und in die richtigen Räume gebracht wurde und ihr Vater die Papiere unterschrieb, dass alles sachgemäß abgeliefert worden war.

Als das Umzugsunternehmen wieder verschwand, begleitete Lisa ihren Vater zum Supermarkt, um das Nötigste für den Anfang einzukaufen. Zurück in ihrem neuen Zuhause räumten sie die Lebensmittel auf und ließen sich dann auf das Sofa fallen, das einzige Möbelstück, das nicht erst noch aufgebaut werden musste.

Es war stiller hier, ruhiger als in der Stadt und nur gelegentlich hörte Lisa ein Auto auf der Straße vorbei fahren, im Gegensatz zu dem steten Verkehr den sie sonst von ihrer vorherigen Wohnung im Stadtkern gewohnt war.

Der Geruch nach alter Luft und Staub war verschwunden, doch dafür roch es jetzt nach den Umzugskartons und ein wenig nach Aftershave, von dem einer der Möbelpacker zu viel aufgetragen hatte.

"Wie gefällt es dir bisher?", fragte ihr Vater unvermittelt und warf einen kurzen Blick auf die Kartons um sie herum. "Soweit du das bisher sagen kannst, zumindest."

Seine Augen waren im Gegensatz zu Lisas braunen von einem warmen blaugrün und seine kurzen, aschblonden Haare wirkten fast so zerzaust wie Lisas dunkle Locken, nach einem halben Tag des Kistenschleppens, wobei sie beide ihre Tendenz zu Sommersprossen teilten. Ihr Vater sagte immer, sie hatte mehr von ihrer Mutter geerbt als von ihm.

"Oder sollte ich die Frage aufheben, bis wir uns eingerichtet haben?", fügte er hinzu.

Lisa hob eine Schulter und lächelte dann schief. "Wir sind gerade erst angekommen, aber bisher mag ich es. Mein Zimmer ist auf jeden Fall größer."

"Und es ist näher an meiner Arbeit, ab dem nächsten Monat." Mit einem kleinen Ächzen kam er auf die Beine. "Ich räume die Reste vom Lieferservice weg. Wenn du willst, können wir heute Abend noch dein Bett und die Kommoden aufbauen."

Lisa nickte und kurz darauf fanden sie sich zusammen in ihrem Zimmer wieder. Glücklicherweise dauerte es nicht lange, bis die Möbel standen und Lisa konnte sie problemlos selbst an die passenden Stellen verschieben, während ihr Vater in seinem Schlafzimmer verschwand um sein eigenes Bett und einen Schrank aufzubauen, wofür er ihre Hilfe dankend ablehnte.

Sobald Lisa ihr Bett bezogen hatte, ließ sie sich darauf fallen und ihr Blick schweifte durch den Raum. Alles schien fremd, das Haus war spürbar größer als ihre kleine Wohnung zuvor und die Kartons ließen das Zimmer kantig und unfreundlich aussehen.

Ein kleines 'Ping' riss sie aus ihren Gedanken und ein Lächeln erstreckte sich leise über ihr Gesicht, als sie rasch ihr Handy aus ihrer Reisetasche fischte.

Ihre Freunde Anna und Ji-Woo hatten sie gemeinsam angeschrieben und über den Tag verteilt gefragt, wie es ihr ging, Bilder geschickt und Anna hatte noch einmal nachgehakt, wann sie sich diese Woche treffen wollten.

Lisa antwortete ihren Freunden und spürte, wie sie immer müder wurde. Das Licht des Tages begann langsam zu schwinden und die untergehende Sonne warf eine Vielzahl von Farben über den teilweise bewölkten Himmel, von zartem rosa und gelb bis hin zu klarem orange.

Lisa öffnete einen der Kartons und suchte etwas durch die Kleidung, bis sie einen Schlafanzug fand und nach einem kurzen Abschied an ihre Freunde, zog sie sich um.

Dennoch dauerte es noch eine Weile, bis sie wirklich einschlief. Das Haus war voller unbekannter, subtiler Geräusche, ihr Bett stand anders, als sie es gewohnt war und eine Straßenlaterne schien von draußen hell in ihr Zimmer.

In ihrer ersten Nacht schlief Lisa besser als erwartet, wenn auch recht leicht und sie träumte von den rollenden Wellen des Ozeans und dem Rauschen der Bäume im Wind, obwohl sie immer noch ein gutes Stück von der Küste entfernt lebten.

Der nächste Tag brachte einen ruhigen, sommerwarmen Sonntag und Lisa und ihr Vater nutzten fast die ganze Zeit damit Regale und Schränke sowie andere Möbel aufzubauen. Die Kartons mit dazu auszupacken und alles einzuräumen, stellte sich als mehr Arbeit heraus, als Lisa gedacht hatte.

Zum Schluss jedoch war die Küche voll ausgestattet, das Wohnzimmer stand größtenteils, das Bad war komplett eingeräumt und sie hatten ein paar Regale in Lisas Zimmer und in dem Zimmer ihres Vaters angebracht.

Dazu waren jetzt auch ihre jeweiligen Schreibtische aufgestellt. Die Wände in den Fluren blieben vorerst kahl und das Gästezimmer würden sie als letztes irgendwann einrichten.

Lisa hielt für einen Augenblick inne, als sie an der Seite im offenen Wohnzimmer, gerade als der ummauerte Bereich unter der Treppe endete, eine Kommode stehen sah. Auf der Oberfläche standen Bilderrahmen mit Fotos, die ihr sehr vertraut waren.

Ihr Vater und ihre Mutter waren auf den Bildern zu sehen. Auf einem waren sie an ihrer Hochzeit abgebildet, auf einem anderen mit Lisa als Baby und das dritte Foto war auf der Veranda eines Strandhauses aufgenommen worden. Ihre Eltern sahen beide noch jung aus und ihr Vater lächelte breit und erfreut, während ihre Mutter stolz und zufrieden grinsend, die dunklen Locken vom Wind zerzaust, ein Diplom in den Händen hielt.

Lisa lächelte leise und strich über die Bilderrahmen, ehe sie sich der Küche zu wandte, in der ihr Vater stand.

"Als Abendessen haben wir…" Ihr Vater warf einen Blick in den Kühlschrank. "Tiefkühlessen, vorerst."

Kurz darauf befanden sich zwei Pizzen im Ofen, während Lisa mit ihrem Vater den Fernseher einsteckte und alles mit der Lautsprecheranlage und dem DVD-Player richtig verkabelte.

Sie aßen an der Küchentheke zusammen zu Abend und ihr Vater warf einen Blick auf die Uhr sobald er fertig war.

"Ich muss los, Nachtschicht", sagte er und räumte die leeren Teller zur Spüle. "Ich sollte morgen früh oder Vormittag wieder zurück sein."

"Pass auf dich auf." Lisa warf ihm ein Lächeln zu und ihr Vater verschwand um sich für die Arbeit vorzubereiten. In Polizistenuniform kam er kurz darauf wieder und hielt an der Eingangstür inne.

"Wenn irgendetwas ist, ruf mich oder das Revier an, okay?" Auf ihr Nicken hin zog er sich die Schuhe an. "Gute Nacht, schlaf gut!" Lisa war insgeheim froh, dass er nicht mehr lange im Schichtdienst war, da er ab dem nächsten Monat befördert wurde. Das war auch mitunter der Grund für ihren Umzug. Ihr Vater würde in einem anderen Revier arbeiten und sein Einkommen war auch groß genug, dass er sich das Haus leisten konnte.

Lisa wusch noch das Geschirr, ehe sie sich in ihr Zimmer zurück zog und eine Kiste öffnete. Sie begann ihre Bücher auszuräumen und auf den Regalen zu verteilen, zusammen mit einem Foto ihrer Eltern und einem anderen, das sie mit ihren Freunden aufgenommen hatte. Sie hatten sich alle dicht aneinander gequetscht und grinsten in die Kamera.

Ji-Woo, der ein wenig größer war als Lisa und Anna, hatte die Arme um ihre beiden Schultern gelegt und sich etwas herab gebeugt, während Anna ein wenig auf die Zehenspitzen gegangen war.

Lisa stellte die Bilderrahmen auf und rückte sie vorsichtig zurecht, ehe sie weitere Bücher dazu stellte.

An diesem Abend schlief sie schnell ein, mit dem Geruch von Pappe und dem noch fremden Haus in der Nase, während die ruhige Nachbarschaft von dem Mantel der Nacht umhüllt wurde.

Ihr Vater war am nächsten Morgen noch in der Arbeit und so schloss Lisa das Haus hinter sich ab und machte sich auf den Weg, um sich mit ihren Freunden bei Anna zu treffen. Hier am Stadtrand brauchte sie ein wenig, bis sie an einer Busstation ankam.

Der Weg fühlte sich nicht so lang an, wie zuerst gedacht und sie brauchte nur noch wenige Meter bis zu Annas Zuhause. Sie klingelte und stieg die Treppen nach oben, wo ihre Freundin sie mit einer Umarmung begrüßte. Dann zog Anna sie hinein und in ihr Zimmer.

Ji-Woo stand kurz vom Bett auf, um Lisa in eine feste Umarmung zu ziehen. Er trug wie üblich dunkle Jeans, ein Shirt mit einem Logo darauf, das Lisa dieses Mal nicht erkannte. Es könnte alles sein, von einer Band, einem Film oder Spiel. Ji-Woo ließ sie mit einem Grinsen wieder los und sie ließen sich alle zusammen auf Annas Bett sinken.

Anna war eine zierliche, blasse Brünette, die Ji-Woo gerade einmal bis zur Schulter reichte und neben dem beginnenden Fitnesstrainer mit kurzen, schwarzen Haaren, nahezu klein und schmal wirkte.

"Wie ist das neue Haus?", fragte Ji-Woo, sobald sie es sich alle bequem gemacht hatten.

"Ihr könnt uns besuchen kommen, wenn ihr wollt", schlug Lisa mit einem Lächeln vor. "Und soweit sieht es gut aus. Wir haben auf jeden Fall mehr Platz."

"Klingt gut, wir können ja später noch zu dir fahren", sagte Ji-Woo und Anna nickte zustimmend.

Ji-Woo erzählte ihnen dann von einer bestandenen Prüfung in seinem Selbstverteidigungskurs und sie sprachen über alles, das in letzter Zeit sonst noch geschehen war, ehe sie sich langsam auf den Weg zu Lisas neuem Zuhause machten.

Die Rückfahrt verging schneller als die Hinfahrt und sobald sie am Haus ankamen, öffnete Lisa die Tür leise.

"Mein Vater schläft wahrscheinlich gerade", sagte sie, als sie seine Schuhe auf einem Fußabtreter neben der Tür bemerkte.

An einer Wand des Flures standen zusammen geklappt unzählige Umzugskartons und abgesehen von aufgebohrten Kleiderhaken und einem kleinen, ebenfalls aufgebohrten Metallkästchen für Schlüssel war der Flur leer.

Ji-Woo und Anna ließen sich das Wohnzimmer mit der Küche zeigen und sobald sie sich etwas zu Essen geholt hatten, zogen sie sich auf Lisas Zimmer zurück.

Den Nachmittag über verbrachten sie damit, weitere Kisten auszuräumen und danach suchten sie nach möglichen Zimmerdekorationen im Internet.

"Es gibt da einen Laden", sagte Anna auf einmal leise. "Der ist allerdings am Hafen, meine Tante war dort vor einer Woche und hat davon geschwärmt, wie toll die Artikel sind. Da bekommst du laut ihr alles, von Mal- und Kunstartikeln bis zu Dekorationen und Schmuck und kleinen Möbelstücken. Im Obergeschoss gibt es sogar eine Boutique, man kann dort auch Kleidung reparieren oder Maßanfertigen lassen."

Ji-Woo sah Lisa an. "Klingt nach einer ersten Anlaufstelle, oder?" Er nickte zu den noch kahlen Wänden. "So viel hattest du in deinem alten Zimmer nicht und hier ist Platz für neues, wenn du willst."

Lisa zog ihr Laptop näher zu sich. "Wie heißt der Laden?" Anna dachte einen Moment lang nach und sah dann auf. "Seashells & Seashore, so hieß er."

Ji-Woo rückte etwas vor, um über Annas Schulter sehen zu können.

"Klingt mehr nach einem Touristenladen, um ehrlich zu sein."

Lisa gab den Namen ein und schrieb die Adresse auf, die sie nach einem Moment des Suchens fand.

"Ich sehe am Wochenende nach.", sagte sie. "Wollt ihr mitkommen?"

"Klar." Ji-Woo grinste und schien sich mit einem Mal an etwas zu erinnern, denn sein Gesicht hellte sich auf und er wandte sich Anna zu.

"Wir können dann doch auch nach einem Geschenk für dich suchen.

Letzte Woche war schließlich dein Geburtstag und das konnten wir bisher noch nicht einmal feiern."

"Ihr müsst nicht", begann Anna und Ji-Woo ließ sich ein Stück zur Seite sinken um seine Schulter freundlich gegen ihre zu schubsen.

"Wir wollen aber. Oder, Lisa?" Er sah sie an und Lisa grinste zustimmend.

Anna nestelte ein wenig mit ihrem Ärmelsaum und ein kleines, erfreutes Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht.

Kurz darauf verabschiedeten sich Ji-Woo und Anna, wobei Lisa ihre Freunde noch einmal fest umarmte und sie ausmachten, wann sie am Wochenende aufbrechen wollten.

Lisas Vater, der vor ein paar Stunden aufgestanden war, wartete bis der Besuch gegangen war, ehe er Lisa fragte, ob sie ihn zum einkaufen begleiten wollte.

So fand Lisa sich vor der Tiefkühlabteilung wieder, auf der Suche nach gefrorenem Fisch. Sie musterte ein paar der Artikel und machte einen Schritt zurück um etwas mehr in die Kühlregale an der Seite sehen zu können, da stieß sie plötzlich unerwartet mit jemandem zusammen.

"Oh, Entschuldigung", sagte sie rasch und wandte sich um.

Die Frau hinter ihr hatte ihre hellblonden Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden. Sie trug dunkle Jeans, dazu Militärstiefel und eine zu große Lederjacke über ihrem einfarbigen, dunkelroten Hemd. Die Frau war vielleicht Anfang oder Mitte dreißig und warf ihr einen kleinen, stirnrunzelnden Blick zu.

Das eigenartigste jedoch war das Gefühl von Stille, das an den Schultern der Frau zu hängen schien, wie Energie, die zwischen leiser, unverrückbarer Kraft und, eigenartigerweise, vertrauter Einsamkeit schwankte.

"Schon gut", sagte die Frau schließlich und trat um Lisa herum. Sie blieb jedoch zwei Schritte neben ihr stehen und öffnete eines der Kühlregale.

Lisas Blick fiel dabei auf ihr rechtes Handgelenk, denn während die Finger der Frau sich um den Griff der Tür schlossen, rutschte der Ärmel der Jacke etwas zurück. Lisa sah, dass Worte auf die Haut tätowiert waren, doch bevor sie den Satz lesen konnte, trat die Fremde vom Kühlregal zurück.

Ihre Blicke begegneten sich kurz und die Frau runzelte immer noch leicht die Stirn. Überhaupt wirkte sie, als wäre sie nicht in der besten Stimmung.

Sie musterte Lisa und schien etwas sagen zu wollen, ehe sie sich mit einem kleinen Kopfschütteln anders überlegte. Sie wandte sich um und ging weiter.

Lisa sah ihr verwirrt hinterher und runzelte jetzt selbst ein wenig die Stirn. Wie merkwürdig. Sie holte kurz darauf aus dem Kühlregal was sie suchte und sah sich nach weiteren Artikeln um, die sie brauchten.

Sobald sie wieder bei ihrem Vater war, legte sie in den Einkaufwagen was sie mitgebracht hatte.

"Ist alles in Ordnung?", fragte er, sobald sie an der Kasse standen und Lisa inne hielt, als sie wieder die blonde Frau sah, die jetzt vor ihnen in der Reihe stand.

"Klar." Sie nickte und ihr Vater wandte sich ab um die Einkäufe auf das Band zu legen.

Lisa ertappte sich dabei, wie sie immer wieder einen Blick zu der rechten Hand der Fremden warf, besonders sobald sie die Hände hob um den Pin ihrer Bankkarte einzugeben.

Wieder sah Lisa die geschwungenen Linien von Worten am Handgelenk der Fremden. Bevor sie jedoch etwas mehr sehen konnte, ließ die Frau wieder die Hände sinken und griff nach ihren Einkäufen. Die Blonde warf der Kassiererin einen Abschiedsgruß zu und verschwand aus dem Laden.

Lisas Aufmerksamkeit wurde kurz darauf auf etwas anderes gezogen und im Laufe der nächsten Tage bis zum Wochenende hin, richtete sie mit ihrem Vater das Haus fertig ein und pflanzte ein paar Blumen und Kräuter im Garten ein.

Am Samstagvormittag traf sie sich schließlich mit ihren Freunden und sie fuhren zusammen mit dem Wagen von Ji-Woos Eltern an die Küste, wo sich der Laden bei einem kleinen, heimeligen Hafen, in altem Stil erbaut, befand.

Der Hafen mit seinen verwinkelten Straßen und Gassen mit alten, farbigen Häusern lebte schon seit ein paar Jahren hauptsächlich vom Touristengeschäft und nur noch wenig vom Fischfang.

Es gab kaum noch Fischer, die das Geschäft als Lohnenswert empfanden und die wenigen Schiffe am Hafen, die keine Segelschiffe oder kleine Jachten von reicheren Stadtbewohnern waren, gehörten entweder alten Seefahrern oder deren Kindern, die den Fischfang noch ein wenig am Leben erhielten. Es gab auch noch eine Fähre, die verschiedene kleine Häfen abfuhr und am Abend hier wieder einlief.

Seashells & Seashore war ein hellblau gestrichener Laden, der sich an der Mitte der Hauptstraße hinab zu den Docks befand.

Lisa fand, sie hatten Glück heute. Die Sonne schien, mit nur wenigen Wolken am Himmel, und das Meer war friedlich und sah beinahe so angenehm und schön bezaubernd aus wie auf Postkarten.

Seashells & Seashore hatte ein dunkelblaues Holzschild über der Eingangstür hängen, auf dem in weißen Lettern der Name stand. Unter den geschwungenen Worten war eine ebenso weiße Muschel gemalt.

Ein Blick in das Schaufenster, umrahmt von weiß gestrichenem Holz, zeigte ein paar ausgestellte Farben, Dekorationen und ein Schild über die Boutique im ersten Stock und das Bilder erworben oder auf Anfrage gemalt werden konnten.

Ein sanftes, helles Klingeln begleitete sie in den Laden hinein, sobald sie die ebenfalls hellblau gestrichene, dicke Holztür öffneten, an der die Farbe jedoch langsam ein wenig zu verblassen schien.

Augenblicklich kam Lisa ein Geruch entgegen, der sie an einen friedlichen, schönen Tag am Strand erinnerte. Es roch nach Sonnenschein, entspannten Muskeln und einem zufriedenem Lächeln auf dem Gesicht, so eigenartig wie der Gedanke im ersten Augenblick auch war.

Zusammen mit dem Geruch war es, als würde eine positive Energie in der Luft des Ladens hängen. Es war wie Licht und Leichtigkeit entlang der Schultern und in jedem Atemzug. Lisa schüttelte leicht den Kopf, um sich auf den Rest des Raumes zu konzentrieren.

Der Laden selbst war größer, als er von außen gewirkt hatte und gegenüber von der Eingangstür, führte eine etwas schmale Treppe an der Längsseite entlang nach oben zur Boutique.

Viele verschiedene Regale füllten den Raum und egal wohin Lisa auch sah, es schien immer etwas neues ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. An einer Stelle standen wunderschön geschnitzte Hocker und Stühle und kleine Tische. An einer anderen gab es faszinierend gemalte Bilder an den Wänden zwischen den Regalen, zusammen mit Farben und Pinseln und der einen oder anderen blanken Leinwand an einer Ecke des Raumes.

Je weiter sie sah, desto mehr schien der Laden sich der Länge nach bis zur Kasse hin zu offenbaren. Von Kerzen die nach Rosenbädern, Regentagen und schönen Erinnerungen oder geliebten, viel gelesenen Büchern rochen bis zu verschiedenem Schmuck und allerlei Dekorationen. Die Hälfte des Ladens schien in sanften blau, weiß oder hellem Türkis gehalten zu sein und das meiste davon war Meeres- oder Strandbezogen.

Lisa liebte es.

Ihre Freunde und sie fühlten sich, als würden sie mit jedem weiteren Regal kleine Schätze finden, während der eine oder andere Kunde sich an ihnen vorbei schob um an die Kasse zu gelangen und zu zahlen.

Schließlich suchte Lisa paar Dekorationsartikel heraus die sie mitnehmen wollte und Ji-Woo und sie ermutigten Anna, sich zwei Geschenke auszusuchen, die von ihren Freunden bezahlt werden würden.

Sie hatten Glück, dass die Kasse gerade frei war, als sie an das Ende des Ladens zum Tresen traten. Die junge Frau, die hinter der Kasse saß hatte langes, feuerrotes Haar, unzählige Sommersprossen auf ihrem gesamten Gesicht verteilt und meergrüne Augen. Ihr Grinsen war freundlich und einladend. An ihrer Seite, in einem kleinen, metallenen Ständer, brannte eine der Kerzen die sie verkauften.

Dann bemerkte Lisa die zwei dünnen, silbernen Narben an der Kehle der Kassiererin, eine an jeder Seite. Sie begannen jeweils an der Seite ihres Halses, ein Stück unter den Ohren, und neigten sich dann nach unten, bis sie fast den Kehlkopf in einem sanften Schwung erreichten.

Die junge Frau winkte sie näher und Lisas Blick fiel nun auf die Farbreste, die in kleinen Flecken an ihrer Handkante und den Fingerspitzen festgetrocknet waren.

"Hallo", grüßte die Rothaarige sie und Lisa reichte ihr die Artikel, die sie kaufen wollte. Sobald die bezahlt waren, legten Ji-Woo und sie gemeinsam die Geschenke für Anna dazu.

Die Frau hob kurz eine Braue und las dann die Barcodes ein.

"Geschenke?", fragte sie beiläufig und Ji-Woo nickte.

"Für Anna." Er trat zur Seite und schob Anna etwas vor, von wo sie sich etwas hinter ihn gestellt hatte um weniger aufzufallen. Der Blick der Kassiererin fiel auf Anna und sie grinste warm.

"Alles Gute. Der wievielte ist es?", fragte sie und begann die Geschenke in eine braune Papiertüte zu legen.

"Der neunzehnte", sagte Anna leise und ihr sonst so blasses Gesicht bekam ein wenig Farbe unter der Aufmerksamkeit.

Die Kassiererin lächelte etwas breiter, was ihre weißen Zähne offenbarte und dann lehnte sie sich zur Seite um einen Stift aus einem türkisenen Glas zu ziehen. Sie legte ihn zu den Geschenken dazu.

"Kleines Extra, zur Feier des Tages", sagte sie mit einem schiefen Grinsen.

"Nein, ich könnte nicht –", begann Anna und die Frau lehnte sich mit den Ellbogen auf die Theke.

"Oh, aber ich bestehe darauf. Jemand der so hübsch ist wie du, verdient ein hübsches Geschenk", sagte sie leichthin und Annas Augen weiteten sich überrascht, ehe sie verlegen aber mit einem kleinen Lächeln etwas den Kopf senkte.

"Danke", murmelte sie und nahm die Tüte von der Kassiererin entgegen.

Bevor jedoch noch etwas gesagt werden konnte, trat ein weiterer Kunde zu ihnen und Lisa machte mit ihren Freunden Platz, ihre Einkäufe sicher in ihren Händen.

"Ich bin fast mit dem Bild fertig und mir ist eine Farbe ausgegangen.

Eure Perlmuttfarbe scheint allerdings auch aus zu sein", sagte er und er hatte genauso wie die Kassiererin Farbe an den Händen. Ähnlich wie von dem Laden, schien auch eine Energie von ihm auszugehen. Er wirkte jedoch aufgeregt und erfreut, wie der gelungene Versuch Steine mehrfach über das Wasser hüpfen zu lassen. "Das Regal ist an der Stelle leer, ich hoffe, du hast noch welche irgendwo?" "Die Farbe ist leider noch in Produktion", antwortete die junge Frau bedauernd und der Mann sackte ein wenig in sich zusammen. "Am Montag dürfte ich sie allerdings fertig haben. Ich werde dir ein Glas davon zur Seite stellen."

Der Mann nickte dankbar, doch mehr konnte Lisa von ihrem Gespräch nicht mehr verstehen, da sie den Laden mit ihren Freunden wieder verließ.

Draußen zog etwas Lisas Aufmerksamkeit auf sich und sie bückte sich überrascht. Auf den Pflastersteinen lag ein Geldschein.

Ji-Woo lachte kurz. "Das nenne ich mal Glück, Lisa", meinte er grinsend.

"Man findet nicht jeden Tag Geld auf dem Boden."

"Stimmt." Anna nickte. Sie war immer noch ein bisschen rot im Gesicht und ihr Lächeln war erfreut und gefüllt mit Leichtigkeit und Humor.

Lisa gab ihnen recht. Es passierte selten, dass einer von ihnen mal etwas fand und sie wandte den Schein kurz zwischen ihren Fingern, ehe sie ihre Freunde ansah.

"Ich lade euch auf ein Eis ein", sagte sie dann und hielt kurz das Geld hoch. "Wenn ich es schon finde, kann ich es auch teilen."

Ji-Woo legte ihr und Anna einen Arm um die Schultern, wobei Lisa wieder bemerkte, dass er kaum einen halben Kopf größer war als sie selbst.

"Meine Damen, ich weiß genau, wo wir hin gehen", sagte er vergnügt und zog sie mit sich die Straße hinab in Richtung der Docks.

"Was hat die Frau dir eigentlich geschenkt?", fragte Ji-Woo dann an Anna gewandt. Sie warf einen Blick in die Tüte und holte etwas hervor.

"Einen Stimmungsstift", sagte sie, sobald sie das Etikett gelesen hatte und sie zog den Stift aus seiner Verpackung. "Angeblich ändert er die Farbe, je nachdem wie es mir geht."

Ji-Woo hob eine Augenbraue. "Ich weiß ja nicht recht. Wahrscheinlich ist die Tinte so eingefüllt, dass sich nach einer gewissen Zeit die Farbe wechselt. Diese Stimmungsringe, die immer noch so beliebt bei Touristen sind, sind schließlich auch eher Schwachsinn."

Anna musterte den Stift etwas länger und schrieb dann auf die Handfläche ihrer anderen Hand. Die Farbe, die der Stift hinterließ, war von einem gräulichen, dunkleren Blau und änderte sich dann langsam zu einem hellen Himmelsblau, ehe die Farbe zu einem sanften Gelb schwang.

Ji-Woo sah überrascht auf ihre Hand. "Eigenartig. Wir können den Stift ja ausprobieren."

An der Eisdiele angekommen und nach dem Ji-Woo zusammen mit ihrem Eis noch ein paar mehr Servietten geholt hatte, taten sie das.

Ji-Woos saubere Schrift wurde von einem grünlichen braun zu einem leichten orangenen rot. Lisa, die direkt darauf ein paar Kringel auf die Serviette malte, hinterließ hellblaue Muster.

"Okay, das ist cool", gab Ji-Woo zu und Anna schob den Stift vorsichtig und mit einem kleinen, erfreuten Grinsen in ihre Tüte zurück. "Sag Bescheid, wenn du denkst, der Stift ändert wirklich je nach Stimmung die Farbe."

In diesem Augenblick hörten sie einen wütenden Ruf und Lisa neigte sich mit ihren Freunden etwas zur Seite, um an einer Dekorationspflanze der Eisdiele vorbei blicken zu können. Sie saßen draußen und konnten nun zu den Docks sehen, die nur ein paar Meter entfernt begannen.

"So eine verfluchte Scheiße", schimpfte ein Fischer, das Gesicht wettergegerbt und die Hände schwielig und stark von der harten Arbeit auf See. "Die westliche Bucht ist die Hölle, irgendwas im Wasser zerreißt die Netze."

"Das sind die Meermenschen", sagte in diesem Moment ein anderer, weitaus älterer Fischer, der entspannt an einem Pfeiler der Docks lehnte.

Er sprach gerade noch laut genug, dass Lisa und ihre Freunde ihn verstehen konnten. "Jeder weiß, dass die Bucht im Westen nie Fang bringt."

"Oh, verschone mich", grollte der Mann mit den zerrissenen Netzen, der sie in einer großen Kiste vom Schiff zerrte. "Ich habe inzwischen genug von Meerjungfrauen, Wassertrollen und Höhlengeistern gehört. Ich bin kein Kind mehr, erzähl diesem Mist jemandem, der‘s glaubt."

Der alte Fischer hob missbilligend eine Augenbraue. "Wassertrolle und Höhlengeister gibt es nicht." Dann grinste er spitzbübisch. "Aber Wassergeister und Höhlentrolle, die schon."

Der andere Mann stöhnte aufgebracht auf und stapfte dann finster und übel vor sich hin schimpfend und fluchend davon.

Jeder, der etwas Zeit am Hafen verbrachte, kannte die Geschichten, die von den alten Seefahrern erzählt wurden. Lisa selbst hatte schon die eine oder andere gehört, als ihr Vater mit ihr an freien Tagen ans Meer gefahren war.

Er hatte es vor allem nach dem Tod ihrer Mutter häufiger getan, auch wenn Lisa zugeben musste, dass sie sich nicht viel an ihre Mutter erinnerte. Sie war noch zu jung gewesen.

Laut den alten Seebären gab es in einer Bucht, die ein oder zwei Meilen Richtung Westen der Küste entlang entfernt lag, tief unten eine Höhle mit Meermenschen, die Netze zerrissen und Schiffe zum kentern brachten. Auf den Wellen zu weit außerhalb des Hafens tanzten die Wassergeister und brachten die Wellen dazu, hoch aufzuschlagen und Höhlentrolle grölten in stürmischen Nächten durch die Höhlen, Klüften und Nischen der Klippen, die sich entlang des Meeres wie furchige Riesen erhoben.

Es waren oftmals sogar überraschend nette Geschichten und Lisa war sich sicher, dass selbst die alten Fischer sie als Märchen abtaten.

Dennoch suchte niemand außer den jüngeren Seefahrern die westliche Bucht auf. Die alten Fischer rieten auch Touristen oder Seglern davon ab, sich dort aufzuhalten oder zu weit auf das Meer hinaus zu fahren.

"Wer an so etwas glaubt, kann auch gleich an Feen und Kobolde glauben", sagte Ji-Woo in diesem Augenblick kopfschüttelnd. "Oder Riesen und Drachen." Er wandte sich seinem Eis zu. "Bestimmt liegt es an Strömungen und scharfen Unterwasserfelsen, dass die westliche schlechten Fang bringt."

Lisa und Anna wandten sich ebenfalls ihrem Eis zu, wobei Lisa insgeheim bei sich dachte, dass es schön wäre, wenn es Fabelwesen wirklich gäbe.

Wenn etwas von der Magie in den vielen Geschichten auch wirklich in dieser Welt existieren würde.

Doch sie behielt diese Gedanken für sich und sobald sie aufgegessen hatten, machten sie sich zusammen wieder auf den Heimweg.

Ji-Woo setzte Lisa zuerst ab, ehe er zu Anna und dann zu sich nach Hause fuhr.

Ihr Vater war wieder Zuhause, als Lisa zurück kam und grüßte sie mit einem halb abwesenden Ruf, während er über seinem Laptop gebeugt da saß. Lisa warf im vorbeigehen einen Blick darauf und sah, dass er sich nach einem Esstisch umsah.

Ihren alten hatten sie weggeworfen, da er bereits zu wackelig und abgenutzt war, um ihn in ihr neues Zuhause mitzunehmen.

Nach einem schnellen Abendessen fanden sie sich gemeinsam für einen Filmeabend auf dem Sofa ein und eine Schale Popcorn wanderte zwischen ihnen hin und her. Lisas Vater pflegte immer zu sagen, dass er teilweise nur dank ihr noch mitbekam, was alles so in den Kinos erschien.

In dieser Nacht, in einem Zimmer ohne Kartons und mit neuen Dekorationen, fand Lisa ihr neues Zuhause weniger fremd als zuvor. Die Geräusche waren immer noch ungewohnt, doch Lisa liebte den ganzen Platz, den ihre kleine Wohnung, in der sie zuvor gelebt hatten, nicht geboten hatte.

Sie liebte die Ruhe der kleinen Nachbarschaft und wie nah sie dem Meer von hier waren. Es war doch die beste Entscheidung gewesen, ihre Wohnung in der Stadt aufzugeben und an den Rand zu ziehen, auch wenn Lisa anfangs Bedenken gehabt hatte.

Sie schlief in dieser Nacht erst spät und langsam ein und ihre Träume wurden begleitet von dem Rauschen von Wellen und einem sanften, hellen Summen.

~*~

Das neue Haus verlor bereits am Ende der dritten Woche das Gefühl von Fremdheit. Lisa kannte inzwischen die Stufen und Kanten des Hauses gut genug, dass sie selbst im Halbschlaf die Küche oder das Wohnzimmer erreichte, ohne zu stolpern oder mit der Schulter gegen die Ecken der Wände zu stoßen.

Heute war auch der letzte Tag, den ihr Vater im Schichtdienst verbrachte und Lisa war froh darum, als sie ihn am späten Morgen nach Hause kommen sah, müde und beinahe schon grau im Gesicht.